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Gernguckers Filmtagebuch





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Mad Circus (und etwas mehr)



Mad Circus (Alex de la Iglesia)

Ein letzter Höhepunkt im Kinojahr 2011, der aber definitiv kein Lieblingsfilm von mir ist. Alex de la Iglesia hat eine furiose Mischung aus Horrorfantasie und Spaniens Geschichte unter Franco geschaffen, in der zwei tragische, entfesselte Clowns um eine Zirkusartistin buhlen. Über die Deutungstiefe und politische Symbolisierung der Figuren mag man streiten können, ebenso wie über die Notwendigkeit der vielen gezeigten Gewalt. Aber die Inszenierung des Midnight-Movies ist wirklich toll, dem spanischen Genreregisseur gelingen ein ums andere Mal so großartige wie grausame Szenen - atemberaubend, düster und beeindruckend bebildert. Eigentlich überhaupt nicht meine Art Film, aber ich fand ihn wirklich sehr beachtenswert.



Der recht solide Rest von 2011:

Bessere Zeiten (Pernilla August)
Gutes Familiendrama, in dem sich ein jahrelang ausgeschwiegener Mutter-Tochter-Konflikt auflöst.

Die verlorene Zeit (Anna Justice)
Eine zum Ende immer besser werdende Geschichte über zwei Menschen, die sich im Krieg aus den Augen verloren haben. Toll: Dagmar Manzel.

Cheyenne (Paul Sorrentino)
One-Man-Show von Sean Peann in einem grotesken Roadmovie, das mehr Augenmerk auf seinen außergewöhnlichen Protagonisten als auf eine dramaturgisch verdichtete Handlung legt. Herrlich köstlich in Nebensächlichkeiten.

Atmen (Karl Markovics)
Eine gute, stille und letztlich auch überraschende Geschichte über einen Jugendlichen vor einem Neubeginn, den er nicht betreten kann, ohne sich mit seiner Vergangenheit zu arrangieren.

The Help (Tate Taylor)
Ein vorzügliches Darstellerinnen-Ensemble und eine kluge wie unterhaltsame Geschichte gegen schwarz-weiße Rassenvorurteile in den 1960ern.




Meine Güte, haben die Narren "Balada triste de trompeta" tatsächlich mit "Mad Circus" übersetzt? Anscheinend ja, denn ich erkenne in Deiner Beschreibung den Film wieder. :) Ja, die Dreiecksbeziehung der bewusst eindimensionalen Figuren würde ich ganz klar als politische Allegorie sehen. Die Gewalt fand ich passend (genial: die "Hau den Lukas"-Szene auf dem Jahrmarkt). Einer der meiner Meinung nach besseren Filme des Jahres 2011. :)

Die restlichen Filme kenne ich (leider) nicht. Vor "The Help" graust es mir aber ungeheuerlich. Ich habe bisher vermieden, mir den Streifen anzusehen. *schauder*
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Die politische Allegorie der drei Figuren ist mir bewusst. Nur ist mir nicht ganz klar, wie detailreich sie ausformuliert und verstanden werden wollte. Die häufigen Nachrichteneinsprengsel im Film suggerierten mir eine größere Interpretierbarkeit, wie ich beim Sehen wahrnehmen konnte. Aber egal. Mir genügte zu verstehen, wie das Volk zwischen Faschismus und Revolution hin und hergerissen wird.
Ich fand jene Szene am Anfang, als die all die Zirkusleute so grotesk gegen Franco in den Kampf stürmten, und jene am Ende auf dem Monumente Nacional de Santa Cruz am beeindruckendsten.

"The Help" ist sicher besser, als du befürchtest, aber vermutlich wirklich nicht deine Baustelle. Dich könnte das bewusste Übersteigern einiger Figuren zur Karikatur unangenehm aufstoßen. Mit dem großartigen "Die Farbe Lila" kann sich der Film keineswegs messen, ich fand ihn aber gut ausgewogen zwischen Unterhaltung und Aussage.
Am ehesten würde mich deine Meinung zu "Cheyenne" interessieren. Der spaltet die Meinungen meiner Bekannten und finde mich so ziemlich genau in der Mitte wieder.
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Genau. Wie Du schreibst, geht es bei dieser Figurenkonstellation um die Hin- und Hergerissenheit Spaniens zwischen zwei politischen Systemen bzw. um die Rivalität, den Kampf dieser Systeme um das Land. Und offenbar kommentiert Álex de la Iglesia die politische Geschichte seines Landes als grotesken, bitterbösen Zrkus. Viel mehr würde ich da auch gar nicht rein interpretieren wollen als Außenstehender. Es mag aber sein dass spanische Zuschauer in diesem Film mehr erkennen.

"Cheyenne" ist vorgemerkt, lan.

(Gut dass Du den Namen des Regisseurs angegeben hast, denn in der IMDB ist der Film unter dem Titel "Cheyenne" sehr schwer zu finden. Also habe ich nach dem Regisseur auf IMDB gesucht und dadurch erst "This Must Be The Place" gefunden. Puh.)
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Ich muss auch häufig die Originaltitel deiner Filme googeln, denn nicht bei jedem ist er mir geläufig. Am ehesten kenne ich mich mit Originaltiteln jeder Filme aus, die ich bei Festivals gesehen oder zumindest registriert habe. Bei den Filmen aus dem normalen Kinoprogramm bin ich so bequem und übernehme den deutschen Titel. Sei er nun gelungen oder nicht.
Und genau um solche Zuordnungsherausforderungen lösen zu können, schreibe ich ja den Regisseur mit dazu. ;-)
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Gerngucker
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