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Gernguckers Filmtagebuch





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The Artist, Drive und mehr



Auf die Schnelle noch ein paar Kurzkommentare zu meinen letzten Filmen:


Tage, die bleiben
(Pia Strietmann)

Groteskes Drama über Trauerverarbeitung und Kittung einer zersplitterten Familie. Letzteres funktioniert nur sehr bemüht und lehrbuchhaft. Jedoch gegen Ende am Grab war ich sehr berührt, vor allem durch die unkomplizierten Integrationen der familiären "Nebenbuhler". Insgesamt eher mäßig.


The Artist
(Michel Hazanavicus)

Eine wunderschöne Offenbarung im 3D-Zeitalter. Eine mit den Mitteln des Stummfilmes spielende Ode an das Stummfilmzeitalter und seinen Niedergang durch den Tonfilm, verkörpert durch zwei tolle Darsteller. Für einen wirklichen "klassischen Stummfilm" ist er mir eine Idee zu lang geraten, zu abschweifend. Eine leichte Straffung besonders in der zweiten Hälfte hätte dem Film gut getan. Dennoch hat Hazanavicus toll inszeniert und mit Uggy eine verzaubernde Trumpfkarte draufgepackt. "The Artist" ist eine Erinnerung an eine gute alte Zeit, genau zum rechten Augenblick, denn erneut stehen wir vor einem möglichen technischen Wandel, der mehr verblendet als überzeugt. Ja, gebt ihm den Oscar!


Drive
(Nicolas Winding Refn)

"Drive" ist ein so moderner wie altmodischer Actionthriller, ein Retrofilm, der an große Erfolgsformeln vergangener Zeiten erinnert und sich dabei angenehm vom aktuellen Mainstream abhebt. Als maskuliner Fetischfilm spielt er mit röhrenden Motoren, schmiegsamen Leder, Geschwindigkeit, aufblitzender Gewalt und kühler Besonnenheit, einem einsamen Helden, einer schönen wie beschützenswerten Frau (wunderbar: Carey Mulligan!!!) und der stimmungsvollen Nacht. "Drive" empfand ich als sehr stimmig inszeniert, bebildert und musikalisch unterlegt. Ein Film vom Gestern im Heute, der trotz seiner stellenweise extremen Brutalität sehr zu gefallen wusste.


Dame, König, As, Spion
Tinker, Tailor, Soldier, Spy
(Tomas Alfredson)

Ein spannender, formal sehr gut gestalteter und aufmerksamkeit-fordernder Agententhriller über die Suche nach einem Maulwurf an der Spitze des britischen Geheimdienstes in den 1970igern. Die Atmosphäre ist aufgeladen, das Setting angenehm altmodisch, die Kamera nüchtern-kühl, das Ensemble, geführt von Gary Oldman, erstklassig. In kleineren Details kam ich beim Verstehen des Plots und seines Figurenkosmos nicht ganz mit. Dafür hatte ich die Identität des Maulwurfes schon sehr früh richtig vermutet.


The Descendants
(Alexander Payne)

Das Familienvehikel von Alexander Payne (an dessen "Sideways" ich sehr gern zurückdenke) mit Georg Clooney empfand ich insgesamt als eher enttäuschend und überschätzt. Die Geschichte ähnelt ein wenig jener von "Tage die bleiben": eine Familie bereitet sich auf den Tod der Frau/Mutter vor und muss sich dabei selbst neu finden. Gerade in der Figurenzeichnung schwächelt der Film. Zu schnell wandelt sich die große Schwester, zu dämlich wird deren Freund charakterisiert und unnachvollziehbar entwickelt, ganz abgesehen von ganz anderen schrecklichen Nebenfiguren. Der Film streift viele schwelende Konflikte in und im Umfeld der Familie und lässt sie wieder fallen oder formuliert sie nur halbherzig zu Ende. Da hätte ich mich über eine stärkere Fokussierung und Vertiefung mehr gefreut. Gerade die Parallelerzählung um die Zukunft des Landbesitzes kam mir viel zu kurz.




"The Artist" beurteile ich doch etwas zurückhaltender, da verweise ich gern noch mal auf D.C.L.s Kommentar in seinem Filmtagebuch, weil seine Kritikpunkte auch genau meine sind (und bei den Sachen, die wir gut fanden, sieht es eigentlich genauso aus).

Dafür bestärkt mich Dein Kommentar zu "The Descendants" in meiner hartnäckigen Unlust, den zu sehen. Sowohl der Trailer als auch diverse Kritiken (auch die wohlwollenden) erweckten bei mir den Eindruck eines Films, der mich nicht wirklich interessiert.
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Zustimmung zu DRIVE. Fand den ebenfalls sehr fesselnd
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Settembrini sagte am 11. Februar 2012, 22:38:

"The Artist" beurteile ich doch etwas zurückhaltender, da verweise ich gern noch mal auf D.C.L.s Kommentar in seinem Filmtagebuch, weil seine Kritikpunkte auch genau meine sind (und bei den Sachen, die wir gut fanden, sieht es eigentlich genauso aus).

Ich glaube, so unterschiedlich sehen wir "The Artist" gar nicht. Ich schwärme ja eher aus nostalgischen Gründen, weil "The Artist" (wie einige wenige andere aktuelle Filme auch) an schöne vergangene Zeiten zurückerinnert und im Hinblick auf den aktuell drohenden Wandel zu 3D entgegenhält, dass mit einer technischen Revolution die Kunst/der Inhalt dadurch nicht besser wird. Ich fand mich da sehr in meinem persönlichen Empfinden bestärkt (wie auch durch "The Turin Horse", "Tabu") und mochte "The Artist" deshalb sehr gern. Dass er seine Schwächen hat, gebe ich gern zu. Nur das No-Go von D.C.L. bzgl. dem Musikeinsatz kann ich momentan gerade nicht nachvollziehen, da ich immer noch die bekannte "Vertigo"-Schwäche habe ...
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Das mit "Vertigo" sollte sich aber wirklich mal ändern...
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hui, das mit Artist finde ich ganz anders, weil er gerade nur scheinbar retro ist, oder: sehr sehr oberflächlich retro.
siehe auch mein Filmtagebuch und Ubaldos Kommentar.

Drive fand ich super, nur das mit dem Fetischcharakter sehe ich anders, gerade in diesem Film werden die Autos, das Fahren eher nicht fetischiert!
Und Dame, König, As, Spion auch, siehe auch FTB
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Gerngucker, ich halte übrigens 3 D für keine gravierende Veränderung. Ich bin überzeugt, dass es auf wenige Spektakelfilme
beschränkt wird bleiben, so es nicht gänzlich wieder einschläft.
Für wirklich gravierend halte ich die Digitalisierung , und damit das Ende des physischen Filmes. Und dies nicht nur weil es einem Vorführer nun nicht mehr möglich ist, bei einem Kinderfilm
einige pornographische Filmkader an der Grenze der Wahrnehmung am Rollenanfang einzufügen(the Fightclub) oder
er nicht mehr mit den Rollen durcheinander kommen kann, wie
ich letzten Sommer erlebt habe.
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Ach ja, the Artist werde ich mir anschauen. Ich erwarte mir kein
Meisterwerk, aber einen netten Film. Der Trailer hat es mir angetan. Filme die mit Oscarnominierungen überhäuft werden, sind selten wahre Meisterwerke. Erstaunlich finde ich nur, dass
eine französische Produktion so viele Nominierungen einstreift,
besteht doch die primäre Funktion der Oscars darin, P.R. für
die amerikanische Filmindustrie aka Hollywood zu betreiben.

Vertigo gehört zu meinen absoluten Lieblingsfilmen, und halte ihn gleichzeitig für einen der besten Filme, die je gedreht wurden.
Darum halte ich es sehr bereichernd diesen Film zu kennen.
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@Karl
"The Artist" ist für mich noch retro genug. Wesentlich ehrlicher retro als das kunterbunte Ausstattungs- und Effektemärchen "Hugo Cabret", der ebenso an die Anfänge des Kinos erinnern möchte, dabei aber auf die technischen Möglichkeiten von heute samt seiner Effekte, tricktechnischen Kulissen etc. zurückgreift. Das passt in meinen Augen gar nicht zusammen. Zudem fand ich die Geschichte von "Hugo" erschreckend dünn und einfach, die Darsteller bis auf Ben Kingsley einfach schlecht. Insofern ist "The Artist" trotz seiner unbestreitbaren Schwächen für mich ein schöner nostalgischer Kinoabend gewesen. Das kann man sicher anders sehen, zumal der Film über Gebühr gelobt und ausgezeichnet wurde/wird. Das will ich nicht bestreiten.


@Antoine
Ich hoffe mit Dir, dass 3D keine gravierende Veränderung der Kino- und Filmlandschaft nach sich ziehen wird. Wenn man der Industrie mit ihrem unbeirrbarem 3D-Marketing glauben will, dann scheint 3D die einzige Zukunft des Filmes zu sein. Das ist aber in meinen Augen reines kommerzielles Gieren.
An die Grenzen des digitalen Filmes bin ich jüngst bei der Berlinale gestoßen. "Meteora" war digital gefilmt, und die Qualität der Aufnahmen wurde der archaischen Kullisse des Meteora-Gebirges nicht gerecht. Die Bilder der Außenaufnahmen (vor allem die Totalen) waren verschwommen und kontrastarm. Schade. Denn der Film hat mir ansonsten sehr gefallen.

Antoine Doinel sagte am 24. Februar 2012, 14:12:

Vertigo gehört zu meinen absoluten Lieblingsfilmen, und halte ihn gleichzeitig für einen der besten Filme, die je gedreht wurden.Darum halte ich es sehr bereichernd diesen Film zu kennen.

In meinem Fall muss es richtiger heißen: "Es ist bereichernd, diesen Film bis zum Ende zu kennen".
Settembrini kennt bereits meine erste Begegnung mit dem Film. Das war vor einigen Jahren im Kino bei einer Hitchcock-Retrospektive. Die Kopie war leider schon alt und ist wenige Minuten vor dem Ende unrettbar gerissen. Alles was am Ende auf dem Kirchturm passiert, fehlt mir leider. Das hat meinen "Vertigo"-Eindruck total überschattet. Mittlerweile hab ich den Film als TV-Aufzeichnung da, ihn aber noch nicht angesehen. Mein Unterbewusstsein will sich den vermutlich für eine umfangreichere heimische Hitchcock-Werkschau aufsparen, bei der ich dann auch endlich Truffauts Hitchcock-Buch lesen kann.
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Gerngucker
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