Zeitbedingt bin ich schon lange nicht mehr dazugekommen, mein FTB aktuell zu halten. Deshalb hat sich einiges angesammelt.
“Oh Boy” (Jan Ole Gerster)
Ganz wunderbar leichtes und elegantes Gegenwartskino: ein deutscher Debütfilm mit Format, Drive und Charme, ein Berlinfilm in schwarzweiß. Darin stolpert Tom Schilling wie Alice im Wunderland durch einen seiner typischen hindernisreichen Tage zwischen geschmissenem Studium und den großen Visionen seines Lebens, die ihm buchstäblich in der Hand zerrinnen. Er ist ein moderner Träumer und Antiheld, der gern sein Glück fest packen würde, wenn er nur könnte. Darauf einen Kaffee!
“Dicke Mädchen” (Axel Ranisch)
Ein noch wagemutigeres Debüt im aktuellen Kino. Für sage und schreibe nur wenig mehr als 500 Euro gedreht, geniert sich der kauzige Film kein bißchen vor seiner Homevideo-Qualität und gestellt wirkenden Inszenierung. Seine Geschichte lebt nur für den Augenblick, verausgabt sich zusammen mit seinen drei sympathischen Protagonisten in drei, vier urkomischen und toll gespielten Szenen und winkt gegenüber einer tiefgründigeren Dramaturgie oder Figurenzeichnung lässig ab. Die gibt’s nur im Fördermittelkino und die “Dicken Mädchen” sind weit davon entfernt. Aber der Film ist einfach für knapp anderthalb Stunden ein gelungener Kinogaudi.
“Miss Bala” (Gerardo Naranjo)
Eine junge Frau auf dem Weg zur lokalen Schönheitskönigin gerät in den Strudel der mexikanischen Mafia und durchläuft eine gefahrvolle Odyssee durch organisiertes Verbrechen, Drogenkriminalität, Korruption, Bandenkrieg und Prostitution, die ihr zwar die Krone der Misswahl einbringt aber sie in einen Abgrund aus Erniedrigung und Selbstaufgabe treibt. Die packende Inszenierung ihres entbehrungsreichen Weges kehrt ihren großen Traum in einen Albtraum um. Überraschend imponierend erzähltes und gestaltetes Kino.
“Cloud Atlas” (Tom Tykwer, Warchowski-Geschwister)
Die herausfordernde Verfilmung eines herausfordernden Romanes, die zwar die Erzählverschachtelung entscheidend verändert und die literarischen Eigenheiten aufweicht, aber das Konzept des komplexen Stoffes mit filmischen Mitteln fortführt, indem die gleichen Schauspieler (durch eine sensationelle Maske mitunter kaum wiederzuerkennen) Rollen in allen Episoden übernehmen, sich ähnelnde Kulissen und Bauten wiederkehren und durch die Parallelität der Erzählung visuelle und inhaltliche Verknüpfungen aufgezeigt werden.
“3/Tres” (Pablo Stoll)
Stiller, beobachtender Gegenwartsfilm über eine auseinandergedriftete Familie, der seinen Figuren allen Platz einräumt, um den langen Weg einer seltsamen Wiederannäherung erfahrbar zu machen.
“Winterdieb” (Ursula Meier)
In einem noblen Winterurlaubsort sichert sich ein Junge seinen Lebensunterhalt, in dem er als neuzeitlicher Robin Hood den Reichtum von oben nach unten verteilt. Ursula Meier begleitet ihn beim Wechsel zwischen den hermetisch voneinander abgetrennten Welten und Gesellschaftsschichten und verfolgt seine Sehnsucht nach Nähe zu seiner “Schwester”, mit der er in einem seltsam distanzierten Verhältnis in einer Wohnung lebt und für deren Auskommen er als Mann in der Familie sorgt.
“Parked" – Gestrandet” (Darragh Byrne)
Eine “Ken Loach”-ähnliche Geschichte, die respektvoll und ruhig auf Augenhöhe seines Protagonisten erzählt wird und fast ein wenig zu märchenhaft endet.
“Huacho” (Alejandro Fernandez Almendras)
Der Alltag einer einfachen Familie wird aus dem Blickwinkel seiner Mitglieder erzählt. Viermal erleben wir den gleichen Tag, der sich vom gemeinsamen Frühstückstisch in die Wege von Großvater, Großmutter, Tochter und Enkel auftrennt. Alle Protagonisten müssen sich gegen ihren sozialen Stand, Demütigungen, ihre Armut und finanziellen Abhängigkeiten zur Wehr setzen und nur einer dieser Personen gelingt es am Ende, dem erniedrigenden Alltag gerissen genug zu begegnen, um sich nicht als Verlierer zu fühlen. Ein gut gestalteter und breit gefasster Streifzug durch die arme Bevölkerung von Chile.
“Der Hobbit” (Peter Jackson)
Das einbändige Kinderbuch Tolkiens, ausgewalzt zu einem 3-Teile-Filmepos, das sich aus idiotischen kommerziellen Überlegungen heraus anschickt größer als “Der Herr der Ringe” werden zu wollen. Die arg gestreckte Geschichte wird von Beginn an mit viel Action, Monstern und dunkler Bedrohung angereichert und damit dem Ton der liebevoll und kurzweilig geschriebenen Vorlage nicht gerecht. Schade, dass Tolkiens märchenhafte Welt nun derlei technischen Schnickschnack wie 3D oder höherer Bildrate braucht. Schon allein dadurch geht Mittelerde nun zu grunde.
“In ihrem Haus” (Francois Ozon)
Trotz der Vielseitigkeit des Filmemachers in Themen und Genres kann man “In ihrem Haus” als typischen (und sehr guten) Ozon-Film ansehen, der wie schon in anderen Filmen zuvor von der Brüchigkeit zwischen Sein und Schein erzählt. Hier geht es um den Prozess des Erzählens selbst, um die Veränderung der Geschichte währenddessen, um die trügerische Vermischung von Wahrheit und Fiktion und um das spannungsvolle Verhältnis einer Lehrer-Schüler-Beziehung.
“Beasts of the Southern Wild” (Benh Zeitlin)
Phantasiegetränktes Ökomärchen aus dem Blickwinkel eines 6jährigen Mädchens erzählt, das vom Vater auf ihr Überleben vorbereitet wird. Ambitioniertes Independentkino, deutlich in den Jahren nach “Katrina” angesiedelt, das kurzzeitig märchenhaft abhebt, aber letztlich hart an der häßlichen Oberfläche seiner kaputten Welt haften bleibt.
“Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger” (Ang Lee)
Ich fand die Umsetzung des Buches sehr gut gelungen, auch wenn ich mir nur die 2D-Variante von Ang Lees prächtiger Bebilderung eines der phantastischsten Abenteuer des Kinojahres angesehen habe. Schön anzusehender Film zum Jahresausklang. Nicht mehr und nicht weniger.
“Oh Boy” (Jan Ole Gerster)
Ganz wunderbar leichtes und elegantes Gegenwartskino: ein deutscher Debütfilm mit Format, Drive und Charme, ein Berlinfilm in schwarzweiß. Darin stolpert Tom Schilling wie Alice im Wunderland durch einen seiner typischen hindernisreichen Tage zwischen geschmissenem Studium und den großen Visionen seines Lebens, die ihm buchstäblich in der Hand zerrinnen. Er ist ein moderner Träumer und Antiheld, der gern sein Glück fest packen würde, wenn er nur könnte. Darauf einen Kaffee!
“Dicke Mädchen” (Axel Ranisch)
Ein noch wagemutigeres Debüt im aktuellen Kino. Für sage und schreibe nur wenig mehr als 500 Euro gedreht, geniert sich der kauzige Film kein bißchen vor seiner Homevideo-Qualität und gestellt wirkenden Inszenierung. Seine Geschichte lebt nur für den Augenblick, verausgabt sich zusammen mit seinen drei sympathischen Protagonisten in drei, vier urkomischen und toll gespielten Szenen und winkt gegenüber einer tiefgründigeren Dramaturgie oder Figurenzeichnung lässig ab. Die gibt’s nur im Fördermittelkino und die “Dicken Mädchen” sind weit davon entfernt. Aber der Film ist einfach für knapp anderthalb Stunden ein gelungener Kinogaudi.
“Miss Bala” (Gerardo Naranjo)
Eine junge Frau auf dem Weg zur lokalen Schönheitskönigin gerät in den Strudel der mexikanischen Mafia und durchläuft eine gefahrvolle Odyssee durch organisiertes Verbrechen, Drogenkriminalität, Korruption, Bandenkrieg und Prostitution, die ihr zwar die Krone der Misswahl einbringt aber sie in einen Abgrund aus Erniedrigung und Selbstaufgabe treibt. Die packende Inszenierung ihres entbehrungsreichen Weges kehrt ihren großen Traum in einen Albtraum um. Überraschend imponierend erzähltes und gestaltetes Kino.
“Cloud Atlas” (Tom Tykwer, Warchowski-Geschwister)
Die herausfordernde Verfilmung eines herausfordernden Romanes, die zwar die Erzählverschachtelung entscheidend verändert und die literarischen Eigenheiten aufweicht, aber das Konzept des komplexen Stoffes mit filmischen Mitteln fortführt, indem die gleichen Schauspieler (durch eine sensationelle Maske mitunter kaum wiederzuerkennen) Rollen in allen Episoden übernehmen, sich ähnelnde Kulissen und Bauten wiederkehren und durch die Parallelität der Erzählung visuelle und inhaltliche Verknüpfungen aufgezeigt werden.
“3/Tres” (Pablo Stoll)
Stiller, beobachtender Gegenwartsfilm über eine auseinandergedriftete Familie, der seinen Figuren allen Platz einräumt, um den langen Weg einer seltsamen Wiederannäherung erfahrbar zu machen.
“Winterdieb” (Ursula Meier)
In einem noblen Winterurlaubsort sichert sich ein Junge seinen Lebensunterhalt, in dem er als neuzeitlicher Robin Hood den Reichtum von oben nach unten verteilt. Ursula Meier begleitet ihn beim Wechsel zwischen den hermetisch voneinander abgetrennten Welten und Gesellschaftsschichten und verfolgt seine Sehnsucht nach Nähe zu seiner “Schwester”, mit der er in einem seltsam distanzierten Verhältnis in einer Wohnung lebt und für deren Auskommen er als Mann in der Familie sorgt.
“Parked" – Gestrandet” (Darragh Byrne)
Eine “Ken Loach”-ähnliche Geschichte, die respektvoll und ruhig auf Augenhöhe seines Protagonisten erzählt wird und fast ein wenig zu märchenhaft endet.
“Huacho” (Alejandro Fernandez Almendras)
Der Alltag einer einfachen Familie wird aus dem Blickwinkel seiner Mitglieder erzählt. Viermal erleben wir den gleichen Tag, der sich vom gemeinsamen Frühstückstisch in die Wege von Großvater, Großmutter, Tochter und Enkel auftrennt. Alle Protagonisten müssen sich gegen ihren sozialen Stand, Demütigungen, ihre Armut und finanziellen Abhängigkeiten zur Wehr setzen und nur einer dieser Personen gelingt es am Ende, dem erniedrigenden Alltag gerissen genug zu begegnen, um sich nicht als Verlierer zu fühlen. Ein gut gestalteter und breit gefasster Streifzug durch die arme Bevölkerung von Chile.
“Der Hobbit” (Peter Jackson)
Das einbändige Kinderbuch Tolkiens, ausgewalzt zu einem 3-Teile-Filmepos, das sich aus idiotischen kommerziellen Überlegungen heraus anschickt größer als “Der Herr der Ringe” werden zu wollen. Die arg gestreckte Geschichte wird von Beginn an mit viel Action, Monstern und dunkler Bedrohung angereichert und damit dem Ton der liebevoll und kurzweilig geschriebenen Vorlage nicht gerecht. Schade, dass Tolkiens märchenhafte Welt nun derlei technischen Schnickschnack wie 3D oder höherer Bildrate braucht. Schon allein dadurch geht Mittelerde nun zu grunde.
“In ihrem Haus” (Francois Ozon)
Trotz der Vielseitigkeit des Filmemachers in Themen und Genres kann man “In ihrem Haus” als typischen (und sehr guten) Ozon-Film ansehen, der wie schon in anderen Filmen zuvor von der Brüchigkeit zwischen Sein und Schein erzählt. Hier geht es um den Prozess des Erzählens selbst, um die Veränderung der Geschichte währenddessen, um die trügerische Vermischung von Wahrheit und Fiktion und um das spannungsvolle Verhältnis einer Lehrer-Schüler-Beziehung.
“Beasts of the Southern Wild” (Benh Zeitlin)
Phantasiegetränktes Ökomärchen aus dem Blickwinkel eines 6jährigen Mädchens erzählt, das vom Vater auf ihr Überleben vorbereitet wird. Ambitioniertes Independentkino, deutlich in den Jahren nach “Katrina” angesiedelt, das kurzzeitig märchenhaft abhebt, aber letztlich hart an der häßlichen Oberfläche seiner kaputten Welt haften bleibt.
“Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger” (Ang Lee)
Ich fand die Umsetzung des Buches sehr gut gelungen, auch wenn ich mir nur die 2D-Variante von Ang Lees prächtiger Bebilderung eines der phantastischsten Abenteuer des Kinojahres angesehen habe. Schön anzusehender Film zum Jahresausklang. Nicht mehr und nicht weniger.
p.s: deine worte zu L'ENFANT D'EN HAUT geben nicht so recht aufschluss darüber wie du den film fandest, lan.