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The Cronicles of D.C.L. - Reloaded

Immer noch uninteressante Gedanken rund ums Thema Kino, häufig gestört durch geschwätzige Anekdoten und müde Kalauer




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Birdman...



...schafft das Kunststück, gleichzeitig eine schonungslos brachiale Abrechnung mit Leere und Hybris im Kunstbetrieb und zudem die absurd-traurige Geschichte eines Menschen, der sich selbst nicht genügt, zu sein. Eingefangen von der wie immer virtuosen Steady-Cam-Optik von Kameragenie Lubezki, der ohne erkennbare Schnitte wie eine eigenständige Figur mal ganz nahe an den Menschen dran ist, mal hemmungslos in der Schönheit von Häuserschluchten und Theatergarderoben schwelgt, treffen hier Figuren aufeinander, deren Eitelkeit genauso abstoßend ist, wie ihre Sehnsucht nach Anerkennung anrührt - und deren Authentizität bisweilen geradezu erschrickt. So ist Edward Nortons Method-Arschloch (btw. mein persönlicher Favorit inmitten von Favoriten) keine überzogene Farce, sondern einfach nur die konsequent ausgepielte Summe von fürchterlichen Schauspieler-Angewohnheiten, die jemand, der mal am Theater gearbeitet hat, allesamt kennt - wenngleich eben nicht unbedingt nur in einer Person vereint und leider nicht alle nur bei anderen. Man KENNT diesen Sack einfach, und das macht es so schwierig, ihn nicht auch ein bisschen zu mögen, obwohl es so unheimlich auf die Nerven geht, wie wichtig und relevant sich da einer nimmt, der vor ein paar hundert Leuten allabendlich ein paar Zeilen zum Besten gibt und außerhalb der Bühne eine vor Nichts triefende, phrasendreschende Witzfigur ist, genauso wie es unheimlich anstrengend ist, Andrea Riseborough und Naomi Watts beim sich gegenseitig rauf und runterkomplimentieren und -trösten in der Umkleide zuzuschauen, wobei die Behauptung, sowas sei einem völlig fremd, entweder gut verdrängt oder schlecht gelogen wäre. Überhaupt ist Alejandro G. Iñárritus größter Verdienst (neben vielen anderen) für mich immer noch, wie unheimlich echt er die Athmosphäre und den latenten Wahnsinn einer Endprobenwoche abbilden kann - nur, dass ebendieser Wahnsinn dann eben in der Größenordnung Broadway beziehungsweise Hollywoodfilm stattfindet.
Und dann ist da natürlich noch Michael Keaton.
Angesichts der reinen Kalkleistenparade unter den Schauspielnominierungen bei den diesjährigen Oscars wurde mal wieder der Umstand kritisiert, dass die einzigen wirklich spannenden, starken Rollen derzeit fast ausschließlich für weiße Männer geschrieben werden, eine Feststellung, bei welcher ich weniger das Existieren von interessanten weißen Männergeschichten als das Fehlen von interessanten schwarzen Frauengeschichten u.v.a. bekackt finde. Gerade in Bezug auf "Birdman", welcher in diesen Schriften oft auftauchte, finde ich die Kritik aber nicht weit genug gedacht, denn Iñárritu ist sich sehr wohl bewusst, wen er da in die Hauptrolle setzt und mit welchen klassischen Alphamännchenthemen er ihn konfrontiert - und wie er ihn sich schließlich daran abarbeiten und letzten Endes scheitern lässt. Natürlich ist das hier ein privilegierter Mensch, der zudem auch noch eine ihn liebende Familie und eine große Fangemeinde vorzuweisen hat, aber, und hier wird die Tragik dank Keatons weltmeisterlichem Spiel dann tatsächlich über Umwege doch noch sehr sehr greifbar und beklemmend: er sieht es nicht. In einer Zeit, in der Serien und Kinos überschwemmt sind von Männern, die allesamt einen Knacks haben, aber in irgendetwas genial sind (Dexter, Sherlock, House, Tony Stark, Hannibal, Monk, Psych undundund (diese Liste schrieb ich spontan und ohne abzusetzen)), in einer Zeit, in der trotz allen echten und vermeindlichen Verdiensten in Punkto Diversität immer noch der tragische, weiße Held hochgehalten wird (wie viele Marvelhelden sind kein Mann? Oder nicht weiß?), in dieser nicht enden wollenden Blütezeit des Abfeierns des schwierigen Genies mit Pimmel ist da einer, der in der Tat einen veritablen Knacks, aber nicht einen Anflug von Genialität vorzuweisen hat. Der in der ersten Hälfte des Films grob geschätzt die Hälfte der Namen der größten amtierenden Superstars von Downey Jr. bis Gosling zu hören bekommt, und dessen Ahnung, dass er mit diesen niemals oder nicht mehr wird mithalten können, er aber auf der anderen Seite auch ums Verrecken nicht die Tiefe besitzt, um als richtiger Künstler anerkannt zu werden, ihn langsam aber sichtbar in den Wahnsinn treibt. Somit ist dieser Film thematisch viel weniger beim viel in dem Zusammenhang erwähnten "Black Swan" anzusiedeln als bei James Gunns finsterem Meisterwerk "Super". Und Keaton als ehemaliger (bester) "Batman" natürlich die Idealbesetzung. Und er schafft etwas, worauf ich immer total stehe, was aber viel zu selten gelingt: immer wieder gibt es Momente, in denen ich erst im Nachhinein begriffen habe, was Keaton da fünf Minuten vorher gespielt hat. Und das ist dann wiederum oftmals deswegen so beklemmend, weil es einem das Gefühl gibt, man hätte es merken müssen und ihn aufhalten können - was wieder für die unerhörte Nähe spricht, die einen mit Iñárritus eigentlich nicht wirklich liebenswerten Figuren - mit Ausnahme vielleicht von einer großartigen Emma Stone als Keatons klartextredende Tochter - verbindet. Wenn es dieser etwas verworrene Text noch nicht ausreichend zum Ausdruck brachte: richtig toller Film, der noch Tage nach der Sichtung im Kopf herumspukt.

D.C.L.