...bleibt einmal mehr Martin Scorseses altem Credo "Ich mache Filme über Leute, die ich nicht kennenlernen möchte" treu, und so überrascht es einmal mehr, dass man sich von einem Werk, dass fast ausschließlich von arschlöchrigen Tätern bevölkert ist, dermaßen gut mitgezogen fühlt. Nun hat besagter Scorsese aber auch mit nunmehr 70 Jahren nichts von seinem virtuosen Gespür beim Einsatz von Kameratricks, Timing und Musik verloren und so wirkt seine Dekadenzoper allein schon durch den Umstand regelrecht frisch, dass er sich vom knallharten Thrillergenre, in welchem sich seine italienischen und irischen Mafiosi sehr blutig austoben durften, zugunsten der Groteske verabschiedet, die auch mehr zu den Broker-Gangstern passt, bei welchen zwar weniger Menschen ermordet, aber nicht minder viele Existenzen zerstört werden. Ja, der Herr kann auch böse Komödie, und so ist wie in jeder guten Satire der Film immer dann am komischsten, wenn es eigentlich am wenigsten zu lachen gibt. Tragen darf das einmal mehr sein zweiter Frühling Leonardo di Caprio, der seine zutiefst leere Figur mit so viel Leben zu füllen weiß, dass einem der Widerspruch erst hinterher auffällt, dem dann aber - und damit hätte ich nun wirklich nie gerechnet - um ein Haar die Show gestohlen wird von einem Jonah Hill, der einen so eigenständigen, lustigen, ekelhaften Menschen auf die Leinwand zaubert, dass man ihn in der ein oder anderen Einstellung trotz sehr sporadischem Maskeneinsatz kaum wiedererkennt. Wie gut wiederum der Altmeister beim Ziehen der emotionalen Trigger des Publikums ist, fiel mir persönlich spätestens auf, als ich realisieren musste, dass mich die "Abschiedsrede" von di Caprio vor versammelter Belegschaft wider besseren Wissens dessen, was man in den zweieinhalb Stunden zuvor an Scheiße hat serviert bekommen, anzurühren wusste - die Sehnsucht nach Verlogenheit schlummert schließlich mal mehr, mal weniger in jedem von uns. Chapeau.
D.C.L.
D.C.L.