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Herr Settembrini schaltet das Licht an

Oberlehrerhafte Ergüsse eines selbsternannten Filmpädagogen

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Vier Filme


Wieder mal Kurzkommentare zu meinen zuletzt gesehenen Filmen, wobei der erste großartig war, während die anderen alle - auf ganz verschiedene Weise - hinter meinen Erwartungen zurückblieben.

Die Austernprinzessin: Die Tochter eines mit Austern zum Milliardär gewordenen Amerikaners (der riesige Zigarren raucht, die an ein Luftschiff erinnern) randaliert, als sie liest, daß die Tochter eines Schuhfabrikanten sich vornehm verheiratet hat - denn natürlich will sie die Dame übertreffen! Da muß dann schon wenigstens ein Prinz her, und in dem völlig abgebrannten Prinz Nucki ist bald der richtige Kandidat gefunden; der schickt aber erst mal seinen Diener in den Milliardärspalast, was zu etwas Verwirrung führt, da dieser dann für Nucki gehalten wird.
Der Film steht wohl noch nicht ganz auf der Höhe von Lubitschs besten Tonfilmkomödien, trotzdem ist Die Austernprinzessin ausgesprochen amüsant und ideenreich. Dabei erweist sich die Titelfigur als äußerst selbstbewußt und emanzipiert, die schließlich den richtigen Prinzen sogar in einem von Milliardärstöchtern ausgetragenen Frauenboxkampf gewinnt. Lubitschs Inszenierung ist reich an visuellem Witz (wenn etwa Nuckis Diener auf einem komplizierten Muster auf dem Fußboden herumzulaufen beginnt, als man ihn im Palast ewig warten läßt), aber auch die Zwischentitel sind ungewöhnlich witzig. Ein sehr gelungener und vergnüglicher Film.

Boxhagener Platz: Die DDR im Jahr 1968: die Großmutter des 12jährigen Holger übt immer noch große Anziehungskraft auf Männer ihres Alters aus; einer davon, der alte Spartakusbund-Kämpfer Karl Wegner, gewinnt ihr Herz und freundet sich auch ein wenig mit Holger an, während ein anderer, ein alter Nazi, schon bald erschlagen gefunden wird, und es deutet sich an, daß Karl etwas damit zu tun hat...
Boxhagener Platz, der weitgehend aus Holgers Perspektive erzählt wird, hätte verschiedenes werden können: ein politischer Film über das Leben in der DDR, ein Jugendfilm, oder sogar ein Kriminalfilm mit zeitgeschichtlichem Hintergrund. Letztlich entscheidet er sich für die erste der genannten Möglichkeiten, braucht aber über eine Stunde dazu, wodurch der Film während seiner ersten zwei Drittel ein wenig unentschlossen wirkt und nur wenig fesselnd vor sich hin plätschert. Erst das letzte Drittel ist dann recht überzeugend und vermochte mich so aus der Langeweile, die der Film zunächst verbreitet, wieder herauszureißen. Letztlich aber zu spät, um noch einen wirklich eindringlichen Film daraus zu machen. Zudem muß ich leider noch anmerken, daß auch die formale Gestaltung des Films reichlich bieder ist. Es gibt manche Fernsehproduktionen, die wie Kino aussehen; auf der anderen Seite gibt es aber auch Kinofilme, die wie Fernsehen aussehen, und Boxhagener Platz gehört leider sehr entschieden zu dieser Kategorie. Ein (für mich zumindest) enttäuschender Film.

Oskar & Josefine: Die Beschreibung in der Programmzeitschrift ließ mich vermuten, daß der Film genau meine Baustelle sein müßte (zumindest, wenn es um einen netten kleinen Filmabend geht), denn die klang ungefähr so: zwei Kindern wird von einem Zauberer ein Amulett geschenkt (übrigens eine etwas ungenaue Beschreibung), mit dem sie durch die Zeit reisen können. So weit, so gut. Tatsächlich entsprach der Film dann aber doch nicht so recht diesen Erwartungen, aus verschiedenen Gründen: zum einen merkte ich, daß er als Fortsetzung zu einer Fernsehserie angelegt ist, deren Inhalt zu Beginn des Films in der denkbar knappsten Form zusammengefaßt wird: daher erweist sich die Unkenntnis dieser Serie als ein gewisses Manko beim Sehen des Films. Weitaus mehr hat mich aber gestört, daß diese Serie - der Titel Jesus und Josefine verrät es bereits - einen unübersehbaren religiösen Anstrich hat, und das ist auch in der Fortsetzung immer wieder zu spüren. (Iih...) Offen gestanden bin ich mir gar nicht sicher, ob ich mir den Film überhaupt angesehen hätte, wenn mir diese Dinge vorher bekannt gewesen wären.
Wenn man davon absieht, ist der Film eigentlich ganz nett anzuschauen. Er spielt auf recht unterhaltsame Weise mit den üblichen Zeitreisen-Paradoxien herum (wobei er aber logisch nicht immer konsequent ist). Über weite Strecken ist Oskar & Josefine ein vergnüglicher Kinderfilm, den ich aber letztlich doch nicht wirklich mochte, weil mir vor allem diese christlich angehauchten Untertöne enorm auf den Senkel gingen.

Nadja: Ein Vampirfilm in Schwarzweiß, der eher auf Stimmung und Atmosphäre als Schockeffekte setzt und in dessen Mittelpunkt ein Zwillingsgeschwisterpaar aus der Familie Dracula steht. Dabei spielt die Handlung auf durchaus reizvolle Weise mit den Genrekonventionen herum, ohne diese zu durchbrechen. Was mir an dem Film aber gar nicht gefallen hat, ist der Einsatz einer Videokamera; die damit aufgenommenen Teile des Films erinnern an die Aufnahmen, wie man sie von Überwachungskameras in U-Bahnhöfen kennt, und die Bildqualität ist dementsprechend mies. Leider macht der Film davon sehr reichlichen Gebrauch, was mir Nadja dann doch mehr als nur ein wenig verdorben hat. Die Verbindung von allerlei Geräuschen mit der Filmmusik, welche die Tonspur prägt, fand ich dagegen reizvoll, doch alles in allem gefällt mir Abel Ferraras ungefähr zur gleichen Zeit entstandener The Addiction deutlich besser. Executive Producer des Film ist übrigens David Lynch, der auch einen kurzen Auftritt im Film hat; von wirklicher Lynch-Atmosphäre bleibt Nadja aber trotzdem meilenweit entfernt.


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Drei Filme


Heute fasse ich einfach die Eindrücke zu drei während der letzten Tage gesehenen Filmen zusammen:

Duell: Endlich habe ich einmal Spielbergs zu Recht berühmten (Fernseh)film gesehen, den ich bislang tatsächlich noch nicht kannte, was man sich ja kaum zuzugeben traut. Ein Mann auf Geschäftsreise wird immer mehr von dem Fahrer eines Trucks bedrängt, und bald wird deutlich, daß dieser versucht, ihn zu ermorden. Der Film enthält bereits das typische Spielberg-Motiv, das sich durch fast alle Spielbergfilme hindurchzieht: ein Durchschnittsmensch gerät in eine außergewöhnliche (oder sogar extreme) Situation, in der er sich bewähren muß. Zum Glück fehlen die später so typischen Spielbergschen Schwächen wie ein Hang zur Sentimentalität und die oft unbefriedigenden (und viel zu langen) Schlüsse hier noch völlig: Duell weist Spielberg bereits als Regisseur aus, der das filmische Handwerk, insbesondere auch in Actionszenen, vorzüglich beherrscht und ist dabei aber von wunderbarer Einfachheit; andererseits läßt sich der Film in seiner Schlichtheit aber auch als Parabel verstehen, wobei der Umstand, daß der Truck-Fahrer anonym bleibt, dem Film besonders zugute kommt. Ein sehr gelungener kleiner Film.

Nicholas Nickleby: Der 19jährige Nicholas Nickleby muß auf einmal für seine Mutter und Schwester sorgen, nachdem sein Vater durch ungeschickte Investionen (Gift- und Schrottpapiere gab es eben schon zu Dickens' Zeiten) sein Vermögen verloren hat und kurz darauf vor Kummer gestorben ist. Die Familie wendet sich zunächst hilfesuchend an den Bruder des Verstorbenen, doch leider stellt sich dieser Onkel als herzloser Widerling heraus. Als Hilfslehrer in einer entsetzlichen Einrichtung für Jungen gerät Nicholas schon bald mit dem sadistischen Schulmeister aneinander, geht bald eigene Wege und fordert die Rachsucht seines Onkels, die dessen Geldgier sogar noch übertrifft, heraus.
Ich habe Nicholas Nickleby noch nie gelesen, nehme aber an, daß diese Romanverfilmung ihrer Vorlage im wesentlichen treu geblieben ist, denn sowohl die Atmosphäre als auch die Figuren des Films sind ganz und gar typisch für Dickens. Dabei ist der Film vorzüglich fotografiert und ausgestattet, und auch die Schauspieler wissen sowohl in den großen als auch in den kleineren Rollen zu überzeugen, wobei Christopher Plummer und vor allem Jamie Bell aus der hervorragenden Darstellerriege herausragen. Ein guter, atmosphärisch dichter und auch schöner Film, auch wenn ich auf die Enthüllung bestimmter verwandtschaftlicher Beziehungen am Ende ganz gut hätte verzichten können - aber ich weiß, daß auch das typisch für Dickens ist (so wie ich auch manche Handlungswendung schon vorhersehen konnte, weil ich eben doch genug von Dickens gelesen habe, um zu wissen, wie der seine Geschichten aufbaut). Summa summarum ein überzeugender Film, den ich sehr gern gesehen habe.

Lionheart: Der junge Ritter Robert will sich gegen Ende des 12. Jahrhunderts dem Kreuzzug von Richard Löwenherz anschließen, findet sich aber schon bald in einer ganz anderen Rolle wieder: schon bald wird er der Beschützer eines Geschwisterpaares und wenig später etlicher Waisenkinder, auf die es vor allem der finstere "Schwarze Prinz" abgesehen hat: ein desillusionierter früherer Ritter, der mittlerweile zum skrupellosen Sklavenhändler mutiert ist. Der Film zeichnet sich nicht gerade durch historische Genauigkeit aus (und behauptet dies letztlich auch gar nicht), sondern vielmehr ist dies ein gut ausgestatteter und handwerklich solider Abenteuerfilm, der wohl nicht besonders nachwirken dürfte, aber den Zuschauer zumindest gut bei der Stange hält, wobei Gabriel Byrne als Schwarzer Prinz zweifellos den stärksten Eindruck hinterläßt, während Eric Stoltz als Robert zwar sympathisch ist, aber auch ein wenig blaß bleibt.


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Melancholia


(Der Text enthält einige Spoiler, andererseits schaden solche bei einem Film wie Melancholia wohl nicht so sehr, zumindest ist das meine Einschätzung.)


Die Unausweichlichkeit des Todes gehört zu den wenigen wirklichen Gewißheiten im Leben, eine Gewißheit, der die Menschen sich auf sehr unterschiedliche Weise stellen. Die meisten flüchten sich in Verdrängung, andere leben in ständiger Angst vor dem Tod, einige sehnen ihn herbei.
Die Unausweichlichkeit des Todes ist auch ein zentrales Thema von Melancholia, Lars von Triers neuestem Film, wobei der Film sogar noch weiter geht und nicht allein vom individuellen Tod handelt, sondern vom Ende der Welt, dem Untergang der Menschheit, wobei die Apokalypse am Ende jedoch in einem sehr privaten Rahmen gezeigt wird - und das ist auch sehr sinnvoll, denn für jeden einzelnen von uns ist der Moment des Todes tatsächlich der Untergang der ganz privaten, eigenen Welt, der Innenwelt, die letztlich für uns die einzig reale ist.
Melancholia beginnt mit einem visionären, (über)stilisierten Prolog, der zugleich schon auf das Ende des Films verweist und so auch schon den Schatten des Todes auf den ersten Teil des Films wirft, der zunächst ein reines Familiendrama zu sein scheint. In diesen Anfangsminuten findet sich bereits eine Fülle an visuellen Motiven, die bereits aus anderen Filmen von Triers vertraut sind (wobei ich noch nicht mal so viele kenne), und dazu ertönt Richard Wagners Musik zu Tristan und Isolde - die wohl bestmögliche Musikwahl, denn Wagners Tristan ist nicht so sehr ein Liebesrausch, sondern eher ein Todesrausch, in dem die Sehnsucht nach dem Erlöschen und Zerfließen der Welt jederzeit spürbar ist.
Auf den Prolog folgen die beiden Hauptteile, die nach den Schwestern Justine und Claire benannt sind, aber ebensogut die Überschriften "Todessehnsucht" und "Todesangst" tragen könnten. Beides macht der Film erfahrbar. Der erste Teil zeigt ein Hochzeitsfest, das sich zur Katastrophe entwickelt, und die Qualen, die dieses Fest für die depressive Justine bedeutet: hier finden sich Anklänge an Vinterbergs Das Fest (und auch Lars von Trier gehörte ja mal der Dogma-Bewegung an). Schon diese erste Hälfte ist für sich sehr stark und führt einen Alptraum aus beengenden Familienverhältnissen (und den Zwängen einer immer eisiger werdenden Arbeitswelt) vor, wobei die durchweg großartig agierenden Schauspieler (dabei ragt Kirsten Dunsts Leistung sicher heraus) entscheidend zum Gelingen beitragen.
Im zweiten Teil nimmt dann die Bedrohung durch den sich nähernden Planeten Melancholia immer mehr Raum ein. Er soll zwar die Erde verfehlen, doch Justine ahnt, daß es anders sein wird (eine wissenschaftliche Randbemerkung: wenn tatsächlich ein so großer Planet einen Spaziergang durch das innere Sonnensystem vollführen würde, müßte er die Erde gar nicht treffen, um die Menschheit auszulöschen, denn seine Gravitation würde zu Bahnstörungen führen, die letztlich zum selben Ergebnis führten - dies aber wirklich nur als Nebenbemerkung, denn letztlich ist Lars von Triers Variante vielleicht wissenschaftlich ziemlich ungenau, aber dafür auch eindeutig poetischer). Während Claire im Angesicht der Katastrophe immer mehr in Verzweiflung verfällt (und ihr oberschlauer Mann John sich lieber gleich in den Selbstmord flüchtet, als er erkennt, was geschieht), empfindet Justine das heraufziehende Weltende eher als Erlösung. Vielen Äußerungen Claires in diesen letzten Stunden begegnet sie mit boshaftem Zynismus - und doch ist es am Ende Justine, die Claire und vor allem deren kleinem Sohn Leo die Kraft zu geben vermag, die letzten Momente in einer zwei nicht schützenden, aber doch tröstlichen Geborgenheit zu verbringen - eine Geborgenheit, die unserer Welt wohl den wenigsten Sterbenden vergönnt ist. Und so ist dieses Ende eben auch niederschmetternd und befreiend zugleich. Visuell ist dieses Weltende (und sein langes) Vorspiel von großer Schönheit, wenn etwa ein Himmel zu sehen ist, an dem es zwei Monde zu geben scheint oder wenn am Ende der Planet des Untergangs riesenhaft am Himmel erscheint. Möglicherweise ist Melancholia Lars von Triers bester Film; um so bedauerlicher, daß der Regisseur selbst durch sein außergewöhnlich dämliches Auftreten bei der Pressekonferenz in Cannes vielleicht nicht dem Werk selbst, aber der Rezeption, die dieses erfährt, so einiges an Schaden zugefügt hat.


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Allgemeine Anmerkungen zu Literaturverfilmungen


Da ich ja gerade mal wieder eine Buchverfilmung gesehen und dabei festgestellt habe, was man dabei so alles falsch machen kann (siehe mein Kommentar zu "Harry Potter und der Halbblutprinz"), geriet ich ein wenig ins Grübeln über Literaturverfilmungen ganz allgemein und will an dieser Stelle einfach mal ein paar Gedanken dazu zusammentragen. Das ist auch insofern ganz interessant, weil es da ganz unterschiedliche Auffassungen gibt, wie ich in diversen Diskussionen selbst schon feststellen konnte.
Dabei will ich mich zunächst der Frage widmen:

Lassen sich alle Bücher verfilmen?

Das kommt ganz darauf an, was man unter "verfilmen" versteht! Wenn man sich damit zufriedengibt, daß einfach etwas Filmmaterial belichtet wird und ein Film entsteht, der die Handlung des Buches, sofern es eine gibt, ungefähr wiedergibt, dann dürften sich die meisten Bücher verfilmen lassen, zumindest die meisten erzählerischen. Doch dies ist ein sehr bescheidener Anspruch. Die entscheidende Frage ist wohl eher, ob eine Verfilmung adäquat ist.
Wenn man aber fordert, daß eine adäquate Verfilmung ein Kunstwerk sein soll, daß mindestens ebenbürtig neben dem Buch steht, dann ist unter der Verfilmbarkeit wohl eher zu verstehen, daß eine adäquate Verfilmung überhaupt möglich ist. Diese Frage ist nun deutlich schwerer zu beantworten, denn so lange es niemand gemacht hat, kann auch keiner sagen, wie gut oder schlecht eine Verfilmung im konkreten Fall wirklich ausfällt. Trotzdem gibt es eben Bücher, bei denen der Gedanke naheliegt, daß jeder Versuch einer Verfilmung scheitern müssen, weil etwa die Qualitäten des Buches so sehr sprachspezifischer und stilistischer Natur sind, daß bei einer Übersetzung des Sprachkunstwerks in Bildersprache das entscheidende verloren gehen wird. So leben ja gerade die großen Versdichtungen wie die Ilias, die Odyssee oder auch Miltons Paradise Lost wesentlich von ihren sprachlichen Qualitäten. Sicher, die reine Handlung läßt sich bebildern, aber hat es jemals eine Homer-Verfilmung gegeben, die neben den Epen nicht auf Zwergengröße geschrumpft wäre?
Ganz besonders dann, wenn ein Werk, sei es in Versen oder Prosa, durch das Zusammenwirken der einzelnen Wörter vieldeutig wird, wird eine Verfilmung schwierig, denn Bilder können mitunter sehr eindeutig sein. Damit kommt ein zusätzliches Problem von Verfilmungen hinzu: ein Buch erzeugt im Leser des Kopfs ganz eigene Bilder, Bilder, die vermutlich eher unscharf bleiben, aber dennoch von großer Kraft sein können. Und diese Bilder können je nach Leser sehr verschieden sein. Eine Verfilmung zwingt dagegen allen Zuschauern die Bilder auf, die der Regisseur für die richtigen hält. Insofern ist eine Verfilmung immer auch ein wenig ein Gewaltakt. "Der Herr der Ringe" ist für meine Ausführungen ein gutes Beispiel: da der Roman auf vielen verschiedenen Ebenen funktioniert, gibt es auch sehr unterschiedliche Dinge, die man daran mögen kann, und er kann eben auch sehr verschiedene Bilder im Kopf eines Lesers evozieren. Viele Leser haben in der Filmfassung Peter Jacksons offenbar das wiedergefunden, was ihnen am Buch gefiel, und fanden an Jacksons Bildern Gefallen. Bei mir war das leider nicht der Fall: die meisten Dinge, die ich am Roman, sind bei der Übersetzung in Filmbilder verloren gegangen, Filmbilder, die fast schon in offener Feindschaft zu denen stehen, die ich im Kopf hatte.
Neben solchen grundsätzlichen Probleme kommen noch die ganz praktischen hinzu: hier ist vor allem die Länge ein Problem. Um einen Roman umzusetzen, sind fast immer Kürzungen unvermeidlich, damit der Film dicht genug ist und nicht zu ausufernd gerät. Denn die meisten Filme stehen von ihrem Aufbau dem Drama näher als dem Roman (oder gar dem Epos). Bei kürzeren Werken, Novellen oder Erzählungen, fällt dieses Problem weitgehend weg, doch schon bei einem 500seitigen Roman ist es gravierend, und bei Werken wie dem Don Quijote etwa steht ein Regisseur vor der Wahl, entweder seine Vorlage zu verstümmeln, einen Film mit extremer Überlänge zu drehen, in dem dann trotzdem noch etliches fehlt - oder sich gleich für eine TV-Serie zu entscheiden, was aber auch seine Nachteile hat.
Damit habe ich ein paar grundsätzliche Probleme angesprochen, und spreche hier meine persönliche Meinung aus: manche Bücher sind unverfilmbar in dem Sinne, das ich es für völlig ausgeschlossen halte, daß es jemals eine Filmversion davon geben wird, die auch nur ansatzweise neben der Vorlage bestehen kann.
Daraus wird natürlich auch noch eine Sache deutlich: je besser das Buch, desto schlechter läßt es sich verfilmen. Zum einen legt ein gutes Buch die Meßlatte natürlich viel höher als ein mittelmäßiges, das vielleicht eine gute Grundidee hat, aber diese nicht richtig ausführt. Zum anderen aber zeichnet sich ein literarisches Meisterwerk sehr oft gerade durch solche Qualitäten und Besonderheiten aus, die bei der Übersetzung in die Bildersprache eines Films besonders leicht verloren gehen.
Damit komme ich nun zu einer zweiten Frage:

Wie sollte ein Buch verfilmt werden?

Damit meine ich vor allem: wie genau sollte ein Film dem Buch folgen, wann sind Änderungen erlaubt oder sogar erforderlich?
Auch da begegnet man immer wieder unterschiedlichen Auffassungen. Eine Extremposition sieht so aus, daß ein Film - auf der Ebene der Handlung - überhaupt nichts ändern sollte. Die Gegenposition verlangt vom Film vor allem Eigenständigkeit und verlangt sogar radikale Abweichungen von der Vorlage, wenn nötig.
Meine Position liegt da ziemlich in der Mitte, was ich nun etwas näher ausführen will.
Die Werktreue so weit zu treiben, jede Begebenheit, jeden Dialogsatz etc. eines Romans zu übernehmen, halte ich für albern. Dagegen gibt es mehrere Einwände: wenn etwa in einem Buch Briefe eine große Rolle spielen, so ist es eine äußerst schwerfällige Lösung, einen möglicherweise mehrere Seiten langen Brief zu zeigen und dazu dann eine Stimme aus dem Off erklingen zu lassen, die den Brief vorliest - nahezu jede andere Lösung ist im Film vorzuziehen.
Ich hatte aber auch schon erwähnt, daß mitunter Kürzungen oder Vereinfachungen einer Vorlage unvermeidlich sind. Bisweilen sind sie aber auch segensreich. Gerade in der Literatur des 19. Jahrhunderts gibt es viele Bücher mit übertrieben verwickelten Plots, was häufig zulasten der Glaubwürdigkeit geht - und dies tritt durchaus auch bei großen Autoren wie etwa Charles Dickens auf. Was Dickens seinen Lesern mitunter an Enthüllungen über unerwartete Verwandtschaftsbeziehungen zwischen einzelnen Figuren (am Schluß von Oliver Twist etwa) zumutet, stellt die Bereitschaft, ihm eine Geschichte abzunehmen, teilweise auf eine sehr harte Probe. In solchen Fällen sind Vereinfachungen nicht nur legitim, sondern sogar zu begrüßen.
Dann gibt es wiederum Dinge, die in einem Roman vielleicht gut funktionieren, im Film aber eben nicht; die Heckentiere in Stephen Kings Shining sind ein Beispiel dafür (und wenngleich ich Stanley Kubricks Verfilmung dieses Buchs nicht leiden kann und auch für deutlich schwächer halte, gehört Kubricks Verzicht auf die Heckentiere zu den wenigen Dingen, die ich ihm bei diesem Film nicht vorwerfe). In solchen Fällen ist dann das Filmverständnis und zum Teil auch einfach der gute Geschmack eines Regisseurs und/oder Drehbuchautoren gefragt.
Klar ist natürlich auch: je schlechter die Buchvorlage ist, desto legitimer sind Abweichungen. Wenn ein guter Regisseur einen schlechten Roman liest und darin etwas so interessantes findet, daß sich daraus ein guter Film machen läßt, dann ist es vertretbar, daß er bei der Umsetzung vor allem nach Wegen sucht, um seine Idee zu verwirklichen, und sich nicht so sehr darum kümmert, was in der Buchvorlage steht. (Und hieraus erklären sich auch die unterschiedlichen Positionen beim eben erwähnten Shining: die Bewunderer des Films, die Kubricks Umgang mit dem Roman Kings für legitim halten, sind - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - King-Verächter oder haben seinen Roman gar nicht gelesen, während wiederum unter denen, die den Roman schätzen, fast niemand den Film mag: letztlich würde fast jeder Kubricks Vorgehensweise bei einem schlechten Roman akzeptieren, bei einem guten dagegen tadeln, und daher hängt die Bewertung dieser Buchadaption vor allem davon ab, ob jemand Kings Roman für ein gutes oder ein schlechtes Buch hält.)
Die Ausführungen eben bezogen sich vor allem auf eher triviale Bücher; ansonsten nehme ich aber schon den Standpunkt ein, daß eine Verfilmung, auch wenn sie Veränderungen im Detail vornimmt, doch die Essenz der Vorlage treffen, besonders dann, wenn es sich um ein sehr gutes Buch handelt oder einfach kulturgeschichtlich bedeutendes Buch handelt. Das heißt eben auch, daß eine Verfilmung vielleicht sogar eine Schwäche der Vorlage übernehmen muß, wenn diese essentiell ist (ich hatte ja in meinem Filmkommentar schon die Horkruxe bei Harry Potter erwähnt). Dies will ich mit einem Beispiel, das jeder kennt, verdeutlichen: man muß meiner Auffassung nach die biblischen Geschichten vom Sündenfall oder von der Sintflut und Noahs Arche nicht unbedingt mögen. Aber wenn ein Regisseur sich entscheidet, die Genesis zu verfilmen, dann müssen sie darin vorkommen, egal, was der Regisseur von ihnen hält - denn andernfalls wäre es eben keine Verfilmung der Genesis mehr.
Daraus läßt sich also als Prinzip ableiten: Veränderungen von Nebensächlichkeiten sind durchaus zulässig und können sogar erforderlich sein, wegen grundlegender Gesetze der Filmkunst, oder auch, weil die besondere Lesart des Regisseurs sie verlangt; Veränderungen essentieller Bestandteile eines Buches sind dagegen zumindest problematisch (und dafür muß ein Regisseur dann sehr gute Gründe haben). Eine Herausforderung für einen Regisseur besteht also auch darin, zu erkennen, was eigentlich die Essenz eines Romans ausmacht. (Und auch hier wird noch einmal deutlich, warum die Verfilmung literarischer Meisterwerke so schwierig ist und so selten gelingt: weil es in einem Meisterwerk eben kaum wirklich "Nebensächliches" gibt!)

Soweit erst einmal meine recht unstrukturierten Gedanken zum Thema Literaturverfilmung.


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Die Nibelungen


Von den großen Dichtungen des Mittelalters ist mir das Nibelungenlied wohl innerlich am fremdesten, weil ich vor allem mit den Figuren nur wenig anfangen kann: die eher berüchtigte als berühmte "Nibelungentreue" ist mir suspekt (wobei es natürlich einiges über den Charakter der deutschen Nation aussagt, daß sich die Mehrzahl der Deutschen, allen voran der unsägliche Kaiser Wilhelm II. mit Begeisterung auf diese Nibelungentreue beriefen, als sie - wohl mehr als jedes andere Land - maßgeblich zur Entfesselung des Ersten Weltkriegs beitrugen, während der Dichter des Nibelungenlieds solche Ehrbegriffe wohl eher skeptisch zu sehen scheint, wie das Blutbad am Ende zeigt; wobei auch dieses wieder schaurige Parallelen zur deutschen Geschichte aufweist, wenn man vor allem an das Ende des Zweiten - ebenfalls und noch viel eindeutiger von den Deutschen entfesselten - Weltkrieges denkt), und dann dürfte es wohl in kaum einem anderen großen Werk der Weltliteratur eine so unglaubliche Ansammlung von Trotteln geben wie gerade im Nibelungenlied: Siegfried ist ein ausgemachter Hohlkopf, seine Frau Kriemheld mindestens ebenso dämlich, wenn auch später maßlos rachsüchtig, und Gunther ist eigentlich nur ein Wicht, geradezu eine Schießbudenfigur.
Insofern dürfte es wohl nicht erstaunen, daß auch Fritz Langs monumentaler und überlanger Viereinhalb-Stunden-Stummfilm mir innerlich ähnlich fremd geblieben ist wie eben schon die Dichtung selbst. Trotzdem ist mir nicht entgangen, daß vieles an dem Film bemerkenswert und beeindruckend ist.
Besonders die erste Hälfte, der Siegfried-Teil, zeichnet sich durch großen Formwillen und Formstrenge aus: die Kamera bewegt sich so gut wie gar nicht, und wie in vielen Stummfilmen Langs spielt die Ausstattung die eigentliche Hauptrolle: die Menschen werden von riesigen Bauten beherrscht, und wo immer möglich hat Lang irgendwelche Muster und Ornamente untergebracht: auf den Kleidern, auf Vorhängen, an den Wänden. Eine für die Entstehungszeit des Films mehr als beachtliche Leistung ist der Auftritt des Drachen.
Der zweite Teil ("Kriemhilds Rache") ist unruhiger, mehr durch die Bewegung vor der Kamera, vor allem in den zahlreichen Massenszenen, als durch Bewegung der Kamera selbst. Visuell stark ist dabei, wie Kriemheld immer wieder, auch inmitten des bewegtesten Geschehens, als ruhende oder vielmehr erstarrte, vor Haß fast versteinerte Gestalt gezeigt wird.
Leider muß ich anmerken, daß Lang bei diesem Film offenbar so sehr in rein visuellen Kategorien gedacht hat, daß er sich nicht besonders um die Schauspielerführung gekümmert zu haben scheint. Denn die darstellerischen Leistungen zeichnen sich durch jede Menge Pathos, dramatische Gesten und Blicke aus - da gab es auch 1924 schon wesentlich subtilere und überzeugendere Darbietungen. Und ob das abschließende Gemetzel nun wirklich eine Dreiviertelstunde dauern mußte, muß zu fragen ebenfalls erlaubt sein. Mir hätte da die halbe Zeit jedenfalls auch gereicht.
Sicherlich also ein bemerkenswerter und wohl auch großer Film (wobei die Nazis übrigens den Siegfried-Teil instrumentalisierten, indem eine Tonfassung mit Kommentar und Wagner-Musik angefertigt wurde), der mir persönlich aber letztlich ähnlich fremd blieb wie schon das Nibelungenlied selbst.


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Harry Potter und der Halbblutprinz


Zu diesem Film nur ein paar kurze Anmerkungen, die aber trotzdem so spoilerlastig sein dürften, daß der Kommentar sich nur für Leser eignet, die den Film bereits kennen, oder die es nicht stört, wenn sie hier wichtiges erfahren, solche Leute gibt es ja (so wie ja auch manche Leute bei Büchern das Ende zuerst lesen...).
Um erst mal was nettes zu sagen: ich hatte den Film als wesentlich schlechter in Erinnerung, diesmal hinterließ er mich vergleichsweise milde gestimmt. Die Inszenierung ist vielleicht nicht immer stimmig, aber doch an vielen Stellen, und gerade die Nebenhandlung um Draco Malfoy, der unter seinem Mordauftrag leidet, ist sogar richtig gut umgesetzt: Draco ist meistens allein im Bild, oder wenn er mit anderen zusammen ist, doch so, daß er trotzdem isoliert wirkt.
Dafür hat das Drehbuch aber gewaltige Macken. Manche davon sind praktisch unvermeidlich: daß Voldemorts Geheimnis darin besteht, daß er gleich eine ganze Reihe von Horkruxen erzeugt hat, ist durch die Buchvorlage bedingt: sicher war das keine besonders gute Idee von J.K. Rowling, weil dadurch der letzte Band (und seine zweigeteilte Filmadaption ebenso) über weite Strecken zu einer Art Schnitzeljagd geraten ist, aber ob gut oder schlecht, es ist ein essentieller Bestandteil der Geschichte, und wenn der Film hier grundlegend abgewichen wäre, dann wäre es eben nicht mehr Harry Potter gewesen.
Das Drehbuch weicht aber auch an etlichen Stellen vom Roman ab oder setzt die Schwerpunkte anders, und da kann man tatsächlich herummeckern. Wenn diese Detailänderungen dem Film gut getan hätten, wäre das ja in Ordnung gewesen, aber leider wirken sie sich praktisch alle nachteilig aus. Die eigens für den Film erfundene Szene, in der Bellatrix Lestrange den Fuchsbau in Schutt und Asche legt, ist unmotiviert und im Grunde genommen völlig sinnlos, offenbar sollten hier Harry und Ginny zusammen ganz doll in Gefahr geraten, aber danach wird sie nie wieder erwähnt. Und weil der Film ohnehin über Gebühr an dieser zarten Romanze interessiert ist (klar, schließlich wollen die Zuschauer ja Liebesgeschichten sehen, oder zumindest glauben das die Hollywoodproduzenten), vernachlässigt er dafür die Erforschung der Geschichte des dunklen Lords, die eigentlich das Zentrum des Romans darstellt, wovon im Film aber nicht viel zu merken ist. Auch die Änderungen kleiner Details sind oft ungeschickt: bei der Beerdigung der Riesenspinne Aragog verhält sich Prof. Slughorn zunächst so, daß er damit wohl kaum die Sympathie des Monsterliebhabers Hagrid gewinnen würde - die entsprechende Szene im Buch ist ganz anders, und die Änderungen sind hier von Nachteil, eben nicht, weil es Änderungen sind, sondern weil sie der psychologischen Glaubwürdigkeit schaden. Und auch (hier kommt jetzt der Ober-Spoiler!) die Schlüsselszene, in der Dumbledore stirbt, hat der Film verpatzt: im Buch macht Dumbledore selbst Harry noch bewegungsunfähig, und so sieht dieser gezwungenermaßen untätig zu, wie alles weitere geschieht. Dieses Detail fehlt im Film, wodurch die Sache aber unglaubwürdig wird: Dumbledore sagt zwar, daß Harry nichts tun solle, aber wer glaubt denn ersthaft, daß ein Hitzkopf wie Harry das je durchhielte? Genau so sieht die Szene nun aber aus. Daß dagegen der Kampf, der dann außerdem noch in Hogwarts stattfindet, sehr kurz gekommen ist, stört mich persönlich weniger.
Letztlich sind das nur die wichtigsten Beispiele dafür, wie das Drehbuch durch einige sehr ungeschickte Abweichungen (oder Verkürzungen) der Vorlage dem Film als ganzes schadet. Angehenden Drehbuchautoren sollte man "Harry Potter und der Halbblutprinz" als Beispiel vorführen, wie man ein Buch nicht adaptiert. Und das ist ziemlich schade, denn in anderen Belangen ist der Film gar nicht mal so übel, wie mir erneuten Sehen auffiel.

(Das Thema Literaturverfilmung werde ich wohl in einem eigenen Beitrag noch mal ansprechen, weil es mir bei diesem Film gerade wieder in den Sinn kam.)


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G.O.R.A. - A Space Movie


Arif ist Teppichhändler und versucht außerdem noch, gefälschte Fotos von UFOs an den Mann zu bringen, findet aber niemanden, der auf seine Schwindeleien hereinfällt. Da passiert es ihm, daß er von echten Außerirdischen entführt und zum Planeten Gora gebracht wird, eine Katastrophe verhindert und sich in die Tochter des Herrschers verliebt, deren wirklicher Vater aber, wie sich herausstellt, auch von der Erde stammt...
Science-Fiction-Parodien und -komödien hat es ja schon so einige gegeben, aber solche aus der Türkei bekommt man doch eher selten zu sehen. Da hier aber vor allem (wenn auch oft überdeutlich) auf Filme wie "Das fünfte Element", "Matrix" oder "Star Wars" angespielt wird, gibt es auch für den vom westlichen Kino geprägten Zuschauer durchaus amüsante Momente. Insgesamt ist G.O.R.A. aber von sehr schwankender Qualität: manche Gags sind gelungen, und zudem besitzt der Film einen etwas trashigen Charme, auf der anderen Seite gibt es aber auch so einige Plattheiten und immer wieder Leerlauf. Für eine Komödie ist der Film letztlich nicht temporeich genug, und die Story trägt auch keine Laufzeit von knapp über zwei Stunden, so daß G.O.R.A. alles in allem zwar eine ungewohnte Filmerfahrung bietet, nüchtern betrachtet aber doch bestenfalls Mittelmaß ist.


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Zwei Kurzkommentare


Heute will ich nicht so viel schreiben und mache es mir daher mal mit einem Doppeleintrag bequem:

Wickie und die starken Männer
hat zwar ein paar hübsche Ideen zu bieten, aber leider auch jede Menge Klamauk und Albernheiten - letztlich zu viele, als daß bei mir echte Begeisterung hätte aufkommen können. Sympathisch ist immerhin der Kern der Geschichte, daß sich mit einem pfiffigen Köpfchen oft mehr bewegen läßt als mit reiner Muskelkraft. Kann man sich ansehen. Muß man aber nicht.

Messias des Bösen
ist dagegen schon ein anderes Kaliber. Eine junge Frau sucht in einer Stadt nach ihrem Vater, und dabei wird immer deutlicher, daß dort schreckliche Dinge vorgehen. Die Einwanderer der Stadt sind zu Kannibalen mutiert, und es zeigt sich, daß die Stadt von einem finsteren Geheimnis aus der Vergangenheit eingeholt wird.
An sich schätze ich es, wenn ein Horrorfilm eher auf Atmosphäre als auf Schockeffekte von der ersten Minute an setzt, doch "Messias des Bösen" nimmt arg langsam Fahrt auf. Nach einer Weile gelingt es dem Film dann aber doch, Spannung und Atmosphäre zu erzeugen, wobei der Film sich sehr stark an Zombiefilme anlehnt (aber nicht so drastisch inszniert ist, wie es in den 70ern durchaus schon üblich war), zugleich aber noch eine Prise Okkultismus hinzufügt. Der größte Reiz liegt in den zumindest stellenweise recht atmosphärischen Bildern, und es gibt eine recht gute Szene, die in einem Kino spielt, und eine weitere in einem Supermarkt, wobei ich mich bei dieser natürlich gefragt habe, ob Romero vielleicht einmal "Messias des Bösen" gesehen und dabei erkannt hat, welches Potential ein Einkaufszentrum als Handlungsort im Zombiefilm tatsächlich hat (was er im meisterlichen "Dawn of the dead" voll ausgeschöpft hat). Das ist aber nur eine vage Vermutung. Jedenfalls ist "Messias des Bösen" wohl nicht gerade ein Meilenstein des Horrorfilms, aber zumindest ein recht interessanter Vertreter des Genres.


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Regisseure - verehrt, geschätzt oder ungeliebt


Ich hatte ja schon in meiner Begrüßungsrede angekündigt (angedroht?), hier ab und zu Listen hineinzustellen, und nun habe ich eine recht umfassende Liste von Regisseuren zusammengestellt, die ich in verschiedenen Kategorien zusammengefaßt habe, in denen sich meine unterschiedliche Wertschätzung widerspiegelt.

Natürlich ist so eine Auflistung nicht in Stein gemeißelt, sondern nur eine Momentaufnahme. Zum einen kann sich die Einschätzung eines Regisseurs stark verändern, wenn man, womöglich noch innerhalb kurzer Zeit, einen oder mehrere Filme, die einem zuvor noch nicht bekannt waren, zu sehen bekommt - ein Meisterwerk, das einem die Augen übergehen läßt, kann dazu führen, daß man auf einmal das Gesamtwerk eines zuvor wenig beachteten Regisseurs mit viel größerem Interesse betrachtet, es kann aber ebenso passieren, daß ein Lieblingsregisseur seinen Status verliert, sei es, weil man plötzlich mehrere mißglückte Filme in Folge entdecken muß oder weil man über einen Film stolpert, der einen so schlimmen Eindruck hinterläßt, daß man seinen Schöpfer nicht mehr länger als Lieblingsregisseur bezeichnen kann. Aber auch beim Wiedersehen schon bekannter Filme können sich beträchtliche Veränderungen der persönlichen Wertschätzung ergeben. All dies sind Gründe, warum aus einem zunächst wenig geliebten Regisseur im Laufe der Jahre doch ein sehr geschätzter werden kann, oder eben umgekehrt.
Daher habe ich auch bei allen Regisseuren angegeben, wie viele ihrer Filme ich überhaupt kenne, wobei diese Zahl die Anzahl der "abendfüllenden" Kinofilme angibt. In manchen Fällen steht dahinter noch eine Zahl in eckigen Klammern, das ist dann der Fall, wenn ich außerdem noch Fernsehfilme oder Kurzfilme kenne oder auch solche, die ein Regisseur nicht allein inszeniert hat, aber daran beteiligt war. Dabei kann ich nicht ausschließen, mich das ein oder andere Mal verzählt zu haben, aber die meisten Zahlen sollten stimmen. Klar ist natürlich: je mehr Filme ich kenne, desto sicherer bin ich mir bei meiner Einschätzung, während die Einordnung eines Regisseurs, von dem ich nur vier Filme kenne, sich gravierend ändern könnte, wenn ich mal den fünften sehe und der besonders gut oder besonders schlecht ist. Daher habe ich auch in der Regel nur Regisseure aufgeführt, von denen ich mindestens vier Filme gesehen habe. Nur in der Sparte der ungeliebten Regisseure habe ich Ausnahmen gemacht (was auch damit zusammenhängt, daß ich bei Regisseuren, die mir nicht liegen, natürlich auch weniger motiviert bin, nun Dutzende von ihren Filmen zu sehen...), im Fall von Mel Gibson etwa reichten mir drei Filme aus, um mich davon zu überzeugen, daß er eine Schmalzbirne ist.

Soviel im allgemeinen, nun noch ein paar Worte zu den einzelnen Kategorien:

Was Lieblingsregisseure sind, ist eigentlich klar: jene Regisseure, die mich mit mindestens einem, meistens aber mehreren Filmen elektrisiert haben, die mich durch ihren Stil besonders ansprechen, und die mich nur selten (oder vielleicht sogar gar nicht) enttäuscht haben. Natürlich gestehe ich auch einem Lieblingsregisseur zu, daß ihm ein Film mal danebengeht, in gewisser Weise ist dies sogar ein weiteres Kriterium für Lieblingsregisseure: daß sie (mich) sogar dann noch faszinieren, wenn ein Film mißlungen ist. Dabei unterscheide ich noch zwischen dem engsten Favoritenkreis und jenem meiner Lieblingsregisseure im etwas weiteren Sinn.

Geschätzte und sehr geschätzte Regisseure sind wiederum solche, deren Gesamtwerk, soweit es mir bekannt ist, mich durchaus anspricht, die ich aber nicht zu meinen Lieblingsregisseuren rechnen möchte, weil entweder der Überflieger in ihrem Werk fehlt, oder weil sie doch zu viele Filme gedreht haben, die ich "nur" gut oder vielleicht sogar eher schwach fand, um sie noch mit Überzeugung zu meinen Favoriten rechnen zu können. Dabei sind diese Kategorien nicht wirklich scharf voneinander abgegrenzt, und ich habe die Einordnung auch eher intuitiv vorgenommen.

In der Gruppe der Regisseure, für die ich "lauwarme Empfindungen" habe, sind verschiedene zusammengefaßt: zum einen Regisseure, die ich zwar als große Meister anerkenne und deren Werk mir entsprechenden Respekt abnötigt, bei denen der Funke aber bisher nicht oder zu selten übergesprungen ist, als daß ich sie wirklich zu den "geschätzten" Regisseuren rechnen wollte. In solchen Fällen fehlt mitunter nicht viel zum geschätzten Regisseur (so daß unter Umständen schon ein Film für eine Veränderung sorgen könnte). Andererseits habe ich hier auch Regisseure aufgeführt, mit denen ich etwas zwiespältige Erfahrungen gemacht habe, die mich in Einzelfällen vielleicht sogar verstimmt haben, die ich aber doch nicht zu den "Problemfällen" bzw. ungeliebten Regisseuren rechnen wollte.

Bei den Haßlieben dagegen führe ich Regisseure auf, bei denen meine Erfahrungen noch viel zwiespältiger sind als bei der vorigen Gruppe. Jeder der in dieser Gruppe genannten Regisseure hat mindestens einen Film gedreht, den ich großartig finde, manchmal auch mehrere, doch sie alle haben eben auch Filme gedreht, die bei mir sehr zwiespältige Eindrücke hinterlassen haben, und einige von ihnen sind sogar die Schöpfer von Filmen, die ich regelrecht verabscheue.

Die ungeliebten Regisseure hingegen haben mein Filmherz höchstens einmal oder auch überhaupt noch nie erreicht, mich dafür aber so manches Mal angeödet, ratlos oder ausgesprochen verärgert zurückgelassen. Naturgemäß kenne ich von diesen Regisseuren vergleichsweise wenige Werke. Dies bedeutet aber auch, daß hier noch nicht alle Hoffnung verloren ist: vor zehn Jahren hätte ich wohl auch Godard und Scorsese zu den ungeliebten Regisseuren gerechnet, während es Godard mittlerweile immerhin in den Kreis der Haßlieben geschafft hat - Scorsese dagegen ist im letzten Jahrzehnt so gewaltig in meiner Gunst gestiegen, daß ich ihn mittlerweile sogar zu den sehr geschätzten Regisseuren zähle. Insofern bedeutet eine Nennung in dieser Kategorie noch nicht zwangsläufig die Verbannung eines Regisseurs in die Hölle, es könnte auch das Fegefeuer sein...

Soviel vorneweg, nun die eigentliche Liste: (die unsortierte Reihenfolge hat nicht viel zu bedeuten, in den meisten Kategorien sind die Regisseure mir in dieser Reihenfolge eingefallen)

LIEBLINGSREGISSEURE:

im engeren Sinne:

Alfred Hitchcock (36)
Akira Kurosawa (19)
David Lynch (10 [+"Twin Peaks"]
Ingmar Bergman (17 [19])
Billy Wilder (17)
Roman Polanski (16)
Jacques Tati* (5)
Charles Chaplin* (10)
Luis Bunuel (14 [15])
Ernst Lubitsch (11)

*Chaplin und Tati haben ihre gehobene Stellung auch ihren Qualitäten als ihre eigenen Hauptdarsteller zu verdanken

im weiteren Sinne:

Woody Allen (18)
Sidney Lumet (11)
Peter Weir (10)
Sergio Leone (6)
Howard Hawks (8 [9])

SEHR GESCHÄTZTE REGISSEURE:

Clint Eastwood (10)
Federico Fellini (14)
Louis Malle (11 [12])
Francois Truffaut (13 [15])
Orson Welles (6)
David Cronenberg (5)
John Huston (6 [7])
Jonathan Demme (5)
Martin Scorsese (15)
David Lean (8)
Michael Curtiz (4)
Stanley Donen (4 [5])
Hal Ashby (4)
Terrence Malick (5)

GESCHÄTZTE REGISSEURE:

John Ford (6)
Francis Ford Coppola (6)
Milos Forman (5)
Zhang Yimou (6)
Yasujiro Ozu (4)
Robert Altman (7)
Russ Meyer (6)
Roberto Rossellini (5)
Ang Lee (7)
Anthony Mann (5)
William Wyler (5)
Wolfgang Staudte (4)
Fritz Lang (9)
Pier Paolo Pasolini (6)
Luchino Visconti (6)
Robert Bresson (4)
Terry Gilliam (4 [6])
James Cameron (6)
Blake Edwards (11)
Tim Burton (9)
Carl Theodor Dreyer (5)
Claude Chabrol (9)
Hayao Miyazaki (5)
George Cukor (5)
Takeshi Kitano (4)

LAUWARME EMPFINDUNGEN:

Jean Renoir (6)
Joel und Ethan Coen (4)
Sam Peckinpah (6)
Michael Mann (4)
Robert Zemeckis (5)
Pedro Almodovar (4)
John Carpenter (6)
Brian de Palma (6)

HASSLIEBEN:

Bernardo Bertolucci (6)
Steven Spielberg (18)
Stanley Kubrick (11)
Andrej Tarkowski (7)
Michael Haneke (4)
Ridley Scott (8)
Peter Greenaway (4)
Jean-Luc Godard (11)
Sergej Eisenstein (4)
Werner Herzog (5)
George Lucas (6)
Rainer Werner Fassbinder (5 [7])
David Fincher (7)

UNGELIEBTE REGISSEURE:

Quentin Tarantino (4,3*)
Oliver Stone (5)
Michelangelo Antonioni (4)
Wim Wenders (4)
Mel Gibson (3)
M. Night Shyamalan (4)
Park Chan-wok (3)

*den abgebrochenen "Death Proof" habe ich zu ungefähr 30% gesehen, daher 4,3 Filme, wobei "Kill Bill" als ein Film gezählt ist


Foto

Ein streunender Hund


Einem jungen Polizisten wird seine Waffe gestohlen, mit sieben Kugeln darin. Verzweifelt versucht er, die Pistole wiederzubekommen, zunächst vor allem aus Furcht um seine weitere Laufbahn als Polizist. Seine Vorgesetzten nehmen sein Mißgeschick weniger tragisch als er selbst, doch dafür kommt bald eine neue Sorge hinzu, als deutlich wird, daß die verschwundene Waffe in die Hände eines jungen Verbrechers geraten ist, der wenig Hemmungen hat, Gebrauch davon zu machen. Zusammen mit einem älteren Kollegen nimmt der Polizist schließlich dessen Spur auf.
Mit Ein streunender Hund befindet sich Kurosawa direkt auf dem Weg zur Meisterschaft. Anfangs kam mir der Film noch etwas holprig und dramaturgisch ungelenk vor, aber je länger er dauert, desto stärker wird er, und im letzten Viertel spürt man bereits in jedem Moment, daß ein Meister am Werk ist. Die beiden Polizisten werden von Toshiro Mifune und Takashi Shimura, den beiden fraglos bedeutendsten Kurosawa-Darstllern, verkörpert und gewinnen im Verlauf des Films zunehmend an Kontur. Dabei tangiert der Film auch ethische und soziale Fragen, so erscheint der verfolgte (Raub)mörder nicht als kaltblütig agierendes Monster, sondern vielmehr ein Getriebener, so daß zur sich allmählich steigernden äußere Spannung auch die für Kurosawa-Filme so typische Spannung hinzutritt. Auch sonst ist des Meisters Handschrift hier schon sehr deutlich sichtbar: an den Bildkompositionen, an dem sintflutartigen Regen, der in einer wichtigen Szene niedergeht oder dem in freier Natur ausgetragenen Showdown. Gerade auch der Vergleich mit dem nur kurz zuvor entstandenen Engel der Verlorenen zeigt deutlich, welche Fortschritt Kurosawa seit diesem Film gemacht hatte. Mit seinem übernächsten Film Rashomon gelang ihm dann eines der größten Werke der Filmgeschichte.





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