

Allgemeine Anmerkungen zu Literaturverfilmungen
von Settembrini ·
04 Oktober 2011
Kategorie:
Allgemeines
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Da ich ja gerade mal wieder eine Buchverfilmung gesehen und dabei festgestellt habe, was man dabei so alles falsch machen kann (siehe mein Kommentar zu "Harry Potter und der Halbblutprinz"), geriet ich ein wenig ins Grübeln über Literaturverfilmungen ganz allgemein und will an dieser Stelle einfach mal ein paar Gedanken dazu zusammentragen. Das ist auch insofern ganz interessant, weil es da ganz unterschiedliche Auffassungen gibt, wie ich in diversen Diskussionen selbst schon feststellen konnte.
Dabei will ich mich zunächst der Frage widmen:
Lassen sich alle Bücher verfilmen?
Das kommt ganz darauf an, was man unter "verfilmen" versteht! Wenn man sich damit zufriedengibt, daß einfach etwas Filmmaterial belichtet wird und ein Film entsteht, der die Handlung des Buches, sofern es eine gibt, ungefähr wiedergibt, dann dürften sich die meisten Bücher verfilmen lassen, zumindest die meisten erzählerischen. Doch dies ist ein sehr bescheidener Anspruch. Die entscheidende Frage ist wohl eher, ob eine Verfilmung adäquat ist.
Wenn man aber fordert, daß eine adäquate Verfilmung ein Kunstwerk sein soll, daß mindestens ebenbürtig neben dem Buch steht, dann ist unter der Verfilmbarkeit wohl eher zu verstehen, daß eine adäquate Verfilmung überhaupt möglich ist. Diese Frage ist nun deutlich schwerer zu beantworten, denn so lange es niemand gemacht hat, kann auch keiner sagen, wie gut oder schlecht eine Verfilmung im konkreten Fall wirklich ausfällt. Trotzdem gibt es eben Bücher, bei denen der Gedanke naheliegt, daß jeder Versuch einer Verfilmung scheitern müssen, weil etwa die Qualitäten des Buches so sehr sprachspezifischer und stilistischer Natur sind, daß bei einer Übersetzung des Sprachkunstwerks in Bildersprache das entscheidende verloren gehen wird. So leben ja gerade die großen Versdichtungen wie die Ilias, die Odyssee oder auch Miltons Paradise Lost wesentlich von ihren sprachlichen Qualitäten. Sicher, die reine Handlung läßt sich bebildern, aber hat es jemals eine Homer-Verfilmung gegeben, die neben den Epen nicht auf Zwergengröße geschrumpft wäre?
Ganz besonders dann, wenn ein Werk, sei es in Versen oder Prosa, durch das Zusammenwirken der einzelnen Wörter vieldeutig wird, wird eine Verfilmung schwierig, denn Bilder können mitunter sehr eindeutig sein. Damit kommt ein zusätzliches Problem von Verfilmungen hinzu: ein Buch erzeugt im Leser des Kopfs ganz eigene Bilder, Bilder, die vermutlich eher unscharf bleiben, aber dennoch von großer Kraft sein können. Und diese Bilder können je nach Leser sehr verschieden sein. Eine Verfilmung zwingt dagegen allen Zuschauern die Bilder auf, die der Regisseur für die richtigen hält. Insofern ist eine Verfilmung immer auch ein wenig ein Gewaltakt. "Der Herr der Ringe" ist für meine Ausführungen ein gutes Beispiel: da der Roman auf vielen verschiedenen Ebenen funktioniert, gibt es auch sehr unterschiedliche Dinge, die man daran mögen kann, und er kann eben auch sehr verschiedene Bilder im Kopf eines Lesers evozieren. Viele Leser haben in der Filmfassung Peter Jacksons offenbar das wiedergefunden, was ihnen am Buch gefiel, und fanden an Jacksons Bildern Gefallen. Bei mir war das leider nicht der Fall: die meisten Dinge, die ich am Roman, sind bei der Übersetzung in Filmbilder verloren gegangen, Filmbilder, die fast schon in offener Feindschaft zu denen stehen, die ich im Kopf hatte.
Neben solchen grundsätzlichen Probleme kommen noch die ganz praktischen hinzu: hier ist vor allem die Länge ein Problem. Um einen Roman umzusetzen, sind fast immer Kürzungen unvermeidlich, damit der Film dicht genug ist und nicht zu ausufernd gerät. Denn die meisten Filme stehen von ihrem Aufbau dem Drama näher als dem Roman (oder gar dem Epos). Bei kürzeren Werken, Novellen oder Erzählungen, fällt dieses Problem weitgehend weg, doch schon bei einem 500seitigen Roman ist es gravierend, und bei Werken wie dem Don Quijote etwa steht ein Regisseur vor der Wahl, entweder seine Vorlage zu verstümmeln, einen Film mit extremer Überlänge zu drehen, in dem dann trotzdem noch etliches fehlt - oder sich gleich für eine TV-Serie zu entscheiden, was aber auch seine Nachteile hat.
Damit habe ich ein paar grundsätzliche Probleme angesprochen, und spreche hier meine persönliche Meinung aus: manche Bücher sind unverfilmbar in dem Sinne, das ich es für völlig ausgeschlossen halte, daß es jemals eine Filmversion davon geben wird, die auch nur ansatzweise neben der Vorlage bestehen kann.
Daraus wird natürlich auch noch eine Sache deutlich: je besser das Buch, desto schlechter läßt es sich verfilmen. Zum einen legt ein gutes Buch die Meßlatte natürlich viel höher als ein mittelmäßiges, das vielleicht eine gute Grundidee hat, aber diese nicht richtig ausführt. Zum anderen aber zeichnet sich ein literarisches Meisterwerk sehr oft gerade durch solche Qualitäten und Besonderheiten aus, die bei der Übersetzung in die Bildersprache eines Films besonders leicht verloren gehen.
Damit komme ich nun zu einer zweiten Frage:
Wie sollte ein Buch verfilmt werden?
Damit meine ich vor allem: wie genau sollte ein Film dem Buch folgen, wann sind Änderungen erlaubt oder sogar erforderlich?
Auch da begegnet man immer wieder unterschiedlichen Auffassungen. Eine Extremposition sieht so aus, daß ein Film - auf der Ebene der Handlung - überhaupt nichts ändern sollte. Die Gegenposition verlangt vom Film vor allem Eigenständigkeit und verlangt sogar radikale Abweichungen von der Vorlage, wenn nötig.
Meine Position liegt da ziemlich in der Mitte, was ich nun etwas näher ausführen will.
Die Werktreue so weit zu treiben, jede Begebenheit, jeden Dialogsatz etc. eines Romans zu übernehmen, halte ich für albern. Dagegen gibt es mehrere Einwände: wenn etwa in einem Buch Briefe eine große Rolle spielen, so ist es eine äußerst schwerfällige Lösung, einen möglicherweise mehrere Seiten langen Brief zu zeigen und dazu dann eine Stimme aus dem Off erklingen zu lassen, die den Brief vorliest - nahezu jede andere Lösung ist im Film vorzuziehen.
Ich hatte aber auch schon erwähnt, daß mitunter Kürzungen oder Vereinfachungen einer Vorlage unvermeidlich sind. Bisweilen sind sie aber auch segensreich. Gerade in der Literatur des 19. Jahrhunderts gibt es viele Bücher mit übertrieben verwickelten Plots, was häufig zulasten der Glaubwürdigkeit geht - und dies tritt durchaus auch bei großen Autoren wie etwa Charles Dickens auf. Was Dickens seinen Lesern mitunter an Enthüllungen über unerwartete Verwandtschaftsbeziehungen zwischen einzelnen Figuren (am Schluß von Oliver Twist etwa) zumutet, stellt die Bereitschaft, ihm eine Geschichte abzunehmen, teilweise auf eine sehr harte Probe. In solchen Fällen sind Vereinfachungen nicht nur legitim, sondern sogar zu begrüßen.
Dann gibt es wiederum Dinge, die in einem Roman vielleicht gut funktionieren, im Film aber eben nicht; die Heckentiere in Stephen Kings Shining sind ein Beispiel dafür (und wenngleich ich Stanley Kubricks Verfilmung dieses Buchs nicht leiden kann und auch für deutlich schwächer halte, gehört Kubricks Verzicht auf die Heckentiere zu den wenigen Dingen, die ich ihm bei diesem Film nicht vorwerfe). In solchen Fällen ist dann das Filmverständnis und zum Teil auch einfach der gute Geschmack eines Regisseurs und/oder Drehbuchautoren gefragt.
Klar ist natürlich auch: je schlechter die Buchvorlage ist, desto legitimer sind Abweichungen. Wenn ein guter Regisseur einen schlechten Roman liest und darin etwas so interessantes findet, daß sich daraus ein guter Film machen läßt, dann ist es vertretbar, daß er bei der Umsetzung vor allem nach Wegen sucht, um seine Idee zu verwirklichen, und sich nicht so sehr darum kümmert, was in der Buchvorlage steht. (Und hieraus erklären sich auch die unterschiedlichen Positionen beim eben erwähnten Shining: die Bewunderer des Films, die Kubricks Umgang mit dem Roman Kings für legitim halten, sind - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - King-Verächter oder haben seinen Roman gar nicht gelesen, während wiederum unter denen, die den Roman schätzen, fast niemand den Film mag: letztlich würde fast jeder Kubricks Vorgehensweise bei einem schlechten Roman akzeptieren, bei einem guten dagegen tadeln, und daher hängt die Bewertung dieser Buchadaption vor allem davon ab, ob jemand Kings Roman für ein gutes oder ein schlechtes Buch hält.)
Die Ausführungen eben bezogen sich vor allem auf eher triviale Bücher; ansonsten nehme ich aber schon den Standpunkt ein, daß eine Verfilmung, auch wenn sie Veränderungen im Detail vornimmt, doch die Essenz der Vorlage treffen, besonders dann, wenn es sich um ein sehr gutes Buch handelt oder einfach kulturgeschichtlich bedeutendes Buch handelt. Das heißt eben auch, daß eine Verfilmung vielleicht sogar eine Schwäche der Vorlage übernehmen muß, wenn diese essentiell ist (ich hatte ja in meinem Filmkommentar schon die Horkruxe bei Harry Potter erwähnt). Dies will ich mit einem Beispiel, das jeder kennt, verdeutlichen: man muß meiner Auffassung nach die biblischen Geschichten vom Sündenfall oder von der Sintflut und Noahs Arche nicht unbedingt mögen. Aber wenn ein Regisseur sich entscheidet, die Genesis zu verfilmen, dann müssen sie darin vorkommen, egal, was der Regisseur von ihnen hält - denn andernfalls wäre es eben keine Verfilmung der Genesis mehr.
Daraus läßt sich also als Prinzip ableiten: Veränderungen von Nebensächlichkeiten sind durchaus zulässig und können sogar erforderlich sein, wegen grundlegender Gesetze der Filmkunst, oder auch, weil die besondere Lesart des Regisseurs sie verlangt; Veränderungen essentieller Bestandteile eines Buches sind dagegen zumindest problematisch (und dafür muß ein Regisseur dann sehr gute Gründe haben). Eine Herausforderung für einen Regisseur besteht also auch darin, zu erkennen, was eigentlich die Essenz eines Romans ausmacht. (Und auch hier wird noch einmal deutlich, warum die Verfilmung literarischer Meisterwerke so schwierig ist und so selten gelingt: weil es in einem Meisterwerk eben kaum wirklich "Nebensächliches" gibt!)
Soweit erst einmal meine recht unstrukturierten Gedanken zum Thema Literaturverfilmung.
Dabei will ich mich zunächst der Frage widmen:
Lassen sich alle Bücher verfilmen?
Das kommt ganz darauf an, was man unter "verfilmen" versteht! Wenn man sich damit zufriedengibt, daß einfach etwas Filmmaterial belichtet wird und ein Film entsteht, der die Handlung des Buches, sofern es eine gibt, ungefähr wiedergibt, dann dürften sich die meisten Bücher verfilmen lassen, zumindest die meisten erzählerischen. Doch dies ist ein sehr bescheidener Anspruch. Die entscheidende Frage ist wohl eher, ob eine Verfilmung adäquat ist.
Wenn man aber fordert, daß eine adäquate Verfilmung ein Kunstwerk sein soll, daß mindestens ebenbürtig neben dem Buch steht, dann ist unter der Verfilmbarkeit wohl eher zu verstehen, daß eine adäquate Verfilmung überhaupt möglich ist. Diese Frage ist nun deutlich schwerer zu beantworten, denn so lange es niemand gemacht hat, kann auch keiner sagen, wie gut oder schlecht eine Verfilmung im konkreten Fall wirklich ausfällt. Trotzdem gibt es eben Bücher, bei denen der Gedanke naheliegt, daß jeder Versuch einer Verfilmung scheitern müssen, weil etwa die Qualitäten des Buches so sehr sprachspezifischer und stilistischer Natur sind, daß bei einer Übersetzung des Sprachkunstwerks in Bildersprache das entscheidende verloren gehen wird. So leben ja gerade die großen Versdichtungen wie die Ilias, die Odyssee oder auch Miltons Paradise Lost wesentlich von ihren sprachlichen Qualitäten. Sicher, die reine Handlung läßt sich bebildern, aber hat es jemals eine Homer-Verfilmung gegeben, die neben den Epen nicht auf Zwergengröße geschrumpft wäre?
Ganz besonders dann, wenn ein Werk, sei es in Versen oder Prosa, durch das Zusammenwirken der einzelnen Wörter vieldeutig wird, wird eine Verfilmung schwierig, denn Bilder können mitunter sehr eindeutig sein. Damit kommt ein zusätzliches Problem von Verfilmungen hinzu: ein Buch erzeugt im Leser des Kopfs ganz eigene Bilder, Bilder, die vermutlich eher unscharf bleiben, aber dennoch von großer Kraft sein können. Und diese Bilder können je nach Leser sehr verschieden sein. Eine Verfilmung zwingt dagegen allen Zuschauern die Bilder auf, die der Regisseur für die richtigen hält. Insofern ist eine Verfilmung immer auch ein wenig ein Gewaltakt. "Der Herr der Ringe" ist für meine Ausführungen ein gutes Beispiel: da der Roman auf vielen verschiedenen Ebenen funktioniert, gibt es auch sehr unterschiedliche Dinge, die man daran mögen kann, und er kann eben auch sehr verschiedene Bilder im Kopf eines Lesers evozieren. Viele Leser haben in der Filmfassung Peter Jacksons offenbar das wiedergefunden, was ihnen am Buch gefiel, und fanden an Jacksons Bildern Gefallen. Bei mir war das leider nicht der Fall: die meisten Dinge, die ich am Roman, sind bei der Übersetzung in Filmbilder verloren gegangen, Filmbilder, die fast schon in offener Feindschaft zu denen stehen, die ich im Kopf hatte.
Neben solchen grundsätzlichen Probleme kommen noch die ganz praktischen hinzu: hier ist vor allem die Länge ein Problem. Um einen Roman umzusetzen, sind fast immer Kürzungen unvermeidlich, damit der Film dicht genug ist und nicht zu ausufernd gerät. Denn die meisten Filme stehen von ihrem Aufbau dem Drama näher als dem Roman (oder gar dem Epos). Bei kürzeren Werken, Novellen oder Erzählungen, fällt dieses Problem weitgehend weg, doch schon bei einem 500seitigen Roman ist es gravierend, und bei Werken wie dem Don Quijote etwa steht ein Regisseur vor der Wahl, entweder seine Vorlage zu verstümmeln, einen Film mit extremer Überlänge zu drehen, in dem dann trotzdem noch etliches fehlt - oder sich gleich für eine TV-Serie zu entscheiden, was aber auch seine Nachteile hat.
Damit habe ich ein paar grundsätzliche Probleme angesprochen, und spreche hier meine persönliche Meinung aus: manche Bücher sind unverfilmbar in dem Sinne, das ich es für völlig ausgeschlossen halte, daß es jemals eine Filmversion davon geben wird, die auch nur ansatzweise neben der Vorlage bestehen kann.
Daraus wird natürlich auch noch eine Sache deutlich: je besser das Buch, desto schlechter läßt es sich verfilmen. Zum einen legt ein gutes Buch die Meßlatte natürlich viel höher als ein mittelmäßiges, das vielleicht eine gute Grundidee hat, aber diese nicht richtig ausführt. Zum anderen aber zeichnet sich ein literarisches Meisterwerk sehr oft gerade durch solche Qualitäten und Besonderheiten aus, die bei der Übersetzung in die Bildersprache eines Films besonders leicht verloren gehen.
Damit komme ich nun zu einer zweiten Frage:
Wie sollte ein Buch verfilmt werden?
Damit meine ich vor allem: wie genau sollte ein Film dem Buch folgen, wann sind Änderungen erlaubt oder sogar erforderlich?
Auch da begegnet man immer wieder unterschiedlichen Auffassungen. Eine Extremposition sieht so aus, daß ein Film - auf der Ebene der Handlung - überhaupt nichts ändern sollte. Die Gegenposition verlangt vom Film vor allem Eigenständigkeit und verlangt sogar radikale Abweichungen von der Vorlage, wenn nötig.
Meine Position liegt da ziemlich in der Mitte, was ich nun etwas näher ausführen will.
Die Werktreue so weit zu treiben, jede Begebenheit, jeden Dialogsatz etc. eines Romans zu übernehmen, halte ich für albern. Dagegen gibt es mehrere Einwände: wenn etwa in einem Buch Briefe eine große Rolle spielen, so ist es eine äußerst schwerfällige Lösung, einen möglicherweise mehrere Seiten langen Brief zu zeigen und dazu dann eine Stimme aus dem Off erklingen zu lassen, die den Brief vorliest - nahezu jede andere Lösung ist im Film vorzuziehen.
Ich hatte aber auch schon erwähnt, daß mitunter Kürzungen oder Vereinfachungen einer Vorlage unvermeidlich sind. Bisweilen sind sie aber auch segensreich. Gerade in der Literatur des 19. Jahrhunderts gibt es viele Bücher mit übertrieben verwickelten Plots, was häufig zulasten der Glaubwürdigkeit geht - und dies tritt durchaus auch bei großen Autoren wie etwa Charles Dickens auf. Was Dickens seinen Lesern mitunter an Enthüllungen über unerwartete Verwandtschaftsbeziehungen zwischen einzelnen Figuren (am Schluß von Oliver Twist etwa) zumutet, stellt die Bereitschaft, ihm eine Geschichte abzunehmen, teilweise auf eine sehr harte Probe. In solchen Fällen sind Vereinfachungen nicht nur legitim, sondern sogar zu begrüßen.
Dann gibt es wiederum Dinge, die in einem Roman vielleicht gut funktionieren, im Film aber eben nicht; die Heckentiere in Stephen Kings Shining sind ein Beispiel dafür (und wenngleich ich Stanley Kubricks Verfilmung dieses Buchs nicht leiden kann und auch für deutlich schwächer halte, gehört Kubricks Verzicht auf die Heckentiere zu den wenigen Dingen, die ich ihm bei diesem Film nicht vorwerfe). In solchen Fällen ist dann das Filmverständnis und zum Teil auch einfach der gute Geschmack eines Regisseurs und/oder Drehbuchautoren gefragt.
Klar ist natürlich auch: je schlechter die Buchvorlage ist, desto legitimer sind Abweichungen. Wenn ein guter Regisseur einen schlechten Roman liest und darin etwas so interessantes findet, daß sich daraus ein guter Film machen läßt, dann ist es vertretbar, daß er bei der Umsetzung vor allem nach Wegen sucht, um seine Idee zu verwirklichen, und sich nicht so sehr darum kümmert, was in der Buchvorlage steht. (Und hieraus erklären sich auch die unterschiedlichen Positionen beim eben erwähnten Shining: die Bewunderer des Films, die Kubricks Umgang mit dem Roman Kings für legitim halten, sind - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - King-Verächter oder haben seinen Roman gar nicht gelesen, während wiederum unter denen, die den Roman schätzen, fast niemand den Film mag: letztlich würde fast jeder Kubricks Vorgehensweise bei einem schlechten Roman akzeptieren, bei einem guten dagegen tadeln, und daher hängt die Bewertung dieser Buchadaption vor allem davon ab, ob jemand Kings Roman für ein gutes oder ein schlechtes Buch hält.)
Die Ausführungen eben bezogen sich vor allem auf eher triviale Bücher; ansonsten nehme ich aber schon den Standpunkt ein, daß eine Verfilmung, auch wenn sie Veränderungen im Detail vornimmt, doch die Essenz der Vorlage treffen, besonders dann, wenn es sich um ein sehr gutes Buch handelt oder einfach kulturgeschichtlich bedeutendes Buch handelt. Das heißt eben auch, daß eine Verfilmung vielleicht sogar eine Schwäche der Vorlage übernehmen muß, wenn diese essentiell ist (ich hatte ja in meinem Filmkommentar schon die Horkruxe bei Harry Potter erwähnt). Dies will ich mit einem Beispiel, das jeder kennt, verdeutlichen: man muß meiner Auffassung nach die biblischen Geschichten vom Sündenfall oder von der Sintflut und Noahs Arche nicht unbedingt mögen. Aber wenn ein Regisseur sich entscheidet, die Genesis zu verfilmen, dann müssen sie darin vorkommen, egal, was der Regisseur von ihnen hält - denn andernfalls wäre es eben keine Verfilmung der Genesis mehr.
Daraus läßt sich also als Prinzip ableiten: Veränderungen von Nebensächlichkeiten sind durchaus zulässig und können sogar erforderlich sein, wegen grundlegender Gesetze der Filmkunst, oder auch, weil die besondere Lesart des Regisseurs sie verlangt; Veränderungen essentieller Bestandteile eines Buches sind dagegen zumindest problematisch (und dafür muß ein Regisseur dann sehr gute Gründe haben). Eine Herausforderung für einen Regisseur besteht also auch darin, zu erkennen, was eigentlich die Essenz eines Romans ausmacht. (Und auch hier wird noch einmal deutlich, warum die Verfilmung literarischer Meisterwerke so schwierig ist und so selten gelingt: weil es in einem Meisterwerk eben kaum wirklich "Nebensächliches" gibt!)
Soweit erst einmal meine recht unstrukturierten Gedanken zum Thema Literaturverfilmung.
aber gezögert darauf zu antworten, weil wir schon auf Kino.de(die Ruine ist nachwievor begehbar) unser darüber unterhielten, und ich fürchtete mich zu überholen. Nachdem ich mit Interesse den Dialog zwischen dir und bekay über Remakes gelesen habe, möchte ich, selbst auf die Gefahr hin ein "Remake zu schaffen", doch darauf eingehen.
Ich finde du beschränkst mit deinen Anforderungen den Filmemacher viel zu sehr. Gerade Romane sind quasi die natürliche Grundlage für Filme. Sei es aus kommerziellen Gründen(Harry Potter!), oder sei es weil sie für Filmemacher ein wichtige Inspirationsquelle darstellen. Romane, (Novellen, Kurzgeschichten) sind
aber niemals so etwas wie eine Partitur, die genaue Vorgaben gibt, an die sich der Regisseur zu halten hat. Der Film muss und kann nur als egenständiges Werk bestehen, dass eben auf einem anderen Werk basiert. Darum halte ich unsere Erwartungshaltung, ein geliebtes Buch auf der Leinwand so wie wir es in Erinnerung haben, wiederzusehen für problematisch. Und ich denke, dass auch viele Buchautoren diesen Fehler begehen.
Genauso wäre es falsch anzunehmen, dass man mit der Kenntnis des Filmes auch den dazugehörigen Roman kennt. Ich kenne also die Herr der Ringe Filme von Peter Jackson, aber deswegen noch lange nicht die Romane Tolkiens.
Trotzdem sehe ich auch einen Unterschied, ob jemand versucht
die Essenz des Buches(so er sie erkennt, wie du richtigerweise anführst) in diese andere Kunstform umzusetzen, oder den Roman nur als Inspirationsquelle ansieht, um eigene Ideen zu verwirklichen. Vielleicht wäre es fein wenn darauf hingewiesen wird(frei nach, lose basierend auf u.s.w.) aber ich halte beide Vorgehensweisen für legitim, ganz gleich, welche Reputation das
literarische Werk auch hat. Und selbstverständlich ist wie alles
was Film betrifft, der Übergang zwischen diesen beiden Polen fließend. Entscheidend ist nur , ob ein guter Film dabei herauskommt.
Ich denke unsere beiden Haltungen unterscheiden sich grob in zwei Punkten. Du stellst das literarische Meisterwerk unter Denkmalschutz, das nicht verändert oder verunstaltet darf, ich betone die Autorenschaft des Filmemachers.