Was Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt als Mark Twain, wohl davon gehalten hätte, daß ausgerechnet die Deutschen, über deren "schreckliche Sprache" er sich mokiert hat, seinen Tom Sawyer verfilmen? Darauf läßt sich natürlich keine seriöse Antwort geben, ich für meinen Teil aber war zumindest neugierig, auch wenn ich von anderen Filmen der Regisseurin Hermine Huntgeburth bislang selten etwas gutes gehört hatte. Allerdings hatte ich auch noch keinen davon selbst gesehen, wollte mich davon also nicht zu sehr beeinflussen lassen, und da ich momentan gerade auch noch Mark Twains Autobiographie lese, war ich interessiert genug für einen Kinobesuch.
Ein paar Bedenken hatte ich natürlich schon: eine verjüngte Tante Polly etwa - würde das wirklich funktionieren?
Um es gleich zu sagen: ich fand den Film ziemlich schwach, bestenfalls mäßig. Das liegt aber nicht an den Darstellern, die machen ihre Sache nämlich recht gut, und Louis Hofmann als Tom Sawyer sowie Leon Seidel als Huckleberry Finn sind sogar ein ausgesprochener Glücksgriff, denn die beiden Jungen überzeugen von Beginn an in ihren Rollen. Daß Neuruppin nicht wirklich wie Missouri aussieht, ist auch kein allzu gravierendes Problem - das "Amerika" in Dancer in the Dark sah auch nicht echt aus, und wen hat das schon gestört? Nein, für die gravierenden Schwächen dieses neuen Tom Sawyer tragen von allem Huntgeburth und der Drehbuchautor Sascha Arango die Verantwortung.
Daß die Leinwandadaption eines Romans fast immer mit manchen Änderungen (vor allem Kürzungen) verbunden ist, ist klar. Daß ein Film auch seine eigenen Akzente setzen kann, ist auch klar. Die Frage ist eben immer, wie umsichtig ein Film(regisseur) dabei vorgeht und ob die eigenen Wege, die er einschlägt, sich als sinnvoll erweisen.
Tom Sawyer erweist sich dabei als typischer Fall der Verfilmung eines großartigen Buches, bei dem genau dieser Versuch ziemlich danebengeht. Daß der Film versucht, der Figur des Indianer-Joe mit Verständnis zu begegnen (und auch ein wenig Mitleid zu erwecken), ist durchaus lobenswert (zumal die Stellen bei Mark Twain, in denen er über Indianer schreibt, wohl die unangenehmsten seines Werkes sind); aber paßt es wirklich zu der Figur, daß er Tante Polly zu Hilfe eilt, wenn ihr gerade allerlei Dinge von einem Handkarren heruntergefallen sind? (Rhetorische Frage: ich finde, nicht.) Oder, um ein anderes Beispiel aufzugreifen: im Buch gibt es einige Szenen in der Schule, daneben noch eine in der Sonntagsschule. Das sind aber zwei verschiedene Sachen. Im Film ist davon nichts zu sehen (da verschmelzen der Reverend aus der Sonntagsschule und Mr. Dobbins, der im Film gar nicht auftaucht). Da Arango und Huntgeburth der Unterschied sicherlich bekannt ist, muß ich annehmen, daß sie ihn offenbar für nicht besonders wichtig hielten - das sehe ich aber anders, denn solche Ungenauigkeiten, um nicht zu sagen Schlampigkeiten gehen zu Lasten der Authentizität. Es ist ja auch ganz hübsch, wenn man einem Literaturklassiker einen emanzipatorischen Anstrich verpassen will, aber das sollte dann trotzdem noch stimmig sein. Wenn Becky Thatcher im Unterricht bei der Frage, was Männer und Frauen unterscheidet, danach fragt, warum Frauen nicht wählen dürfen, dann ist das einfach nicht glaubwürdig, denn ein Mädchen in Missouri kurz vor 1850 hat bestimmt nicht solche Fragen gestellt (wenn überhaupt, dann haben das allenfalls erwachsene Frauen getan, und bestimmt auch nur sehr wenige).
Es ließen sich noch mehr solcher Details erwähnen, Nuancen, die in ihrer Summe so zusammenwirken, daß einfach keine Atmosphäre entstehen will, die zu einer amerikanischen Kleinstadt in der Mitte des 19. Jahrhunderts passen würde. Daß auch einige der schönsten Episoden des Romans verkürzt sind oder ganz oder den Tisch fallen, ist hinnehmbar, daß aber die meisten der neu erfundenen Szenen, von denen es mehrere gibt, recht aufgesetzt wirken, ist schon schlimmer. Auch von der Ironie und dem satirischen Biß des Romans ist kaum etwas zu spüren, Tom Sawyer ist eher als Mischung aus Abenteuer- und Familienfilm angelegt.
Insgesamt hat mich der Film, trotz einiger reizvoller Details, weitgehend unbefriedigt zurückgelassen, und ich fürchte sehr, daß der bereits abgedrehte Huck Finn ganz ähnliche Macken haben wird. Das ist sehr schade, weil hier eine gute Chance vertan wurde. Die beiden erfrischenden Hauptdarsteller würde ich allerdings gern in anderen (und hoffentlich besseren) Filmen wiedersehen.
Ein paar Bedenken hatte ich natürlich schon: eine verjüngte Tante Polly etwa - würde das wirklich funktionieren?
Um es gleich zu sagen: ich fand den Film ziemlich schwach, bestenfalls mäßig. Das liegt aber nicht an den Darstellern, die machen ihre Sache nämlich recht gut, und Louis Hofmann als Tom Sawyer sowie Leon Seidel als Huckleberry Finn sind sogar ein ausgesprochener Glücksgriff, denn die beiden Jungen überzeugen von Beginn an in ihren Rollen. Daß Neuruppin nicht wirklich wie Missouri aussieht, ist auch kein allzu gravierendes Problem - das "Amerika" in Dancer in the Dark sah auch nicht echt aus, und wen hat das schon gestört? Nein, für die gravierenden Schwächen dieses neuen Tom Sawyer tragen von allem Huntgeburth und der Drehbuchautor Sascha Arango die Verantwortung.
Daß die Leinwandadaption eines Romans fast immer mit manchen Änderungen (vor allem Kürzungen) verbunden ist, ist klar. Daß ein Film auch seine eigenen Akzente setzen kann, ist auch klar. Die Frage ist eben immer, wie umsichtig ein Film(regisseur) dabei vorgeht und ob die eigenen Wege, die er einschlägt, sich als sinnvoll erweisen.
Tom Sawyer erweist sich dabei als typischer Fall der Verfilmung eines großartigen Buches, bei dem genau dieser Versuch ziemlich danebengeht. Daß der Film versucht, der Figur des Indianer-Joe mit Verständnis zu begegnen (und auch ein wenig Mitleid zu erwecken), ist durchaus lobenswert (zumal die Stellen bei Mark Twain, in denen er über Indianer schreibt, wohl die unangenehmsten seines Werkes sind); aber paßt es wirklich zu der Figur, daß er Tante Polly zu Hilfe eilt, wenn ihr gerade allerlei Dinge von einem Handkarren heruntergefallen sind? (Rhetorische Frage: ich finde, nicht.) Oder, um ein anderes Beispiel aufzugreifen: im Buch gibt es einige Szenen in der Schule, daneben noch eine in der Sonntagsschule. Das sind aber zwei verschiedene Sachen. Im Film ist davon nichts zu sehen (da verschmelzen der Reverend aus der Sonntagsschule und Mr. Dobbins, der im Film gar nicht auftaucht). Da Arango und Huntgeburth der Unterschied sicherlich bekannt ist, muß ich annehmen, daß sie ihn offenbar für nicht besonders wichtig hielten - das sehe ich aber anders, denn solche Ungenauigkeiten, um nicht zu sagen Schlampigkeiten gehen zu Lasten der Authentizität. Es ist ja auch ganz hübsch, wenn man einem Literaturklassiker einen emanzipatorischen Anstrich verpassen will, aber das sollte dann trotzdem noch stimmig sein. Wenn Becky Thatcher im Unterricht bei der Frage, was Männer und Frauen unterscheidet, danach fragt, warum Frauen nicht wählen dürfen, dann ist das einfach nicht glaubwürdig, denn ein Mädchen in Missouri kurz vor 1850 hat bestimmt nicht solche Fragen gestellt (wenn überhaupt, dann haben das allenfalls erwachsene Frauen getan, und bestimmt auch nur sehr wenige).
Es ließen sich noch mehr solcher Details erwähnen, Nuancen, die in ihrer Summe so zusammenwirken, daß einfach keine Atmosphäre entstehen will, die zu einer amerikanischen Kleinstadt in der Mitte des 19. Jahrhunderts passen würde. Daß auch einige der schönsten Episoden des Romans verkürzt sind oder ganz oder den Tisch fallen, ist hinnehmbar, daß aber die meisten der neu erfundenen Szenen, von denen es mehrere gibt, recht aufgesetzt wirken, ist schon schlimmer. Auch von der Ironie und dem satirischen Biß des Romans ist kaum etwas zu spüren, Tom Sawyer ist eher als Mischung aus Abenteuer- und Familienfilm angelegt.
Insgesamt hat mich der Film, trotz einiger reizvoller Details, weitgehend unbefriedigt zurückgelassen, und ich fürchte sehr, daß der bereits abgedrehte Huck Finn ganz ähnliche Macken haben wird. Das ist sehr schade, weil hier eine gute Chance vertan wurde. Die beiden erfrischenden Hauptdarsteller würde ich allerdings gern in anderen (und hoffentlich besseren) Filmen wiedersehen.