Wieder mal zwei Kurzbesprechungen, eine davon zu einem meiner 100 Lieblingsfilme:
Die Zärtlichkeit der Wölfe
greift den authentischen Fall Fritz Haarmanns auf, der zwischen 1918 und 1924 zahlreiche Jungen bzw. junge Männer ermordete. Der Film orientiert sich aber nicht allein am realen Kriminalfall, sondern mindestens ebensosehr an diversen filmischen Vorbildern, neben manchen Vampirfilmen wäre hier auch Fritz Langs M (der seinerseits vom Fall Haarmann beeinflußt wurde) zu nennen, auf den in einer Szene sehr deutlich angespielt wird; dazu paßt auch die äußerliche Erscheinung Kurt Raabs in der Hauptrolle, in der er ein wenig wie eine Mischung aus Max Schreck in Murnaus Nosferatu und eben Peter Lorre im schon erwähnten M wirkt, während er dem historischen Fritz Haarmann überhaupt nicht ähnlich sieht. Das ist durchaus interessant anzuschauen, wobei sich mir aber doch nicht erschlossen hat, warum die Geschichte aus der Weimarer Zeit in die frühe Nachkriegszeit (und außerdem ins Ruhrgebiet) verlegt wurde. Die Zärtlichkeit der Wölfe ist mit Sicherheit kein Thriller, denn er reiht in einer spröden und eliptischen Erzählweise einzelne Szenen aneinander, die nicht wirklich dramatischen Höhepunkten entgegensteuern. Zumindest stellenweise beklemmend ist der Film trotzdem, weniger durch das, was er zeigt (obwohl es eigentlich nur zwei vergleichsweise drastische Szenen gibt), sondern mehr noch durch geschickte Aussaprungen im richtigen Moment. So sucht etwa in einer Szene ein kleiner Junge mit einer Mütze Haarmann auf; in der nächsten Szene verschenkt dieser die Mütze an andere Kinder, und man begreift dadurch, was mit dem Jungen geschehen ist - es ist der schrecklichste Moment des Films.
Insgesamt fand ich den Film schon interessant und auf seine Weise auch sehenswert, auch wenn ich ihn sicher nicht als Meisterwerk bezeichnen würde.
Lost Highway halte ich dagegen sehr wohl für ein Meisterwerk, wobei ich früher (und andernorts) schon so viel zu dem Film geschrieben habe, daß ich mich kurz fassen möchte. Auch beim fünften Sehen hat mich Lynchs filmisches Möbiusband erneut in seinen Bann geschlagen, und wieder einmal sind mir neue, kleine Details aufgefallen, die ich zuvor nicht bemerkt habe. Was die Frage der Interpretation betrifft, so scheint mir die Deutung, daß ein Mörder, der seine Schuld nicht ertragen kann, sich eine neue Identität erfindet, in dieser aber neuerlich in einen Abgrund aus Sex und Gewalt hineingezogen wird, noch immer eine der überzeugendsten zu sein; aber es gibt sicherlich auch noch andere Ansätze, so könnte sich der ganze Film an einem ähnlichen Ort wie der "Schwarzen Hütte" aus Twin Peaks abspielen, mit dem Mystery Man als dämonischem Hausherren. Auf alle Fälle ist dies wohl der Film im Lynch-Kosmos, der sich am stärksten mit dem filmischen Medium selbst auseinandersetzt (und vielleicht hat das Motiv der geheimnisvollen Videobänder ja Michael Hanekes ausgezeichneten Caché beeinflußt?), zugleich der wohl kälteste und trotz des schwarzen Humors, mit dem der Film gespickt ist, auch der finsterste. Ein Alptraum, der nach wie vor eine enorme Sogwirkung hat.
Die Zärtlichkeit der Wölfe
greift den authentischen Fall Fritz Haarmanns auf, der zwischen 1918 und 1924 zahlreiche Jungen bzw. junge Männer ermordete. Der Film orientiert sich aber nicht allein am realen Kriminalfall, sondern mindestens ebensosehr an diversen filmischen Vorbildern, neben manchen Vampirfilmen wäre hier auch Fritz Langs M (der seinerseits vom Fall Haarmann beeinflußt wurde) zu nennen, auf den in einer Szene sehr deutlich angespielt wird; dazu paßt auch die äußerliche Erscheinung Kurt Raabs in der Hauptrolle, in der er ein wenig wie eine Mischung aus Max Schreck in Murnaus Nosferatu und eben Peter Lorre im schon erwähnten M wirkt, während er dem historischen Fritz Haarmann überhaupt nicht ähnlich sieht. Das ist durchaus interessant anzuschauen, wobei sich mir aber doch nicht erschlossen hat, warum die Geschichte aus der Weimarer Zeit in die frühe Nachkriegszeit (und außerdem ins Ruhrgebiet) verlegt wurde. Die Zärtlichkeit der Wölfe ist mit Sicherheit kein Thriller, denn er reiht in einer spröden und eliptischen Erzählweise einzelne Szenen aneinander, die nicht wirklich dramatischen Höhepunkten entgegensteuern. Zumindest stellenweise beklemmend ist der Film trotzdem, weniger durch das, was er zeigt (obwohl es eigentlich nur zwei vergleichsweise drastische Szenen gibt), sondern mehr noch durch geschickte Aussaprungen im richtigen Moment. So sucht etwa in einer Szene ein kleiner Junge mit einer Mütze Haarmann auf; in der nächsten Szene verschenkt dieser die Mütze an andere Kinder, und man begreift dadurch, was mit dem Jungen geschehen ist - es ist der schrecklichste Moment des Films.
Insgesamt fand ich den Film schon interessant und auf seine Weise auch sehenswert, auch wenn ich ihn sicher nicht als Meisterwerk bezeichnen würde.
Lost Highway halte ich dagegen sehr wohl für ein Meisterwerk, wobei ich früher (und andernorts) schon so viel zu dem Film geschrieben habe, daß ich mich kurz fassen möchte. Auch beim fünften Sehen hat mich Lynchs filmisches Möbiusband erneut in seinen Bann geschlagen, und wieder einmal sind mir neue, kleine Details aufgefallen, die ich zuvor nicht bemerkt habe. Was die Frage der Interpretation betrifft, so scheint mir die Deutung, daß ein Mörder, der seine Schuld nicht ertragen kann, sich eine neue Identität erfindet, in dieser aber neuerlich in einen Abgrund aus Sex und Gewalt hineingezogen wird, noch immer eine der überzeugendsten zu sein; aber es gibt sicherlich auch noch andere Ansätze, so könnte sich der ganze Film an einem ähnlichen Ort wie der "Schwarzen Hütte" aus Twin Peaks abspielen, mit dem Mystery Man als dämonischem Hausherren. Auf alle Fälle ist dies wohl der Film im Lynch-Kosmos, der sich am stärksten mit dem filmischen Medium selbst auseinandersetzt (und vielleicht hat das Motiv der geheimnisvollen Videobänder ja Michael Hanekes ausgezeichneten Caché beeinflußt?), zugleich der wohl kälteste und trotz des schwarzen Humors, mit dem der Film gespickt ist, auch der finsterste. Ein Alptraum, der nach wie vor eine enorme Sogwirkung hat.