Der geschätzte Kollege Gerngucker hat mir die Möglichkeit eröffnet, die folgenden Filme einmal kennenzulernen (was ich im Verlauf der Woche dann auch getan habe), wofür ich mich auch an dieser Stelle noch einmal herzlich bedanken möchte.
Die Wanderschauspieler
haben mich, ehrlich gesagt, wohl ein wenig überfordert... Jedenfalls tat ich mich unheimlich schwer damit, erst einmal richtig in den Film hineinzufinden, der dem Zuschauer ein sehr hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration abverlangt. Erzählt wird das Schicksal eine Gruppe von Wanderschauspielern, die immer dasselbe Schäferspiel aufführen, in den Wirren der Jahre von 1939 bis 1952. Dabei schildert der Film aber nicht nur deren deren Einzelschicksale, sondern ist auch als Historienfilm, oder wie man vielleicht besser sagen sollte, historisches Fresko angelegt, das ein wechselvolles Stück griechischer Geschichte selbst darstellt. Zudem lehnt sich der Familienkonflikt, zu dem es innerhalb der Schauspielergruppe kommt, an die Orestie des Äschylos an. Rein inhaltlich also schon mal ziemlich schwere Kost, und die komplexe, freilich auch virtuose Erzählweise von Theo Angelopoulos erleichtert den Zugang auch nicht gerade. Jedenfalls muß ich eingestehen, daß es doch eine Weile gedauert hat, bis ich mich in dem Film zurechtfand.
Auch mit dem Stil des Films mußte ich mich erst allmählich befreunden. Wie mir selbst vor kurzem bewußt geworden ist, ziehe ich die Werke der Regisseure, die den Schnitt als wesentliches Gestaltungsmittel einsetzen (dabei denke ich natürlich zunächst einmal an Hitchcock und sein Montage-Kino, wobei es schon kurios ist, daß ausgerechnet Hitch sich auf das Experiment Rope eingelassen hat), zumindest tendentiell den Werken jener Regisseure vor, die mit zum Teil extrem langen Einstellungen und insbesondere Plansequenzen arbeiten, wie Tarkowski, Tarr, in früheren Zeiten auch Renoir, oder eben Angelopoulos. Was zwar nicht heißt, daß ich mich nicht auch dafür begeistern könnte (schließlich mag ich ja z.B. die frühen Tarkowski-Filme sehr), aber es passiert deutlich seltener, und für gewöhnlich tue ich mich mit solchen Filmen deutlich schwerer. Woran das liegt? Vermutlich daran, daß ich ein ungeduldiger Mensch bin, der sich nicht leicht auf die Langsamkeit, die den eben angesprochenen Werken oft anhaftet, einlassen kann. Wie auch immer: Die Wanderschauspieler haben noch ein weiteres Stilmittel zu bieten, das mir nicht besonders zusagt: drei der Hauptfiguren sprechen längere Monologe (jeweils so sechs bis sieben Minuten, wenn ich es richtig mitbekommen habe) fast direkt in die Kamera; das erinnerte mich doch etwas an das mir (innerlich fremde) Konzept des epischen Theaters. Was sie da erzählen, ist allerdings sehr eindringlich, wie ich dann auch betonen möchte.
Nachdem ich dann endlich in den Film hineingefunden hatte, betrachtete ich ihn doch mit gewisser Faszination, da er fraglos formal makellos ist und es außerdem bemerkenswert ist, wie er seine verschiedenen Ebenen miteinander verflechtet, wobei es viele starke, bisweilen auch große Szenen gibt (ich denke da etwa an den Rachemord auf offener Bühne, der vom Theaterpublikum beklatscht wird); besondere Erwähnung verdient auch, wie Angelopoulos es (mehrmals) schafft, innerhalb einer Einstellung den fließenden Übergang zwischen verschiedenen Zeiten der Handlung herzustellen.
So fühlte ich mich am Ende der fast vier Stunden zwar einerseits restlos erschöpft, hatte aber doch das Gefühl, einen großen (und sehr vielschichtigen) Film gesehen zu haben. Ein Film, der Bewunderung verdient? Gewiß. Ein Meisterwerk? Ja, wohl auch dies. Ein Film, den ich fortan zu meinen persönlichen Favoriten rechnen werde? Sicher nicht.
Um den Film aber besser zu verstehen und gerade auch seine verschiedenen Ebenen tiefer zu durchdringen, muß ich ihn fraglos noch ein zweites Mal sehen. Irgendwann werde ich das wohl auch tun, es könnte aber sein, daß ich mir Zeit damit lasse.
Vor dem Regen
thematisiert die ethnischen Konflikte auf dem Balkan in den 90er Jahren, die sich bekanntermaßen in grauenhaften Kriegen und Massakern entluden, ist aber nicht so sehr ein Kriegsfilm, sondern eher ein Film über die zerstörerische Wirkung von Gewalt an sich, die sich wie eine ansteckende Krankheit immer mehr ausbreitet. Dabei erzählt der Film drei Episoden mit unterschiedlichen Hauptfiguren, die sich aber trotzdem zu einer Geschichte zusammenfügen, wobei die Episoden so angeordnet sind, daß der Film eine geradezu kreisförmige Struktur gewinnt (worin ich einen seiner größten Vorzüge sehe, da der Film letztlich einen tödlichen Kreislauf, aus dem es kein Entkommen gibt, darstellt). Dabei sind diese drei Episoden nicht gleichermaßen überzeugend, die mittlere, die in London spielt, fand ich deutlich schwächer als die beiden anderen. Insgesamt ist dies aber ein kraftvoller, freilich auch sehr bedrückender Film, der deutlich macht, wie überkommenene (und vor allem patriarchalische) Gesellschafstrukturen das Kilma schaffen, das dann zum Nährboden von (ethnischen) Konflikten und Gewalt wird. Ein sehenswertes (wenn auch stellenweise nur schwer erträgliches) Erstlingswerk, das Beachtung verdient hätte, tatsächlich aber wohl so gut wie überhaupt nicht mehr zu sehen ist.
Woody - Der Unglücksrabe
bzw. Take the money and run, wie der Film sehr viel passender im Original heißt, ist dagegen ein sehr vergnügliches Werk. Allens erste eigentliche Regiearbeit (vorher hatte er schon einen japanischen Film umgestaltet) enthält eigentlich schon alles, was sein weiteres Werk ausmacht: die Hauptfigur, der nichts im Leben so richtig gelingen will, die typischen Themen und auch die wesentlichen Stilmittel. In seinen späteren Filmen hat Allen das alles noch weiterentwickelt, verfeinert und letztlich verbessert, doch im Grundsatz ist hier schon alles Wesentliche vorhanden. Dabei wird im Stil einer Reportage die Geschichte eines Verlierers, der eher notgedrungen zum Verbrecher wird, obwohl das gar nicht seinem Naturell entspricht, mit viel Witz erzählt, wobei auch immer wieder mal Kriminal-, Gefängnis- oder Gangsterfilme parodiert werden. Ein Auftakt nach Maß, an dem ich meinen Spaß hatte.
Die Wanderschauspieler
haben mich, ehrlich gesagt, wohl ein wenig überfordert... Jedenfalls tat ich mich unheimlich schwer damit, erst einmal richtig in den Film hineinzufinden, der dem Zuschauer ein sehr hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration abverlangt. Erzählt wird das Schicksal eine Gruppe von Wanderschauspielern, die immer dasselbe Schäferspiel aufführen, in den Wirren der Jahre von 1939 bis 1952. Dabei schildert der Film aber nicht nur deren deren Einzelschicksale, sondern ist auch als Historienfilm, oder wie man vielleicht besser sagen sollte, historisches Fresko angelegt, das ein wechselvolles Stück griechischer Geschichte selbst darstellt. Zudem lehnt sich der Familienkonflikt, zu dem es innerhalb der Schauspielergruppe kommt, an die Orestie des Äschylos an. Rein inhaltlich also schon mal ziemlich schwere Kost, und die komplexe, freilich auch virtuose Erzählweise von Theo Angelopoulos erleichtert den Zugang auch nicht gerade. Jedenfalls muß ich eingestehen, daß es doch eine Weile gedauert hat, bis ich mich in dem Film zurechtfand.
Auch mit dem Stil des Films mußte ich mich erst allmählich befreunden. Wie mir selbst vor kurzem bewußt geworden ist, ziehe ich die Werke der Regisseure, die den Schnitt als wesentliches Gestaltungsmittel einsetzen (dabei denke ich natürlich zunächst einmal an Hitchcock und sein Montage-Kino, wobei es schon kurios ist, daß ausgerechnet Hitch sich auf das Experiment Rope eingelassen hat), zumindest tendentiell den Werken jener Regisseure vor, die mit zum Teil extrem langen Einstellungen und insbesondere Plansequenzen arbeiten, wie Tarkowski, Tarr, in früheren Zeiten auch Renoir, oder eben Angelopoulos. Was zwar nicht heißt, daß ich mich nicht auch dafür begeistern könnte (schließlich mag ich ja z.B. die frühen Tarkowski-Filme sehr), aber es passiert deutlich seltener, und für gewöhnlich tue ich mich mit solchen Filmen deutlich schwerer. Woran das liegt? Vermutlich daran, daß ich ein ungeduldiger Mensch bin, der sich nicht leicht auf die Langsamkeit, die den eben angesprochenen Werken oft anhaftet, einlassen kann. Wie auch immer: Die Wanderschauspieler haben noch ein weiteres Stilmittel zu bieten, das mir nicht besonders zusagt: drei der Hauptfiguren sprechen längere Monologe (jeweils so sechs bis sieben Minuten, wenn ich es richtig mitbekommen habe) fast direkt in die Kamera; das erinnerte mich doch etwas an das mir (innerlich fremde) Konzept des epischen Theaters. Was sie da erzählen, ist allerdings sehr eindringlich, wie ich dann auch betonen möchte.
Nachdem ich dann endlich in den Film hineingefunden hatte, betrachtete ich ihn doch mit gewisser Faszination, da er fraglos formal makellos ist und es außerdem bemerkenswert ist, wie er seine verschiedenen Ebenen miteinander verflechtet, wobei es viele starke, bisweilen auch große Szenen gibt (ich denke da etwa an den Rachemord auf offener Bühne, der vom Theaterpublikum beklatscht wird); besondere Erwähnung verdient auch, wie Angelopoulos es (mehrmals) schafft, innerhalb einer Einstellung den fließenden Übergang zwischen verschiedenen Zeiten der Handlung herzustellen.
So fühlte ich mich am Ende der fast vier Stunden zwar einerseits restlos erschöpft, hatte aber doch das Gefühl, einen großen (und sehr vielschichtigen) Film gesehen zu haben. Ein Film, der Bewunderung verdient? Gewiß. Ein Meisterwerk? Ja, wohl auch dies. Ein Film, den ich fortan zu meinen persönlichen Favoriten rechnen werde? Sicher nicht.
Um den Film aber besser zu verstehen und gerade auch seine verschiedenen Ebenen tiefer zu durchdringen, muß ich ihn fraglos noch ein zweites Mal sehen. Irgendwann werde ich das wohl auch tun, es könnte aber sein, daß ich mir Zeit damit lasse.
Vor dem Regen
thematisiert die ethnischen Konflikte auf dem Balkan in den 90er Jahren, die sich bekanntermaßen in grauenhaften Kriegen und Massakern entluden, ist aber nicht so sehr ein Kriegsfilm, sondern eher ein Film über die zerstörerische Wirkung von Gewalt an sich, die sich wie eine ansteckende Krankheit immer mehr ausbreitet. Dabei erzählt der Film drei Episoden mit unterschiedlichen Hauptfiguren, die sich aber trotzdem zu einer Geschichte zusammenfügen, wobei die Episoden so angeordnet sind, daß der Film eine geradezu kreisförmige Struktur gewinnt (worin ich einen seiner größten Vorzüge sehe, da der Film letztlich einen tödlichen Kreislauf, aus dem es kein Entkommen gibt, darstellt). Dabei sind diese drei Episoden nicht gleichermaßen überzeugend, die mittlere, die in London spielt, fand ich deutlich schwächer als die beiden anderen. Insgesamt ist dies aber ein kraftvoller, freilich auch sehr bedrückender Film, der deutlich macht, wie überkommenene (und vor allem patriarchalische) Gesellschafstrukturen das Kilma schaffen, das dann zum Nährboden von (ethnischen) Konflikten und Gewalt wird. Ein sehenswertes (wenn auch stellenweise nur schwer erträgliches) Erstlingswerk, das Beachtung verdient hätte, tatsächlich aber wohl so gut wie überhaupt nicht mehr zu sehen ist.
Woody - Der Unglücksrabe
bzw. Take the money and run, wie der Film sehr viel passender im Original heißt, ist dagegen ein sehr vergnügliches Werk. Allens erste eigentliche Regiearbeit (vorher hatte er schon einen japanischen Film umgestaltet) enthält eigentlich schon alles, was sein weiteres Werk ausmacht: die Hauptfigur, der nichts im Leben so richtig gelingen will, die typischen Themen und auch die wesentlichen Stilmittel. In seinen späteren Filmen hat Allen das alles noch weiterentwickelt, verfeinert und letztlich verbessert, doch im Grundsatz ist hier schon alles Wesentliche vorhanden. Dabei wird im Stil einer Reportage die Geschichte eines Verlierers, der eher notgedrungen zum Verbrecher wird, obwohl das gar nicht seinem Naturell entspricht, mit viel Witz erzählt, wobei auch immer wieder mal Kriminal-, Gefängnis- oder Gangsterfilme parodiert werden. Ein Auftakt nach Maß, an dem ich meinen Spaß hatte.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, ging es mir auch nur darum, Dir die Möglichkeit zu geben, zwei meiner am meisten geliebten/geschätzten Filme selbst sehen zu können, weil es auf anderem Weg kaum Zugangsmöglichkeiten geben dürfte. Dass Du diese Filme nicht ebenso großartig finden wirst wie ich, war aufgrund unserer doch etwas unterschiedlichen cineastischen Veranlagung klar. Bei Angelopoulos hast Du es treffend angesprochen. Ich habe im Laufe der letzten Jahre die ruhigen mit langen Einstellungen arbeitenden Filme und deren Filmemacher kennen und schätzen gelernt. Wobei ich da als Bedingung anknüpfen möchte, dass ein solcher Film schon eine Art "Sog" entwickeln und mich in den Film hineinziehen muss, um mich auf Dauer interessieren, anregen und fesseln zu können. Sonst kann auch ganz schnell das Gegenteil passieren und ich in versinke in Desinteresse. Ich habe "Die Wanderschauspieler" auch erst zweimal gesehen (einmal mit dt. UT, einmal mit engl. UT), war beim ersten Mal von seiner formalen Gestaltung und Komplexität geplättet und habe erst beim zweiten Mal Rollen und Zeitbezüge besser verstanden, die Kameraarbeit genossen und Details entdeckt oder besser zu deuten gewusst. Und ich habe ihn mit Sicherheit noch nicht komplett erschlossen, dazu sind die historischen, politischen und antiken Bezüge und die "mehrfachfunktionalen" Figuren (Rolle in der Wandertruppe, im Bühnenstück, im politischen Zeitgeschehen, in der Antike) zu komplex.
"Vor dem Regen" ist einer jener Filme die besonders schmerzhaft in die Magengrube treten und dadurch unvergesslich werden. Auch aufgrund dieser wirklich tollen Kreisstruktur, die zunächst noch nicht erahnbar ist, dann zu etwas Verwirrung über wiederauftauchende Figuren führt, dann aber den Schulterschluss so meisterhaft vollendet. Und mit jedem Sehen erkenne ich immer wieder an, wie perfekt und rund dieser Kreis doch ist und sich Details und Figuren ineinander verhaken. Demzufolge ist das mittlere (falls es wirklich das mittlere ist, es könnte genauso gut das erste oder das letzte sein) Teilstück genauso wichtig, auch wenn es im grauen London spielt und einen Moment des Innehaltens darstellt. "Vor dem Regen" ist der einzige Film, zu dem ich mal zu kino.de-Zeiten einen längeren Text begonnen aber nie vollendet und gepostet habe, weil ich mich außerstande sah, die Kraft des Filmes in Worten auszudrücken.
Und wie jetzt. Kanntest Du "Woody der Unglücksrabe" noch gar nicht?