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So (ungefähr) hätte meine kino.ED-Liste ausgesehen...
von Settembrini ·
21 Dezember 2011
Kategorie:
Listen
Aufrufe: 2.661
Den kino.de-Emigranten muß ich sicher nicht erklären, was der kino.ED ist bzw. war, für andere sei dies hier kurz erläutert: der kino.ED war ein von der kino.de-Community vergebener Filmpreis, der in einer Reihe von Kategorien verliehen wurde (auch wenn wohl kein Preisträger jemals von seinem Glück erfahren hat...). Dabei haben alle Forenmitglieder, die an der Wahl teilnahmen, Listen mit ihren Favoriten in den einzelnen Kategorien unter den Filmen eines Jahres, die einen regulären Kinostart geschafft hatten oder auf DVD veröffentlich worden waren, zusammengestellt (Festivalfilme blieben also für gewöhnlich außen vor, was zu ständigen Diskussionen führte), und nach einem ausgeklügelten Punktesystem wurden aus diesen Listen dann Nominierungen für die einzelnen Kategorien erstellt, und in einem zweiten, geheimen Wahlgang wählten die Mitglieder des Forums dann unter den Nominierten die Preisträger aus. Ungefähr wie beim Oscar eben...
Ich gehörte zu denjenigen, die sich immer mehr für die einzelnen Listen als für das Endergebnis interessiert haben, und so habe ich auch dieses Jahr eine kleine Liste zusammengestellt. Dabei habe ich wieder einmal nur recht wenige der aktuellen Kinofilme gesehen, doch soweit eine solche Stichprobe Rückschlüsse auf das Filmjahr insgesamt zuläßt, kann ich durchaus sagen, daß es ein ungewöhnlich gutes Jahr war. Dies gilt ganz besonders für die Spitzenwerke: so hätte etwa mein drittplatzierter Film in vielen schwächeren Jahren eine hervorragende Nummer 1 abgegeben. Umgekehrt ist mir der wirkliche Bodensatz erspart geblieben (was wohl mit meiner Auswahl zusammenhängt, denn Schrott hat es ganz bestimmt wieder gegeben).
Nun aber genug der Vorrede, ich will vielmehr gleich auf die ED-relevanten Filme dieses Jahres, die ich gesehen habe, kurz eingehen.
So hätte meine Liste ausgesehen:
1. MELANCHOLIA
Schon der Titel ließ mich vermuten, daß der Film mir sehr gefallen würde, benennt er doch das Gefühl, das zum beherrschenden meines Lebens geworden ist. Ich scheine seit Jahren auf diesen Film gewartet zu haben (auch wenn ich wohl nicht wußte, daß ich gerade auf diesen warte), und so ist "Melancholia" der äußerst seltene Fall eines Films, der ohnehin schon hohe Erwartungen noch übertrifft: ein atemberaubender Film über Depression, Todessehnsucht und Todesangst, ein Todestanz, dessen Ende niederschmetternd und befreiend gleichzeitig ist und der als Katastrophenfilm betrachtet wohl weiter geht als irgendein Film zuvor und zugleich souverän auf so gut wie alles, was Katastrophenfilme ausmacht, verzichtet und sich ganz auf seine Hauptfiguren konzentriert, ein Meisterwerk, dessen Bilder, Töne und Stimmungen auch nach über zwei Monaten noch so präsent in meinem Kopf sind, wie es nur ganz selten einmal passiert. Ich weiß nicht, ob es am Ende des 21. Jahrhunderts die Menschheit noch geben wird und halte es eigentlich für unwahrscheinlich - wenn es sie (und das Kino) noch geben wird, dann wird nach meiner Überzeugung "Melancholia" zu den großen Filmen dieses Jahrhunderts gezählt werden.
2. The Tree of Life
Als Bilderrausch hinreißend und auch als Familiendrama gut - und doch habe ich es (wie ich schon direkt nach dem Kinobesuch schrieb) nur knapp geschafft, Terrence Malicks Film großartig zu finden, denn er schrammt nur um Haaresbreite am Esoterikquark vorbei. Aber da er die Kurve irgendwie doch kriegt, ist er summa summarum nicht nur ein großer, kraftvoller Film, sondern auch einer der Höhepunkte des Filmjahres 2011. Aber so sehr ich den Film auch bewundere, muß ich doch anmerken: in der Richtung, die er zuletzt eingeschlagen hat, sollte Malick lieber nicht noch weiter gehen. Das war ganz toll, aber mach das bloß nicht noch mal!
3. Nader und Simin
Ein überaus eindringliches Drama, getragen vor allem von einem klugen Drehbuch und einer durchweg überzeugenden Darstellerriege. Ein bewegender Film, der außerdem auf subtile Weise auch die Zustände in der iranischen Gesellschaft kritisiert.
4. Almanya - Willkommen in Deutschland
Ein überaus sympathischer Film, der allerlei Klischees aufs Korn nimmt und dabei auch formal einige reizvolle Einfälle vorzuweisen hat. Wobei der Film dann freilich keine reine Komödie ist, sondern besonders in der zweiten Hälfte doch einen ernsthafteren Ton anschlägt. Ich mochte diesen Film jedenfalls sehr, allein schon für die hinreißende Erklärung, was man unter "deutscher Leitkultur" zu verstehen hat.
5. Der Gott des Gemetzels
Ein zum Teil beklemmender, zum Teil aber auch zum Schreien komischer Kleinkrieg im Wohnzimmer, und vor allem wunderbar gespielt.
6. Midnight in Paris
Woody Allen nimmt den Zuschauer auf eine vergnügliche Zeitreise in die 20er mit und läßt allerlei Künstlergrößen jener Zeit auftreten. Für mich einer der besseren Allen-Filme und unbedingt einer der gelungensten von seinen jüngeren. Warum er trotzdem nur auf Platz 6 liegt? Ganz einfach, weil, dies (nach meinem Empfinden) eben ein starker Jahrgang war!
7. Jane Eyre
Eine ansprechende Literaturverfilmung, die nur wenig falsch und das meiste richtig macht.
Dann noch die weiteren Filme des aktuellen Kinojahres ohne Platzierung:
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2
Der zweite Teil konnte leider, jedoch erwartungsgemäß, das Niveau des ersten Teils nicht halten, sondern wird vor allem von Effekten geprägt, während manches von Reiz (besonders die Snape-Geschichte) im Schnelldurchgang abgehakt wurde. Einige gute Momente gab es aber trotzdem, und alles in allem entsprach der Film ungefähr meinen Erwartungen.
Source Code
Ein ordentlicher Science-Fiction-Film, der Realität hinterfragt und ethische Fragestellungen anschneidet, aber trotzdem so gut wie gar keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Tom Sawyer
Eine weitere Literaturverfilmung, die einiges richtig, aber leider auch jede Menge falsch macht. Und das ist vor allem auch deshalb schade, weil ich besonders von den beiden Jungen, die Tom und Huck spielen, wirklich angetan war.
Eine vernünftige Lösung
Ein tragikomisches Beziehungsdrama um zwei Ehepaare, wobei es zu einer Affäre zwischen zwei der vier Beteiligten kommt. Kein wirklich schlechter Film, aber einer, der so gar keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat.
Schon im letzten Jahr sah ich außerdem noch
Bibliotheque Pascal,
der mich aber damals recht ratlos zurückgelassen hat, und ich hatte auch nie wirklich Lust auf einen zweiten Anlauf.
Das waren dann die Filme, die für den kino.ED 2011, wenn es ihn denn gegeben hätte, relevant gewesen wären. Traditionsgemäß habe ich an dieser Stelle auch immer noch meinen sonstigen Kinobesuchen entsprechenden Raum eingeräumt. Diese Mühe schenke ich mir dieses Jahr, und fasse mich in der Beziehung eher kurz.
Bei der Berlinale habe ich diesmal 16 Filme gesehen, mehr als je zuvor; allein sechs davon in der Bergman-Retrospektive. Im Rahmen dieser lief auch mein diesjähriger Berlinale-Favorit Skammen (Schande), den ich herausragend fand; aber auch Nattvardsgästerna (Licht im Winter) (der deutsche Titel ist übrigens idiotisch) und En lektion i kärlek (Lektion in Liebe) gefielen mir sehr.
Von den aktuellen Filmen, die ich bei der Berlinale sah, waren die folgenden drei meine persönlichen Favoriten:
Shanzha shu zhi lian (Under The Hawthorn Tree)
Wohl mein Liebling unter den aktuellen Berlinale-Filmen, ein Film, den ich so von Zhang Yimou gar nicht mehr erwartet hätte, und der mir den Glauben an seine Filme zurückgegeben hat. Eine ungemein zart erzählte Liebesgeschichte in den Zeiten der Kulturrevolution, womit dies auch Zhangs politischster (und kritischster) Film seit langem ist.
A Torinoi Lo (Das Turiner Pferd)
ist künstlerisch vielleicht noch wertvoller, hat mich persönlich aber weniger angesprochen als der zuvor genannte Film. Vom rein filmästhetischen Standpunkt aus ist der Film freilich eine Augenweide, er verlangt dem Zuschauer aber auch eine Geduld ab, die ich nicht immer aufbringen konnte.
Sehr stark fand ich auch noch:
On the Ice
Ein Drama über Schuld und Sühne im eisigen Alaska: sehr packend und dicht, mit hoher äußerer, mehr noch aber innerer Spannung.
(Zusammen mit den sieben "numerierten" Filmen aus dem regulären Kinoprogramm ergäbe das denn eine Top Ten für 2011, wobei ich bei der Reihenfolge unsicher bin. An den ersten beiden Plätzen würde sich aber nichts ändern).
Schwach fand ich dagegen Coriolanus, und Vampire war von allen 16 Filmen, die ich sah, der, auf den ich am leichtesten hätte verzichten können. Das freundlichste, was ich über diesen Film sagen kann, ist, daß ich bei Berlinale-Besuchen in früheren Jahren Filme gesehen habe, die ich noch schlimmer fand.
Sonstige Kino-Höhepunkte waren dann:
Blaubarts achte Frau
The Circus
Eine Landpartie
Der streunende Hund
Soweit also mein diesmal stark gekürzter Jahresrückblick.
Zum Abschluß noch ein paar Worte zu den einzelnen ED-Kategorien: Hier habe ich zwar auch ein wenig damit begonnen, Listen zusammenzustellen, aber da eben dies im Bewußtsein geschah, daß es einen richtigen ED diesmal wohl nicht geben wird, habe ich mir in den meisten Fällen auch nicht lange den Kopf über Platzierungen zerbrochen, sondern meistens nur überlegt, welcher Film bei mir den Spitzenplatz einnähme. Das Ergebnis sähe in etwa so aus:
BESTE REGIE:
1. Melancholia (natürlich, was sonst)
2. The Tree of Life
3. da bin ich schon unsicher: "Nader und Simin", "Almanya" oder vielleicht doch "Der Gott des Gemetzels"???
BESTES DREHBUCH:
Hier war es gar nicht so einfach, aber letztlich setzte sich auch hier mein Jahresfavorit knapp durch:
1. Melancholia
2. Nader und Simin
3. Midnight in Paris
Beim "Gott des Gemetzels" weiß ich letztlich nicht, inwieweit das Drehbuch sich vom Bühnenstück unterscheidet, deshalb tat ich mich hier auch mit einer Einschätzung schwer...
BESTER HAUPT- UND NEBENDARSTELLER:
Hier wäre ich wohl auch bei einem regulären ED in die Bredouille gekommen, da mir eine Entscheidung sehr schwer gefallen wäre. Daher nur mal kurz: ich fand Christoph Waltz als zynischen Anwalt in "Der Gott des Gemetzels" toll, ich fand Michael Fassbender in "Jane Eyre" ausgezeichnet (aber ist das eine kleine Hauptrolle oder eine große Nebenrolle?), ich war beeindruckt von Peyman Moaadi in "Nader und Simin", und ich war auch noch äußerst angetan von Louis Hofmann in "Tom Sawyer", um nur einige Darsteller zu nennen, die einen guten Eindruck bei mir hinterließen - aber eine Abfolge zu erstellen wäre mir schwer gefallen, und daher hätte ich hier vermutlich ohnehin kein Votum abgegeben, sondern mich auf die Ensemble-Sparte konzentriert.
BESTE HAUPTDARSTELLERIN:
1. Kirsten Dunst für "Melancholia"
Überragend. Und so überraschend, denn ich hatte vorher keine Ahnung, daß Frau Dunst zu einer solchen Leistung in der Lage ist.
2. Charlotte Gainsbourgh, ebenfalls "Melancholia"
3. wäre schon wieder schwierig: Leila Hatami, Jodie Foster, Kate Winslet oder Mia Wasikowska wären hier wohl alle in Frage gekommen.
BESTE SZENE:
wegen meines nicht so tollen Szenengedächtnisses tat ich mich mit der Sparte ohnehin immer schwer, auch hier nur zwei Favoriten:
1. Melancholia: Schlußszene
Überwältigend, insbesondere auch emotional überwältigend, eine Szene, die ganz widersprüchliche Gefühle in mir hervorrief, zermalmend und erlösend
2. Melancholia: Prolog
Filmkunst in höchster Vollendung
Ansonsten hätte ich vermutlich mit Szenen nur aus diesem Film eine Top Ten füllen können...
BESTES ENSEMBLE:
Hier gab es nun so einige vortreffliche Filme, auch durchaus typische Ensemblefilme. Insbesondere wären zu nennen:
1. Nader und Simin (Ensemble-Film par excellense)
2. Der Gott des Gemetzels
3. Melancholia
4. Almanya
5. The Tree of Life (besonders wegen der drei Jungs - so was von natürlich! Aber Brad Pitt ist auch sehr gut)
BESTE KAMERA:
außer Konkurrenz, aber "eigentlich" an der Spitze: A Torinoi Lo
1. The Tree of Life
2. Melancholia
Einen ZELLULOIDVERSCHWENDER habe ich im regulären Kinoprogramm nicht gesehen, der einzige Film, den ich so schlecht fand, daß ich in Versuchung hätte kommen können, war "Vampire" - aber der lief ja nicht im regulären Kinoprogramm, soweit ich weiß.
Mit Der GRÖSSTEN ENTTÄUSCHUNG sieht es ähnlich aus: "Tom Sawyer" war zwar eine Enttäuschung, aber ich war schon mit einer gesunden Prise Skepsis in den Film hineingegangen, und als Katastrophe empfand ich ihn nun auch wieder nicht.
Die wirklich größte Enttäuschung dieses Jahres war für mich DREILEBEN. Es ist mir unbegreiflich, warum es dafür soviel Lob von den professionellen Kritikern gibt. Haben die etwa alle die viel bessere Grenoble-Trilogie von Lucas Belvaux nie gesehen?
So ungefähr hätte also mein kino.ED-Votum ausgesehen!
Ich gehörte zu denjenigen, die sich immer mehr für die einzelnen Listen als für das Endergebnis interessiert haben, und so habe ich auch dieses Jahr eine kleine Liste zusammengestellt. Dabei habe ich wieder einmal nur recht wenige der aktuellen Kinofilme gesehen, doch soweit eine solche Stichprobe Rückschlüsse auf das Filmjahr insgesamt zuläßt, kann ich durchaus sagen, daß es ein ungewöhnlich gutes Jahr war. Dies gilt ganz besonders für die Spitzenwerke: so hätte etwa mein drittplatzierter Film in vielen schwächeren Jahren eine hervorragende Nummer 1 abgegeben. Umgekehrt ist mir der wirkliche Bodensatz erspart geblieben (was wohl mit meiner Auswahl zusammenhängt, denn Schrott hat es ganz bestimmt wieder gegeben).
Nun aber genug der Vorrede, ich will vielmehr gleich auf die ED-relevanten Filme dieses Jahres, die ich gesehen habe, kurz eingehen.
So hätte meine Liste ausgesehen:
1. MELANCHOLIA
Schon der Titel ließ mich vermuten, daß der Film mir sehr gefallen würde, benennt er doch das Gefühl, das zum beherrschenden meines Lebens geworden ist. Ich scheine seit Jahren auf diesen Film gewartet zu haben (auch wenn ich wohl nicht wußte, daß ich gerade auf diesen warte), und so ist "Melancholia" der äußerst seltene Fall eines Films, der ohnehin schon hohe Erwartungen noch übertrifft: ein atemberaubender Film über Depression, Todessehnsucht und Todesangst, ein Todestanz, dessen Ende niederschmetternd und befreiend gleichzeitig ist und der als Katastrophenfilm betrachtet wohl weiter geht als irgendein Film zuvor und zugleich souverän auf so gut wie alles, was Katastrophenfilme ausmacht, verzichtet und sich ganz auf seine Hauptfiguren konzentriert, ein Meisterwerk, dessen Bilder, Töne und Stimmungen auch nach über zwei Monaten noch so präsent in meinem Kopf sind, wie es nur ganz selten einmal passiert. Ich weiß nicht, ob es am Ende des 21. Jahrhunderts die Menschheit noch geben wird und halte es eigentlich für unwahrscheinlich - wenn es sie (und das Kino) noch geben wird, dann wird nach meiner Überzeugung "Melancholia" zu den großen Filmen dieses Jahrhunderts gezählt werden.
2. The Tree of Life
Als Bilderrausch hinreißend und auch als Familiendrama gut - und doch habe ich es (wie ich schon direkt nach dem Kinobesuch schrieb) nur knapp geschafft, Terrence Malicks Film großartig zu finden, denn er schrammt nur um Haaresbreite am Esoterikquark vorbei. Aber da er die Kurve irgendwie doch kriegt, ist er summa summarum nicht nur ein großer, kraftvoller Film, sondern auch einer der Höhepunkte des Filmjahres 2011. Aber so sehr ich den Film auch bewundere, muß ich doch anmerken: in der Richtung, die er zuletzt eingeschlagen hat, sollte Malick lieber nicht noch weiter gehen. Das war ganz toll, aber mach das bloß nicht noch mal!
3. Nader und Simin
Ein überaus eindringliches Drama, getragen vor allem von einem klugen Drehbuch und einer durchweg überzeugenden Darstellerriege. Ein bewegender Film, der außerdem auf subtile Weise auch die Zustände in der iranischen Gesellschaft kritisiert.
4. Almanya - Willkommen in Deutschland
Ein überaus sympathischer Film, der allerlei Klischees aufs Korn nimmt und dabei auch formal einige reizvolle Einfälle vorzuweisen hat. Wobei der Film dann freilich keine reine Komödie ist, sondern besonders in der zweiten Hälfte doch einen ernsthafteren Ton anschlägt. Ich mochte diesen Film jedenfalls sehr, allein schon für die hinreißende Erklärung, was man unter "deutscher Leitkultur" zu verstehen hat.
5. Der Gott des Gemetzels
Ein zum Teil beklemmender, zum Teil aber auch zum Schreien komischer Kleinkrieg im Wohnzimmer, und vor allem wunderbar gespielt.
6. Midnight in Paris
Woody Allen nimmt den Zuschauer auf eine vergnügliche Zeitreise in die 20er mit und läßt allerlei Künstlergrößen jener Zeit auftreten. Für mich einer der besseren Allen-Filme und unbedingt einer der gelungensten von seinen jüngeren. Warum er trotzdem nur auf Platz 6 liegt? Ganz einfach, weil, dies (nach meinem Empfinden) eben ein starker Jahrgang war!
7. Jane Eyre
Eine ansprechende Literaturverfilmung, die nur wenig falsch und das meiste richtig macht.
Dann noch die weiteren Filme des aktuellen Kinojahres ohne Platzierung:
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2
Der zweite Teil konnte leider, jedoch erwartungsgemäß, das Niveau des ersten Teils nicht halten, sondern wird vor allem von Effekten geprägt, während manches von Reiz (besonders die Snape-Geschichte) im Schnelldurchgang abgehakt wurde. Einige gute Momente gab es aber trotzdem, und alles in allem entsprach der Film ungefähr meinen Erwartungen.
Source Code
Ein ordentlicher Science-Fiction-Film, der Realität hinterfragt und ethische Fragestellungen anschneidet, aber trotzdem so gut wie gar keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Tom Sawyer
Eine weitere Literaturverfilmung, die einiges richtig, aber leider auch jede Menge falsch macht. Und das ist vor allem auch deshalb schade, weil ich besonders von den beiden Jungen, die Tom und Huck spielen, wirklich angetan war.
Eine vernünftige Lösung
Ein tragikomisches Beziehungsdrama um zwei Ehepaare, wobei es zu einer Affäre zwischen zwei der vier Beteiligten kommt. Kein wirklich schlechter Film, aber einer, der so gar keinen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat.
Schon im letzten Jahr sah ich außerdem noch
Bibliotheque Pascal,
der mich aber damals recht ratlos zurückgelassen hat, und ich hatte auch nie wirklich Lust auf einen zweiten Anlauf.
Das waren dann die Filme, die für den kino.ED 2011, wenn es ihn denn gegeben hätte, relevant gewesen wären. Traditionsgemäß habe ich an dieser Stelle auch immer noch meinen sonstigen Kinobesuchen entsprechenden Raum eingeräumt. Diese Mühe schenke ich mir dieses Jahr, und fasse mich in der Beziehung eher kurz.
Bei der Berlinale habe ich diesmal 16 Filme gesehen, mehr als je zuvor; allein sechs davon in der Bergman-Retrospektive. Im Rahmen dieser lief auch mein diesjähriger Berlinale-Favorit Skammen (Schande), den ich herausragend fand; aber auch Nattvardsgästerna (Licht im Winter) (der deutsche Titel ist übrigens idiotisch) und En lektion i kärlek (Lektion in Liebe) gefielen mir sehr.
Von den aktuellen Filmen, die ich bei der Berlinale sah, waren die folgenden drei meine persönlichen Favoriten:
Shanzha shu zhi lian (Under The Hawthorn Tree)
Wohl mein Liebling unter den aktuellen Berlinale-Filmen, ein Film, den ich so von Zhang Yimou gar nicht mehr erwartet hätte, und der mir den Glauben an seine Filme zurückgegeben hat. Eine ungemein zart erzählte Liebesgeschichte in den Zeiten der Kulturrevolution, womit dies auch Zhangs politischster (und kritischster) Film seit langem ist.
A Torinoi Lo (Das Turiner Pferd)
ist künstlerisch vielleicht noch wertvoller, hat mich persönlich aber weniger angesprochen als der zuvor genannte Film. Vom rein filmästhetischen Standpunkt aus ist der Film freilich eine Augenweide, er verlangt dem Zuschauer aber auch eine Geduld ab, die ich nicht immer aufbringen konnte.
Sehr stark fand ich auch noch:
On the Ice
Ein Drama über Schuld und Sühne im eisigen Alaska: sehr packend und dicht, mit hoher äußerer, mehr noch aber innerer Spannung.
(Zusammen mit den sieben "numerierten" Filmen aus dem regulären Kinoprogramm ergäbe das denn eine Top Ten für 2011, wobei ich bei der Reihenfolge unsicher bin. An den ersten beiden Plätzen würde sich aber nichts ändern).
Schwach fand ich dagegen Coriolanus, und Vampire war von allen 16 Filmen, die ich sah, der, auf den ich am leichtesten hätte verzichten können. Das freundlichste, was ich über diesen Film sagen kann, ist, daß ich bei Berlinale-Besuchen in früheren Jahren Filme gesehen habe, die ich noch schlimmer fand.
Sonstige Kino-Höhepunkte waren dann:
Blaubarts achte Frau
The Circus
Eine Landpartie
Der streunende Hund
Soweit also mein diesmal stark gekürzter Jahresrückblick.
Zum Abschluß noch ein paar Worte zu den einzelnen ED-Kategorien: Hier habe ich zwar auch ein wenig damit begonnen, Listen zusammenzustellen, aber da eben dies im Bewußtsein geschah, daß es einen richtigen ED diesmal wohl nicht geben wird, habe ich mir in den meisten Fällen auch nicht lange den Kopf über Platzierungen zerbrochen, sondern meistens nur überlegt, welcher Film bei mir den Spitzenplatz einnähme. Das Ergebnis sähe in etwa so aus:
BESTE REGIE:
1. Melancholia (natürlich, was sonst)
2. The Tree of Life
3. da bin ich schon unsicher: "Nader und Simin", "Almanya" oder vielleicht doch "Der Gott des Gemetzels"???
BESTES DREHBUCH:
Hier war es gar nicht so einfach, aber letztlich setzte sich auch hier mein Jahresfavorit knapp durch:
1. Melancholia
2. Nader und Simin
3. Midnight in Paris
Beim "Gott des Gemetzels" weiß ich letztlich nicht, inwieweit das Drehbuch sich vom Bühnenstück unterscheidet, deshalb tat ich mich hier auch mit einer Einschätzung schwer...
BESTER HAUPT- UND NEBENDARSTELLER:
Hier wäre ich wohl auch bei einem regulären ED in die Bredouille gekommen, da mir eine Entscheidung sehr schwer gefallen wäre. Daher nur mal kurz: ich fand Christoph Waltz als zynischen Anwalt in "Der Gott des Gemetzels" toll, ich fand Michael Fassbender in "Jane Eyre" ausgezeichnet (aber ist das eine kleine Hauptrolle oder eine große Nebenrolle?), ich war beeindruckt von Peyman Moaadi in "Nader und Simin", und ich war auch noch äußerst angetan von Louis Hofmann in "Tom Sawyer", um nur einige Darsteller zu nennen, die einen guten Eindruck bei mir hinterließen - aber eine Abfolge zu erstellen wäre mir schwer gefallen, und daher hätte ich hier vermutlich ohnehin kein Votum abgegeben, sondern mich auf die Ensemble-Sparte konzentriert.
BESTE HAUPTDARSTELLERIN:
1. Kirsten Dunst für "Melancholia"
Überragend. Und so überraschend, denn ich hatte vorher keine Ahnung, daß Frau Dunst zu einer solchen Leistung in der Lage ist.
2. Charlotte Gainsbourgh, ebenfalls "Melancholia"
3. wäre schon wieder schwierig: Leila Hatami, Jodie Foster, Kate Winslet oder Mia Wasikowska wären hier wohl alle in Frage gekommen.
BESTE SZENE:
wegen meines nicht so tollen Szenengedächtnisses tat ich mich mit der Sparte ohnehin immer schwer, auch hier nur zwei Favoriten:
1. Melancholia: Schlußszene
Überwältigend, insbesondere auch emotional überwältigend, eine Szene, die ganz widersprüchliche Gefühle in mir hervorrief, zermalmend und erlösend
2. Melancholia: Prolog
Filmkunst in höchster Vollendung
Ansonsten hätte ich vermutlich mit Szenen nur aus diesem Film eine Top Ten füllen können...
BESTES ENSEMBLE:
Hier gab es nun so einige vortreffliche Filme, auch durchaus typische Ensemblefilme. Insbesondere wären zu nennen:
1. Nader und Simin (Ensemble-Film par excellense)
2. Der Gott des Gemetzels
3. Melancholia
4. Almanya
5. The Tree of Life (besonders wegen der drei Jungs - so was von natürlich! Aber Brad Pitt ist auch sehr gut)
BESTE KAMERA:
außer Konkurrenz, aber "eigentlich" an der Spitze: A Torinoi Lo
1. The Tree of Life
2. Melancholia
Einen ZELLULOIDVERSCHWENDER habe ich im regulären Kinoprogramm nicht gesehen, der einzige Film, den ich so schlecht fand, daß ich in Versuchung hätte kommen können, war "Vampire" - aber der lief ja nicht im regulären Kinoprogramm, soweit ich weiß.
Mit Der GRÖSSTEN ENTTÄUSCHUNG sieht es ähnlich aus: "Tom Sawyer" war zwar eine Enttäuschung, aber ich war schon mit einer gesunden Prise Skepsis in den Film hineingegangen, und als Katastrophe empfand ich ihn nun auch wieder nicht.
Die wirklich größte Enttäuschung dieses Jahres war für mich DREILEBEN. Es ist mir unbegreiflich, warum es dafür soviel Lob von den professionellen Kritikern gibt. Haben die etwa alle die viel bessere Grenoble-Trilogie von Lucas Belvaux nie gesehen?
So ungefähr hätte also mein kino.ED-Votum ausgesehen!