Saboteure
ist ein thematisch typischer Hitchcockfilm: ein junger Mann wird unschuldig verdächtigt, einen schwerwiegenden Sabotageakt verübt zu haben und reist bei der Flucht vor seinen Verfolgern, die zugleich die Suche nach dem wahren Täter und dessen Hintermännern ist, quer durch Amerika, von der Westküste bis zur Ostküste. Wie in anderen Spionage-Thrillern Hitchcocks (erwähnt seien besonders Die 39 Stufen und North by Northwest) gibt es hier zahlreiche Handlungsumschwünge, viele Ideen (Hitchcock selbst fand, daß schon zu viele Ideen hineingestopft waren) und ein vergleichsweise hohes Tempo. Berühmt ist das Finale auf der Freiheitsstatue, mir persönlich gefiel die Szene im Kino, wo sowohl auf der Leinwand als auch davor Morde stattfinden und die Szene im vorgeführten Film auf eigenartige Weise mit dem Geschehen im Kino korrespondiert, aber noch ein Stück besser. Der Film wirkt in vieler Hinsicht wie ein Vorläufer von North by Northwest, wirkt aber längst noch nicht so ausgereift und perfekt ausbalanciert wie das spätere Meisterwerk; wenn man dieses im Vergleich betrachtet, wird sehr schön deutlich, wie Hitchcock aus den Fehlern in früheren Filmen gelernt hat. Übrigens war Saboteure der letzte von Hitchcocks amerikanischen Filmen, den ich bislang noch nicht kannte; diese Lücke ist nun geschlossen (und insgesamt war es der 37. Hitchcockfilm, den ich gesehen habe, dazu kommen noch ein paar Fernsehspiele - nur für Erbsenzähler).
Im Schatten des Zweifels
Wesentlich stärker ist dagegen dieser Film einzuschätzen, mit dem auch Hitchcock selbst ausgesprochen zufrieden war (daß er ihm allerdings von all seinen Filmen am liebsten war, wie oft zu lesen ist, hat Hitchcock selbst im Gespräch mit Truffaut doch ein wenig relativiert, und ich vermute, daß er Vertigo oder Psycho mindestens ebensosehr - vielleicht noch mehr - schätzte, doch daß er von Im Schatten des Zweifels sehr viel hielt, ist jedenfalls unstrittig). Während es in vielen Hitchcock-Filmen um unschuldig Verdächtigte geht, ist es in diesem Film umgekehrt: Charles Oakley ist wirklich ein Mörder, und seine Nichte Charlie muß eben dies im Verlauf der Handlung herausfinden. Daß dies für die junge Frau, die ihren Onkel sehr liebt, einen Alptraum bedeutet, wie er schrecklicher kaum vorstellbar ist, ist natürlich klar, und verleiht dem Film viel von seiner Eindringlichkeit. Zugleich wirken die beiden Charlies auch wie zwei verschiedene Seiten einer Person, und Hitchcock betont dies auch mehrfach durch die Inszenierung: großartig ist etwa die Exposition, in der zunächst Onkel Charlie auf einem Bett liegend gezeigt wird, bevor er sich in einer verrufenen Gegend seinen Verfolgern, die ihm schon auf der Spur sind, entzieht - dann lernen wir seine Nichte kennen, ebenfalls auf einem Bett liegend. Solche Dopplungen gibt es viele im Film, ähnlich wie später in Der Fremde im Zug.
Wenn Onkel Charlie dann in dem verschlafenen Nest, in dem seine Verwandten wohnen, eingetroffen ist, zeigt Hitchcock sehr schön, wie nervös ein Verbrecher, der weiß, daß er bereits verfolgt wird, agiert: schon Kleinigkeiten beunruhigen ihn, wenn sie auf ihn hindeuten könnten (wenn etwa eine Walzermelodie aus der "Lustigen Witwe" gesummt wird - schließlich ist er ein gesuchter Witwenmörder). Joseph Cotten (in einer seiner drei stärksten Rollen) spielt den mörderischen Charlie aber nicht nur bedrohlich, sondern auch durchaus charmant, was die Figur natürlich gleich noch interessanter macht. Je länger er jedoch bei seinen Verwandten bleibt und je mehr er sich in die Enge getrieben fühlt, desto sichtbarer werden die Abgründe, die sich hinter der freundlichen Fassade verbergen, besonders deutlich, wenn er seine Nichte Charlie in eine recht schäbige Bar schleift und dort die Welt als einen stinkenden Schweinestall bezeichnet. Erwähnenswert an diesem finsteren Monolog ist übrigens, daß er von Hitchcock selbst verfaßt und in das Drehbuch eingefügt wurde - was ungewöhnlich ist, denn Dialoge überließ der Meister normalerweise vollständig seinen Drehbuchautoren. Wenn man auch nicht den Fehler machen darf, Künstler mit den Figuren, die sie erschaffen, zu identifizieren, oder deren Ansichten für die ihren zu halten, schimmert in dieser misanthropischen Passage wohl schon etwas von Hitchcocks eher düsterer, von Pessimismus geprägter Weltsicht durch.
Im Schatten des Zweifels ist zugleich auch deutlich stärker, als man dies von Hitchcock gewohnt ist, Milieustudie - vielleicht auch ein Ergebnis der Zusammenarbeit des Regisseurs mit Thornton Wilder, an die Hitchcock übrigens immer gern zurückdachte. Aber darüber kommen die typischen Hitchcock-Momente keineswegs zu kurz, wenn etwa Charlie sich einen Ring ansteckt und die Kamera aus der Halbtotalen an diesen Ring heranfährt (eine Vorwegnahme der noch kunstvolleren Kranfahrt in Berüchtigt).
Im Schatten des Zweifels ist wohl der erste unter Hitchcocks amerikanischen Filmen, der als Meisterwerk bezeichnet werden kann, und fraglos einer seinen beiden besten Filme dieser Dekade.
ist ein thematisch typischer Hitchcockfilm: ein junger Mann wird unschuldig verdächtigt, einen schwerwiegenden Sabotageakt verübt zu haben und reist bei der Flucht vor seinen Verfolgern, die zugleich die Suche nach dem wahren Täter und dessen Hintermännern ist, quer durch Amerika, von der Westküste bis zur Ostküste. Wie in anderen Spionage-Thrillern Hitchcocks (erwähnt seien besonders Die 39 Stufen und North by Northwest) gibt es hier zahlreiche Handlungsumschwünge, viele Ideen (Hitchcock selbst fand, daß schon zu viele Ideen hineingestopft waren) und ein vergleichsweise hohes Tempo. Berühmt ist das Finale auf der Freiheitsstatue, mir persönlich gefiel die Szene im Kino, wo sowohl auf der Leinwand als auch davor Morde stattfinden und die Szene im vorgeführten Film auf eigenartige Weise mit dem Geschehen im Kino korrespondiert, aber noch ein Stück besser. Der Film wirkt in vieler Hinsicht wie ein Vorläufer von North by Northwest, wirkt aber längst noch nicht so ausgereift und perfekt ausbalanciert wie das spätere Meisterwerk; wenn man dieses im Vergleich betrachtet, wird sehr schön deutlich, wie Hitchcock aus den Fehlern in früheren Filmen gelernt hat. Übrigens war Saboteure der letzte von Hitchcocks amerikanischen Filmen, den ich bislang noch nicht kannte; diese Lücke ist nun geschlossen (und insgesamt war es der 37. Hitchcockfilm, den ich gesehen habe, dazu kommen noch ein paar Fernsehspiele - nur für Erbsenzähler).
Im Schatten des Zweifels
Wesentlich stärker ist dagegen dieser Film einzuschätzen, mit dem auch Hitchcock selbst ausgesprochen zufrieden war (daß er ihm allerdings von all seinen Filmen am liebsten war, wie oft zu lesen ist, hat Hitchcock selbst im Gespräch mit Truffaut doch ein wenig relativiert, und ich vermute, daß er Vertigo oder Psycho mindestens ebensosehr - vielleicht noch mehr - schätzte, doch daß er von Im Schatten des Zweifels sehr viel hielt, ist jedenfalls unstrittig). Während es in vielen Hitchcock-Filmen um unschuldig Verdächtigte geht, ist es in diesem Film umgekehrt: Charles Oakley ist wirklich ein Mörder, und seine Nichte Charlie muß eben dies im Verlauf der Handlung herausfinden. Daß dies für die junge Frau, die ihren Onkel sehr liebt, einen Alptraum bedeutet, wie er schrecklicher kaum vorstellbar ist, ist natürlich klar, und verleiht dem Film viel von seiner Eindringlichkeit. Zugleich wirken die beiden Charlies auch wie zwei verschiedene Seiten einer Person, und Hitchcock betont dies auch mehrfach durch die Inszenierung: großartig ist etwa die Exposition, in der zunächst Onkel Charlie auf einem Bett liegend gezeigt wird, bevor er sich in einer verrufenen Gegend seinen Verfolgern, die ihm schon auf der Spur sind, entzieht - dann lernen wir seine Nichte kennen, ebenfalls auf einem Bett liegend. Solche Dopplungen gibt es viele im Film, ähnlich wie später in Der Fremde im Zug.
Wenn Onkel Charlie dann in dem verschlafenen Nest, in dem seine Verwandten wohnen, eingetroffen ist, zeigt Hitchcock sehr schön, wie nervös ein Verbrecher, der weiß, daß er bereits verfolgt wird, agiert: schon Kleinigkeiten beunruhigen ihn, wenn sie auf ihn hindeuten könnten (wenn etwa eine Walzermelodie aus der "Lustigen Witwe" gesummt wird - schließlich ist er ein gesuchter Witwenmörder). Joseph Cotten (in einer seiner drei stärksten Rollen) spielt den mörderischen Charlie aber nicht nur bedrohlich, sondern auch durchaus charmant, was die Figur natürlich gleich noch interessanter macht. Je länger er jedoch bei seinen Verwandten bleibt und je mehr er sich in die Enge getrieben fühlt, desto sichtbarer werden die Abgründe, die sich hinter der freundlichen Fassade verbergen, besonders deutlich, wenn er seine Nichte Charlie in eine recht schäbige Bar schleift und dort die Welt als einen stinkenden Schweinestall bezeichnet. Erwähnenswert an diesem finsteren Monolog ist übrigens, daß er von Hitchcock selbst verfaßt und in das Drehbuch eingefügt wurde - was ungewöhnlich ist, denn Dialoge überließ der Meister normalerweise vollständig seinen Drehbuchautoren. Wenn man auch nicht den Fehler machen darf, Künstler mit den Figuren, die sie erschaffen, zu identifizieren, oder deren Ansichten für die ihren zu halten, schimmert in dieser misanthropischen Passage wohl schon etwas von Hitchcocks eher düsterer, von Pessimismus geprägter Weltsicht durch.
Im Schatten des Zweifels ist zugleich auch deutlich stärker, als man dies von Hitchcock gewohnt ist, Milieustudie - vielleicht auch ein Ergebnis der Zusammenarbeit des Regisseurs mit Thornton Wilder, an die Hitchcock übrigens immer gern zurückdachte. Aber darüber kommen die typischen Hitchcock-Momente keineswegs zu kurz, wenn etwa Charlie sich einen Ring ansteckt und die Kamera aus der Halbtotalen an diesen Ring heranfährt (eine Vorwegnahme der noch kunstvolleren Kranfahrt in Berüchtigt).
Im Schatten des Zweifels ist wohl der erste unter Hitchcocks amerikanischen Filmen, der als Meisterwerk bezeichnet werden kann, und fraglos einer seinen beiden besten Filme dieser Dekade.
Shadow of a doubt zählt sicherlich zu seinen ganz großen Filmen.
Erwähnenswert erscheint mir noch, dass Hitch diesen Walzer durch tanzende Paare in historischen Gewänder illustrierte, also
völlig losgelöst von der eigentlichen Handlung. Wobei ich nicht mehr weiß, ob dies einmal oder öfters geschah. Der Leiter des ö. Filmmuseum bezeichnete den Film als ein "Blue Velvet" der 40iger
was ich für keinen schlechten Vergleich halte.
Dass Onkel Charlys beeindruckende Monolog in der Spelunke von Hitch selbst stammt, wusste ich nicht.