"Anscheinend ist es der beste Weg, den Respekt vor den eigenen Idolen zu verlieren, ihnen persönlich zu begegnen."
(Walter Moers, Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär)
Der junge Filmregisseur David Sieveking schildert in David wants to fly zunächst einmal seine eigene Suche nach Spiritualität, wobei der Film ein wenig den Charakter eines Tagebuchs in Filmform hat. Interessant wird Sievekings Film vor allem dadurch, daß er offenbar bei Beginn seiner Arbeit daran selbst noch nicht wußte, wohin diese Suche ihn führen würde, und daß sich der Film dann tatsächlich in eine ganz andere Richtung entwickelt hat, als von Sieveking anfangs wohl angenommen.
Doch der Reihe nach: wir lernen den jungen Regisseur als großen Bewunderer des Werks von David Lynch kennen, und so fährt er nach Amerika zu einer Art Workshop, bei dem es hauptsächlich um Transzendentale Meditation geht - und dort begegnet er auch seinem großen Vorbild. Lynch gibt dann auch bereitwillig und freundlich ein Interview, worin er die Vorzüge der Meditation preist und Sieveking empfiehlt, diese auch zu praktizieren. Der nimmt den Ratschlag auch an und beschäftigt sich nun selbst, zunächst durchaus aufgeschlossen, recht gründlich mit TM (wodurch er auch die Möglichkeit hat, Einblicke in die TM-Organisation zu gewinnen und mit der Kamera festzuhalten).
Dann aber mehren sich seine Zweifel, nicht zuletzt auch deshalb, weil an der Erleuchtung Interessierten gern schon mal eine ordentliche Stange Geld abgeknöpft wird. Von dem Moment an, in dem Sieveking entschieden hat, seinen Film nicht von der TM-Organisation absegnen zu lassen (wie es dieser eigentlich vorschwebte), ist er nicht mehr gern gesehen. Auch an Lynch kommt er nur noch unter Schwierigkeiten heran, schafft es aber doch noch, zu einem zweiten Interview zu kommen - freilich unter der Auflage, keine kritischen Fragen zu stellen (sic!). Sieveking geht das gespräch recht geschickt an, sagt, daß er nicht mehr so recht wüßte, was er noch glauben soll und was nicht, und schmeichelt dem Meister, indem er seine Situation mit jener der Hauptfigur in Blue Velvet vergleicht und meint, er habe nun ein Ohr auf der Wiese gefunden und wüßte nicht so recht, was sich dahinter wohl verbergen möge. Lynch reagiert nicht direkt unfreundlich, bürstet aber alle Zweifel an TM recht schnell ab und faselt dann eine ganze Weile vom herbeimeditierten Weltfrieden. Danach begegnen sich David und David nicht mehr persönlich, doch der eine (Lynch) wird dem anderen (Sieveking) später über seinen Anwalt mit einer Klage drohen.
Ebenfalls im Film zu sehen ist der Eklat, zu dem es vor einigen Jahren in der Berliner Urania kam, als Lynch und ein obskurer Guru auftraten, mit der Absicht, auf dem Teufelsberg eine "Unbesiegbarkeits-Universität" aufzubauen.
Ich will diesen Eklat nutzen, um einige persönliche Anmerkungen einzuschalten, da gerade dieser Eklat es war, durch den mir Lynch als Person erstmals deutlich fremder wurde. Wenn Lynch sagt, daß Meditieren ihm hilft, um einen persönlichen Halt zu finden (und vielleicht auch bei kreativen Prozessen), dann ist dagegen ja noch nichts zu sagen. Wenn er dann aber sich dazu versteigt, daß eine Ausreichende Anzahl TM-Praktizierender praktisch den Weltfrieden herbeimeditieren könnte und vom Himmel auf Erden spricht, halte ich das für kompletten Unsinn. Mehr noch. für gefährlichen Unsinn, denn derartigen Heilsversprechen, wie sie für Religionen (die ja eigentlich auch nur in gemäßigter, sprich säkularisierter Form genießbar sind) und politische Ideologien typisch sind, mißtraue ich zutieftst und halte es da eher mit Karl Popper, der sinngemäß meinte, der Versuch, den Himmel auf Erden herbeizuführen, habe stets die Hölle auf Erden bewirkt. Ende der Einschaltung.
Sievekings Film wird nun zunehmend zu einer Recherche über TM: er spricht mit Aussteigern und verfolgt Spuren bis nach Indien, die nahelegen, daß besonders der Begründer von TM (und dessen Erben) ein Riesenvermögen damit gemacht haben, was dann doch recht fatal an andere Sekten erinnert. Am Ende wird der Film wieder zur ganz persönlichen Suche nach Spiritualität wie zu Beginn; Sieveking sucht die Quelle des Ganges auf, bleibt aber letztlich ein Suchender.
Ein sehr interessanter Film, gerade auch durch seine Zweigleisigkeit als persönlicher Bericht einerseits, Recherche andererseits. Was nun David Lynch und seine Verbindung zu der obskuren TM-Bewegung betrifft, so habe ich hier zwar eigentlich nichts erfahren, was mir nicht schon vorher durch Zeitungsberichte bekannt war, aber er hat doch meine Befürchtungen, daß Lynch sich von einer Sekte (oder zumindest sehr sektenähnlichen Organisation) hat vereinnahmen lassen, sehr viel zusätzliche Nahrung gegeben. Wie gehe ich damit um? Sein filmisches Werk (gerade neulich habe ich wieder The Straight Story gesehen, und auch sehr gern wieder gesehen) will ich eigentlich auch weiterhin nicht missen, seine Filme sind ja auch keine TM-Werbefilme (und falls doch, so merkt man es ihnen zum Glück nicht an...). Doch der Schöpfer dieser Filme ist mir als Person nochmals deutlich fremder geworden. Das ist traurig, aber wohl unvermeidlich.
(Walter Moers, Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär)
Der junge Filmregisseur David Sieveking schildert in David wants to fly zunächst einmal seine eigene Suche nach Spiritualität, wobei der Film ein wenig den Charakter eines Tagebuchs in Filmform hat. Interessant wird Sievekings Film vor allem dadurch, daß er offenbar bei Beginn seiner Arbeit daran selbst noch nicht wußte, wohin diese Suche ihn führen würde, und daß sich der Film dann tatsächlich in eine ganz andere Richtung entwickelt hat, als von Sieveking anfangs wohl angenommen.
Doch der Reihe nach: wir lernen den jungen Regisseur als großen Bewunderer des Werks von David Lynch kennen, und so fährt er nach Amerika zu einer Art Workshop, bei dem es hauptsächlich um Transzendentale Meditation geht - und dort begegnet er auch seinem großen Vorbild. Lynch gibt dann auch bereitwillig und freundlich ein Interview, worin er die Vorzüge der Meditation preist und Sieveking empfiehlt, diese auch zu praktizieren. Der nimmt den Ratschlag auch an und beschäftigt sich nun selbst, zunächst durchaus aufgeschlossen, recht gründlich mit TM (wodurch er auch die Möglichkeit hat, Einblicke in die TM-Organisation zu gewinnen und mit der Kamera festzuhalten).
Dann aber mehren sich seine Zweifel, nicht zuletzt auch deshalb, weil an der Erleuchtung Interessierten gern schon mal eine ordentliche Stange Geld abgeknöpft wird. Von dem Moment an, in dem Sieveking entschieden hat, seinen Film nicht von der TM-Organisation absegnen zu lassen (wie es dieser eigentlich vorschwebte), ist er nicht mehr gern gesehen. Auch an Lynch kommt er nur noch unter Schwierigkeiten heran, schafft es aber doch noch, zu einem zweiten Interview zu kommen - freilich unter der Auflage, keine kritischen Fragen zu stellen (sic!). Sieveking geht das gespräch recht geschickt an, sagt, daß er nicht mehr so recht wüßte, was er noch glauben soll und was nicht, und schmeichelt dem Meister, indem er seine Situation mit jener der Hauptfigur in Blue Velvet vergleicht und meint, er habe nun ein Ohr auf der Wiese gefunden und wüßte nicht so recht, was sich dahinter wohl verbergen möge. Lynch reagiert nicht direkt unfreundlich, bürstet aber alle Zweifel an TM recht schnell ab und faselt dann eine ganze Weile vom herbeimeditierten Weltfrieden. Danach begegnen sich David und David nicht mehr persönlich, doch der eine (Lynch) wird dem anderen (Sieveking) später über seinen Anwalt mit einer Klage drohen.
Ebenfalls im Film zu sehen ist der Eklat, zu dem es vor einigen Jahren in der Berliner Urania kam, als Lynch und ein obskurer Guru auftraten, mit der Absicht, auf dem Teufelsberg eine "Unbesiegbarkeits-Universität" aufzubauen.
Ich will diesen Eklat nutzen, um einige persönliche Anmerkungen einzuschalten, da gerade dieser Eklat es war, durch den mir Lynch als Person erstmals deutlich fremder wurde. Wenn Lynch sagt, daß Meditieren ihm hilft, um einen persönlichen Halt zu finden (und vielleicht auch bei kreativen Prozessen), dann ist dagegen ja noch nichts zu sagen. Wenn er dann aber sich dazu versteigt, daß eine Ausreichende Anzahl TM-Praktizierender praktisch den Weltfrieden herbeimeditieren könnte und vom Himmel auf Erden spricht, halte ich das für kompletten Unsinn. Mehr noch. für gefährlichen Unsinn, denn derartigen Heilsversprechen, wie sie für Religionen (die ja eigentlich auch nur in gemäßigter, sprich säkularisierter Form genießbar sind) und politische Ideologien typisch sind, mißtraue ich zutieftst und halte es da eher mit Karl Popper, der sinngemäß meinte, der Versuch, den Himmel auf Erden herbeizuführen, habe stets die Hölle auf Erden bewirkt. Ende der Einschaltung.
Sievekings Film wird nun zunehmend zu einer Recherche über TM: er spricht mit Aussteigern und verfolgt Spuren bis nach Indien, die nahelegen, daß besonders der Begründer von TM (und dessen Erben) ein Riesenvermögen damit gemacht haben, was dann doch recht fatal an andere Sekten erinnert. Am Ende wird der Film wieder zur ganz persönlichen Suche nach Spiritualität wie zu Beginn; Sieveking sucht die Quelle des Ganges auf, bleibt aber letztlich ein Suchender.
Ein sehr interessanter Film, gerade auch durch seine Zweigleisigkeit als persönlicher Bericht einerseits, Recherche andererseits. Was nun David Lynch und seine Verbindung zu der obskuren TM-Bewegung betrifft, so habe ich hier zwar eigentlich nichts erfahren, was mir nicht schon vorher durch Zeitungsberichte bekannt war, aber er hat doch meine Befürchtungen, daß Lynch sich von einer Sekte (oder zumindest sehr sektenähnlichen Organisation) hat vereinnahmen lassen, sehr viel zusätzliche Nahrung gegeben. Wie gehe ich damit um? Sein filmisches Werk (gerade neulich habe ich wieder The Straight Story gesehen, und auch sehr gern wieder gesehen) will ich eigentlich auch weiterhin nicht missen, seine Filme sind ja auch keine TM-Werbefilme (und falls doch, so merkt man es ihnen zum Glück nicht an...). Doch der Schöpfer dieser Filme ist mir als Person nochmals deutlich fremder geworden. Das ist traurig, aber wohl unvermeidlich.