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Herr Settembrini schaltet das Licht an

Oberlehrerhafte Ergüsse eines selbsternannten Filmpädagogen




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Die Verachtung



Mit den Filmen Jean-Luc Godards stehe ich normalerweise ein wenig auf Kriegsfuß - sie sind mir in der Regel zu verkopft, oft auch zu dezidiert politisch, und während ich Filme liebe, die eine Art Sogwirkung ausüben und somit den Zuschauer in sich hineinzuziehen scheinen, scheint Godard es zu lieben, seine Zuschauer aus einem Film wieder rauszuwerfen (besonders häufig hatte ich dieses Gefühl in Elf Uhr nachts).
Es gibt allerdings auch einige Ausnahmen, und zu diesen gehört auch Die Verachtung (wobei ich den Roman Alberto Moravios nicht kenne und daher nichts dazu sagen kann, wie Godards Film als Literaturverfilmung einzuschätzen ist). Erstmals drehte Godard eine Großproduktion mit Starbesetzung, wobei Einmischungen des Produzenten Carlo Ponti nicht ausblieben: er wollte einen Film für ein großes Publikum haben, und natürlich wollte er Nacktaufnahmen von Brigitte Bardot. Faszinierend an Die Verachtung ist dabei, daß der Film einerseits in dem Spannungsfeld von Kunst und Kommerz entstanden ist, eben dieses Spannungsfeld zugleich thematisiert. Godard machte so aus der Not eine Tugend, und gerade auch, wie er Pontis Forderung nach Nacktaufnahmen nachkam, ist ein gutes Beispiel: er filmte sie, verwendete dabei aber stellenweise Rot- und Blaufilter, so daß sie im Ergebnis verfremdet und "künstlerisch" aussahen, anstatt die männlichen Zuschauer zum Sabbern zu bringen, wie es Ponti vermutlich im Sinn hatte. Und so ist Die Verachtung im Ergebnis zwar tatsächlich zugänglicher als andere Godard-Filme, aber nicht unbedingt gefälliger - und eben doch ein typischer Godard- und Autorenfilm. Für mich sogar sein vielleicht bester.
Der Film verknüpft zwei Handlungsstränge so eng , daß sie kaum voneinander zu lösen sind: zum einen geht es um Paul und Camille, ein anfangs offenbar glücklich verheiratetes Ehepaar, deren Ehe in eine tiefe Krise gerät und scheitert, und zum anderen geht es darum, daß Paul im Auftrag eines amerikanischen Produzenten das Drehbuch für einen Odyssee-Film, den Fritz Lang (der sich selbst spielt) dreht, im Sinn des Produzenten umschreibt. Paul tut dies auch, eigentlich gegen seine künstlerischen Überzeugungen - doch diese Handlungsweise und sein ganzes sonstiges Gebaren dem Produzenten gegenüber (besonders, insofern es Camille betrifft) wird dann auch zum Auslöser jener Verachtung, mit der Camille ihm fortan begegnet. Dabei sind die Szenen, welche die Auseinandersetzungen des Ehepaars zeigen, sicherlich interessant und haben auch so manches hinreißende Detail zu bieten, wie etwa Brigitte Bardot, die in der Badewanne ein Buch über Fritz lang liest (der früh verstorbene Michael Althen hat davon in seinem schönen Buch Warte, bis es dunkel ist ausgiebig geschwärmt); trotzdem halte ich die Teile des Films, die über das Filmgeschäft reflektieren, für die noch stärkeren - sie beinhalten Kritik an kommerziellen Zwängen und sind zugleich auch Hommage an das filmische Medium selbst, und so ist es sicher kein Zufall, daß im Hintergrund auch Filmplakate für Hawks' Hatari! oder Hitchcocks Psycho zu sehen sind. Durch die Gestalt Fritz Langs, der sich bei den Diskussionen im Film immer wieder auch auf klassische Kulturgüter bezieht (und somit eine weitere Ebene in den Film hineinbringt) und dessen Ansatz für den Odysseus-Film man als "konzeptionelle Reinheit" bezeichnen könnte, gibt der Film zugleich auch eine Antwort, wie das ambitionierte Filmemachen unter den Bedingungen einer kommerziellen Filmindustrie überhaupt möglich ist: Lang kann bei dem Film im Film nicht alle Einmischungen verhindern, bewahrt aber trotzdem seine Würde und dreht auch am Ende seinen Film weiter. Auch in der Gestalt des Fritz Lang, wie er im Film auftritt, verschwimmen Film und Wirklichkeit, denn Lang konnte von seinen Erfahrungen mit Produzenten und Rechten an Filmen so manches Liedchen singen. An die Zusammenarbeit mit Godard dachte er übrigens (so etwa im Gespräch mit Peter Bogdanovich) gern zurück, und fraglos ist es erfreulich, daß diese Zusammenarbeit zustande kam, denn Die Verachtung ist der letzte Film, an dem Fritz Lang beteiligt war, der sich so - Godard sei Dank - mit einem wirklich großen Film vom Kino verabschieden konnte.




Daran gibt es nicht zu meckern. Du triffst den Nagel wie üblich auf den Kopf, mein Freund. Ich habe "Le mépris" neulich nach all den Diskussionen wieder eine Chance gegeben und muss zugeben: Es ist nicht mein Film; aber es ist ein bedeutender Film. Und beinahe die verfrühte Entgegnung zu "La nuit américaine".
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Na, das lese ich doch gern. Zumal ich das Gefühl, zu einem großen Film nicht den rechten Zugang zu finden, sehr gut kenne. Mir geht es etwa mit Renoirs "Die Spielregel" so: den habe ich zweimal gesehen und auch beim zweiten Mal wieder festgestellt, daß das keiner meiner persönlichen Favoriten wird, aber ich räume trotzdem ein: sein Ruhm ist verdient. Es gibt immer mal wieder solche Fälle.
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Ein sehr schöner und informativer Text zu einem Film, den auch
ich sehr mag. Besonders zutreffend finde ich auch deine Ausführugen über Fritz Lang als einen Filmkünstler, der zwar zu vielen Kompromissen gezwungen ist, aber trotzdem weder seine Würde noch seine künstlerische Version dabei verliert.
Ich muss gestehen, dass ich den Prolog
schon sehr erotisch finde. Ob ich dabei sabbere, sei aber
dahingestellt... Schön dabei ist auch der Dialog, wo Brigitte
Bardot ihren Körper wie eine Ware anbietet.(und wie findest du meinen Busen u.s.w.) Ich denke dass die Zwischenszenen in Tom
Tykwers "Lola rennt" von diesem meisterhaften Prolog
inspiriert wurden.
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Das mit dem Tykwer-Film ist ein interessanter Gedanke... Leider ist es schon so lange her, daß ich den gesehen habe, daß ich mich an diese Zwischenszenen gar nicht mehr so richtig erinnern oder daher jetzt auch keine persönliche Einschätzung zu dieser Vermutung beisteuern kann.
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Ein schöner Text zu "Die Verachtung", den ich vor einigen Wochen auch selbst erstmals sah. Wie du richtig herausstellst, war es hier angenehm, dass Godard es nicht darauf anlegte, seine Zuschauer aus dem Film werfen zu wollen. Ich mochte neben der Reflexion des Filmemachens und der Geschichte des verheirateten Paares vor allem auch das Setting, die Bilder und die Musik.

Ob Tom Tykwer sich durch den Prolog von "Die Verachtung" inspiriert fühlte ist schwer zu sagen und wohl nur von ihm selbst zu beantworten. "Lola rennt" ist im gesamten ja an Kieslowskis "Der Zufall möglicherweise" angelehnt.
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Und dies erinnert mich dann daran, daß ich den Kieslowski auch immer noch nicht gesehen habe...
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