Zum Inhalt wechseln


Ubaldo Terzanis Schreibstube Volume 2

Hier polemisiert der Meista!

Foto

GIRL WITH THE DRAGON TATTOO, THE


GIRL WITH THE DRAGON TATTOO, THE Schon klar: Wissen ist Macht und unsere Vergangenheit holt uns ein. Doch wenn ich wirklich zweieinhalb Stunden lang zwei Leuten beim Recherchieren, Stöbern in Archiven, Analysieren von Photos, Rumgoogeln, ellenlangen Befragen von Personen und dem Zusammenführen von Puzzle-Teilen zugucken wollte, könnte ich mich genau so gut auch in eine Universitätsbibliothek setzen und das dortige Treiben betrachten. Was für ein langer und weiliger, emotional distanzierter Porno für Recherche-Fetischisten. ZODIAC: Reloaded so zu sagen. Es ist schon lächerlich, mit welchem Ernst hier eine exorbitante Fülle an Namen und Personen-Verflechtungen auf einer Bonzen-Insel im Fjord ausgebreitet wird, die sich eh kein Zuschauer alle merken könnte, selbst wenn es ihn wirklich interessierete, ob der Serien-Mörder nun der eine Bruder, oder der andere Bruder, oder der Onkel, oder die Frau vom Onkel, oder der Hausmeister, oder vielleicht der verfickte Weihnachtsmann ist und wer mit wem warum verflechtet ist.
Erstaunlich übrigens wie die Filmbesprechung auf critic.de versucht, diesen Film zu einer anspruchsvollen Abhandlung über menschliche Erinnerung, das Vergessen und die dennoch vorhandene Allgegenwärtigkeit der Vergangenheit zu stilisieren. Da muss ich fragen: Trifft das nicht auf jeden Film zu, in dem ein Ermittler in der nahen oder fernen Vergangenheit einen Fall recherchiert?

Hach ja, David Fincher. Aber was nützt mir eine herausragende Inszenierung, eindrucksvolle Bildsprache, wenn ich zweieinhalb Stunden lang uninteressante Recherchen sehe über Dinge und Personen, die mich nicht interessieren?

Zudem ist das leider ein Film mit Stock im Arsch. Seine aufgesetzt wirkende monotone Ernsthaftigkeit, Grimmigkeit, distanzierte Kühle und seine getragene, bedächtliche Andachts-Atmosphäre, die den Zuschauer in wachkomatöse Trance versetzt, mögen manche ja als Anspruch mystifizieren. Meiner Meinung nach hingegen bräuchte Fincher einfach mal dringend eine lustige Soiree mit viel Vodka und Musik bei Freunden, um mal lockerer zu werden. Und Chris Nolan kann er dorthin auch gleich mitnehmen, lan.

1/10 (Zelluloidverschwendung)

text nicht korrekturgelesen. schließlich bin ich kein hemdindenschlüpferstecker oder schattenparker

Banalitäten Langeweile lächerliche Ernsthaftigkeit


Foto

TOMIE UNLIMITED 富江 アンリミテッド


TOMIE UNLIMITED 富江 アンリミテッド An ihrem 1. Todesjubiläum klingelt die 18 jährige Schülerin Tomie plötzlich an der Tür und schockiert damit ihre um sie trauernde Familie. Tomie ist als Dämon zurückgekehrt, der die Psyche von Menschen beliebig manipulieren kann und mit dem familiären und gesellschaftlichen Status Quo nicht zufrieden ist. Ergo ist die Kacke alsbald mächtig am dampfen, lan.

Zu Gefallen weiß erstmal der Prolog mit der photographierenden Schwester und Tomies Ableben. Sehr reizvoll kombiniert der Film hier bewegte und unbewegte Bilder, was sich auch fortsetzt in der darauf folgenden Vorspann-Sequenz. Eindrucksvoll ist auch die darauf folgende Einstellung mit Vater, Mutter, Schwester am Esstisch, Geburtstagstorte und Tomies Photo auf dem Tisch.

Ab dem Moment, als Tomie als Dämon nach Hause zurückkehrt, wird der Film leider etwas unausgegoren. Einerseits sind die Horrorszenen bis ins Groteske übersteigert (und zudem von den Spezialeffekten her sehr billig), so dass man sie nicht wirklich ernst nehmen, aber auch nicht über sie lachen kann.

Auf der anderen Seite jedoch versucht der Film durchaus ernsthaft, menschliche Beziehungen und familiäre wie schulische Strukturen zu beleuchten, und es werden immer wieder Gesellschaftskommentare abgelassen.
Schade dass das (genau so wie die emotionale Komponente dieses Schwestern-Dramas) bisweilen untergeht in all dem grotesk überkandidelten Unsinn von wegen aus Schultern wachsenden Geschwüren, sprechenden Köpfen in der Blumenvase und sonstigem Quark.

Wesentlich besser zu gefallen weiß da schon die Darstellung des familiären Horrors und der häuslichen Gewalt, die die psychisch manipulierten Familienmitglieder sich antun. Sowieso hat der Film - zumindest in seinen besseren Momenten - ordentliche Creepiness zu bieten. Die gruselige Szene mit den beiden Schwestern in der Badewanne ist atmosphärisch sehr dicht inszeniert und wird wohl dem gehören, das mir aus diesem Film mit am längsten im Gedächtnis bleiben wird.

Faszinierend ist auch Miu Nakamura in der Rolle der Tomie. Ohne ihre bemerkenswerte Darstellung würde der Film nicht so beklemmend sein. Sie stellt sowohl die verführerischen, kindlichen naiven als auch angsteinflößenden Seiten der Tomie sehr eindringlich dar. Wenn Blicke töten... Lan, ist die Frau scary.

Fazit:
Etwas unausgegorene Mischung aus Gefühls-Drama, gesellschaftlichem Kommentar, effektivem Grusel, grenzdebilem Brachial-Horror und Betrachtung menschlicher Beziehungen. Trotz zahlreicher guter Momente wirkt der Film als Ganzes völlig überladen und besitzt eine unaufgeräumte Struktur. Zudem hat er schlicht zu viele tonale Schwankungen, was oftmals die Atmosphäre zerstört, und mit seiner comichaft grotesken Brachial-Horror-Scheiße schießt er sich letztendlich selbst ins Bein. Nichts Halbes, nichts Ganzes. Weil andererseits aber vieles in desem Film sehr effektiv, gruselig oder beeindruckend ist, gebe ich:

6/10 (ordentlich, sehenswert)

text nicht korrekturgelesen. schließlich bin ich kein haustürzweimalabschließer oder beckenrandschwimmer.

Horror Komödie Gesellschaftskommentar Dämon Drama Schwestern


Foto

THE DAY HE ARRIVES - 북촌방향


THE DAY HE ARRIVES - 북촌방향 Sung-Joon, gescheiterter Filmregisseur und nun Filmprofessor in der Provinz, kehrt nach Seoul heim, um einen alten Freund zu besuchen. Er scheint ein sehr unglücklicher Mann zu sein. Dass es in seinem Leben nicht wirklich vorangeht und er in Lethargie erstarrt ist, mag aber einfach eine Art selbsterfüllende Prophezeiung sein; immerhin glaubt Sung-Joon, alles sei eine Verkettung nicht kontrollierbarer Ereignisse und der Mensch habe keinen Einfluss auf sein Schicksal.

Wie Sung-Joon kommt auch der Film nicht wirklich von der Stelle. Es wird mit Wiederholungen und Kreisbewegungen gearbeitet. Zum Teil werden dieselben Person einander mehrmals im Filmverlauf vorgestellt. Fast schon zeitschleifenartig, auf jeden Fall aber surreal wirkt es, wie Regisseur Sang-soo Hung die Starre im Leben seiner 4 Hauptfiguren sowie die Austauschbarkeit ihrer Treffen zwecks Konversation und Besäufnis skizziert. Es ist ein sehr interessanter Film über menschliche Beziehungen.

Das triste, facettenlose Schwarzweiß wirkt sehr depressiv und lässt die den Film auf Handlungsebene durchziehende Traurigkeit besonders deutlich spürbar werden. Die meisten Szenen sind undynamisch aufgebaut, bestehen nur aus einer einzigen Einstellung, was die Starre und Wehleidigkeit des Protags wunderbar transportiert. Doch anstatt zermürbend zu wirken, besitzt dieser Film eine große Faszination und kann mit seiner melancholischen Atmosphäre für sich einnehmen und bietet einiges an Interpretations- und Reflexionspotential.

8/10 (gut)

text nicht korrekturgelesen. schließlich bin ich kein innentaschenbügler oder karussellbremser

Drama Schwarzweiß Doppelungen


Foto

猛鬼愛情故事


猛鬼愛情故事 Was für ein unterhaltsames B-Movie! HONGKONG GHOST STORIES macht sehr viel Laune -- besonders nach ein paar Bieren. Der Film besteht aus zwei jeweils 45 minütigen, in sich abgeschlossenen Kurzfilmen zweier Regisseure.

Die erste Episode (junge Aushilfslehrerin trifft an ihrer neuen Schule auf Spuk) glänzt vor allem durch unfreiwillige Komik, die sich aus den billigen Produktionswerten der Effektszenen, den scheißigen Dialogen sowie vor allem dem schmierentheatralischen Schauspiel einiger Darsteller ergibt. Das macht durchaus Laune. Nichtsdestotrotz ist der Film in gewissen Punkten ernst zu nehmen: Erstmal sind einige der Horrorszenen durchaus scary (nämlich jene, die am hellichten Tag in der öffentlichen Schule spielen und der Protagonistin klar machen: du bist niemals und nirgendwo sicher, niemand kann dir helfen). Zweitens ist die Geschichte dieser Episode trotz einiger Unebenheiten recht elaboriert, besitzt Wendungen und doppelte Böden und packt viel Inhalt in ihre 45 Minuten Laufzeit, ohne überladen zu wirken. Ganz klar: In dieser Episode wird mehr gezeigt und erzählt als in vielen amerikanischen Horrorfilmen, die eine doppelte Länge haben.

Die zweite in sich abgeschlossene Episode (eine Gruppe junger Frauen aus Hong Kong tuckert im Reisebus durch Thailand, um sich von männlichen Huren durchbürsten zu lassen) ist ebenfalls sehr spaßig. Allerdings resultiert der Spaß hier nicht aus unfreiwilliger Komik, sondern aus schamlos überkandideltem, exzentrischem Brachial-Humor, der schon dermaßen kacke ist dass es wieder lustig ist. Auf ziemlich verschwurbelte Weise erzählt dieser Kurzfilm eine krass verschachtelte Geschichte, die auf mehreren Zeitebenen spielt und nach und nach offenbart, wer da eigentlich warum tot gemacht wurde und wer bei wem warum spukt. Auch hier gilt: Die 45 Minuten sind proppevoll.

5/10 (kann man sich ansehen, muss man aber nicht)

text nicht korrekturgelesen. schließlich bin ich kein saunauntensitzer oder teletubbyzurückwinker.

Horror Komödie Geist(er)


Foto

O THANATOS POU ONIREFTIKA


O THANATOS POU ONIREFTIKA Ein Regiekino-Hirnfurz, der mit seiner epileptischen audiovisuellen Gestaltung nur in einigen Momenten Bedeutung und Atmosphäre erzeugen kann, ansonsten bloß Kopfschmerzen und Augenkrebs verursacht. Jumpcut-Staccato, extremes Zoomen, Fast Forwarding, elendes Bildgewackel, Spielchen mit der Farbsättigung -- ich bin zu alt für so nen Scheiß, lan. Wirklich *sehen* und erkennen kann man in diesem Film jedenfalls kaum was, weil man sich nicht lange auf diese unruhigen Amok-Bilder konzentrieren kann. Davon abgesehen versucht der Film verzweifelt, eine maue und durchsichtige Geschichte möglichst intellektuell aufgeblasen zu erzählen. Das war mal gar nix.



2/10 (Rohrkrepierer)


text nicht korrekturgelesen. schließlich bin ich kein streuwagenhinterherfahrer oder kassenbongucker.

Horror Drama based on true events


Foto

VIZSGA, A


VIZSGA, A Digitale Handkamera-Bilder sind in einem Period Piece ja eher selten anzutreffen. Hier gibt es sie nun, und sie erwecken das Ungarn der 1950er Jahre plastisch zum Leben. In diesem Geheimdienst-Thriller geht es um den AVH-Agenten Anders Jung, der sich als Deutschlehrer ausgibt und in einer Tarn-Wohnung erwachsene "Schüler" empfängt, die in Wirklichkeit natürlich IMs sind. Der Agent Jung wird bald selbst zum Gegenstand von Bespitzelung, weil seine Vorgesetzten Jungs Loyalität zu Geheimdienst und Kommunismus testen wollen...

Zwar ein durchaus kurzweiliger, aber mit seinen zig Plot-Twists und Enthüllungen und doppelten Böden leider auch ein sehr verschwurbelt erzählter, umständlicher Film, dessen Inszenierung sich zudem nur knapp über TV-Niveau bewegt, lan, und dem man sein kleines Budget leider zu leicht ansieht -- nämlich in der Ausstattung. Zu gefallen weiß aber, was in "A Vizsga" (deutsch: Test/Prüfung) über das Leben im Kommunismus vermittelt, über Angst, Überwachung, Paranoia, tristen Alltag in tristen, eintönig grauen Städten, geheimdienstliche Strukturen. Und die kühlen, grimmigen -- wenn auch nicht sonderlich kreativen -- Bilder bieten dafür einen akkuraten Rahmen.

6/10 (ordentlich)

text nicht korrekturgelesen. ich bin ja kein chilischotenentkerner oder zweimal-um-den-kreisverkehr-fahrer.

Drama Thriller period piece Geheimdienst


Foto

TERRAFERMA


TERRAFERMA Emanuele Crialese, der schon mit NUOVOMONDO einen beachtlichen Film abgeliefert hat, meldet sich nach 5 Jahren endlich zurück. Allem Rumgenörgel des deutschen Feuilleton zum Trotz ist TERRAFERMA ein sehr faszinierender und einnehmender Film. Man kann der unwirklichen, meditativen Atmosphäre dieses Insel-Dramas gar nicht entziehen. Man kann gar nicht anders als überwältigt zu sein von seinen gleichermaßen majestätisch wie unheimlichen Bildkompositionen, die die Rauheit der Natur sehr wirkungsvoll in Szene setzen. Erneut beweist Crialese sein Gespür für gute inszenatorische Ideen (die Ankunft der Touristen auf der Insel ist einfach nur surreal; das sich von den ertrinkenden Flüchtlingen abwendende Fischerboot im Mondlicht brennt sich unweigerlich auf die Netzhaut; das choreographierte Touristen-Diving wirkt einfach nur psychedelisierend; etc. pp.). Ein durch und durch faszinierender, atmosphärisch in Beschlag nehmender, bildstarker Film also.

Mag das Flüchtlings-Drama an sich auch haarscharf am Gutmenschen-Kino vorbeischrammen, mögen Dialoge und Schauspiel auch (gewollt?) hölzern sein, gefiel mir TERRAFORMA hingegen als Film über Veränderungen (Insel-strukturelle wie familiäre), über Heimat, über Traditionsverlust, über die doppelte Infiltrierung einer abgeschotteten Inselgemeinschaft, über Aufbruch zu neuen Ufern. Und das alles vermittelt der Film halt in einer dichten, unwirklichen Atmosphäre und überwältigenden und ausdrucksstarken Bildern. Ein sehr schönes, faszinierendes Werk also. Ubaldo zufrieden, der deutsche Feuilleton offenbar nicht.

8/10 (gut)

P.S.: Aba bei der Fischfang-Szene musste ich mich angewidert wegdrehen. Pfui.

text nicht korrekturgelesen

Drama Insel Natur


Foto

DESCENDANTS, THE


DESCENDANTS, THE Die himmlische Schönheit Hawaiis, die immer wieder in postkartenidyllischen Einstellungen eingefangen wird, bildet einen gelungenen Kontrast zur Hölle, die eine auseinandergelebte Familie durchmacht. Die Mutter liegt im Krankenhaus; für sie kann nichts mehr getan werden, also sollen die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet werden. Ehemann George Clooney muss diese Nachricht seinen beiden schwierigen Töchtern und dem Rest der Verwandschaft (die sich auf der Insel eingefunden hat, um ein im Familienbesitz befindliches Grundstück mit unberührter Natur meistbietend zu verscherbeln) überbringen. Es kommen pikante Details über das Doppelleben der im sterbenden liegenden Frau ans Licht, weswegen die Familie zwischen Trauer um und Wut auf die Sterbende hin und hergerissen ist. Der Familienvater muss sich aber auch mit seinen eigenen vergangenen Fehlern schmerzlich auseinander setzen. Und trotz Trauer und Wut muss er stark sein, für seine Töchter da sein und die dysfunktionale Familie kitten. Zu allem Überfluss muss er noch lernen dass manche Freunde und Verwandte nicht so loyal sind wie er dachte.

Es ist ein ziemlich komplexes Drama, das Alexander Payne hier geschaffen hat. Nicht nur werden viele schwierige Themen des Menschseins psychologisch glaubwürdig und emotional nahegehend behandelt; nicht nur besitzt der Film einen umfangreichen Cast of Characters, bei dem jede einzelne Figur plastisch und menschlich glaubhaft ist; sondern auch die Storyline des Dramas ist komplex und mit sehr vielen Details und Begebenheiten ausgestattet.

Dass das alles so rund und überzeugend geraten ist, ist schon eine Leistung. Das ist wirklich ein bemerkenswert wohlstrukturierter, penibel durchdachter Film. Das Schöne (und Traurige) ist dass man als Zuschauer von den Figuren und ihrer Situation emotional mitgenommen wird und dass man das alles als wahrhaftig und realistisch auffasst.

Der Humor, der bisweilen vorkommt, ist ebenfalls gelungen, weil er in seiner bodenständigen Art und Weise niemals das Tragische in der Geschichte unterwandert oder der Lächerlichkeit preisgibt. Na ja, bis auf ein paar arg billige Witze vielleicht.

Gut gefallen hat mir dass der Film sehr Mut machend endet. Trotz melodramatischer Zuspitzung verbreitet der Film Hoffnung und Optimismus auf eine bessere Zukunft und sagt dem Zuschauer indirekt: Du kannst und wirst alles überstehen, lan!


9/10 (sehr gut)

text nicht korrekturgelesen

Drama Kömödie schlechte ärztl. Nachrichten Wut Trauer


Foto

FUNNY PEOPLE


FUNNY PEOPLE Das Positive:

"Funny People" ist ein Film über das Wesen und die Funktionsweise von Stand Up Comedy generell. Neben dem Erzählen von Witzen auf der Bühne beleuchtet der Film vor allem auch, wie die von Sandler und Rogan gespielten Komiker ihre Comedy-Texte erdenken und schreiben, was die Inspirationen für ihre humoristischen Ideen sind. Vom schreiberischen Prozess, über die Bühnenpräsentation und deren Besonderheiten, bis hin zu den Funktionsweisen der Comedy-Branche zeichnet "Funny People" also ein ziemlich umfassendes Bild des Milieus.

Das Du Sandler & Rogen ist famos witzig und gerät immer wieder in Dialoge und Situationen, die zum Brüllen komisch sind. Ebenfalls Iras skurrile Wohngemeinschaft trägt des öfteren zur Erheiterung bei. Auch wenn es hier an Witzen der Güteklasse "do you know why I know you're gay?" fehlt, zeigt Apatow hier wieder sein Talent für derben, doch sehr cleveren und manchmal auch hintersinnigen Humor.

Das Negative:

Die Idee für den Drama-Anteil dieser Dramödie ist freilich interessant und böte viel Potential: Gegensatz zwischen Bühnenpersönlichkeit und Privatperson; lachendes Auge auf der Bühne, weinendes Auge hinter der Bühne. Zwar ist diese Thematik des "traurigen Clowns" nicht wirklich neu, aber sie hätte hier wesentlich besser umgesetzt werden als Judd Apatow es letztendlich getan hat:

Enter Adam Sandler, der einen schwerreichen Film- und Bühnenkomiker spielt, der nach schlechten ärztlichen Nachrichten sein Leben zu überdenken beginnt (d'oh!) und feststellt wie einsam und leer sein Dasein trotz Fan-Gemeinde und Wohlstand ist (nochmal: d'oh!) und seinen verpassten Chancen in Form seiner Ex-Freundin nachweint (wieder: d'oh!), welche er dann zurückzugewinnen versucht. Dass das nicht im Happy End mündet, sondern in Ernüchterung, ist noch das einzig Positive.

Das persönliche Drama des Protagonisten ist einfach nur schablonenhaft und besteht aus hinlänglich bekannten und in der Filmgeschichte bereits oft bemühten Plot-Versatzstückchen. Vor allem ist das Ganze völlig unrund geschrieben (diese das menschliche Leben reflektierenden Dialoge hätte vermutlich sogar Rosamunde Pilcher im Altpapier entsorgt) und nicht sonderlich involvierend inszeniert.

Apatows Drama wirkt sehr mainstreamig und seicht. Für jeden Zuschauer nachvollziehbare menschlcihe Probleme (Trauer über verpasste Chancen, Unzufriedenheit und Streben nach Glück, Verrinnende Zeit, der Wert echter Männerfreundschaft) werden hier auf eine Art und Weise vermittelt und von den Figuren dermaßen lang ausdiskutiert, dass ich mir während der Filmbetrachtung mehrmals dachte: "Komm schon, Judd, bring mal wieder einen Witz, denn dein Drama ist öde."

Wirklich nahe gehende Tragik besitzt "Funny People" eigentlich nur in den Szenen, wo Adam Sandler in seiner Stand Up Comedy auf der Bühne seinen ganzen Frust und Hass ablädt und das Publikum lacht. Oder bei der Szene beim skandinavischen Arzt, wo Traurigkeit und Lachen Hand in Hand gehen.

Fazit:

Lustige Komödie, interessanter Film über die Stand Up Comedy Szene und über die Entstehung und die Funktionsweise von humoristischen Texten. Auf der anderen Seite aber ein Drama, das eingedenk seiner Seichtheit schlicht zu viel Raum in dieser Dramödie einnimmt.

6/10 (ordentlich, sehenswert)


text nicht korrekturgelesen

Disclaimer: dieser polemische Text basiert auf einem polemischen Text, den ich vor 2 Jahren zusammengeschwurbelt und u.a. auf kino.de veröffentlicht habe

Drama Komödie schlechte ärztl. Nachrichten


Foto

PRÉSUMÉ COUPABLE


PRÉSUMÉ COUPABLE Es geht um den Justizskandal von Outreau, der vor einigen Jahren prominent auch durch die deutschen Medien geisterte. 19 Personen, angebliche Mitglieder eines Kinderschänder-Rings, saßen zum Teil mehrere Jahre unschuldig in U-Haft aufgrund wirrer falscher Beschuldigungen und der Inkompetenz von Ermittlungsrichtern.

Der Film basiert auf den niedergeschriebenen Erinnerungen des Alain Marécaux und rekonstruiert das Martyrium dieses Mannes angefangen bei der Verhaftung, über den Verlust seiner Reputation und seines bisherigen Lebens, über seinen Kampf mit einer ungerechten Justiz, über seinen psychischen Stress im Knast, über seinen langen Hungerstreik, bis zu seinem Freispruch in zweiter Instanz.

Was in diesem Film skizziert wird, ist regelrecht empörend und bestärkt mich in meinem abgrundtiefen Hass auf Polizei, Justiz und viele weitere staatliche Organe. Das Problem ist nur: Mehr als eine Skizzierung / Rekonstruktion der Ereignisse hat PRESUME COUPABLE nicht zu bieten. Eigene Gedanken über das System macht der Film sich nicht. Dennoch ist es natürlich relevant dass dieser Film den damaligen Justizskandal für die Ewigkeit festhält.

Philippe Torreton in der Hauptrolle ist wirklich grandios. Den körperlich und psychisch immer stärker zerfallenden Mann spielt er mit vollem Körpereinsatz. Und so funktioniert dieser Film in erster Linie als psychologisches Drama über die Auswirkungen des Eingesperrtseins und über den Umgang mit der unerträglichen Situation dass man unschuldig einsitzt.

Zwiespältig hingegen stehe ich der Inszenierung des Ganzen gegenüber. Einerseits erzeugen die pseudo-dokumentarischen, digitalen Handkamera-Bilder eine Nähe zwischen Zuschauer und Filmgeschehen. Andererseits bin ich der Meinung dass da stellenweise mehr rumgewackelt wurde als nötig. Da wird einem ja schwindelig im Kopf, wenn man das sieht, lan. Slow the fuck down.

6/10 (ordentlich, sehenswert)

text nicht korrekturgelesen

Drama Justiz based on true events Knast





Neuste Kommentare

Filmtagebuch von...

Ubaldo Terzani

    Reader discretion is advised, lan

  • Senior-Member
  • PIPPIPPIPPIPPIP
  • 1.391 Beiträge

Filmtagebuch durchsuchen

Aktuelle Besucher

Mitglieder: 0, Gäste: 3, unsichtbare Mitglieder: 0

Letzte Besucher

November 2024

M D M D F S S
    123
45678910
11121314151617
1819202122 23 24
252627282930