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Ubaldo Terzanis Schreibstube Volume 2

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MARTHA MARCY MAY MARLENE



MARTHA MARCY MAY MARLENE Nach zweijährigem Leben in einer Hinterwäldler-Sekte flieht die junge Martha aus der Kommune und sucht Unterschlupf bei ihrer älteren Schwester und deren Ehemann, bringt es aber nicht fertig, sich den beiden anzuvertrauen. Die sichtlich an einem Trauma leidende Martha bringt ihre ahnungslose Schwester und deren Mann mit ihrem destruktiven und agressiven Verhalten an den Rand der Verzweiflung.
Der Film erzählt keine wirkliche Geschichte, lässt seine psychisch leidende Protagonistin keine wirkliche Charakterentwicklung und keinen Heilungsprozess durchleben und lässt am Ende vieles offen. Diese Unvollkommenheit, diese gewisse Bruchstückhaftigkeit und der Verzicht auf viele Hintergrundinformationen machen den Film aber sehr beklemmend und intensiv, zudem auch interessant, da man als Zuschauer einige Dinge selber deuten muss, anstatt sie erklärt zu bekommen. Am besten in diesem sehr rau und grimmig photographierten Film gelungen sind die Zeitsprünge zwischen dem Leben bei der Schwester und dem Leben in der Kommune. Diese ständigen Sprünge zwischen den Zeitebenen passieren sehr nahtlos und parallelisieren geschickt Alltagssituationen, so dass man im ersten Moment gar nicht merkt dass schon wieder ein Zeitsprung vollführt wurde. Vor allem leisten diese Sprünge einen wesentlichen Beitrag zur Charakterisierung der Protagonistin, indem sie dokumentieren, welche Dinge und Ereignisse bei Martha traumatische Erinnerungen hervorrufen.
Ich hasse die Olsen-Schwestern wie die Pest. Aber Elizabeth Olsen überrascht hier wirklich mitgrandiosem, emotional intensivem und ausdrucksstarkem Schauspiel. Sie trägt den Film wesentlich, und spielte sie nicht so toll, wäre der Film sicherlich misslungen.

7/10 (noch gut)

text nicht korrekturgelesen

Sekte Familie Trauma Paranoia Angst



Ich würde den Film eigentlich mit fast den gleichen Worten beschreiben und finde ihn dennoch sehr viel besser als Du. Ich mag an "Martha" also genau das, was Du offenbar nicht magst.
Mit gefällt das herausfordernd offene Ende sehr. Auch vermisste ich die fehlende Charakterentwicklung der Protagonistin nicht, weil es sie für mich schlichtweg nicht zu geben brauchte. Martha verharrt, weiß weder vor noch zurück, steht unentschlossen zwischen dem Leben in der Gemeinde und dem spießigen Leben ihrer Schwester.
Die tolle Montage mit ihren irritierend eingeflochtenen Zeitsprüngen mochte ich auch sehr, so wie auch die starke Präsenz von Elizabeth Olsen, die wie eine jüngere Ausgabe von Scarlett Johannson aussieht. Auch John Hawkes hat (nach "Winters Bone") einen weiteren starken Auftritt, der sogar den Lagerfeuersong für Marcy May selbst singt.
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Das offene Ende fand ich ebenfalls gelungen, ebenso den Umstand dass - gottseidank - wenig erklärende Charakterisierung vorhanden war.
Der Film hat mich freilich gepackt, aber nicht restlos. Um mich restlos zu überzeugen, hätte hier vielleicht mehr geboten werden müssen als so eine bei Licht betrachtet simple (wenn auch atmosphärisch und emotional starke) Erzählung, die sich 90 Minuten lang in den seelischen Leiden seiner Protagonistin suhlt.

Trotzdem ein guter und beklemmender Film, nätürlich. Aber für mich halt kein Meisterwerk, weil nicht genug Komplexität und Substanz für mein Empfinden.
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OK. Ich verstehe was du meinst. Das "im seelischen Leiden seiner Protagonistin suhlen" war ganz mein Ding. Aber Du hast recht: Bei Licht betrachtet kann man "Martha" kaum rational erklärbar rüberbringen. Habe ich heute bei einem Gespräch mit einer Bekannten bemerkt, die den Film auch gut fand, aber auch vor allem wegen seiner formalen Gestaltung und Aufbrechen des linearen Erzählflusses. Wir haben uns meisten über die Bedeutung von "Marlene" unterhalten. Neben der bürgerlichen Identität "Martha" und der Verklärung des Sektenführers als "Marcy May" war "Marlene" für mich eine Scheinidentität, hinter der sich die Frauen der Gemeinde nach außen hin gern versteckten. Sowohl ihr Liebhaber bezeichnete sie seinem Telefongesprächspartner gegenüber mal als "Marlene", als auch eine Frauenstimme sich als "Lucy Marlene" ausgab, als Martha aus einer inneren Verzweiflung heraus bei ihrer Ex-Gemeinde mal anrief.
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