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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE FOUR HORSEMEN OF THE APOCALYPSE (Vincente Minnelli/USA 1962)


"I'm doing what you wanted me to, father. See?"

The Four Horsemen Of The Apocalypse (Die vier apokalyptischen Reiter) ~ USA 1962
Directed By: Vincente Minnelli

Argentinien in den dreißiger Jahren: Der lebenslustige alte Patriarch Madariaga (Lee J. Cobb) ist Großvater zweier vervetterter Enkel, auf die er jeweils besonders stolz ist: Julio Desnoyers (Glenn Ford), dessen Vater Marcelo (Charles Boyer) gebürtiger Franzose ist und Heinrich von Hartrott (Karlheinz Böhm) mit seinem deutschstämmigen Vater Karl (Paul Lukas). Die politische Situation in Europa zerbricht die Familie und führt den Kummertod des Großvaters herbei: Die von Hartrotts bekennen sich als deren unumwunden rekrutierte Mitglieder zu den Nazis, während die Desnoyers nach Paris gehen. Heinrich wird Offizier bei der Waffen-SS, Karl geht zur Wehrmacht. Nach der Besetzung trifft man sich in Paris wieder. Hier lernt Julio auch Marguerite (Ingrid Thulin) kennen, die Gattin des linken Aktivisten Etienne Laurier (Paul Henreid). Als Etienne zur Front gezogen wird, ist der Weg zu Marguerite frei. Julios kleine Schwester Chi Chi (Yvette Mimieux) schließt sich derweil der Résistance an und bezahlt ihr Engagement mit dem Leben. Der wiedergekehrte Etienne erfährt von der Affäre Julios und Marguerites, leitet jedoch trotzdem den Pariser Widerstand. Der sich stets neutral gebende Julio kann bald nicht mehr anders als selbst zur Résistance zu gehen, was den Nazis und auch Vetter und Onkel bald gewahr wird. Julios letzter Auftrag führt ihn zu Heinrich und geradewegs in den Märtyrertod.

Ibáñezs berühmter, 1916 erschienener Roman spielt eigentlich vor dem historischen Hintergrund des Ersten Weltkriegs und verortet auch die personelle Struktur geflissentlich anders. Für diese bereits zweite Verfilmung (nach einer ersten, zeitgenössischen von Rex Ingram) wurde die Geschichte der zersplitternden Familie variiert und dem in dramatischer Hinsicht vielleicht dankbareren Szenario des Zweiten Weltkriegs anheim gestellt. "The Four Horsemen Of The Apocalypse" wird dabei zu einer Art episierter "Casablanca"-Variation mit erstaunlichen Parallelen: Es gibt den Opportunisten und Lebemann, der sich mit der Weltlage abfindet und zum eigenen Vorteil unter Umständen auch mit den Nazis kollaborieren würde, bis er seine wahre Bestimmung entdeckt; es gibt den unerschütterlichen, emotional jedoch weichen Widerständler, dessen Aktivitäten auf grundsolidem Idealismus fußen und dem Feind empfindliche Schlappen zufügen und es gibt schließlich die Frau, die beide lieben, die intellektuell von den humanistischen Werten des Einen eingenommen ist, erotisch jedoch dem eher schurkisch gezeichneten Libertin verfällt. Nicht zuletzt der doppelte Einsatz von Paul Henreid, der seine zwanzig Jahre zuvor gespielte Rolle hier nochmal revisioniert, lässt dem Zuschauer die inhaltliche Nähe beider Filme unumwunden aufleuchten; rein zufällig wird die Herzensdame auch gleich nocheinmal von einer schwedischen Kino-Schönheit gespielt.
Natürlich ist Minnellis der breitere, Aufsehen erregendere, opulentere. Von MGM ganz offensichtlich als großes Prestige-Projekt mit deutlichem Augenzwinkern zur Kritiker- und Preissektion hin angelegt, gibt es fantastische Bilder von Paris, dem Bürger-Exodus, als bekannt wird, dass die Nazis auf dem Vormarsch sind und auch von der Okkupation selbst. Hier leistet der Film geradezu Meisterliches. Die Familien- und Liebesgeschichte sowie auch Julios Wandlung hin zum Vorkämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit entbehren dann nicht einer klaren Camp-Note. In diesen intimeren Szenen erweist sich Minnelli als durchaus vernunftbegabter Regisseur, wenn er sich unmissverständlich darüber klar zu sein scheint, dass Script und Besatzung gewisse Klischees geradezu provozieren. Ergo inszeniert er sie gerade so, wie es eben angemessen ist. Ingrid Thulin ist atemberaubend und mit all ihrer Grandezza das größte darstellerische Plus des Films. Der Rest der Besetzung, mit Ausnahme von Böhm und Mimieux, ist deutlich zu alt für ihre Rollen. Glenn Ford, damals bereits stolze 46, als jungenhaften, politisch ungeprägten latin lover einzusetzen muss das Resultat einer verlorenen Wette gewesen sein; Paul Henreid mit noch steileren 54 wäre von jeder Front als Methusalixchen gleich wieder heimgeschickt worden, Paul Lukas schließlich, rekorverdächtige 71, ist selbst für einen silbermellierten Wehrmachtsoffizier zwei, drei Wochen zu betagt. Doch was soll's - Minnellis Film macht Freude, er ist schön, ausschweifend und scheitert auf eine mehr als charmante Art in seinem Bestreben, großes Weltdrama zu präsentieren.

6/10

Vincente Minnelli Argentinien Frankreich Paris Familie WWII Widerstand Vicente Blasco Ibáñez period piece Vichy-Frankreich


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MISSION KILL (David Winters/USA 1986)


"Sempfer fidelis, Harry. Semper fidelis."

Mission Kill (Mission Cobra) ~ USA 1986
Directed By: David Winters

Nur durch Zufall wird der Sprengstoffexperte und Vietnam-Veteran J.F. Cooper (Robert Ginty) in die Revolutionswirren der mittelamerikanischen Bananenrepublik Santa Maria hineingezogen: Er begleitet seinen alten Freund Harry (Cameron Mitchell), der den Guerilleros als Trucker eine LKW-Landung Waffen bringen soll. Doch J.F. und Harry werden kaum dass sie die Grenze passiert haben, von dem Waffenhändler Kennedy (Clement St. George) überfallen, wobei Harry zu Tode kommt. J.F. schwört Rache, gerät wiederum an die Guerilleros und tut sich mit ihnen zusammen. Während der Journalist Bingo Thomas (Sandy Baron) J.F. zu einem amerikanischen "Robin Hood" aufbläht, landen er und die Revolutionäre einige strategische Erfolge. Am Ende werden sie jedoch von einem der Ihren (Jorge Reynoso) verraten und komplett aufgerieben. Nun bleibt J.F. nichts anderes als der finale Schlag gegen Neudiktator Borghini (Henry Darrow). Doch dessen Gattin (Merete van Kamp) steht bereits in den Startlöchern zur Macht.

Hier und da begab sich der reaktionäre Actionfilm der mittleren und späteren achtziger Jahre häufiger an aktuelle Nebenschauplätze wie Mittelamerika oder die Karibik, wo es in Ministaaten wie Grenada, Nicaragua oder El Salvador permanent brodelte und US-Militärberater nebst inoffiziell geschalteter Subventionen irgendwelche Juntachefs zu Marionetten der Reagan-Regierung im Norden heranzogen. Die hierzu im Film "verwendeten" Kleinstrepubliken waren jedoch in der Regel fiktiver Natur (mit dem geographisch sehr viel weiter entfernten Nahen Osten tat man sich da bezeichnenderweise weniger schwer).
Freilich arbeitet J.F. Cooper (ja, der heißt wirklich so) weniger für außenpolitische Ideale denn auf eigene Rechnung. "Auf welcher Seite der Revolution stand sie?" fragt er traurig seine neuen Genossen, als er wie weiland Lee Marvin in "The Big Red One" ein totes Kind als Versinnbildlichung des Kriegsgeschwürs auf den Armen trägt. Was die beiden gegnerischen Seiten eigentlich wollen; wofür sie kämpfen, bleibt dann auch eher nebulös. Es lässt sich davon ausgehen, dass El Presidente Ariban (Eduardo López Rojas), der Exekutionen politischer Gefangener und kleine Mädchen mag, ein Putschist mit pseudokommunistischem Hintergrund ist, derweil die Männer des Rebellen Juan (Jorge Zepeda) wohl einen funktionalen Neo-Sozialismus etablieren wollen. Dass solcherlei schonmal gar nicht ohne den erfahrenen, militärstrategischen Impact eines US-Kriegers zu bewältigen ist, muss man dem Film schon glauben. Dass aber selbst der große blonde Gringo nichts gegen Verräter aus den eigenen Reihen auszurichten vermag, ist eine bittere Pille für alle Beteiligten. Die Revolution muss am Ende scheitern; ihre schöne, kalte Erbin jedoch wartet bereits.

6/10

David Winters Mittelamerika Revolution Guerilla Freundschaft Rache


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THE GRAND BUDAPEST HOTEL (Wes Anderson/USA, D 2014)


"Did he just throw my cat out of the window?"

The Grand Budapest Hotel ~ USA/D 2014
Directed By: Wes Anderson

Die Geschichte einer Geschichte einer Geschichte: Im krisengeschüttelten Jahrzehnt der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts stellt das altehrwürdige "Grand Budapest Hotel", errichtet über dem in den Sudeten gelegenen Bergdorf Nebelbad, das zu dem Staat Zubrowka gehört, eine Institution feinkultureller europäischer Gastfreundlichkeit dar. Hier freundet sich der besonders bei alternden Damen beliebte Concierge Gustave (Ralph Fiennes) mit dem neuen Lobbyboy Zero Moustafa (Tony Revolori) an. Auf die beiden wartet eine haarsträubende Geschichte: Gustaves ehemalige Gönnerin Madame D. (Tilda Swinton) verstirbt und hinterlässt ihrem Galan ein wertvolle Gemälde ("Jüngling mit Apfel" von Johannes van Hoytl, dem Jüngeren), ganz zum Unwillen von D.s Sohn Dmitri (Adrien Brody), einem ordinären, gierigen Lumpen. Eine von diesem angezettelte Verschwörung bringt Gustave zunächst ins Gefängnis und, nach dessen Befreiung, in noch größere Nöte, als der von Dmitri gedungene Killer Jopling (Willem Dafoe) sich zu ihm und Zero vorarbeitet.

Gelobt sei, was sich bewährt hat: Diese nämlich gewohnt irre Farce von Wes Anderson befasst sich auf liebevolle Weise mit europäischen Kulturheiligtümern und wirft sie in den fabuländischen Schmelztiegel des verschmitzten Texaners, um hernach ein mit dessen typischen Spielereien veredeltes Kino-Wundertütchen zu servieren. Anderson liebt seine 90- und 180-Grad-Schwenks, seine ernsten Mienen, strengen Symmetrien nebst von höchster Zwanghaftigkeit geprägten Objekt- und Personenanordnungen und ich stelle mich da ganz auf seine Seite, denn ich finde seine Ästhetik, mit Verlaub, höchst durchschaubar.
Dabei ist "The Grand Budapest Hotel" von einer pittoresken Kunstfertigkeit, die, ebenfalls mit Verlaub, allerhöchsten Ansprüchen genügt; eine Reise in eine Parallelhistorie, in der die SS zur ZZ wird, ansonsten aber vieles so ähnlich geschah wie hier, auf Erde I. In Andersons Mosaik gibt es k.u.k.-Relikte, ein noch mondänes Osteuropa in seinen Endzügen, Babelsberg (wo Anderson gefilmt hat), Caspar David Friedrich, Stefan Zweig, Thomas Mann, Brueghel, Faschismus, Resnais, Pralinen, Männerparfüm und edlen Champagner, alles fraglos pulverisiert durch den Weltkriegswahn. Seinen unterschiedlichen Zeitepochen (derer es viere gibt) illustriert Anderson mittels unterschiedlicher Bildformate und ihm steht eine Starbesetzung zur Verfügung wie er eine solch umfassende bislang nicht gehabt haben dürfte. Absoluter Perfektionismus in makelloser Perfektion.

10/10

Wes Anderson Gefängnis Hotel Freundschaft Erwachsenenmärchen Groteske


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BORN AMERICAN (Renny Harlin/USA, FIN 1986)


"Sleep, my little friend. You deserve a better world."

Born American ~ USA/FIN 1986
Directed By: Renny Harlin

Die drei jungen amerikanischen Freunde Savoy (Mike Norris), Mitch (Steve Durham) und K.C. (David Coburn) bereisen Europa. In der finnischen Provinz, in die sie zum Jagen gekommen sind, sitzen sie aus einer bierseligen Laune heraus auf der verhängnisvolle Idee auf, aus reinem Jux die sowjetische Grenze zu überschreiten, hinter der sie sich dann prompt verirren. In einem nahe gelegenen Dorf hält man sie für die Mörder eines erst kurz zuvor getöteten Mädchens und es kommt zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, bei der sich das Trio gegen flugs anrückende Militärs zur Wehr setzen muss. Man wird gefasst und landet in einem desolaten Gefängnis. Mitch verfrachtet man in den Trakt mit den Verrückten, der schwer verletzte K.C. wird von einem Mitgefangenen "erlöst". Savoy trifft auf den geheimnisvollen 'Admiral' (Thalmus Rasulala), einen politischen US-Gefangenen im Besitz vieler brisanter Geheimnisse um CIA und KGB. Mit seiner Hilfe soll Savoy aus jenen gräulichen Mauern und zurück über die Grenze fliehen.

Sein Langfilmdebüt, ein wütendes, offen populistisches Pamphlet gegen das damalige "Reich des Bösen", brachte Renny Harlin erwartungsgemäß zunächst nur wenige Freunde auf liberaler Seite ein. In einer mehr oder weniger eindeutigen Replik auf und zu Alan Parkers "Midnight Express" ließ Harlin die Söhne von Chuck Norris und James Coburn in russische Gefangenschaft geraten, deren Methodik die Menschenrechte dem Vernehmen nach ebenso mit Füßen trat wie die türkische weiter südlich. Wer hier keine Beziehungen oder einen übermächtig starken Willen besitzt, der ist unausweichlich zum Tode verdammt; sei es durch Kälte, Hunger, äußere Gewalt oder, am Wahrscheinlichsten, das schiere Abdriften in den Wahn.
Mike Norris als Savoy Brown (toller Rollenname) wird gleich von Beginn an als besonnenster und stärkster des Freundetrios charakterisiert, der Grund, warum er auch als einziger am Leben bleibt. Die kick moves hat er sich beim berühmten Papi abgeschaut und auch der zielsichere Umgang mit der Uzi und anderem Feuerwerk deutet auf dessen stramme häusliche Erziehung hin.
Ansonsten scheinen mir die durchaus ambitionierte, zu einiger Dramatik neigende Inszenierung und das vergleichsweise tendenziöse Script nicht immer in homogener Weise zu arbeiten; man glaubt häufig zu spüren, dass Harlin doch mehr wollte, als er es letztlich zu formulieren im Stande war. Nichtsdestotrotz ein beachtliches Zeitporträt auf Augenhöhe mit Milius' gesinnungsgenössischem "Red Dawn".

5/10

Renny Harlin Finnland Helsinki Russland Kalter Krieg Gefängnis Flucht UDSSR


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JUAREZ (William Dieterle/USA 1939)


"Democracy... government of the cattle, by the cattle, for the cattle!"

Juarez ~ USA 1939
Directed By: William Dieterle

Mexiko, 1864: Während nördlich des Rio Grande der Bürgerkrieg tobt, sieht der mit den Südstaatlern sympathisierende Kaiser Napoleon III (Claude Rains) jenseits des Atlantik seine Machtfelle davon schwimmen. Um sich eine dauerhafte Position zu sichern, setzt er den Österreicher Maximilian von Habsburg (Brian Aherne) vor Ort als Marionettenkaiser ein. Maximilian, der selbst zum Opfer eines gigantischen Schwindels wird, weil er die institutionalisierte Monarchie in Mexiko als allgemeines Volksbegehr verkauft bekommt, steht gegen den gewählten Landespräsidenten Benito Juárez (Paul Muni) und dessen Gefolgschaft. Immer wieder kommt es zu Scharmützeln und Verrat auf beiden Seiten, bis die Konföderierten im Norden schließlich kapitulieren. Damit wird auch die französische Präsenz aus Mexiko vertrieben und Maximilian entmachtet. Am 19. Juni 1867 lässt Juárez ihn standrechtlich erschießen und mit allen gebotenen Ehren beisetzen.

Grandioses Geschichtskino, von William Dieterle als eines seiner zahlreichen Biopics inszeniert und unter jenen in vorderster Qualitätsfront angesiedelt. Dabei trägt der Film doch eigentlich den falschen Titel, ist seine Porträtierung des Erzherzogs Maximilian doch deutlich konkreter und konturenreicher als die der Grauen Eminenz Juárez. Jener, von Paul Muni als großer Lincoln-Verehrer mit Zylinder, der seine Politik des Intellektuellen vornehmlich aus dem Hintergrund heraus betreibt, mit der gewohnten Präsenz interpretiert, verkörpert vielmehr eine Grundidee: Die der Demokratie nämlich, der Bildung, der Zivilisation und Vernunft und stellt den altweltlichen Monarchen somit auf progressive Weise in den Schatten. Es geht in Juárez insgesamt weniger um Figuren als um Ideologien; der altehrwürdige, blaublütige Filz des alten Europa vs. das unaufhaltsame Fortschrittsdenken des nordamerikanischen Kontinents. Dass dies vor 75 Jahren auf eine deutlich intelligentere, subtilere Beschwörung des Freiheitsgedankens hin inszeniert wurde als es die allermeisten themenverwandten, zeitgenössischen Film vermögen, spricht wenig schmeichlerische Bände über die Entwicklung des Kinos.

9/10

William Dieterle John Huston Mexiko Mexikanische Revolution period piece Historie Biopic


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MAN HUNT (Fritz Lang/USA 1941)


"May you never lodge it in the wrong heart."

Man Hunt (Menschenjagd) ~ USA 1941
Directed By: Fritz Lang

Der arrivierte englische Großwild-Jäger Alan Thorndike (Walter Pidgeon) testet in der Praxis, ob ein Attentat gegen Adolf Hitler (Carl Ekberg) durchführbar wäre. Bevor er jedoch vor Ort eine echte Patrone ins Ziel feuern kann, erwischen ihn die Schergen des Führers. Der Gestapo-Oberst Quive-Smith (George Sanders) will Thorndike nötigen, ein Geständnis zu unterschreiben, demzufolge er zugibt, im Auftrag der britischen Regierung gehandelt zu haben, um Hitler somit einen öffentlichen Grund zu liefern, gegen England ins Feld zu ziehen. Thorndike weigert sich jedoch beständig und es gelingt ihm schließlich die Flucht zurück zur Insel, Quive-Smith und seine Leute stets dicht auf den Fersen. Schutz und Unterstützung findet Thorndike bei dem hübschen, naiven Arbeitermädchen Jerry (Joan Bennett), dessen Involvierung in seine Affäre er jedoch bald zutiefst bereut...

Einer der ersten echten Propagandafilme aus Hollywood, sozusagen als präventives Werk für die kurz darauf folgende Atlantik-Charta und das US-Engagement im Zweiten Weltkrieg. Mit der Verfolgung Unschuldiger durch Übermächte hatte Lang bereits vormals geliebäugelt; in "Fury" oder "You Only Live Once". "Man Hunt" jedoch setzte diesen verzweifelten Topos in einen noch weitaus kosmopolitischeren Zusammenhang: Hier kamen die Nazis ins Spiel, das damalige Reich des Bösen, das seit kurzem die Welt ins Chaos stürzte. Basierend auf dem erst kurz zuvor erschienenen Roman "Rogue Male" des britischen Autoren Geoffrey Household, ging alles ganz schnell: Die Fox erhielt die Rechte und binnen kürzester Zeit wurde "Man Hunt", ursprünglich als Projekt für John Ford vorgesehen, der parallel jedoch an "The Grapes Of Wrath" arbeitete, von dem eilends hinzugezogenen Fritz Lang inszeniert. Als dessen Projekt eignete sich "Man Hunt" ohnedies in idealer Weise: Lang konnte erstmals im Kino mit dem ihm zutiefst verhassten Nationalsozialismus abrechnen und sein oben erwähntes, bevorzugtes Thema der Jagd auf das Individuum neuerlich kultivieren. Dabei geht er besonders gegen Ende mit wütender Entschlossenheit zur Sache: Die, wie dem Protagonisten Thorndike jedem Rezipienten zuvor eingehend ans Herz geheftete, bezaubernde Jerry wird zum Opfer der Nazis und damit zum Grund für Thorndikes erbitterte Rachsucht. Nachdem er sich mitsamt Präzisionsgewehr von der Truppe verabschiedet hat und auf eigene Faust nach Hitler sucht,hält "Man Hunt" am Schluss beschwörend fest, dass die braune Brut in ihm nur einen von vielen erbitterten Gegnern hätten, vor denen man auf der Hut sein sollte. Nehmt euch in Acht, ihr Nazis! Hier kommt Amerika!

9/10

Nationalsozialismus Deutschland England London WWII Fritz Lang Flucht Propaganda


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L'ULTIMA PARTITA (Fabrizio De Angelis/I, USA 1991)


Zitat entfällt.

L'Ultima Partita (The Last Match - Der letzte Fight) ~ I/USA 1991
Directed By: Fabrizio De Angelis

Susan (Melissa Palmisano), die achtzehnjährige Tochter des Football-Cracks Cliff Gaylor (Oliver Tobias), wird auf einer militärisch regierten Karibikinsel irrtümlich wegen Drogenschmuggels verhaftet und landet in einem hiesigen Gefängnis mitsamt sadistischem Direktor (Henry Silva). Sämtliche Bemühungen des sofort anreisenden Vaters, sein Herzblut aus dem Knast zu holen, scheitern, einerseits angesichts der Engstirnigkeit der lokalen Behörden, viel mehr jedoch infolge der Arroganz gegen US-Staatsbürger. Cliffs gesamte Mannschaft und vor allem der betagte Trainer Keith (Ernest Borgnine) fackeln jedoch nicht lang und rücken an, um ihrem Runningback zu Hilfe zu kommen - mit gewaltiger Firepower im Gepäck!

Soweit ich das übersehen kann, der letzte Film, für den Fabrizio De Angelis alias Larry Ludman noch einmal eine kleine Garde gestandener Gast-Schauspieler zusammentrommeln konnte, um sie für eines seiner mehr oder weniger liebevoll hergestellten Billigwerke vor die Kamera zu holen. Neben Borgnine und Silva, die in sehr ähnlich gelagerten Rollen gemeinsam bereits in "Cane Arrabiato" agierten, geben sich diesmal noch Charles Napier und Martin Balsam die Blöße Ehre.
Die Grundidee von "L'Ultima Partita" plagiiert zu etwa gleichen Teilen "Midnight Express" und "Missing", wobei bei De Angelis grantiert jedwede politische Implikation außen vor bleibt, denn bei dem handlungszentrierten, junta-regierten Eiland handelt es sich um eine betont fiktive, westfeindliche Nation, in der wohl so manch politisches Schindluder getrieben wird. Costa-Gavras für den Kleinen Mann, sozusagen. Wirklich bizarr wird der Film in der zweiten Hälfte, wenn Borgnine und die Jungs anrücken und man in kompletter Football-Tracht eine schießwütige, nichtsdestotrotz gepflegt unspektakulär inszenierte Befreiungsaktion vom Stapel lässt. Den Gipfel erreicht "L'Ultima Partita" schließlich mit der obligatorischen Befreiung eines einheimischen, neunjährigen Steppkes: Zwar wird sein Vater vor seinen Augen von den soldados abgeknallt, aber dafür kann er künftig nordamerikanische Footballspiele sehen und Hot Dogs mampfen. Kein schlechter Tausch, zumindest nach Fabrizio De Angelis' Logik! Unmotivierte Zeitlupen, ein, gelinde gesagt, zutiefst enervierender Synthesizer-Score (Guglielmo Arcieri) runden diese bizarre Trash-Oper ab. Ludman vor, noch ein Tor!

4/10

Fabrizio De Angelis Football W.I.P. Mission Freundschaft Europloitation Trash Gefängnis


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INDAGINE SU UN CITTADINO AL DI SOPRA DI OGNI SOSPETTO (Elio Petri/I 1970)


Zitat entfällt.

Indagine Su Un Cittadino Al Di Sopra Di Ogni Sospetto (Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger) ~ I 1970
Directed By: Elio Petri

Just zum obersten römischen Beamten für Untersuchungen gegen sozial zersetzende Elemente befördert, tötet der 'Dottore' (Gian Maria Volonté) zunächst einmal seine Geliebte (Florinda Bolkan), deren höhnische Arroganz ihm bereits seit längerem zu schaffen macht. Ganz gezielt legt der Dottore Spuren und Indizien, die über kurz oder lang zu seiner Person und damit Verhaftung führen sollten, verhält sich auf der anderen Seite den Kollegen gegenüber jedoch zunächst bedeckt. Alle Versuche jedoch, Parallelen zwischen dem Verbrechen und seiner Person zu evozieren, scheitern - lediglich ein Mitarbeiter (Orazio Orlando) scheint das längst Offensichtliche erkennen zu wollen. Doch die gesamte übrige Präfektur leugnet das nunmehr erfolgende Geständnis des Dottore ab - der Mörder bleibt in Dienst und Würden.

Italien am Scheideweg: Die Demokratie gebiert urplötzlich unbequeme Neuerscheinungen wie radikalpolitische Studenten, homosexuelle Aktivisten und Rote Brigaden. Die Straßen verwandeln sich in Schauplätze für Demonstrationen, Aufmärsche und Sit-Ins, konspirative Wohnungen mit Che-Guevara-Postern liegen im Marihuana-Dunst. Für die altehrwürdigen Anzugträger christlicher Prägung ein undenkbarer Zustand, weshalb rasch ein effektiver Vorzeigepolizist hermuss, der mittels resoluten Konservativismus' die althergebrachten Werte auf populistische Art und Weise wieder geradezurücken hat. Eine zunehmend computerisierte Bürokratie soll ihn dabei unterstützen. Dass jener Beamte ausgerechnet ein narzisstischer, ebenso sexuell inkompetenter wie paraphiler Hassmensch ist, dessen angekratztes Selbstbild sich in einem Mord aus Eitelkeit entlädt, entpuppt sich als eine etwas unangenehme, letzten Endes jedoch zu vernachlässigende Nebenerscheinung seiner ansonsten systemförderlichen Präsenz. Ob dieser Zustand hinnehmbar ist oder nicht, diese Entscheidung überlässt Petri am Ende seiner bissigen Anklage gegen rechten Filz und überkommene biedermännische Ideale weithin seinem Publikum, das zwischen Traum und Realität wählen darf.

8/10

Elio Petri Italien Madness Rom Parabel Satire


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NIGHT TRAIN TO LISBON (Bille August/D, CH, P 2013)


"Did you mind my cigarettes?"

Night Train To Lisbon (Nachtzug nach Lissabon) ~ D/CH/P 2013
Directed By: Bille August

Der alternde Berner Gymnasiallehrer Raimund Gregorius (Jeremy Irons), einsam und zerstreut, rettet eines Morgens eine junge Frau (Sarah Bühlmann) vor dem beabsichtigten Suizid. Die Dame verschwindet alsbald und hinterlässt lediglich ihren Mantel, in dem sich das Buch "Ein Goldschmieed der Worte" eines portugiesischen Autors namens Amadeu de Prado (Jack Huston) sowie eine Zugfahrkarten nach Lissabon befinden. Hals über Kopf bricht Gregorius nach Portugal auf, in der vagen Hoffnung, wahlweise die Unbekannte dort zu finden oder auch den Literaten des von Gregorius bereits nach erster Lektüre heiß verehrten Buches. Gregorius' Recherchen vor Ort ergeben, dass Amadeu De Prado zu Zeiten des späten Estado Novo als Arzt und Widerständler in Lissabon lebte und an einem Aneurysma gestorben ist. Seine einstigen Freunde João (Tom Courtenay) und Jorge (Bruno Ganz) jedoch leben noch und schildern Gregorius die Umstände von Amadeus Leben und Sterben nebst einer bittersüßen Liebesgeschichte. Auch für den in seinem präzisen Schweizer Alltag gefangenen Gregorius offenbaren sich dadurch neue Perspektiven.

Filme wie "Night Train To Lisbon" sind ja mit Regelmäßigkeit zu einem bedauernswert determinierten Dasein als stiefmütterliches Kulturartefakt verdammt: Man ahnt, wie etwas spießige Herrschaften und Dämlichkeiten jenseits der 50 sich dafür in Richtung Programmkino aufmachen, um dann beim nächsten Salontalk in gepflegter Runde bei einem Glas Rotwein und unter gemäßigter Begeisterung davon Kunde zu tun. Verdient hat zumindest Augusts Jüngster diese Monokelexistenz mitnichten, denn er ist schön, entspannt und rührend.
Bille August hat bekanntlich so seine Erfahrungen mit der Adaption von Weltliteratur und stellt seit nunmehr 35 Jahren international verbundenes Qualitätskino her. Mit Jeremy Irons findet er zwei Dekaden nach der Allende-Verfilmung "House Of The Spirits" wieder zusammen, wiederum in einer Aufarbeitung von Diktatur gespaltener Biographien. Witzigerweise sieht Irons mittlerweile wirklich aus wie sein damals auf alt geschminkter Protagonist und spielt nach wie vor auf denkbar höchstem Niveau. Hier und da dickfällig eingeflochtene Symbolismen wie eine neue Brille als Metapher für neue Lebensperspektiven scheinen verzichtbar, wenngleich sie auch kaum weiter stören. Lieber sollte man das formidabel bebilderte Stadtporträt genießen sowie die Tatsache, mit "Night Train To Lisbon" einen verhältnismäßig raren Film über die Landeshistorie sehen zu können.

8/10

Bille August Biopic period piece Bern Lissabon Portugal Historie Pascal Mercier Lehrer


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BETRAYED /Constantin Costa-Gavras/USA 1988)


"They got more guns in that part of the county than people."

Betrayed (Verraten) ~ USA 1988
Directed By: Constantin Costa-Gavras

Nachdem der als wetternder Hardcore-Satiriker berüchtige Radio-Moderator Sam Kraus (Richard Libertini) von Fanatikern erschossen wurde, wird die junge FBI-Agentin Cathy Weaver (Debra Winger) unter einem Decknamen auf die Spur neonazistischer Verschwörer im Mittelwesten gesetzt. Getarnt als Ernte-Mäherin lernt sie den Witwer Gary Simmons (Tom Berenger) kennen, einen liebevollen Familienvater, der sich in Cathy verliebt, ihr jedoch bald sein wahres Gesicht zeigt: Simmons ist ein besessener Rassist, Terrorist und Gewaltverbrecher, der zum Spaß Menschenjagden auf Schwarze veranstaltet, seine Kinder mit seinem überschäumenden Hass indoktriniert und sogar eine Führungsposition unter den Rechtsextremisten seiner Region innehat. Entsetzt über diese Entdeckung will Cathy aussteigen, doch ihr Chef (John Heard) nötigt sie, weiterzustochern, bis konkrete Beweise gegen Simmons und seine Genossen vorliegen.

Die Tatsache, dass das Script zu "Betrayed" von Joe Eszterhas stammt, lässt bereits eine populistische Simplifizierung des Dargestellten befürchten und tatsächlich: Selbst für Costa-Gavras-Verhältnisse fällt dieser Film ungewohnt polemisch aus, ringt geradezu um dramatische Spitzen und nutzt Holzhammer-Methoden, um auch wirklich dem Letzten klarzumachen, dass inmitten Amerikas eine neonazistische Verschwörung brodelt, die dazu angetan ist, das gesamte Land in seinen Grundfesten zu erschüttern, wenn man sie nicht rechtzeitig bremst. Ihre Basis findet die teils krude dargebrachte Geschichte in dem authentischen Mord an dem zynischen, jüdischstämmigen Radio-Talk-Moderator Alan Berg, der 1984 in Denver von rechten Terroristen ermordet wurde, und eignet sich insofern durchaus als filmischer Anknüpfungspunkt zu Oliver Stones brillantem, faktisch mit derselben Ausgangssituation schließenden "Talk Radio".
Abgesehen von seiner Holzhammermethodik allerdings - und es ist natürlich nicht so, dass ich gegen diese Form liberaler Fahnenschwenkerei überhaupt etwas hätte, im Gegenteil - gelang Costa-Gavras ein spannender, ansprechend inszenierter Thriller, der eine allzu eindimensionale Schilderung der Gegebenheiten zumindest versucht zu vermeiden. Selbst Gary Simmons entpuppt sich hinter seiner abartigen Rassistenfront als armes, intellektuell eher minderbemittelt es Würstchen, das bereits im Vietnamkrieg gewohnt war, Befehle zu befolgen und dessen tiefliegende Aggression Resultat wiederum elterlicher Vorprägung und eines enttäuschten Privatlebens ist. Eszterhas und Costa-Gavras vermeiden es, die im Wochenendcamp zwischen brennenden Kreuzen und Waffenschule grillenden Mittwest-Farmer als wirklich üble Kerle darzustellen, sie sind frustrierte, ungebildete, alleingelassene und somit leicht infiltrierbare und desorientierte Individuen auf der Suche nach Sündenböcken jedweder Kuleur. Ich mag "Betrayed" mit seiner eher plumpen, aber korrekt veräußerten Didaktik sehr gern und werde ihn mir bald, wie früher eigentlich stets, mal wieder im Doppel mit dem damals fast zeitgleich veröffentlichten "Mississippi Burning" zu Gemüte führen.

8/10

Constantin Costa-Gavras Joe Eszterhas Rassismus FBI undercover amour fou Familie manhunt Terrorismus





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