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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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JULIUS CAESAR (Joseph L. Mankiewicz/USA 1953)


"Yet, Brutus is an honorable man."

Julius Caesar ~ USA 1953
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

44 v. Chr.: Am Idus des März wartet auf den römischen Imperator Julius Cäsar (Louis Calhern) seine Ermordung durch einige Verschwörer im Senat, angeführt von seinen einstmaligen Vertrauten Cassius (John Gielgud) und Brutus (James Mason), die eine diktatorisch geprägte Monarchie durch den Politpatriarchen fürchten. Nachdem Brutus zunächst die Plebejer beschwichtigen kann, nutzt jedoch Cäsars Intimus Marcus Antonius (Marlon Brando) die Gunst der Stunde und wiegelt das Volk gegen die Meuchelmörder auf. Brutus und Cassius fliehen und sehen sich bald darauf dem sie verfolgenden Antonius und seinen Heerscharen gegenüber.

Mankiewicz' ehrgeizige Shakespeare-Adaption stellt den seltenen Fall einer Studiogroßproduktion dar, die sich an den originalen Dramentext hält und ihren monumentalen Aufwand hinter sinnierende Monologe und nicht minder "unterhaltungsfeindliche" Dialoge stellt. Eine grandiose Darstellergarde gibt es zu bewundern, an deren vermeintlicher Spitze der soeben im kometenhaften Aufstieg begriffene Brando steht, die jedoch tatsächlich von James Mason angeführt wird, dessen klassische Schauspielausbildung in herrlicher Weise mit Brandos method acting kollidiert bzw. sich durch jenes ergänzt. Dass diese beiden so unterschiedlichen professionellen Ansätze sich zusätzlich ausgerechnet durch eine inhaltsgebundene Antagonistenschaft niederschlagen, sollte im Nachhinein betrachtet kein Zufall sein.
Altehrwürdiges mit Stecken und Stab.

8/10

Joseph L. Mankiewicz based on play William Shakespeare period piece Historie Römisches Reich Rom Verschwörung


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5 FINGERS (Joseph L. Mankiewicz/USA 1952)


"There's nothing as real as money."

5 Fingers (Der Fall Cicero) ~ USA 1952
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

Ulysses Diello (James Mason), der Kammerdiener des britischen Botschafters (Walter Hampden) in der kriegsneutralen Türkei 1944, fasst einen gewaltigen Plan: Er will die im Tresor seines Arbeitgebers lagernden Geheimdokumente abfotografieren und ihren inhalt an die Deutschen verschachern, um sich selbst und seiner heimlichen Liebe, der verarmten Gräfin Staviska (Danielle Darrieux), mit dem Erlös ein unabhängiges Leben in Rio finanzieren zu können. Zunächst funktioniert Diellos Spiel fast reibungslos, doch als die Gräfin ihn hintergeht, verrät und sich mit dem zusammengeklaubten Vermögen in die Schweiz absetzt, ist Diello zu lebensgefährlicher Improvisation gezwungen...

Dieser Spionagefilm um einen authentischen Fall, der seinem Chronisten L.Z. Moyzisch (Oscar Karlweis) zufolge um ein Haar die Preisgabe der Details der kriegsentscheidenden "Operation Overlord" an die Nazis bedeutet hatte, ist Mankiewicz' gelungener Versuch, ein hitchcocksches Sujet ohne die manieristischen formalen Signaturen des Meisters aufzubereiten. Dabei unterstützen ihn Bernard Herrmanns Musik und der wie immer exzellente James Mason, zu dieser Zeit noch einer der wenigen großen Weltschauspieler, die (noch) nicht mit Hitchcock zusammengearbeitet hatten (was sich dann freilich sieben Jahre später mit "North By Northwest" endlich ändern sollte). "5 Fingers" veranschaulicht, wie subtil und dennoch wirkungsvoll sich eine Spionagestory verarbeiten lässt, wenn der Regisseur sich nicht selbst zum latenten Nebenschauplatz macht und lediglich subtil bis unmerklich aus dem Hintergrund heraus agiert. Mankiewicz verlässt sich ganz auf seine Ressourcen und verarbeitet diese zugunsten des Gesamtwerks, ohne sein Publikum unentwegt mit der Nase auf seine persönliche Könnerschaft zu stoßen. Manch einer mag dies vielleicht als ordinär oder gar langweilig empfinden, dennoch ist "5 Fingers" ein formvollendeter Genrefilm, von dessen schnörkelloser Funktionalität nicht nur heutige Filmemacher, sondern auch Mankiewicz' Zeitgenossen reihenweise träumen bzw. geträumt haben dürften.

9/10

Joseph L. Mankiewicz Türkei WWII Nationalsozialismus Spionage period piece


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ALBINO (Jürgen Goslar/BRD, UK, RSA, RHO 1976)


Zitat entfällt.

Albino (Der flüsternde Tod) ~ BRD/UK/RSA/RHO 1976
Directed By: Jürgen Goslar

Rhodesien in den Siebzigern. Als ein marodierender farbiger Albino (Horst Frank) als Anführer eine Gruppe Guerilleros Sally (Sybil Danning), die Frau des weißen PolizistenTerick (James Faulkner) in dessen Abwesenheit auf seiner heimischen Farm vergewaltigt und umbringt, zieht dieser auf eigene Faust los, um den verhassten Verbrecher zu stellen, seine ehemaligen Kollegen dicht auf den Fersen.

Erstaunlich differenzierte Abhandlung über den Zustand der weißen Kolonialisten in Afrikas Südosten, deren Tage bereits in den Siebzigern längst gezählt waren - glaubt man Goslars finsterer Bestandsanalyse. Die schwierige Situation, es sowohl den Ureinwohnern als auch den Besatzern in der x-ten Generation ein gleichberechtigtes Miteinander zu ermöglichen, wird hier kurzerhand durch die nach außen kanalisierte, blanke Aggression eines in Afrika tatsächlich mythologisierten Wesens gesprengt: Eines schwarzen Albino, den Horst Frank unter einer geradezu unfassbar beklemmenden Maskerade darstellt.
In diversen Gegenden Afrikas werden Albinos noch heute von der Bevölkerung wahlweise geächtet oder als Wesen magischer Kraft mystifiziert; teilweise betreibt man einen florierenden Handel mit ihren Organen und Extremitäten, da diesen Zauberkräfte innewohnen sollen. Daniel Carney, auch Autor der Romanvorlage zu "The Wild Geese", hat dieses Sozialphänomen zum Zentrum seiner Geschichte gemacht: Ausgerechnet jenes außergewöhnliche Menschenexemplar vereint die Wut eines Kontinents in sich und lässt den blutigen Aufschrei der Rebellion durch das altehrwürdige Haus des Feindbildes hallen.
"Albino" setzt weniger auf visuelle Härten, seine unbequeme Atmosphäre, die allenthalben spüren lässt, dass das Leben in diesem äußerlich so schönen Land unter den gegenwärtigen Umständen nur als lebensfeindlich empfunden werden können, da der Hass jederzeit explodieren könnte, macht ihn so sehenswert. Goslars Film, der auch viel von den finsteren Italowestern von Questi und Corbucci in sich vereint, schmeckt vielleicht während des Verspeisens im klassischen Sinne nicht sonderlich deliziös, aber er macht im baldigen Anschluss garantiert für lange Zeit satt und zufrieden.

9/10

Daniel Carney Jürgen Goslar Rape & Revenge Südafrika Afrika Rassismus Transgression


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MICHAEL COLLINS (Neil Jordan/UK, IE, USA 1996)


"If they shut me up, who will take my place?"

Michael Collins ~ UK/IE/USA 1996
Directed By: Neil Jordan

Der irische Rebell Michael Collins (Liam Neeson) vollbringt in den zwanziger Jahren jede nur denkbare - auch terroristische - Anstrengung, um die englischen Besatzer zum Rückzug von der Insel zu bewegen und Irland die Unabhängigkeit zu sichern. Diverse Gefängnisaufenthalte und harte Gefechte, die auch Guerillakampf und Meuchelmord beinhalten, sichern den Republikanern schließlich einen ersten bescheidenen Erfolg: Irland wird zu einem britischen Freistaat unter eigener Flagge und abgespalten vom Norden. Mit dieser Teiletappe sind Collins' frühere Mitstreiter, allen voran der spätere Staatspräsident Éamon de Valera (Alan Rickman), allerdings nicht zufrieden...

Prachtvolles Geschichtskino, unkritische Heldenverehrung inklusive. Liam Neeson war damals der Mann für historische Helden und auch seine Darbietung als irischer Freiheitsaktivist Michael Collins empfahl ihn nachhaltig für derlei Darstellungen, wenngleich eine physiognomische Ähnlichkeit mit dem Original bestenfalls Behauptung bleibt.
Neil Jordan derweil distanziert sich etwas von seinem früheren, exaltierten Inszenierungsstil, der manchmal zum Camphaften tendierte und eigentlich immer als sehr originell identifiziert werden konnte. Von ein paar unauffälligen Montagetricks abgesehen könnte "Michael Collins" nun allerdings auch die Signatur eines Richard Attenborough tragen und jeder würde es ihm abnehmen. Ob man Jordan diese Maßnehmung und Orientierung beim und am klassischen Filmepos ankreiden muss, fühle ich mich nicht ganz in der Lage zu konstatieren; was ichjedoch sicher weiß, ist, dass ich Filme wie diesen, die den Mut zu aufrichtigem Pathos besitzen ohne ins Lächerliche abzudriften und mit stolz geschwelltem Brustpanzer über die Leinwand walzen, stets mit großer Leidenschaft anschaue. Außerdem habe ich wieder frische Lust auf das von mir allzu lang vernachlässigte (Früh-)Werk Jordans bekommen.

8/10

Neil Jordan Irland Kolonialismus Irische Revolution period piece Biopic Historie


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ROSEBUD (Otto Preminger/USA 1975)


"Allah! Why did you leave me?"

Rosebud (Unternehmen Rosebud) ~ USA 1975
Directed By: Otto Preminger

Die arabische Terrorgruppe "Schwarzer September" entführt fünf befreundete Töchter (Brigitte Ariel, Isabelle Huppert, Lalla Ward, Kim Cattrall, Debra Berger) international renommierter Wirtschaftsbosse und Politiker von einer Motoryacht im Mittelmeer. Nachdem zwei von ihnen freigelassen wurden, kündigen die Drahtzieher an, dass sie die verbleibenden drei Geiseln erst nach größeren Zeiträumen zu gehen lassen gedenken. Der bereits eingeschaltete Undercover-Agent Larry Martin (Peter O'Toole) zieht alle strategischen Register, um die auf Korsika befindlichen Mädchen herauszupauken.

Dieser eher schlecht beleumundete, um den Nahostkonflikt kreisende Politthriller ist vor allem angesichts der gegenwärtig wieder aufflammenden Krise in Palästina von ungebrochen erschreckender Zeitlosigkeit. Wenn Richard Attenborough als ebenso reicher wie fanatischer West-Oberscheich Edward Sloat den Heiligen Krieg predigt, dann mag man bei aller Trivialität des hier verwandten Stoffes kaum glauben, dass ebenjene Leier nunmehr bereits seit über einem halben Jahrhundert über das internationale Politparkett geistert. Tatsächlich scheint dem damals knapp siebzigjährigen Regisseur, der seine Verbundenheit mit dem Sujet bereits in "Exodus" zum Ausdruck gebracht hatte, hier und da etwas die Puste auszugehen - dennoch ist "Rosebud" als Zeitdokument inmitten thematisch ähnlicher Filme wie "21 Hours At Munich" oder "Black Sunday" nach wie vor interessant zu beobachten. Eine illustre Besetzung, die unter anderem Raf Vallone, Peter Lawford, den späteren Cannon-Standard Joseph Shiloach und Klaus Löwitsch unter einen Deckel bringt, verleiht dem hier und da sicherlich etwas käsig geratenen Film einen Hauch Glamour. Und bei aller Unübersichtlichkeit der teils wildeste Haken schlagenden Geschichte muss man vor allem das clevere Ende hervorheben. Mir hat's gefallen.

7/10

Otto Preminger Berlin Hamburg Paris Libanon Korsika Nahost-Konflikt Terrorismus Kidnapping


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DAS UNSICHTBARE MÄDCHEN (Dominik Graf/D 2011)


"Ich soll dafür sorgen, dass du keine Scheiße baust. Dafür bin ich hier."

Das unsichtbare Mädchen ~ D 2011
Directed By: Dominik Graf

Der für ein paar Wochen in die bayrische Provinz zwangsversetzte Berliner Polizist Tanner (Ronald Zehrfeld) ist schon auf der Rückreise in die Hauptstadt, als er eine weibliche Leiche überfährt. Dabei handelt es sich um Eva (Christine Zart), die Frau des einheimischen Arbeiters Wenzel Lorant (Peter Harting). Dieser wird vom aalglatten LKA-Oberkommissar Michel (Ulrich Noethen) kurzerhand des Mordes angeklagt. Tanner findet jedoch heraus, dass die Sache so einfach nicht ist. Eva Lorant hat kurz vor ihrem Tod behauptet, die seit über zehn Jahren vermisste und längst für tot erklärte Sina Kolb in einem Supermarkt nahe der tschechischen Grenze gesehen zu haben. Auch der bereits seit Jahren obsessiv mit dem Fall befasste Ex-Polizist Altendorf (Elmar Wepper) wird hellhörig. Tanner realisiert langsam, dass er in ein versponnenes Wespennest aus politischer Verschwörerei und Kinderprostitution vorzudringen im Begriff ist...

Eine traurige Bilanzierung der bundesdeutschen Sehgewohnheiten stellt sich zwangsläufig ein, wenn man feststellt, dass dummdreiste Volksanbiederung Marke "Eineisäcke" und "Kackaräbäh" Millionen ins Kino locken, während wahrhaft große Filmkunst vom Format "Das unsichtbare Mädchen" sich mit einem abendlichen Platz auf der Mattscheibe zufrieden geben muss. In einer gerechteren Welt wäre es umgekehrt. Ungeachtet der disparaten Qualitätsmaßstäbe dieser zwei Erzählfilmpole hat man es bei Dominik Grafs jüngstem Meisterstück mit einer Kriminalgeschichte dürrenmattscher Dimensionen zu tun, dargebracht vom momentan vielleicht vortrefflichsten aktiven deutschen Regisseur. "Das unsichtbare Mädchen" ist unbequem, fesselnd, packend, hart und in jeder Hinsicht beseelt von dem Drang, ungewöhnliche inszenatorische Strukturen mit konventionellen Narrationsschemata zu kombinieren. Mit Erfolg. Der Film fordert sein Publikum heraus, entführt es in eine Hölle nur allzu realer menschlicher Abgründe und entlässt es am Ende mit einem zumindest ansätzlich wieder geradegerückten Moralbild.
Königsklasse, in jeder Hinsicht.

10/10

Dominik Graf Bayern Pädophilie Prostitution Verschwörung TV-Film


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TINKER TAILOR SOLDIER SPY (Tomas Alfredson/UK, F, D 2011)


"Who can spy on the spies?"

Tinker Tailor Soldier Spy (Dame, König, As, Spion) ~ UK/F/D 2011
Directed By; Tomas Alfredson

London, 1973: Der bereits retirierte Geheimdienstmitarbeiter George Smiley (Gary Oldman) wird reaktiviert, um einen offensichtlich in der Führungsspitze des 'Circus' (so der Spitzname einer britischen Spionage-Abteilung) niedergelassenen Maulwurf zu identifizieren. Dafür kommen vier Männer in Frage, die allesamt in das kostenintensive 'Project Witchcraft' involviert sind, das dazu dient, einen einseitigen Informationsaustausch mit den Russen aufrecht zu erhalten.

Eine recht trockene, nichtsdestotrotz jedoch sehenswerte le-Carré-Adaption ist Alfredsons jüngster Film, ein zwischen dem britischen Graubraun der frühen Siebziger und postmoderner Monochromie angesiedeltes, überaus kompliziert erzähltes Spionagedrama. "Tinker Tailor Soldier Spy" ist kein Film, der sich anbiedert; tatsächlich scheint er eher das Gegenteil einer harmonischen Beziehung zum Publikum zu verfolgen: Schwer durchschau- und sortierbar wickelt er seine Geschichte ab, legt ein komplexes Netz aus falschen und heißen Fährten und gibt sich alle Mühe, den Zuschauer in eine Welt der Desorientierung und Unbehaglichkeit zu drängen. Da dies auch wunderbar funktioniert, ist "Tinker Tailor Soldier Spy" gleichsam so gelungen. Er erfordert auf allen Ebenen höchste Konzentration sowie ungeteilte Aufmerksamkeit, ist so schweigsam wie seine Geschichte es ihm gerade noch gestattet und dazu von einer vorsätzlich antiaktionistischen Stimmung beseelt.
Alfredsons Film könnte von den Universen eines Jason Bourne oder Ethan Hunt gar nicht weiter entfernt sein; er bildet sozusagen den verstohlen aus seiner finsteren Ecke herausblinzelnden Gegenpol zum ADHS-Kino der letzten Jahre und versteht sich damit gleichermaßen als Futter für gesetzte Filmliebhaber wie als Folter für den jugendlichen Actionfilmfan.

8/10

Tomas Alfredson John le Carré period piece Spionage London Istanbul


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THE SPY WHO CAME IN FROM THE COLD (Martin Ritt/UK 1965)


"I reserve the right to be ignorant. That's the Western way of life."

The Spy Who Came In From The Cold (Der Spion, der aus der Kälte kam) ~ UK 1965
Directed By: Martin Ritt

Alec Leamas (Richard Burton) arbeitet als Koordinator für den britischen Geheimdienst in Berlin. Nachdem nach und nach sein gesamtes Agentennetz von einem gegnerischen Mann namens Mundt (Peter van Eyck) liquidiert worden ist, erhält er in London einen neuen Auftrag: Er soll nach außen hin aus dem aktiven Dienst ausscheiden und sich das Image eines heil- und mittellosen Trinkers auf der Rolltreppe abwärts zulegen, so den Feind auf sich aufmerksam machen, sich dann von diesem abwerben lassen und über Umwege ein Komplott gegen Mundt einfädeln, um ihn so ausschalten zu können. Erst als Leamas sich bereits hinter dem Eisernen Vorhang befindet, wird ihm bewusst, dass er nur über einen Bruchteil seiner tatsächlichen Mission informiert wurde und dass er und vor allem sein Seelenheil im internationalen Spiel der Gewalten eine vollkommen entbehrliche Größe darstellen.

Bedrückendes Drama, das wie ein empörter Gegenentwurf zu der schönen, bunten Oberflächenwelt eines James Bond und seiner Epigonen auftritt. Zum kargen Schwarzweiß des New British Cinema bewewht sich ein fetthaariger Richard Burton mit zerbeultem Parka und einer nahezu riechbaren Whiskey-Fahne durch eine graue Realität der Depression. Einsam und nicht besonders erfolgreich in seinem Job entpuppt sich Alec Leamas, nachdem er selbst sich im Inneren bereits über seine systemische Dysfunktionalität im Klaren ist, als Bausteinchen einer gewissenlosen Maschinerie, die nicht etwa leidenschaftlich, sondern mit kalter Präzision zu Werke geht und jeder Menschlichkeit abgeschworen hat, um wettbewerbsfähig bleiben zu können. Am Ende scheint Leamas' Weltbild infolge eines internen Verrats gegen ihn zumindest teilweise zurechtgerückt, denn es spielt keine Rolle mehr, ob Ost oder West, ob Kommunismus oder Kapitalismus. Es gewinnt nicht etwa der Systemtreueste, sondern derjenige, der am durchtriebensten und gewissenlosesten agiert. Nicht von ungefähr ist Mundt zugleich auch ein Altnazi.
Ritts Film war und ist ein Triumph und gilt, natürlich auch infolge seiner adaptiven Akkuratesse bezogen auf le Carrés kurz zuvor erschienenen Roman, bis heute als einer der wenigen aufrichtigen Spionagefilme. Vom eleganten product placement und den ausschweifenden Männerträumen eines 007 geradezu angewidert, spuckt "The Spy Who Came In From The Cold" dem Kalten Krieg verächtlich ins Gesicht. Nicht etwa aufgrund der Angst vor Dritten Weltkriegen und atomaren Erstschlägen, sondern weil er seine Schachfiguren einfach um ihr Glück betrügt und gewissenlos auffrisst.

9/10

Martin Ritt Spionage Kalter Krieg London Berlin DDR Niederlande John le Carré


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THE SUM OF ALL FEARS (Phil Alden Robinson/USA, D 2002)


"This can't be happening."

The Sum Of All Fears (Der Anschlag) ~ USA/D 2002
Directed By: Phil Alden Robinson

Eine im Jom-Kippur-Krieg verlustig gegangene Atombombe wird von ein paar syrischen Bauern ausgegraben und für einen Minimalbetrag an den Waffenhändler Olson (Colm Feore) verschebelt. Dieser verkauft sie an ein wohlhabendes Netzwerk von Neonazis unter der Führung des fanatischen Dressler (Alan Bates) weiter, der damit einen verspäteten Weltkrieg zwischen Russland und den USA auslösen will. Tatsächlich scheint Dresslers Plan aufzugehen: Die Bombe wird, getarnt als Zigarettenautomat, unter dem Football-Stadion von Baltimore getarnt und während eines Spiels gezündet. Der dort anwesende US-Präsident Fowler (James Cromwell) kann durch die Intervention des jungen CIA-Analysten Jack Ryan (Ben Affleck) in letzter Sekunde vor dem Anschlag in Sicherheit gebracht werden, doch halb Baltimore liegt in Schutt und Asche. Da der neue russische Präsident Nemerov (Ciarán Hinds) wegen eines just angeordneten Militärschlags gegen Tschetschenien ohnehin unter höchster kritischer Begutachtung durch die USA steht, lastet man ihm den Anschlag an. Ein von einem von Dresslers Partnern durchgeführter Angriff auf einen Flugzeugträger der Navy scheint letzte Zweifel zu beseitigen: Auf beiden Seriten werden die Bomben scharf gemacht. Nur Ryan durchschaut die Hintergründe. Kann er den Dritten Weltkrieg rechtzeitig verhindern?

Ein unzweideutiges Bekenntnis zur political fiction sowie zum suggestiven 007-Charakter moderner Agententhriller und somit der bis dato beste Jack-Ryan-Film, ganz unabhängig davon, dass der charismatische Harrison Ford keine Lust mehr auf die Rolle hatte und Ryans Rolle in dem ganzen Spektakel stark zurückgestutzt und auf den jungen Ben Affleck zugeschnitten werden musste. Ryan ist hier urplötzlich wieder in seinen Anfangstagen bei der CIA, lernt gerade erst seine zukünftige Frau Cathy (Bridget Moynahan) kennen und hat noch einen anderen Boss namens Cabot (Morgan Freeman als nicht ganz ebenbürtiges James-Earl-Jones-Substitut). Darüberhinaus gibt es ein Wiedersehen mit John Clark, der diesmal nicht von Willem Dafoe, sondern von Liev Schreiber gegeben wird. Ansonsten stark von der Story des kurz nach dem Kalten Krieg veröffentlichten Romans abweichend wird hier kurzerhand ein neu aufflammendes Misstrauen zwischen den Weltmächten heraufbeschworen; der Russe ist und bleibt eben undurchsichtig und das Nuklearwaffenpotenzial reicht nach wie vor locker aus, um sich gegenseitig auf den Mond zu schießen. Im Roman sind islamische Terroristen für die Verschwörung zuständig, was im Falle einer Einszueins-Übertragung so kurz nach 2001 natürlich eine recht "geschmacklose" Filmdramaturgie bedingt hätte. So haben wird es jetzt mit wahnsinnigen Neonazis zu tun, ein universelles und angedenk einer international erfolgreichen Rezeption vor allem dankbares Feindbild. Der Film ist anders als die ursprünglichen drei Ryan-Filme also ohne eine betonte Realitätsanbindung zu verstehen und bringt sich damit vor allem um den Ballast des tierischen Ernstes. Eine Atompilz über Maryland, das ist schon ein starkes Stück. Hier aber haben wir ihn, live und in graugelber Farbe. Daraus erwächst zum Finale hin der spannendste Film des letzten Jahrzehnts, ein ungeheurer Nägelkauer, und das bei ohnehin völlig gewissem Ausgang. Als Regiearbeit Phil Alden Robinsons ist "The Sum Of All Fears" in dramaturgischer Hinsicht ein kleines Meisterk, makellos und fesselnd. Mag sein, dass die Geschichte mich persönlich anspricht, weil die Befürchtung, aktiv Zeuge eines Nuklearkriegs zu werden, eine meiner frühkindlichen Urängste widerspiegelt. Doch auch sonst fällt mir aus den letzten zehn Jahren kein anderer Film ein, der die Schweißtreiberei beim Publikum mit solch akribischer Perfektion verfolgt.

9/10

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CLEAR AND PRESENT DANGER (Phillip Noyce/USA 1994)


"The world is gray, Jack!"

Clear And Present Dangerous (Das Kartell) ~ USA 1994
Directed By: Phillip Noyce

Als sich herausstellt, dass der auf seiner Yacht mitsamt seiner Familie erschossen aufgefundene Freund des US-Präsidenten Bennett (Donald Moffatt) nicht nur unheilige Verbindungen zu dem kolumbianischen Drogenkönig Escobedo (Miguel Sandoval) hatte, sondern auch von diesem hingerichtet wurde, gibt der höchste Mann im Staate rachsüchtigerweise den inoffiziellen Befehl zu einer militärischen, gegen die Drogenkartelle in Kolumbien geführten Operation namens 'Reciprocity'. Der kurzerhand zum stellvertretenden CIA-Chef ernannte Jack Ryan (Harrison Ford) bekommt davon zunächst nichts mit. Dafür wird der altgediente Profikiller John Clark (Willem Dafoe) angeheuert, der ein paar Marines mit ins Feld nimmt. Als Escobedos schurkische rechte Hand Cortez (Joaquim de Almeida), der sich seit Längerem mit einer Übernahme des Unternehmens seines Chefs trägt, mit Bennetts Berater Cutter (Harris Yulin) eine Art "Regulierungsplan" aushandelt, werden die im Feld befindlichen Söldner kurzerhand im Stich gelassen. Als Ryan davon Wind bekommt, hilft er Clark bei der Befreiung seiner Männer und bei einem Schlag gegen Cortez. Zurück in Amerika stellt er den Präsidenten zur Rede.

Flaggenpathos, America, the Beautiful, der Präsident, ein windiges Arschloch. Dass selbst höchstgestellte Staatsmänner niemals Dreck am Stecken haben, konnte man 1994 längst keinem mehr weismachen und so hatte der bis hierher unerschütterlich systemgläubige Jack Ryan diesmal gegen seinen härtesten Gegner, den US-Präsidenten in Person nämlich, anzutreten. Zwar ist sich Bennett gewisser staatsmännischer Kniffe bewusst, zeigt sich jedoch als nicht weitsichtig genug, die Konsequenzen für vorschnelle, emotionale Eintscheidungen abzusehen und sägt somit munter an dem moralisch ohnehin schwer vorbelasteten Amtsast, auf dem er hockt. Gegen den windigen Bennett sind sogar die Drogengangster aus Kolumbien im Prinzip Waisenknaben, denn die stehen wenigstens zu dem, was sie tun. So hat Ryan diesmal eine ganze Latte unliebsamer Personen mit legalen und illegalen Mitteln zu bekämpfen. Erstmals tritt hier der in Clancys Romanuniversum stets präsente Killer John Clark auf, einer, der schmutzige Jobs nicht deshalb erledigt, weil er sie gern tut, sondern weil er es gut kann. So wird er als heimlicher Held und sympathischer Charakter angelegt, der Ryan mehr als einmal den Hintern rettet. Von allen bisherigen Ryan-Filmen sieht "Clear And Present Danger" am Besten aus. Seine knackigen, bunten Bilder vom sonnendurchfluteten Kolumbien sind eine Augenweide und es gibt grandios inszenierte feuergefechte und Explosionen. Auch sonst gewinnt der Film gegenüber seinen Vorgängern deutlich an Profil. Ryans nach wie vor naives Weltbild wird abgelöst durch einen wesentlich komplexeren Blick auf die Dinge, Helden und Schurken lassen sich nunmehr nicht immer klar voneinander trennen.
Als Actionthriller für die Neunziger ist "Clear And Present Danger" großartig.

8/10

Phillip Noyce Tom Clancy Jack Ryan Drogen CIA Kolumbien Präsident Söldner Profikiller Rache Verschwörung Washington D.C.





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