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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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PATRIOT GAMES (Phillip Noyce/USA 1992)


"I want back in!"

Patriot Games (Die Stunde der Patrioten) ~ USA 1992
Directed By: Phillip Noyce

Jack Ryan (Harrison Ford) hat sich mittlerweile aus der CIA verabschiedet und hält nun Vorträge und Seminare in der Militärausbildung ab. Bei einer Reise nach London wird er zufällig Zeuge, wie der IRA-Terrorist Sean Miller (Sean Bean) auf offener Straße ein Familienmitglied (James Fox) der Windsors kidnappen will. Ryan verhindert den Anschlag und tötet dabei Millers ihn begleitenden, jüngeren Bruder (Karl Hayden). Miller schwört Rache, setzt sich mit einigen Kameraden (u.a. Patrick Bertgin, Polly Walker) vom gemäßigten Teil der IRA ab und startet, nachdem er bei einem Gefangenentransport fliehen kann, einen Privatfeldzug gegen Ryan und seine Familie (Anne Archer, Thora Birch). Der einzige Weg, um den zunehmend irrsinnig handelnden Miller aufzuhalten, führt für Ryan geradewegs zurück zur CIA...

In einer deutlich erdiger angelegten, wenngleich wiederum eindimensional abgespulten Action-Politthriller-Melange überführt der Australier Phillip Noyce Jack Ryan in seine nächste Film-Inkarnation - rund zwanzig Jahre älter aber mit einem nur geflissentlich älteren Töchterchen als im "Vorgängerfilm" beginnt Ryan hier noch nichtmal mehr als etwas unbeholfener Agent, sondern als steifer Bücherwurm, der in Ohnmacht fällt, wenn er im Nahkampf angeschossen wird und dicke Krokodilstränen am Krankenbett seiner Kleinen vergiest. Mann, ist der Mann männmenschlich! Dennoch: Als Miller seinen Liebsten an den Kragen will, greift Ryan zu entschlossener Kompromisslosigkeit. Er hetzt eine ganze Abteilung von CIA-Mitarbeitern gegen Miller und seine terroristische, längst von allen Idealen abgewichene Splittergruppe und wird schließlich via Satellitenübertragung Zeuge, wie die SAS ein libysches Terroristencamp, in dem Ryan seine Gegner vermutet, ausradiert. Hier erreicht "Patriot Games" ein nicht nur bei Ryan Gänsehaut erzeugendes, dem Film ansonsten eigentlich gar nicht zukommendes, kritisches Reflexionsniveau über moderne Kriegsführung und Militärmanagement. "Patriot Games" ist anders als "Red October", aber zumindest auch geflissentlich aufregender: Er versteht es, den Zuschauer emotional deutlich zwingender zu involvieren, macht Ryans persönliche Sache zugleich zu der des Publikums und hält Selbiges damit gut bei der Stange. Der recht brutale Showdown sorgt dann endgültig für eine deutliche Emanzipation dieses Films gegenüber McTiernans: Jack Ryan schlägt zu!

7/10

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THE HUNT FOR RED OCTOBER (John McTiernan/USA 1990)


"Wars have begun that way, Mr. Ambassador!"

The Hunt For Red October (Jagd auf Roter Oktober) ~ USA 1990
Directed By: John McTiernan

Im Jahre 1984 wird der junge CIA-Analyst John 'Jack' Ryan (Alec Baldwin) Hals über Kopf zu einer Krisensitzung nach D.C. beordert, als eines seiner "Studienobjekte", der sowjetische Kapitän Ramius (Sean Connery) sich mit dem von ihm kommandierten U-Boot "Roter Oktober" von der Flotte absetzt und sich durch den Nordatlantik Richtung Amerika vorarbeitet. Während die ihn bereits mit großen Flottenteilen verfolgenden Russen verlauten lassen, der noch nicht lange verwitwete Ramius habe einen Nervenzusammenbruch erlitten, sei nun völlig außer Kontrolle und habe dem Kreml in einem Brief mitgeteilt, dass er die Ostküste der USA bombardieren wolle, hält Ryan all das für ein Ablenkugsmanöver. Er ist überzeugt, dass Ramius mitsamt seinem Führungsstab und der Roter Oktober überlaufen will. Ryan riskiert Kopf und Kragen, um seine Theorie zu beweisen und Ramius vor der Paranoia seiner Landsleute zu retten.

Im ansonsten nicht sonderlich informativen, retrospektiven Making-Of der DVD sagt Alec Baldwin einen interessanten Satz: "Wenn man um 90 in der Business Class reiste", so Baldwin, "konnte man beobachten, dass acht von zehn der mitfliegenden Anzugträger einen Clancy-Roman in der Hand hatten". Pointierter kann man die Leserschaft des Gottvaters des trivialen Techno-Thrillers wohl kaum subsumieren. Männlich, betucht, gepflegt, konservativ. Vermutlich weiß dazu und, im Zweifelsfall, Republikaner.
"The Hunt For Red October" erschien 1984 und führte den CIA-Sesselpuper Jack Ryan als Heldenfigur ein, die mittlerweile durch rund dreizehn Romane Clancys spukt, es in deren Parallelrealität bereits zum amerikanischen Präsidenten gebracht hat und dessen Sohnemann ihn protagonistisch mittlerweile als deutlich kreglerer Jungspund abgelöst hat. Im Gegensatz zur reibungslosen Chronolgie der Bücher hatte es Ryan bezüglich der hollywoodschen Kontinuität der Drehbuch-Dinge nicht eben leicht und wurde binnen vier Kinoabenteuern einmal deutlich älter gemacht und später dann wiederum ordentlich verjüngt. In McTiernans Film, einer starbesetzten Kalter-Kriegs-Fabel, die mit ihrer globalpolitischen Schilderung trotz entsprechender Hinweise auf eine sich zurückdatierenden Erzählzeit etwas spät dran war, spielt Alec Baldwin als Jack Ryan eher die zweite Geige. Der von einem weißgraumelierten Sean Connery gespielte, litauische Seewolf Marko Ramius steht als genialischer Gefechtsstratege und Experte in Sachen maritime Schlachten deutlich im Vordergrund und hat denn auch diverse Gelegenheit, seine wohlüberlegten, Schachzügen ähnelnden tricks und Finten auszuspielen. Amerikaner und Russen werden genarrt, es geht schließlich um den Ritt geradewegs durch die Barrieren des Eisernen Vorhangs. Zwar kommt es dabei zu einigen Kollateralschäden, die entsprechenden Opfer sind aber garantiert allesamt selbst dran schuld. Im Gegensatz zu der physischen Action seiner beiden vorzüglichen Genreklassiker "Predator" und "Die Hard" war McTiernan hier auf die mittelbare Darstellung von Zweikampf und Duell angewiesen, was der Zugkraft seines Films nicht immer bekommt. Irgendwie scheinen sich die Emotionen hinter dicken Stahlwänden und Millionen Tonnen Wasser leichter abkühlen zu können, der klaustrophobischen, submarinen Enge der paradoxerweise trotzend. Möglicherweise liegt es auch schlicht an der zwangsläufigen Statik der Figuren, die eben nicht viel mehr tun können als schwitzen und Befehle bellen. Insgesamt ein recht spannend vorgetragener Film, wenngleich auch ein recht biederer.

7/10

John McTiernan Jack Ryan Tom Clancy U-Boot Kalter Krieg period piece CIA Atombombe


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MALCOLM X (Spike Lee/USA 1992)


"That's too much power for one man to have."

Malcolm X ~ USA 1992
Directed By: Spike Lee

Nach einer "Karriere" als schmieriger Kleingangster in den vierziger Jahren, die Glücksspiel, Prostitution, Drogen und Raubüberfälle beinhaltet, landet der farbige Malcolm Little (Denzel Washington) im Gefängnis. Dort lernt er von seinem Mitinsassen Baines (Albert Hall), sich seiner schwarzen Identität bewusst zu werden und sich vom "weißen Teufel" zu emanzipieren. Malcolm konvertiert zur Sekte 'Nation Of Islam', bildet sich autodidaktisch und wird nach seiner Freilassung zu einem der Minister des Islamistenführers Elijah Muhammad (Al Freeman jr.). Als solcher predigt er mit riesiger Öffentlichkeitswirkung innerhalb der schwarzen Gemeinde die strenge Separation der Hautfarben, etabliert sich als "kultivierter Rassist" und hetzt zugleich gegen pazifistisch-christliche Bürgerrechtler wie Martin Luther King. Erst, als er die Nation Of Islam als das erkennt, was sie ist, nämlich eine bessere Gangsterclique mit mafiösen Strukturen, gelingt Malcolm, der sich nunmehr 'Malcolm X' nennt, der Ausstieg. Von nun an steht er für sich selbst und schlägt nach seiner Hadj einen deutlich gemäßigten Kurs ein, der auch ein funktionales Zusammenleben von schwarz und weiß beinhaltet. Im Februar 1965 verüben seine ehemaligen Genossen einen öffentlichen Anschlag auf ihn, der mit Malcolm X' Tod infolge von 21 Schussverletzungen endet.

Spike Lees ehrgeiziges Mammutwerk über den brillanten Vordenker Malcolm X ist das Resultat einer illustren Entstehungsgeschichte. Nachdem Lee von dem Projekt erfahren hatte, riss er zunächst die ursprünglich bei Norman Jewison liegende Inszenierung (mit dessen Absegnung) an sich, überarbeitete das Script und wurde damit bei den Warner-Bros.-Executives vorstellig unter der klaren Ansage, einen überlangen, teuren Film ohne künstlerische Kompromisse erstellen zu wollen. Als ihm dann während der besonders langwierigen Post-Production der Geldhahn abgedreht wurde, wandte Lee sich an diverse prominente farbige Zeitgenossen von Bill Cosby über Oprah Winfrey bis hin zu Prince, Michael Jordan und Magic Johnson, die ihm die letzten nötigen Milliönchen zubutterten und so die Fertigstellung des Werkes ermöglichten.
"Malcolm X" ist ein ebenso mitreißend wie mustergültig gefertigtes Biopic über eine der vordringlichen US-Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts, ganz nach Lees üblichen Spezifika sehr didaktisch, pädagogisch und selbstverliebt inszeniert, zugleich aber auch voller berechtigter Selbstsichehrheit und Bewunderung für seine Hauptfigur. Am Ende zeigt Lee Nelson Mandela, der X vor einer südafrikanischen Schulklasse rezitiert. Der poltisch verschärfte, finale Ausspruch "By all means necessary" bleibt jedoch einem von mehreren Originaleinspielern vorbehalten. Die Glaubwürdigkeit von Malcolms zögerlicher und umwegsträchtiger Wandlung vom Saulus zum Paulus, von Little zu X, ist zudem der anbetungswürdigen Könnerschaft Denzel Washingtons zu verdanken. Martin Scorsese bezeichnet Washingtons Performance als "eine der besten Darstellungen im amerikanischen Film des 20. Jahrhunderts", eine dehnbare Kategorisierung womöglich, aber unübersehbar zutreffend. So ist dies nicht allein ein großer Autoren-, sondern auch ein großer Schauspielerfilm.

9/10

Spike Lee Ernest Dickerson New York Harlem Boston Biopic period piece Historie Alex Haley Rassismus


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CAST A GIANT SHADOW (Melville Shavelson/USA 1966)


"I'm so damn tired of being proud of you."

Cast A Giant Shadow (Der Schatten des Giganten) ~ USA 1966
Directed By: Melville Shavelson

1946 kommt der während des Zweiten Weltkrieges an der Invasion der Alliierten beteiligte US-Offizier David Marcus (Kirk Douglas) als Militärberater nach Palästina. Für den jüdischstämmigen Kriegshelden zählt seine ethnische Identität nicht viel - außerdem empfindet er die planlose militärische Situation der Israelis vor Ort als katastrophal. Dennoch schafft er es aller Widerstände zum Trotze, die politischen Splittergruppen zu einen und eine gewisse Kampfausbildung zum Standard zu machen. Schließlich wird er der erste General des neuen Staates Israel und leistet wichtige Schützenhilfe bei der Befreiung Jerusalems.

Anders als der thematisch anverwandte, jedoch deutlich ambitionierter wirkende "Exodus" sieht sich "Cast A Giant Shadow" als reines Action- und Starvehikel, dessen politische Botschaft irgendwo im Explosionsrauch verweht. Von ernstzunehmender politischer Vehemenz kann aber ohnehin kaum die Rede sein. In einigen Rückblenden wird David Marcus bereits als kerniger amerikanischer Held mit klarer Vision gezeichnet sowie als ein Mann, der seine private Erfüllung vornehmlich in der Kriegsführung findet. Seine Frau (Angie Dickinson) wähnt sich daheim vernachlässigt, derweil Marcus amourösen Fremdabenteuern im Wechsel mit dem kombattanten Clinch auf der anderen Seite des Globus nicht abgeneigt ist.
Für den wie immer siegesgewiss grinsenden Kirk Douglas war der Film sowohl Herzensangelegenheit als auch überschwängliche Star-Auto-PR. In Gastrollen treten Frank Sinatra, Yul Brynner und John Wayne auf, der sich als mit seiner Performance als dickschädliger General Randolph inoffiziell für Douglas' vorjährige Appearance im Wayne-Vehikel "In Harm's Way" revanchierte. Später traten beide Akteure dann nochmal in gleichberechtigten Parts in Burt Kennedys "The War Wagon" auf. Senta Berger als Marcus' israelische Geliebte lässt angesichts der sie umgebenden Starpower sehr selbstbewusst durchscheinen, welch atemberaubende Schönheit sie ist. Ansonsten ist "Cast A Giant Shadow" allerdings nicht vieler weiterer Worte wert. Man kann ihn wohl gleichermaßen als abenteuerlichen Kriegsfilm vor historisch nicht ganz alltäglichem Hintergrund schätzen oder ihn als imperialistische Männerfantasie verdammen. Beides geht, nichts muss. Ich mag ja solche bunten Breitwand-Trivialismen, "aber des wissen's eh" (in memoriam Kasi).

7/10

Naher Osten Israel Nahost-Konflikt period piece Historie Biopic WWII Ethnics Kolonialismus


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EXODUS (Otto Preminger/USA 1960)


"God, don't let my brother die at the end of a British rope."

Exodus ~ USA 1960
Directed By: Otto Preminger

Zypern, 1946: Der Hagana-Abgesandte Ari Ben Kanaan (Paul Newman) fasst den Plan, rund 600 jüdische Exilanten aus aller Herren Länder nach Palästina zu schleusen, um der Welt nachdrücklich zu vermitteln, dass dort ein zionistischer Staat im Entstehen begriffen ist. Nach einiger Haderei mit den britischen Besatzern gelingt sein Vorhaben. In Palästina geht der Kampf gegen die Briten weiter. Aris Onkel Akiva (David Opatoshu) wählt dafür den militanten Weg: Er macht sich als berüchtigter Irgun-Terrorist einen Namen und ordnet Sprengungen britischer Ziele an. Als Akiva und seine Männer gefangen genommen und in der Gefängnisfestung Acre inhaftiert werden, befreit Ari sie in einer logistisch komplizierten Aktion. Kurz darauf steht die Staatsgründung Israels im allgemeinen Interesse. Für die arabische Minderheitsbevölkerung Palästinas ein Anlass für einen sofortigen Aufruf zum Heiligen Krieg.

Seine Verbundenheit zum biblisch orientierten Monumentalkino bringt Premingers "Exodus" gleich in der Titelsequenz zum Ausdruck: Ernest Golds pathetische Musik könnte ebensogut auch "The Ten Commandments" oder "Ben-Hur" eröffnen. Die ebenso ruhige wie epische Inszenierung weist dann, schon aufgrund des zeitgebundenen Settings, allerdings eher Richtung David Lean. In drei wesentlichen Episoden fasst die Uris-Verfilmung rund ein Jahr zionistischer Zeitgeschichte mit fiktivem, an authentische Personen angelehnten Protagonisten-Personal zusammen. Es gibt wenige Actionsequenzen und für einen Film dieser Größenordnung somit verhältnismäßig wenige Schauwerte. Die bereits anhand Uris' Roman geäußerte Kritik, derzufolge die Geschichte allein die israelische Perspektive beleuchte, lässt sich umstandslos auch auf Premingers Adaption übertragen. Mit Ausnahme von Aris Jugendfreund Taha (John Derek) werden die Araber im Allgemeinen und die Palästinenser im Besonderen als radikale Barbaren gezeichnet, die sich gefällist an bestehende Verhältnisse anzupassen haben, die "Friedensbotschaft" des jüdischen Volkes jedoch ignorieren und, sogar mit der Unterstützung von Nazis, zu unbarmherziem Antisemitismus aufrufen. Dass Ari Taha bald darauf ermordet und als Verräter geschändet in seinem Haus vorfindet, unterstreicht nochmals die Perfidie, mit der die muslimische Gesellschaft in "Exodus" gezeichnet wird. Der Film endet mit der Doppelbestattung Tahas und der fünfzehnjährigen Karen (Jill Haworth), die ebenfalls zum unschuldigen Mordopfer der Araber geworden ist. Eine nur augenscheinlich versöhnliche Geste.
Bei aller Diskutabilität ist "Exodus" nach wie vor ein insbesondere atmosphärischer und visueller Gewinn für Freunde monumentalen Hollywood-Kinos, für das Heimkino-HD geradezu gemacht scheint. Ihn für einen reell vertretbaren Platz im allgemeinen Kanon der Monumentalfilme vorzuschlagen wäre möglicherweise etwas vermessen - für mich persönlich gehört er allerdings längst dazu, wobei die aktuelle Betrachtung dies nochmals nachdrücklich untermauern konnte.

8/10

Otto Preminger Israel period piece Historie Leon Uris Zypern Nahost-Konflikt Naher Osten Kolonialismus Dalton Trumbo


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AMISTAD (Steven Spielberg/USA 1997)


"Give us, us free!"

Amistad ~ USA 1997
Directed By: Steven Spielberg

Im Jahre 1839 bricht irgendwo vor der kubanischen Küste eine blutige Rebellion auf dem spanischen Sklavenschiff "La Amistad" aus. Dennoch landen die rund fünfzig Afrikaner unter der Führung des Mende-Kriegers Cinque (Djimon Hounsou) nach ihrer ersten Freistramplung nicht wie gewünscht wieder daheim, sondern vor der nordamerikanischen Westküste, wo sie umgehend in Gefangenschaft genommen werden. Es entbrennt ein gerichtlich ausgetragener Besitzstreit, der den Verbleib der angeblichen Sklaven bestimmen soll. Mehrere Parteien interessieren sich für sie, darunter auch die spanische Königin (Anna Paquin) und der Abolitionist Tappan (Stellan Skarsgård). Dieser engagiert den liberalen Junganwalt Baldwin (Matthew McConaughey) zur Verteidigung der Inhaftierten, deren Leidensweg jedoch trotz positiven Gerichtsentscheids in erster Instanz noch nicht zu Ende ist.

Noch ein schöner Film Spielbergs um ein düsteres Menschheitskapitel, inszeniert mit jenen gewohnt meisterhaft deklinierten Manipulationstechniken, die sich vor allem im Zuge der gezielten emotionalen Involvierung des Publikums manifestieren. In rein formaler Hinsicht nicht so vollendet wie "Schindler's List" gereicht der historisch adäquat umgesetzte "Amistad" seinem Regisseur dennoch zu aller Ehre. Man schaue sich im Vergleich nur Redfords ähnlich gelagerten, aber in jeder Hinsicht deutlich hinterherhinkenden "The Conspirator" an. Als perfekt besetztes, flammendes Plädoyer wider Unterdrückung und Repression handelt es sich bei "Amistad" zwar in erster Linie um ein - basal bestimmt misstrauisch zu beäugendes - pro-amerikanistisches Werk (Anthony Hopkins hält in einer meisterlichen Interpretation als John Quincy Adams eine handelsübliche, ausführliche Abschlussrede über die Verfassung, die freiheitlichen Grundrechte und die historisch-katalytische Notwendigkeit des bereits am Horizont aufziehenden Sezessionskrieges), es geht aber nicht zuletzt auch um die Geschichte jener fünfzig, in eine unwillkürliche Zweckgemeinschaft geworfenen Männer und Frauen, deren noch nichteinmal sklavenrechtlich legale Entführung von unbeschreiblicher Grausamkeit geprägt war. Ähnlich wie im Falle "Schindler's List" beweist sich Spielberg wiederum als auf seine spezielle Weise brillanter, konsequent seinen Weg gehender Chronist finsterer Epochen und schuf ein nach meinem Dafürhalten weiteres großartiges Werk, das kaum fünfzehn Jahre später beinahe aus dem kollektiven Bewusstsein und in der Versenkung verschwunden scheint. Mir total unverständlich.

8/10

Steven Spielberg Sklaverei Rassismus period piece Historie Seefahrt Courtroom Kolonialismus


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SCHINDLER'S LIST (Steven Spielberg/USA 1993)


"Whoever saves one life, saves the world entire."

Schindler's List (Schindlers Liste) ~ USA 1993
Directed By: Steven Spielberg

Der profitgierige Lebemann Oskar Schindler (Liam Neeson) kommt im Zuge der Wehrmachtsinvasion nach Krakau, macht sich dort mittels allerlei Zuwendungen zum Lieblingskind der SS-Spitze und kauft ein altes Fabrikgelände auf, um eine Emaille-Fabrik daraus zu machen. Als Arbeitskräfte beschäftigt er ausschließlich Juden aus dem Ghetton und dem späteren Arbeitslager Plaszow. Bei der Auswahl unterstützt ihn tatkräftig sein Buchhalter Itzhak Stern (Ben Kingsley). Mit der Ankunft des mordlustigen SS-Offiziers Amon Göth (Ralph Fiennes) in Krakau wird aus Schindlers Bemühen um seine jüdischen Werkstätigen ein steter Kampf, der seinen Höhepunkt findet, als die "Endlösung" mehr und mehr Gestalt annimmt: Zusammen mit Stern erstellt Schindler eine Liste von etwa 1.100 Menschen, die er angeblich als Arbeiter in einer neuen Munitionsfabrik bei Brünnlitz benötigt und die er so vor dem sicheren Tod in Auschwitz bewahrt.

Mit dem neben Polanskis "The Pianist" beeindruckendsten Spielfilm über den eigentlich höchst dramaturgiefeindlichen Themenkomplex 'Holocaust' schuf Spielberg sich nicht nur selbst ein filmisches Denkmal, sondern zugleich ein kulturelles Jahrhundertwerk. Er wagte es, das Unaussprechliche in karge Bilder zu kleiden, die unbändige Kraft des nackten Überlebenswillens und der Hoffnung ebenso zu zeigen wie die unbarmherzigen, existenzfeindlichen Vernichtungsmechanismen der Nazis. Dabei ist "Schindler's List" vor allem die Geschichte eines allmählichen Gesinnungswandels und die des Duells zweier dickköpfiger, schachernder Individuen, das über Gaskammern und Schornsteine hinweg über 1.100 Existenzen entscheidet, eine im Prinzip ungeheure Perfidie in einer Zeit, die nurmehr Perfidie kannte. Über Schindlers Person mag man sich streiten, über jenen notorischen Opportunisten, Fremdgänger, Säufer und Kapitalisten, der aus dem Krieg Profit schlägt, sich als NSDAP-Mitglied bei den Braunhemden anbiedert und später seine Ehe zerbrechen lässt. Nicht jedoch über seine Taten: Aus dem Egozentriker wird nach und nach ein Altruist, der sein für ihn so bedeutsames Hab und Gut sowie sein gesamtes zuvor erwirtschaftetes Geld opfert, um seine Liste durchzuprügeln bei dem geisteskranken Amon Göth, einem Mensch gewordenen Nazi-Albtraum par excellence.
Spielberg kassiert noch immer viel Kritik für seinen Ansatz, den Holocaust in massentaugliches Entertainment gekleidet sowie Humor und Spannung als dramaturgische Mittel in einem Film solcher motivischen Färbung verwandt zu haben. Blödsinn. Ein Werk wie dieses benötigt Popularität, keine elitären Rezipientenkreise. Er sollte von jedem gesehen und erfahren werden, zum Pflichtprogramm in Schulen gehören, am besten gleich mehrfach. Nicht, weil es sich um die treffendste kulturelle Abhandlung über die Judenvernichtung gehört, sondern gerade wegen ihrer unumständlichen Konsumierbarkeit. Selbstverständlich wäre es ebenso angeraten, "Le Chagrin Et La Pitié", "Shoah" oder "Hotel Terminus" zu sehen, aber es darf bei diesem Thema nicht um werkimmanente Ansprüche gehen. Es braucht keinen besonderen Rezeptionsgewohnheiten oder Bildungsghintergründe, um "Schindler's List" zu fühlen und zu begreifen; er verfügt über die nötige Kraft, sich selbst verständig zu machen. Gerade das macht ihn so ungeheuer kostbar.

10/10

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FLASHPOINT (William Tannen/USA 1984)


"If you can't fix it, fuck it."

Flashpoint ~ USA 1984
Directed By: William Tannen

Per Zufall entdecken die beiden eng befreundeten texanischen Grenzpolizisten Logan (Kris Kristofferson) und Wyatt (Treat Williams) in der Wüste ein verschüttetes Autowrack, in dem sich eine skelettierte Leiche, ein Sportkoffer nebst Präzisionsgewehr und Angelrute sowie eine Tasche mit 800.000 $ Barem befinden. Während Logan spontan das Geld nehmen und sich absetzen will, ist dem linientreuen Wyatt daran gelegen, die Umstände um den Wagen, der hier offenbar seit rund zwanzig Jahren liegt, aufzudecken. Ihre private Recherche bringt die beiden nicht weiter, dafür wimmelt es in ihrem Büro plötzlich von Anzugträgern des FBI, darunter der mysteriöse Carson (Kurtwood Smith), die angeblich die Funktionsweise eines neuen Scanning-Systems überprüfen sollen. Einige seltsame Vorfälle deuten jedoch an, dass die Agenten etwas ganz anderes im Sinn haben, als sich um banale Grenzübertretungsfälle zu kümmern...

Großartig inszenierter, heute leider praktisch vergessener Copthriller, der primär von seiner frischen Buddy-Kombination Kristofferson/Williams und der übrigen grandiosen Besetzung zehrt sowie von einer sich von der Beiläufig- zur Ungeheuerlichkeit entfaltenden Verschwörungsgeschichte, die im ansonsten eher auf sphärische Flächigkeit oder grelle Komik bedachten Polizeifilm der Achtziger eigentlich eine absolute Rarität repräsentiert. "Flashpoint" führt die kleine, aber feine Phalanx von den von den atmosphärisch ganz ähnlich gestalteten "Borderline", "The Border" (Christopher Leitch) und "The Border" (Tony Richardson) flankierten Grenzcop-Filmen an ihr leider viel zu frühes Ende und offeriert zugleich deren Klimax. Hinter der bildlich zu verstehenden Demarkationslinie, an der Wyatt und Logan hier kratzen, konnte jedoch ohnehin nicht mehr viel kommen - insofern war es vielleicht auch nicht ganz falsch, mit Ausnahme des explosiv-hyperrealistischen "Extreme Prejudice" von Walter Hill nichts Weiteres mehr in dieser Richtung folgen zu lassen. "Flashpoint" jedoch gehört mit seinem brillant entworfenen Szenario unwiderlegbar in eine jede sich vollständig schimpfen wollende Chronik des Achtziger-Polizeifilms!

8/10

William Tannen Grenze Mexiko Texas Verschwörung


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THE LITTLE DRUMMER GIRL (George Roy Hill/USA 1984)


"I believe in things. I believe in helping end the suffering."

The Little Drummer Girl (Die Libelle) ~ USA 1984
Directed By: George Roy Hill

Der Mossad wird auf die in London tätige US-Theater-Schauspielerin Charlie (Diane Keaton) aufmerksam, die sich bezüglich Nahost-Konflikt-Fragen öffentlich und überdeutlich auf Seiten der Palästinenser positioniert. Dennoch gelingt es den Israelis mit spezieller Unterstützung des charismatischen Agenten Joe (Yorgo Voyagis), in den sich Charlie verliebt, die junge Frau auf ihre Seite zu ziehen. Charlie soll dem Mossad dabei helfen, den arabischen Terroristen Khalil (Sami Frey) und dessen Operationsbasis zu enttarnen. Zu diesem Zweck muss sie sich unerkannt von der PLO anwerben lassen und Khalids Vertrauen gewinnen, was ihr auch gelingt. Dass am Ende der vertrackten Mission ihr eigener psychischer Zusammenbruch stehen könnte, ignoriert Charlie im Vorhinein konsequent...

John Le Carrés Thriller-Beitrag zur ewig schwelenden Nahost-Krise, von George Roy Hill gediegen und fast gänzlich unter Verzicht auf oberflächliche Schaueffekte verfilmt sowie die Intelligenz seines Publikums fordernd statt beleidigend. Diane Keaton einmal fernab von Clinch-Situationen mit Woody Allen zu beobachten bzw. von ihr nicht das amerikanische Hausmütterchen mit schneidigem Verstand aufs Erdnussbutter-Sandwich gelegt zu bekommen, ist ebenfalls eine Wohltat, ebenso wie einen fast domestiziert erscheinenenden Kinski, der einen ungewohnt entspannten Eindruck hinterlässt und seine Regieanweisungen tatsächlich angenommen haben dürfte. Dass er nahezu jede Szene, in der er auftritt, allein durch seine Präsenz souverän dominiert, gehört eben zur Natur dieses Irrwischs. Die einzigen mir erwähnenswert scheinenden Schwächen des durchaus auch als Allegorie auf abendländisches Unverständnis bezüglich orientalischer Mentalitätskonflikte lesbaren Films liegen in seiner etwas klischierten und vor allem allzu ausgewalzten Präsentation des Verhältnisses zwischen Charlie und Joe. Diese mag vielleicht inhaltlich von elementarer Bedeutung sein, inszenatorisch hätte hier jedoch durchaus auch gern auch mal Schmalhans Küchenmeister sein dürfen.

8/10

George Roy Hill John Le Carré Libanon Beirut Freiburg London Terrorismus Nahost-Konflikt undercover


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SOLDIER OF FORTUNE (Edward Dmytryk/USA 1955)


"I thought you were already back in the U.S. ..." - "I just came near the airport."

Soldier Of Fortune (Treffpunkt Hongkong) ~ USA 1955
Directed By: Edward Dmytryk

Um ihren Mann Louis (Gene Barry), einen nassforschen Fotojournalisten, der in Kanton von den Rotchinesen gefangen gehalten wird, zu befreien, kommt die Amerikanerin Jane Hoyt (Susan Hayward) nach Hong Kong. Ihre anfänglichen Schwierigkeiten, sich in der Kronkolonie zurechtzufinden führen sie alsbald zu dem reichen Reeder und Abenteurer Hank Lee (Clark Gable), der sich prompt in Jane verliebt, dessen Ehre als Gentleman ihm jedoch gebietet, zunächst Louis Hoyt herauszuhauen, bevor auch er sich gänzlich im Herzen der schönen Amerikanerin einnisten kann.

Ein eher zu vernachlässigendes Werk des während dieser Zeit vielbeschäftigten Dmytryk, der zu dieser Zeit zahlreiche Auftragsarbeiten für die Fox und andere Studios erledigte. Dabei handelte es sich primär um flamboyantes Abenteuer- und Romantikkino, das in erster Linie dazu angetan war, die Vorteile der Kombination von CinemaScope und Technicolor herauszustellen sowie dazu, seine Mitarbeiter und ergo im Nachhinein auch das Publikum an irgendwelche exotischen Schauplätze zu (ent-)führen. In exakt diese Kategorie fällt auch das x-te, uneheliche "Casablanca"-Ripoff "Soldier Of Fortune". Jenes fährt neben seinem Protagonistenpaar eine illustre Reihe prächtiger Nebendarsteller auf, so zum Beispiel Michael Rennie, Alex D'Arcy, Tom Tully, Richard Loo und Jack Kruschen, deren geballtem Einsatz der Film am Ende sehr viel von seinem Charme verdankt. Ansonsten handelt es sich um eines jener üblichen, teuren Kinokataloge über und aus Anderland, das in erster Linie die eskapistische Funktion besaß, durch die ausbeuterische Zurschaustellung einer exotischen Kultur dem abendländischen Malocher und/oder seinem Hausweibe ein paar anerkennende Seufzer abzuringen. Nichts Besonderes also, aber irgendwie doch immer wieder schön - besonders in der Retrospektive.

7/10

Edward Dmytryk Hong Kong Macao Söldner Ernest K. Gann





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