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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE SEVENTH CROSS (Fred Zinnemann/USA 1944)


"You cannot kill every single ant."

The Seventh Cross (Das siebte Kreuz) ~ USA 1944
Directed By: Fred Zinnemann

Das KZ Westhofen, 1936: Sieben Häftlinge fliehen aus dem Lager und schon nachdem der erste von ihnen, der Widerstandskämpfer Ernst Wallau (Ray Collins), gefasst und zu Tode geschunden wurde, lässt der Kommandant Fahrenburg (George Zucco) zur Abschreckung sieben Kreuze errichten, an denen die Flüchtlinge nach und nach aufgehängt werden. Allein Wallaus Freund Georg Heisler (Spencer Tracy) gelingt mithilfe enormer Willenskraft, einer gehörigen Portion Glück und der Unterstützung mutiger Systemgegner die Flucht. Das siebte Kreuz wird leer bleiben.

Seghers' berühmter Roman ist ein Lehrstück über Zivilcourage in Krisenzeiten und darüber, auch im tiefsten Dunkel nie die Hoffnung und den Glauben an Vernunft und Menschlichkeit aufzugeben. Dass selbst im finstersten Loch - und ein solches bildete das Dritte Reich bekanntermaßen bereits 1936 - noch irgendwo das Licht eines wegweisenden Kerzleins brennt, versichern Film und Buch ihrer Rezipientenschaft. Zinnemann inszeniert mit aller gebotenen Zurückhaltung und verzichtet auf die üblichen Marotten des Hollywood-Propagandakinos jener Tage. Zwar mögen Karl Freunds von Schatten überlagerte Bilder auch nicht ganz ohne eine gewisse Stilisierung auskomen, aber dies sei dem Film angesichts seines gleichermaßen erschütternden wie nachhaltigen Wesens gestattet. Einige aus NS-Deutschland geflohene Kunstschaffende wirkten an Zinnemanns Film mit, darunter Brechts Gattin Helene Weigel (in ihrer einzigen Filmrolle - ausgerechnet als stumme Denunziantin). Allein deren Beteiligung an diesem ehrgeizigen und zutiefst humanistischen Film sollte für sich sprechen.

10/10

Fred Zinnemann Anna Seghers Nationalsozialismus Karl Freund Mainz Widerstand


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SHANGHAI (Mikael Håfström/USA, CN 2010)


"Leave Shanghai - before it's too late!"

Shanghai ~ USA/CN 2010
Directed By: Mikael Håfström

Oktober 1941: Der Agent Paul Soames (John Cusack) tingelt, im Auftrag für die US-Regierung und getarnt als Journalist, durch die Krisenherde der Welt. In der kurz vor der Invasion durch die Japaner stehenden chinesischen Metropole Shanghai soll Soames aktuell aufklären, wer seinen Berufsgenossen und Freund Conner (Jeffrey Dean Morgan) ermordet haben könnte und warum. Soames, der sich im Nu in den höchsten gesellschaftlichen Kreisen der Stadt bewegt und Kontakte mit undurchsichtigen Menschen wie dem Triaden-Boss Anthony Lan Ting (Chow Yun-Fat), dessen Frau, der Untergrundkämpferin Anna (Gong Li) sowie dem japanischen Offizier Tanaka (Ken Watanabe) pflegt, findet bald heraus, dass Conner um geheimnisvolle maritime Truppenbewegungen der Japaner wusste. Als diese Pearl Harbor bombardieren und den Staaten den Krieg erklären, wird die Lage für Soames überaus brenzlig.

Spannender, im Noir-Stil gehaltener und stilvoller Politthriller, der ganz in der Tradition klassischen Hollywoodkinos zwischen prachtvoller Ausstattung und erlesener Garderobe steht. In bewusst unaufgeregter Weise entfaltet sich die von kühl-analytischen Voice-Over-Kommentaren durch den Protagonisten begleitete Geschichte an einem der illustersten, exotischen Kriegsschauplätze der Welt und steht damit in ähnlich guter Tradition wie die nicht minder romantisch konnotierten "Casablanca", "From Here To Eternity", "Love Is A Many-Splendored Thing" et.al.. In "Shanghai" knistert es nun zwischen John Cusack und der wunderschönen Gong Li, wobei sich ihre kleine amour fou leider nie gänzlich entfalten kann - zu undurchsichtig der Gegenpart für den jeweils Anderen, zu brisant ihre gedachte Romanze, zu explosiv der Schauplatz. Dass mit der Figur des Captain Tanaka sogar ein immerhin halbwegs sympathischer Widersacher eingeflochten wurde, ist dem Film, der immerhin aus chinesischer Ko-Produktion stammt, durchaus hoch anzurechnen. Auf welch feindselige Weise man dort im Film schon traditionell mit den verhassten Okkupanten umspringt, ist bekannt und die Beispiele dafür sind Legion. "Shanghai" lässt neben manch anderem durchblicken, dass die Zeit für eine Annäherung noch nicht zu spät ist.

8/10

Mikael Håfström China Shanghai WWII Pearl Harbor Spionage film noir neo noir Pazifikkrieg


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THE CONSPIRATOR (Robert Redford/USA 2010)


"Have you ever believed in something far greater than yourself?"

The Conspirator (Die Lincoln Verschwörung) ~ USA 2010
Directed By: Robert Redford

Nachdem der Lincoln-Mörder John Wilkes Booth (Toby Kebbell) auf der Flucht erschossen wurde, kommen seine angeblichen Mitverschwörer vor Gericht - darunter auch die Hotelbetreiberin Mary Surratt (Robin Wright), in deren Haus die Tat offensichtlich geplant wurde und deren Sohn (Johnny Simmons) nach wie vor flüchtig ist. Für den liberalen Senator Johnson (Tom Wilkinson) ist die Anklage gegen die faktisch unschuldige Mary Surratt eine reine Farce, die einzig und allein als staatlicher Racheakt gewertet werden muss und die damit eine verfassungsschädigende Aktion darstellt. Er bekniet den Nachwuchsanwalt und Kriegsveteranen Frederick Aiken (James Macavoy), Mrs. Surratt zu verteidigen, eine ebenso zermürbende wie letzten Endes müßige Aufgabe.

Welche und wie viele unrühmliche(n) Kapitel es in der amerikanischen Historie gibt, kann man besonders akribisch anhand der US-Filmgeschichte ablesen, die seit ihrem Bestehen als Aufbereitungs- und Aufarbeitungsmaschinerie für nationale Fehler und Debakel gehandhabt wird. "The Conspirator" fügt jener Gattung einen neuerlichen Beitrag hinzu. Zwar hat die unrechte Verurteilung und Hinrichtung Mary Surratts, wie der Film einem per Schlusstafel versichert, dazu geführt, dass jeder US-Zivilist auch das Recht auf einen Zivilprozess hat, dies macht die arme Frau (von Robin Wright mit einer beinahe schon sakralen Märtyrerinnen-Gleichmut porträtiert) jedoch auch nicht wieder lebendig und die ihr aufgrund rein staatlicher Willkür widerfahrene Ungerechtigkeit keinesfalls ungeschehen. Worum es dem sich ja selbst gern zum intellektuellen Förderer stilisierenden Redford letzten Endes vornehmlich ging; um die Bestandsaufnahme eines krisengeschüttelten und von der Überreaktion bedrohten Staates oder um die Darstellung des steinigen Weges hin zu einem weiteren Schritt Freiheit, kann nur gemutmaßt werden. Filmisch betrachtet ist "The Conspirator" - erwartungsgemäß - in seiner Position als Ausstattungsdrama höchst akkurat und mit größter Sorgfalt gefertigt. Die stark stilisierten Bilder sind durch digitale Nachbereitung in ausschließlich bräunlichen sepiafarben gehalten und wirken, zeitgenössischen Fotografien gleich, zusätzlich ausgeblichen und unscharf. Mag sein, dass ihre anfängliche, affektive Wirkung zunächst noch von dem ansonsten etwas fleischlos scheinenden Skelett des Films ablenken kann; allen äußeren Schmuckes entledigt bleibt jedoch wenig mehr als ein immerhin gut gemeintes, leicht überdurchschnittliches Werk.

6/10

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THE BEDFORD INCIDENT (James B. Harris/UK, USA 1965)


"We're a determined force!"

The Bedford Incident (Zwischenfall im Atlantik) ~ UK/USA 1965
Directed By: James B. Harris

Der Journalist Ben Munceford (Sidney Poitier) kommt zeitgleich mit dem neuen Sanitätsoffizier Potter (Martin Balsam) auf den im Atlantik kreuzenden Navy-Zerstörer 'Bedford', um über dessen Kurs und ganz besonders den mysteriösen Captain Finlander (Richard Widmark) zu berichten. Sowohl Munceford als auch Potter wird rasch klar, dass die gesamte Mannschaft der Bedford unter einem enormen Druck steht, der ans Explosive grenzt. Der Grund: Captain Finlander ist ein hitzköpfiger und kriegslüsterner Fanatiker, der den Finger permanent am imaginären Abzug hat. Aktuell verfolgt und provoziert er mit Nachdruck ein sowjetisches U-Boot, das sich in grönländische Hoheitsgewässer geflüchtet hat. Bald wird die angespannte Situation für jedermann an Bord der Bedford unerträglich.

Spannende Studie über den Kalten Krieg und mit welch furchtbar immanenter Konsequenz dieser nicht nur vor Kuba akut heiß zu werden drohte. Dabei gestaltet sich Harris' Film vornehmlich als in schmucklosem schwarzweiß inszeniertes, konzentriertes Kammerspiel, der seinen unerbittlichen Zug aus dem permanenten Spannungsfeld vierer beteiligten Personen bezieht - allen voran der zunächst undurchsichtige Captain, von dem man lediglich erfährt, dass er von der Kommandatur in Washington stoisch bei Beförderungen übergangen wird, ferner der liberale Journalist, der philanthropische neue Schiffsarzt und ein vormals bei der deutschen Kriegsmarine beschäftigter Kommodore (Eric Portman) als graue Eminenz im Hintergrund. Nach und nach richten sich sämtliche Bemühungen und Vernunftzusprüche gegen Captain Finlander, der jedoch mit jeder räsonistischen Bemerkung nur noch trotziger zu reagieren scheint. Am Ende wartet die große Katastrophe, wie man sie bereits aus "Dr. Strangelove" und Lumets "Fail Safe" kennt. Und wie jene beiden sollte auch "The Bedford Incident" noch heute zum ausbilderischen Pflichtprogramm für jeden Fähnrich zählen.

8/10

James B. Harris Kalter Krieg Atlantik Militär U-Boot


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ODD MAN OUT (Carol Reed/UK 1947)


"We're all dying."

Odd Man Out (Ausgestoßen) ~ UK 1947
Directed By: Carol Reed

Nach einem Überfall wird der unter Panikattacken leidende IRA-Flügelmann Johnny McQueen (James Mason) wird bei einem Banküberfall angeschossen und während der anschließenden Flucht von seinen Kameraden getrennt. Schwer verletzt schleppt sich Johnny durch das winterliche Belfast und von Versteck zu Versteck, stets auf der Fliucht vor der Polizei und verräterischen Zeitgenossen, die ihn aus Angst oder aus Gier bezüglich des auf seinen Kopf ausgesetzten Preisgeldes zu denunzieren trachten.

Es ist gar nicht mal so sehr die Geschichte des 'dead man running' Johnny McQueen, denn primär das von Belfast und seinen Einwohnern entworfene Kaleidoskop, das "Odd Man Out" zu einem Meisterwerk macht. Der große Kameramann Robert Krasker, der kurz darauf für Reed auch dessen monolithischen "The Third Man" photographieren sollte, ist ein Poet der Städteabbildung. In ungeschönter und zugleich faszinierend realistischer Manier präsentieren sich die taumelnden Metropolen bei ihm als Horte der Angst und Verunsicherung, zugleich jedoch auch stets als solche pulsierender Vitalität und des ungebrochenen Überlebenswillens des Ungeziefers Mensch. Dazu liefern Krasker und Reed ihren Zuschauern ein Panopticon expressionistischer Tableaux, harte, geometrische Formanordnungen und Licht-Schatten-Übergänge. Der zugegebenermaßen (wie eigentlich immer) völlig großartig agierende Mason dient der Geschichte im Prinzip lediglich als Motor; man ahnt schon zu Beginn, dass ihn eine latente Todessehnsucht begleitet und die Sühne für sein Verbrechen in nicht sehr weiter Ferne auf ihn wartet. Deutlich spannender sind da all die mehr oder weniger opportunistischen, verschrobenen Typen, mit denen McQueen während seiner Odyssee ins Jenseits in Berührung kommt: Ängstliche Kinder und Krankenschwestern, Droschkenführer, Kneipiers, Tagelöhner, Bohèmiens und Studienabbrecher kreuzen Johnnys Weg und beeinflussen ihn in jeweils entscheidender Weise.

10/10

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TRAFFIC (Steven Soderbergh/USA, D 2000)


"They talk like they're conspiring to conspire."

Traffic ~ USA/D 2000
Directed By: Steven Soderbergh

An allen möglichen nordamerikanischen Fronten tobt der Krieg gegen und für Kokain und Crack aus Mexiko: Ein ehrgeiziger Politiker (Michael Douglas) wird mit den Schrecken der Sucht in Person seiner eigenen, kinderjährigen Tochter (Erika Christensen) konfrontiert, ein Polizist (Benicio Del Toro) aus Tijuana wandelt beständig auf dem schmalen Grat zwischen Angst und Gewissen, zwei US-Cops (Don Cheadle, Luis Guzmán) beschützen einen wichtigen Kronzeugen (Miguel Ferrer), der gegen einen der wichtigsten Koks-Importeure (Steven Bauer) Kaliforniens aussagen soll, dessen Gattin (Catherine Zeta-Jones) sich angesichts der Enthüllungen um ihren Mann und existenzieller Bedrohungen vom biederen Hausmütterchen zur knallharten Gangsterbraut entwickelt, ein mexikanischer General (Tomas Milian) plant, selbst in das wohlkorporierte Geschäft mit harten Drogen einzusteigen.

In Soderberghs Ensemblefilm kreuzen sich irgendwann mal die Wege fast aller Beteiligten; ohne, dass sie jeweils gerade ahnen, wer ihnen entgegenkommt, sind das jeweils schicksalhafte Begegnungen. Überstilisierung hat man dem Regisseur vorgeworfen, der hier mit grobkörnigen Filtern und tiefen Primärfarben arbeitet, mit DV-Kamera und Jump Cuts herumhantiert, als gelte es, die Nouvelle Vague auf amerikanischem Grund verspätet lobzupreisen. Dabei soll doch bloß Realismus Trumpf sein, die wesentliche Sinnlosigkeit des ewigen Kriegs gegen die Schwemme harter Opiate aufgezeigt werden, die man, so das nüchterne Fazit des Films, mit rechtsstaatlichen Mitteln niemals gänzlich in den Griff bekommen wird. Dabei geht es Soderbergh weniger um gezielte Milieueinblicke, nein, eine großangelegte, sämtliche Facetten und Charaktere abdeckende Bestandsaufnahme hatte er im Sinn, mit scheinbar unwillkürlich und rein zufällig beteiligtem Personal, das jeweils reale Pendants sein Eigen nennen darf. So kommt es schließlich, dass die abgefuckte Cracknutte hier ausnahmsweise mal nicht der Ethnie XY entstammt, sondern just des vom Senat obersten Drogenbeauftragten Töchterlein ist. Realismus? Vielleicht doch nicht so ganz...
Aber dann gibt es da ja noch die umso lohnenswertere zwingend-tolle Episode um Milian als ultrabösem Sith Lord des globalen Drogenimperiums und Benicio Del Toro als dessen tapferem Widersacher, so wie eigentlich das gesamte, atemberaubende, mit mindesten sechzehn großen Namen auftrumpfende Ensemble einfach nur bombastisches Spiel präsentiert. "Qualitätskino", sicher, aber welches von der Sorte, das sich gefallen zu lassen nicht weh tut.

8/10

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21 HOURS AT MUNICH (William A. Graham/USA 1976)


"Be human. Show humanity to the world."

21 Hours At Munich (Die 21 Stunden von München) ~ USA 1976
Directed By: William A. Graham

Während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München nehmen einige Terroristen der palästinensischen Organisation "Schwarzer September" elf Athleten der israelischen Mannschaft als Geiseln. Ihr Ziel ist die Freipressung und Haftentlassung einer größeren Zahl verbündeter politischer Gefangener. Die israelische Präsidentin Golda Meir jedoch lässt nicht mit sih verhandeln und so ist es an Polizeichef Manfred Schreiber (William Holden), die Verhandlungen mit den Terroristen unter deren Anführer Issa (Franco Nero) zu einem halbwegs glimpflichen Ende zu führen. Der Ausgang des Geiseldramas jedoch verläuft blutig.

Kaum zu glauben, dass "21 Hours At Munich" eigentlich "bloß" ein Fernsehfilm ist - seine professionelle, überaus konzentrierte und von permanenter, intensiver Spannung getragene Inszenierung lässt da durchaus auch andere Vermutungen zu. Tatsächlich lief der Film in vielen Ländern, so auch bei uns, auf der großen Leinwand, wohl als Resultat seiner sehr cinephilen Qualität. An Spielbergs umfassendes Zeitporträt "Munich", das ja auch den Vorlauf und speziell die Folgen der Geiselnahme zeigt, reicht Grahams vergleichsweise kleiner Film erwartungsgemäß zwar nicht heran; als konzentrierte Fiktionalisierung und/oder Dramatisierung der bestürzenden Ereignisse ist er jedoch kaum minder aufregend. Wie so häufig bei Filmen dieser Thematik und dieser Periode muss der in diesem Falle ganz besonders illustren Besetzung einfach eine kleine Erwähnung zuteil werden: Neben den Altstars Holden (mit der Synchronstimme von Heinz Drache nebenbei) und Nero finden sich noch Anthony Quayle als isrealischer Agentenprofi und Richard Basehart (als Willy Brandt!) ein. Michael Degen und Jan Niklas tauchen in kleineren Gastrollen auf und Hans-Dietrich Genscher wird von dem bekannten Münchener Regisseur Georg Marischka interpretiert. Unter den Geiseln finden sich derweil Herbert Fux und David Hess in trauter Kombination.

8/10

München Nahost-Konflikt Terrorismus Olympische Spiele Historie TV-Film William A. Graham


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CLOAK AND DAGGER (Fritz Lang/USA 1946)


"Everyone to leave leaves a hole."

Cloak And Dagger (Im Geheimdienst) ~ USA 1946
Directed By: Fritz Lang

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs lässt sich der amerikanische Nuklearspezialist Alvah Jesper (Gary Cooper) vom Geheimdienst anheuern, um herauszufinden, wie weit die faschistische Achse in Europa mit dem Bau der Atombombe gediehen ist. Die Aussicht, seine alte Schriftkorrespondentin Katerin Lodor (Helen Thimig) wiederzusehen, erscheint ihm allzu verlockend. In der Schweiz will er die Lodor zunächst aufsuchen und in Sicherheit bringen, doch die widerständischen Befreiungsversuche scheitern. Als nächstes gilt es, den in Italien festgehaltenen Professor Polda (Vladimir Pokoff), der mit der Gefangenschaft seiner Tochter erpresst wird, herauszuholen. Zusammen mit der Widerstandskämpferin Gina (Lilli Palmer), in die er sich verliebt, gelingt Jesper das waghalsige Unternehmen.

Erfrischend sorgfältig gemachter Spionagethriller unter Prononcierung starker, dem Mannsvolk ebenbürtigen Frauencharakteren, der wie viele der um diese Zeit von Lang gemachten Kriegsfilme mit knallharter Kritik am Faschismus nicht spart. "Cloak And Dagger" zeigt ein Mitteleuropa der Verunsicherung und des Schweigens, in dem jeder Verdacht und jede falsche Bewegung umgehend zur Verhaftung führen kann. Anders als die späteren Agentenabenteuer, die den Kalten Krieg als Weltkulisse für ihre poppig-exotische Action benutzten, kann hier von "classic excitement" kaum die Rede sein. Das Dritte Reich liegt wie eine bleierne Kuppel über dem bereits teilzerbombten Kontinent und die Angst vor Massenvernichtungswaffen in den Händen Hitlers oder Mussolinis ist allgegenwärtig. Filme wie "Cloak And Dagger", "Ministry Of Fear" oder auch "The Seventh Cross", die eben allesamt von Immigranten gemacht sind, verdeutlichen weit über das übliche propagandistische Hollywood-Schema dieser Tage hinaus die äußere Besorgnis über die Zustände und sind damit durchweg immens wichtige Zeitzeugnisse.

8/10

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TOPAZ (Alfred Hitchcock/USA 1969)


"I love the Cubans. They are so wild!"

Topaz (Topas) ~ USA 1969
Directed By: Alfred Hitchcock

Herbst 1962, kurz vor der Kuba-Krise: Der sowjetische Überläufer Kusenov (Per-Axel Arosenius), einst ein hochrangiger KGB-Beamter, hält für seine westlichen Asylstifter einige überraschende Eröffnungen bereit: Zum Einen weiß er, wie in Erfahrung zu bringen ist, wo genau auf Kuba die Russen ihre Raketen stationeren wollen, zum anderen kennt er eine strenggeheime Organisation französischer Doppelagenten namens "Topas", in die sogar Regierungsmitglieder verstrickt sind. Der Agent Deveraux (Frederick Stafford), ein Mann für alle Fälle, beschafft die wichtigen Informationen über die Sowjets und lässt Topas auffliegen.

Offenbar nicht unbeeindruckt vom Erfolg der James-Bond-Reihe, ließ sich Hitchcock zunächst von Leon Uris selbst ein Treatment zu dessen gleichnamigem Erfolgsroman schreiben, dass dann jedoch noch mehrfach modifiziert wurde. "Topaz" stellte für den Regisseur in vielerlei Hinsicht einen "Zäsurfilm" dar; er beschäftigt sich mit einem realen Ereignis der jüngeren Globalhistorie, verzichtet auf Hollywood-Stars, zerfällt in eine fast episodische Struktur, die lediglich durch das Deckelthema und die Hauptfigur Andre Deveraux verknüpft ist und bildet zudem Hitchcocks erste, unfreiwillige Gehversuche bezüglich improvisatorischer Inszenierung. Der sonst als eherner Kontrollfreak bekannte Meister hatte hier keine Zeit für das Erstellen großzügiger Storyboards und übriger Planungen, da das zu drehende Material in der von Samuel Taylor umgeschriebenen Fassung in Schriftform teils erst kurz vor Drehbeginn eintrudelte. Das stark zerfaserte, emotional seltsam entleerte Resultat spricht Bände. Selbst in der von Hitch persönlich gestrafften Fassung ist der Film noch deutlich zu umwegsam und hangelt sich an einzelnen, wie immer sicherlich gelungenen Szenen und Einstellungen entlang, die jedoch allesamt ins Nirvana führen. Am Ende fühlt man sich, als hätte man irgendeiner x-beliebigen, zweistündigen Dauerberieslung beigewohnt, nicht aber einem Film von Alfred Hitchcock. Ein weiterer großer Faux-pas besteht nach meinem Dafürhalten darin, dass "Topaz" schlicht hässlich aussieht. In memoriam so meisterhafter wie wunderschöner Lehrstunden in Farbdramaturgie von "Under Capricorn" über "To Catch A Thief" bis hin zu "Vertigo" fragt man sich, was eigentlich auf dem Wege passiert sein mag. Nun, Robert Burke war verstorben, aber dieses blasse, mit Weichfiltern übersäte, zwischen plüschigem Beige und rebellischem Olivgrün pendelnde Einerlei von Jack Hildyard ist tatsächlich nicht bloß unansehnlich, sondern langweilig noch dazu. Einem Mann, der einst vor Professionalität strotzte und nichts oder kaum etwas dem Zufall überlassen hat, dabei zuzuschauen, wie er aus Alters- und Gesundheitsgründen kreativ niederzugehen droht, ist summa sumarum alles andere als ein Vergnügen. Das übliche Cameo zeigt Hitch, wie er von einer Krankenschwester im Rollstuhl zu einem Flughafen-Terminal gebracht wird. Symbolischer hätte es wahrlich kaum ausfallen können.

4/10

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TORN CURTAIN (Alfred Hitchcock/USA 1966)


"They didn't know about Lindt!"

Torn Curtain (Der zerrissene Vorhang) ~ USA 1966
Directed By: Alfred Hitchcock


Der Raketenforscher Professor Armstrong (Paul Newman) reist angeblich nach Skandinavien, um mit Zwischenstopp in Kopenhagen ein wissenschaftliches Symposium in Stockholm zu besuchen. Jedenfalls glaubt das seine Verlobte und Mitarbeiterin Sarah (Julie Andrews). Armstrong entpuppt sich jedoch als Überläufer, der künftig in der DDR für den Ostblock arbeiten will. Doch ist auch dies wiederum nichts als Flunkerei: Tatsächlich lässt sich der Professor als Amateurspion, der eine geheime Formel von einem seiner führenden ostdeutschen Konkurrenten in Erfahrung bringen und in den Westen schmuggeln soll, einsetzen. Die Erleichterung bei Sarah über diese Eröffnug ist groß, die Fluchtschwierigkeiten zurück hinter den Eisernen Vorhang jedoch sind noch umso größer.

Die Luft ist raus, vorläufig zumindest. Unter Verzicht auf drei so bewährte wie treibende Kräfte seines bisherigen Mitarbeiterstabs, nämlich dp Robert Burke und Cutter George Tomasini, die beide kurz hintereinander verstaben, sowie den Komponisten Bernard Herrmann macht sich auch bei Hitch eine akute kreative Nachlässigkeit breit. Nach dem bewusst unter vokabulären Auslassungen stehenden und ironischen "North By Northwest" knöpfte der Meister sich hier erneut das Thema "Kalter Krieg" vor und schubst uns zusammen mit einem tückischen, fast ausschließlich physisch vorhandenen Paul Newman und der nicht minder deplatzierten Trällerdohle Julie Andrews (mit der wir als Suspense-Agentin fast durchweg auf informativer Augenhöhe stehen) in eine halbseidene, und, am schlimmsten, völlig uninteressante Agentengeschichte. Genau wie "North By Northwest" wagt "Torn Curtain" einen Brückenschlag zurück zu Hitchcocks englischer Periode, die ja noch mit Spionage und mysteriösen Formeln angefüllt war, schafft es im Gegensatz zu ersterem jedoch nicht, daraus ein Kunstwerk zu machen, dass auch abseits jedweder Storykonvention schlichtweg hinreißend zu sein vermag. "Torn Curtain" hingegen mutet an wie eine graue Maus im von geschmeidigen Großkatzen regierten Werk des Meisters, in die lediglich die Nebencharaktere Farbe bringen: Wolfgang Kieling als permanent kaugummikauender Stasi-Spitzel mitsamt bitterböser Sterbeszene, dessen Herz insgeheim für Amerika schlägt und der eigentlich liebend gern wieder zurück in seine New Yorker Bude, "Ecke Eighty-Eighth und Eighth", zöge, Ludwig Donath als spinnerter, egomanischer Ost-Wissenschaftler (eine recht liebevolle Reminiszenz an Michael Chekhov in "Spellbound") und vor allem Lila Kedrova als polnische Gräfin, der Hitch (möglicherweise unbewusst) die schönsten und bewegendsten Augenblicke seines Films schenkt. Ohne diese Figuren wäre "Torn Curtain" allerhöchstens eine lahme Fußnote, so bleibt er immerhin lebendiger Zeuge eines späten Scheiterns, einer Demonstration traurigen, aber wahren Anachronismus'. Wenn man sich so lang und intensiv wie ich jetzt mit Hitchcock beschäftigt, tut man gut daran, sich vor Augen zu halten, dass mit Ausnahme des letzten Aufbäumens "Frenzy" nach Hunderten glamouröser und bezaubernder Momente am Ende die schweren Balken des Niedergangs harren. Immerhin habe ich zwei davon schonmal hinter mir.

6/10

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