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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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WHEN YOU'RE STRANGE (Tom DiCillo/USA 2009)


"I'm the lizard king - I can do anything!"

When You're Strange ~ USA 2009
Directed By: Tom DiCillo


Die vierundfünfzig Monate währende Geschichte der kalifornischen Rockband The Doors, die mit dem drogen- und alkoholinduzierten Tod des siebenudzwanzigjährigen Sängers Jim Morrison ihr vorhersehbares Ende fand.

Ungewöhnlich an DiCillos Doors-Doku ist die Art der Präsentation: Mit einem Off-Kommentar von Johnny Depp unterlegt präsentiert DiCillo eine kompetente Montage, die jedoch ausschließlich Archivaufnahmen erhält. Das verwendete Bildmaterial enthält dabei tatsächlich viel bisher Ungesehenes, darunter aus bislang verschlossen gewähnten Truhen gehobene Schätze, deren Verwendung "When You're Strange" jedoch zum unfreiwilligen Bastard macht: Der langjährige Doors-Anhänger findet an Informationsgehalt nichts Neues und muss sich zwangsläufig an einer Melange aus Altbekanntem und Ungesehenem delektieren, "Einsteigern" indes mag DiCillos Stil ein wenig verschroben anmuten - es klafft eine unübersehbare Divergenz zwischen Anspruch und Umsetzung. Auch der Einfall, die gesellschaftspolitische Entwicklung inner- und außerhalb der Grenzen der USA mit der Bandbiographie zu verquicken, ist so revolutionär nicht...
Ich persönlich hätte mir das Ganze eine halbe Stunde länger und angereichert mit Interviews mit Manzarek, Densmore und Krieger gewünscht, die das ewige Mysterium Morrison vielleicht ein klein wenig illuminierten. Dennoch ist "When You're Strange" ein starker Film geworden, dem ich mich bestimmt nicht zum letzten Male hingegeben habe.

8/10

Band Musik Tom DiCillo Biopic


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ANVIL! THE STORY OF ANVIL (Sacha Gervasi/USA 2008)


"At least there was a tour for it to go wrong on."

Anvil! The Story Of Anvil ~ USA 2008
Directed By: Sacha Gervasi


Die von den beiden Gründungsmitgliedern und Busenfreunden Lips Kudlow und Robb Reiner am Leben erhaltene kanadische Metalband Anvil konnte im Gegensatz zu ihren Mitstreitern von vor dreißig Jahren nie den ihnen zustehenden Erfolg verzeichnen. Anvil-Fan Gervasi begleitet die Band etwa zwei Jahre lang auf einer katastrophalen Europa-Tour und bei den Aufnahmen ihres Albums "This Is Thirteen".

Eine Legende, die keine ist.
Das Schön(st)e an Rockmusikdokus ist ja, dass sie zwei elementare Gegenwartskunstformen miteinander verbinden und damit in den meisten Fällen etwas schaffen, das Anhänger beider Medien beglückt. Wenn, wie im Falle "Anvil!", noch ein zutiefst menschliches, tragikomisch-existenzielles Element hinzukommt, fällt das Resultat im Optimalfall umso sehenswerter aus. Ich muss zugeben, dass ich als mediokrer, mitteleuropäischer Metalfan der Spätachtziger und Frühneunziger mit für meine jungen Jahre recht umfangreichem Vinylarchiv nicht eine Platte von Anvil besessen habe. Nach dem Genuss des Films schäme ich mich etwas dafür, obwohl die Gründe, wie die für die mangelnde Popularität der Band in ihrer Gesamtheit, etwas im Schummrigen liegen und näherer Beschäftigung bedürfen. Offenbar waren ein mieses bzw. nicht vorhandenes Mamnagement, Plattenveröffentlichungen im Independent-Sektor und aus jugendlicher Naivität heraus getroffene, karrieristische Fehlentscheidungen etwa zu gleichen Teilen dafür verantwortlich.
Gervasi präsentiert uns zwei liebenswert-knuffige, alternde Underdogs, die unbeirrt einem unerfüllbaren Lebenstraum hinterherhecheln (wobei man den latenten Eindruck erhält, dass Reiner die ganze Kiste nurmehr durchzieht, um seinem alten Freund Kudlow eine faustdicke Depression zu ersparen) und dafür nach Kräften schuften. Ihre emotionale Entwicklung scheint irgendwo in den frühen Zwanzigern stehengeblieben zu sein; umso authentischer das Auftreten der beiden. Der Tru-Metal-Fan wird ein Tränchen im Knopfloch verstecken, der Freund guter Dokumentationen hingegen bekommt ein Pamphlet der Hoffnung kredenzt. Wenn das nichts ist.

9/10

Sacha Gervasi Band Musik Biopic


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THE LAST WALTZ (Martin Scorsese/USA 1978)


"Thanks for letting me do this."

The Last Waltz ~ USA 1978
Directed By: Martin Scorsese


Für die Dokumentierung des gloriosen Abschiedskonzerts seiner Combo holte sich "The Band" - Kopf Robbie Robertson Scorsese, der den finalen Gig der kanadischen Truppe am 25. November 1976 im Friscoer Winterland Ballroom einen der allerschönsten Konzertfilme umarbeitete, die die Kinoleinwände je die Ehre hatten zu spielen. Robertson, Rick Danko, Levon Helm, Garth Hudson und besonders Richard Manuel, allesamt Großmeister an ihren Instrumenten, kokettierten zu "Lebzeiten" gern mit staubig-romantischer Südstaatennostalgie und verquickten diese mit dem Freigeist der 68er. Heraus kam ein großartiger Sound zwischen Blues und Rock'n Roll, der der Band sehr viel Bewunderung und Eherbietung eintrug. Umso illustrer die Gästeliste für das Set: Von Neil Diamond über Eric Clapton, Muddy Waters, Joni Mitchell, Bob Dylan bis hin zu Ronnie Wood, Ringo Starr und Neil Young reicht das sich ein wenig wie ein who's who des Rockodeons lesende Aufgebot. Die Songs, allen voran das orgiastische "The Night They Drove Old Dixie Down", werden so wunderbar und leidenschaftlich gespielt, dass sie einem die Tränen in die Augen treiben, was selbstverständlich nicht zuletzt Scorseses sorgfältiger "Inszenierung" der Performance zu verdanken ist. Diese wird immer wieder von inserts unterbrochen, in denen der Regisseur die Bandmitglieder um ihre Philosophie und die Bedeutung von Musik für ihr Leben befragt und darauf Antworten erhält, die ihrem Wesen nach nur schwer nachvollziehbar zu beschreiben sind und sich zwischen Brillanz und unerschütterlichem Selbstverständnis bewegen.
Ein Gipfeltreffen der Genies.

10/10

Konzert Martin Scorsese Musik San Francisco


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SHINE A LIGHT (Martin Scorsese/USA, UK 2008)


"It's good to see you all. It's good to see anybody."

Shine A Light ~ USA/UK 2008
Directed By: Martin Scorsese


2006 geben die Rolling Stones an zwei Tagen hintereinander Konzerte im New Yorker Beacon Theatre vor einem für ihre Verhältnisse relativ kleinen Auditorium. Martin Scorsese filmt und lässt es sich nicht nehmen, neben dem mit dokumentarischem Material der Bandgeschichte kompilierten Zusammenschnitt auch ein selbstironisches Porträt seiner persönlichen Arbeitsweise zu liefern.

Vortrefflicher Konzertfilm, von gegenseitiger Liebe und dem Respekt zweier betagter Repräsentanten unterschiedlicher Kunstrichtungen geprägt. Ich nehme "Shine A Light" (ganz traditionell nach einem der großen Bandklassiker benannt) in erster Linie als protestgeschwängerten Aufschrei wahr: "Unterschätzt uns nicht, bloß weil wir über sechzig sind!" Dass die faltigen, alten Herren noch ordentlich Pfeffer in den faltigen, dürren Ärschen haben, ist jedem, der sich etwas mehr als beiläufig mit ihnen beschäftigt, kein Geheimnis. Scorsese nutzt die Gelegenheit, neben einer ungeheuer beeindruckenden Dokumentation dieses Faktums gleich auch noch zu demonstrieren, dass für ihn und sein Fach dasselbe gilt. Generationsverbindend holt sich Mick Jagger Gäste wie Jack White und Christina Aguilera auf die Bühne, die neben seiner Präsenz und seiner ungebrochenen Stimmgewalt rührend grün wirken, verzichtet mit seiner Band auf eine allzu klischierte Setlist und scheut weder "kleinere" Bluesnummern (Muddy Waters' "Champagne And Reefer") noch Soul-Covers ("Just My Imagination Running Away With Me"). Die eingefügten Interview-Schnipsel, die teils vierzig Jahre altes Material enthalten und eine fast schon albern juvenil wirkende, ihre Exzentrik zelebrierende Rockband zeigen, die irgendwas davon faselt, "wohl noch ein Jahr weitermachen zu wollen", geben "Shine A Light" ein besonderes Finish.
Ganz stark.

9/10

New York Martin Scorsese Konzert Rolling Stones Musik





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Funxton

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