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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ONCE UPON A TIME IN AMERICA (Sergio Leone/USA, I 1984)


"It's just the way I see things."

Once Upon A Time In America (Es war einmal in Amerika) ~ USA/I 1984
Directed By: Sergio Leone

Um 1920 bilden die jüdischstämmigen Freunde Noodles (Scott Tiler), Max (Rusty Jacobs), Patsy (Brian Bloom), Cockeye (Adrian Curran) und Dominic (Noah Moazezi) eine eingeschworene Truppe in der Lower East Side. Mit kleinen Gaunereien verdienen sie sich hier und da einen Dollar, was dem etwas älteren Gangboss Bugsy (James Russo), der im Viertel die Karten in der Hand hält, nicht passt. Als Bugsy den kleinen Dominic erschießt, tötet Noodles ihn im Gegenzug und wandert dafür ins Gefängnis. Rund zwölf Jahre später wird Noodles als Erwachsener (Robert De Niro) entlassen. Max (James Woods), Patsy (James Hayden) und Cockeye (William Forsythe) sind unterdessen groß ins Alkoholgeschäft eingestiegen und betreiben unterhalb des Cafés ihres Kumpels Moe (Larry Rapp) einen ebenso frivolen wie gutgehenden Club mit Schnaps- und Champagnerausschank. Max schweben derweil noch weit höhere Ziele vor: Er liebäugelt mit der Politik und knüpft im Hintergrund sowohl Kontakte zu größeren Gangsterbossen wie Frankie Manoldi (Joe Pesci) als auch zum Gewerkschaftsführer Jimmy Conway (Treat Williams). Als seine Pläne sich auf einen potenziell selbstmörderischen Bankeinbruch konzentrieren, sieht Noodles seine letzten Chance, Max' Leben zu retten, im Verrat: Bei einer nächtlichen Schmuggelaktion, die Noodles an die Polizei verrät, werden Max, Patsy und Cockeye getötet. Das gemeinsam angesparte Vermögen ist spurlos verschwunden. Voller Schuldgefühle verlässt Noodles New York Richtung Buffalo - und kehrt rund fünfunddreißig Jahre später zurück, als er eine Nachricht erhält, die besagt, dass der alte jüdische Gemeindefriedhof aufgelöst und die Gräber verlegt werden. Noodles findet ein feudales Mausoleum für seine alten Freunde auf einem Privatfriedhof sowie das seinerzeit verschwundene Geld. Dann flattert dem zunehmend Verwirrten eine Einladung zu einer Party des unter öffentlicher Kritik stehenden, korrupten Staatssekretärs Bailey zu, der mit Noodles' alter Liebe Deborah (Elizabeth McGovern) ist und einen Sohn (Rusty Jacobs) hat...

Eine etwas gewagtes Thesenkonstrukt, das ich bereits seit vielen Jahren unausgegoren verfolge, mir jedoch heute wieder ganz präsent ist: Erst mit "Once Upon A Time In America" hat Sergio Leone zur eigentlichen künstlerischen Vollendung gefunden. Ich mag und liebe zumindest teilweise jeden seiner vorhergehenden Filme, in denen er seinen individuellen, elegischen Stil mehr und mehr perfektionierte. Beginnend bereits mit "Per Qualche Dollaro In Più" entwickeltte er seinen Hang zur großen inszenatorischen Pose und zur Bildgewalt, die in Kombination mit Ennio Morricones operesker Musik Dialoge zum Beiwerk degradierte und eine vorrangig visuelle Publikumskommunikation präferierte. Allerdings empfinde ich - Majestätsbeleidigung hin oder her - das Westernmilieu für Leones Arbeit als kleinen Bremsklotz, der stets einen letzten Rest latenter Vulgarität nicht verleugnen konnte, welcher Landsmännern wie Visconti oder Bertolucci, die ihre Epik mit originärer Landesgeschichte verknüpften, erspart blieb. Zwar sorgten seine Western für Leones nachhaltige internationale Popularität und ebneten den Weg zum Höhepunkt, dennoch halte ich den Genrefilm bezogen auf Authentizität und wesentliches Verständnis seitens seiner Wesenhaftigkeit und seiner schlussendlichen Inszenierung für eine strikt amerikanische Domäne. Mit "Giù La Testa" beginnt dann gewissermaßen Leones Emanzipation von der Gattung; das bereits in "Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo." gestriffene, revolutionäre Sujet liefert ihm, dem Bauchregisseur, die verhältnismäßig späte Möglichkeit, abseits von Pomp undäußerer Perfektion auch persönliches Herzblut einfließen zu lassen. Obwohl Leone noch immer nicht zu seinen nationalen Wurzeln findet, nach Mexikanern und Iren mit "Once Upon A Time In America" schließlich die jüdische Ethnie in den Blick nimmt, scheint er hier als Meisterregisseur endgültig zu sich selbst gefunden zu haben: die vormalige Dichotomie von Form und Inhalt ist aufgehoben; beide Größen erhalten eine schlussendlich gleichrangige Importanz und dienen einander, statt sich wie bisher zu hierarchisieren. Das handelnde Personal besteht nun nicht mehr aus Archetypen, sondern aus Individuen, die chronologische Verschachtelung wirkt nicht selbstzweckhaft, sondern, speziell angesichts der letzten Einstellung, als unvermeidbar für eine schlüssige Schilderung der Ereignisse. Schließlich finde ich in "Once Upon A Time In America", einem meiner liebsten Filme überhaupt (den ich mir jedoch mittlerweile nurmehr selten anschaue, weil er mich emotional so stark involviert), noch zweierlei: Die filmgeschichtlich bislang dichteste Annäherung zwischen europäischem (italienischem) und amerikanischem Kino sowie den letzten großen Seufzer des klassischen Kinos, der schon zu seiner Uraufführungszeit wie eine finale Zäsur dastand. Danach dann nur noch: Postmodernismus.

10*/10

Sergio Leone ethnics period piece New York Freundschaft


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SAMSON AND DELILAH (Cecil B. DeMille/USA 1949)


"He was not captured by force of arms, but by their softness."

Samson And Delilah (Samson und Delilah) ~ USA 1949
Directed By: Cecil B. DeMille

Der bärenstarke Nasiräer Samson (Victor Mature) ist den tyrannischen Philistern ein Dorn im Auge: Kaum, dass diese mal wieder irgendeinen alten oder verkrüppelten Hebräer triezen - eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen - ist auch schon Samson zur Stelle und wichst ihnen gehörig die Klumpen. Dass Samson die schöne Philisterin Semadar (Angela Lansbury) freit, wird ihm zähneknirschend gestattet, nachdem er einen Löwen mit bloßen Händen erwürgt. Semadars jüngerer Schwester Delilah (Hedy Lamarr), die ihrerseits ein Auge auf Samson geworfen hat, passt das jedoch gar nicht. Mittels eines intriganten Plans verhindert sie die Eheschließung des Muskelmannes mit Semadar und akzeptiert sogar deren Tod. Als sie merkt, dass Samson sich trotz allem nicht für sie interessiert, biedert sich Delilah dem Philisterkönig Saran (George Sanders) an, um sich wenigstens an dem Objekt ihrer Begierde rächen zu können. Nachdem sie Samson zum Verrat an seinem eigenen Volk treibt, ihm symbolisch seine Körperkraft durch den Verlust seines Haupthaars nimmt und dafür sorgt, dass seine Feinde ihn blenden können, opfert sie sie sich am Ende für ihn, als Samson, wieder bei Kräften, im Alleingang den Tempel des heidnischen Gottes Dagon auseinandernimmt.

Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde jedes Jahr pünktlich zur Mittsommernacht in meinem imaginären Freiluftkino ein triple feature bestehend aus King Vidors "Duel In The Sun", Hawks "Land Of The Pharaohs" und "Samson And Delilah" zeigen, dazu ein Dutzend Tempeltänzerinnen engagieren und Rotwein aus goldenen Kelchen reichen. Welches dieser drei Meisterwerke des goldenen Hollywood-Camp das schönste, weil verworfenste ist, kann man gar nicht sagen. In jedem genannten Film regieren Wolllust, körperliche Habgier und rücksichtsloser Sex vor gleißender Technicolor-Sonne; beben die juwelengefassten Dekolletés und ahnt der Zuschauer, dass die jeweils gezeigte Leinwand-Diva (ob Jennifer Jones, Joan Collins oder die Lamarr) die größte Schlampe der ganzen Weltgeschichte sein muss, die mit Brüsten versehene Personifizierung des Sündenfalls, die Schlange mit der flotten Zunge!
Cecil B. DeMille - das ist das Schöne an all seinen Filmen - konnte so, wie er wollte. Und er wollte eine Menge. Sein Hang zur gewaltigen Bibeladaption nahm im Laufe seiner Karriere immer groteskere Formen an, bis seine private Bigotterie soweit ging, dass sein Finalepos "The Ten Commamdments" sich als nichts anderes darbot denn als die Zelluloidform des vom Volk Israel gegossenen Goldkalbs. "Samson And Delilah" zeichnet diesen Weg bereits vor; er ist teuer, großkotzig und auf beklatschenswerte Art trashig; hat mit Victor Mature einen meiner Lieblingsschauspieler der Vierziger vorzuweisen und bietet mit Hedy Lamarr, die sechzehn Jahre zuvor im zarten Alter von 19 für einen handfesten Skandal gesorgt hatte, weil sie noch unter dem Namen Hedy Kiesler im österreichisch-ungarischen Film "Ekstase" eine ausgedehnte Nacktszene präsentierte, einen wahrlich steilen Zahn auf. Der liebe Gott indes präsentiert sich einmal mehr in der Menschheitsgeschichte als böser Gott, wenn er Samson unter Donner und Blitzschlag die Macht verleiht, bloß mit dem Unterkieferknochen eines Esels bewaffnet über tausend Philister-Soldaten die Schädel einzuschlagen. Aber so ist die Bibel: Ein Fanal des Blutes und der verhinderten Geilheit! Wie DeMilles grandioses Epos hier.

9/10

Cecil B. DeMille Bibel period piece Camp Sandalenfilm amour fou femme fatale


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GANDHI (Richard Attenborough/UK, IN 1982


"If you are a minority of one, the truth is the truth."

Gandhi ~ UK/IN 1982
Directed By: Richard Attenborough

Von Südafrika durch viele Teile Indiens führt der knapp fünfzigjährige Weg des einstigen Anwalts und späteren spirituellen Führers und Commonwealth-Herausforderer Mohandas Gandhi (Ben Kingsley), von Anhängern 'Mahatma' (große Seele) und 'Bapu' (Vater) genannt, von Freunden Gandhiji. Er kämpft gegen Rassismus und religiöse Separation, gegen Okkupation und Besatzung, vor allem aber, noch universeller, gegen Gewalt in jedweder Form und für den unbewaffneten Widerstand. Mit Hungerstreiks dämmt er immer wieder jene Überreaktionen seiner Landsleute ein, die seine etwas zu offensiven politischen Vorstöße hervorrufen, bis ein Fanatiker ihn schließlich im Alter von 78 Jahren erschießt.

Vielleicht der einzige echte Konkurrent für David Leans großes Monumental-Quintett, von beinahe exakt derselben Schönheit, Würde und Kunstfertigkeit, die der große britische Regisseur einst hat walten lassen. Dabei bezüglich seiner chronologischen Raffung sogar noch ungleich komplexer, verstrickter und schwieriger. Immerhin komprimiert das Script runde fünf Dekaden auf drei Stunden, lässt ein vor bewegenden Ereignissen überquellendes Menschenleben quasi im Zeitraffer und anhand biographischer und kosmopolitischer Blitzlichter Revue passieren. Und findet doch immer wieder Zeit für Zurücknahme, zugängliche Ethikdiskurse, universelle Wahrheiten, kurz: Momente der Stille und der Erhabenheit. Mit Ausnahme Ben Kingsleys und seiner indischen Kollegen Saeed Jaffrey und Roshan Seth, die Gandhis Weggefährten Sardar Patel und Pandit Nehru spielen, speist sich das exquisite, vornehmlich britische Ensemble aus Gastauftritten und Cameos. Ansonsten beeindrucken natürlich vor allem die unglaublichen Massen von Komparsen, die zu diversen Anlässen aufgefahren werden und deren Engagement eine heutzutage kaum mehr zu bewerkstelligende Logistik erfordert haben dürfte. Ein Wahnsinn. Und wahrscheinlich der letzte, echte Monumentalfilm.

10/10

Richard Attenborough Biopic Indien period piece Kolonialismus Historie Best Picture Südafrika Apartheid


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AMADEUS (Miloš Forman/USA 1984)


"From now on we are enemies, you and I."

Amadeus ~ USA 1984
Directed By: Miloš Forman

Wien um 1820: Nach einem Suizidversuch landet Antonio Salieri (F. Murray Abraham), der frühere Hofkapellmeister Kaiser Josephs II (Jeffrey Jones), in einer geschlossenen Anstalt für Geisteskranke. Nach verbalen Äußerungen, denen zufolge Salieri sich die Schuld am Tode des rund drei Jahrzehnte zuvor verstorbenen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart (Tom Hulce) gibt, soll ihm ein Geistlicher (Richard Frank) die Beichte abnehmen. Salieri berichtet davon, wie er ein von scheinbar göttlichen Gnaden gesegnetes Genie kennen, schätzen und zugleich abgrundtief hassen gelernt und Mozart wegen seines unvergleichlichen Könnens respektive aus diesbezüglichem Neid stets Steine in den Weg geworfen hat. Am Ende bleibt Salieri eine ungenießbare Mischung aus Triumph und Schuldbewusstsein.

Man muss kein ausgesprochener Freund klassischer Musik oder auch nur der von Mozart sein, um "Amadeus" zu lieben. Ferner versagt sich der Film den herkömmlichen Aufzug einer Prominentenbiographie, vielmehr zeigt er das Duell zweier Widersacher, von denen sich einer gar nicht bewusst ist, dass und wie sehr der andere ihm seine Fähigkeiten neidet und ihm darüber hinaus permanent hinterrücks zu schaden versucht. Auch ist "Amadeus" eine Reflexion über die Differenz zwischen handwerklichem Können und wahrem Genie; wobei der jeweilige, zeitgenössische soziale Einflussfaktor davon betont unbeeinflusst bleibt. Im Gegenteil fließt seine Kreativität förmlich ohne Unterlass aus Mozart heraus, während Salieri hart arbeitet. Der Eine liebt den vulgären Müßiggang, Zoten, Suff und Weiber, derweil der Andere weder die höfische noch die sittliche Etikette nie verletzen würde und sich an verbotenen Genüssen allerhöchstens Wiener Zuckerbäckerspezialitäten munden lässt. Am Ende obsiegt dann, wie so oft auch im wahren Leben, der heimliche, versteckt ausgeführte Dolchstoß. Unabhängig von derlei Diskursivität verzaubert Formans großes Werk durch seine Detailtreue, seine geradezu versessenen Hang nach Sorgfalt und filmischer Kunstfertigkeit, die jedoch nie den erzählerische Qualität zu überflügeln droht. Alles fügt sich, lebt, atmet. "Amadeus" ist somit vor allem ein quicklebendiger Film.

10/10

Miloš Forman Wien period piece Mozart Rokoko Österreich Historie Musik Duell Peter Shaffer based on play D.C. Vater & Sohn Best Picture Biopic


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THE 300 SPARTANS (Rudolph Maté/USA 1962)


"Truth is a heady wine. A politician must never exaggerate people's capacity for it."

The 300 Spartans (Der Löwe von Sparta) ~ USA 1962
Directed By: Rudolph Maté

480 v. Chr.: Der persische König Xerxes (David Farrar) steht mit einer gewaltigen Armee vor den Toren Griechenlands. Der politische Vordenker Themistokles (Ralph Richardson) weiß, dass die einzige Möglichkeit, das morgenländische Heer zu besiegen, in der Einigkeit der griechischen Königreiche liegt. König Leonidas (Ralph Egan) von Sparta sieht dies ähnlich und bietet an, mit seinen gefürchteten Mannen die Vorhut der griechischen Infanterie zu übernehmen. Doch der spartanische Rat schiebt ihm einen Regel vor: Göttliche Feierlichkeiten verbieten den Soldaten, auszurücken. Mit seiner 300 Mann starken Leibgarde rückt Leonidas dennoch gegen Xerxes vor. Bei den Thermopylen können er und seine Getreuen die exponentiell überlegenen Perser immerhin drei Tage aufhalten und das sich im Hinterland sammelnde Hauptheer schonen, bis sie durch den Verrat des Hirten Ephialtes (Kieron Moore) vernichtend aufgerieben werden.

Ein Schlachtengemälde ganz nach meinem Geschmack, immerhin geht es einzig und allein um den mehrtägigen Kampf Leonidas' gegen Xerxes an den Thermopylen. Kleinere Handlungsbypässe wie Xerxes' Techtelmechtel mit der listigen griechischen Königin Artemisa (Anne Wakefield), die Liebesgeschichte des jungen Soldaten Phylon (Barry Coe) mit Leonidas' Nichte Ellas (Diane Baker) oder Ephialtes' niederträchtige Handlungsweise lenken nur unwesentlich vom Geschehen ab. Die Kriegskunst wird hier wirklich als solche dargestellt und bedenkenlos heroisiert, ohne die im Vergleich fast schon als widerlich zu titulierende Stilisierung der späteren Snyder-Miller-Adaption. Maté versagt sich zudem allzu redundante Ausflüge in den Camp: Obgleich diverse Italiener und Griechen an der Herstellung von "The 300 Spartans" beteiligt waren, hebt sich der Film weit vom infantil gefärbten, mediterranen Cinecittà-Sandalenkino dieser Jahre ab. Er ist vielmehr wie ein rundum befriedigender Museumsgang: Fett, satt, ausgeglichen machend.

8/10

Rudolph Maté Historie Antike Griechenland Schlacht


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GONE WITH THE WIND (Victor Fleming/USA 1939)


"Frankly, my dear, I don't give a damn."

Gone With The Wind (Vom Winde verweht) ~ USA 1939
Directed By: Victor Fleming

Georgia, 1861: Scarlett (Vivien Leigh), älteste Tochter des Plantagenbesitzers Gerald O'Hara (Thomas Mitchell), wird von jungen Männern umschwirrt wie ein Gaslicht von Motten, doch sie interessiert sich nur für den Nachbarssohn Ashley Wilkes (Leslie Howard), der wiederum bereits seiner Cousine Melanie (Olivia de Havilland) das Eheversprechen gegeben hat. In diese romantischen Wirren platzt der Sezessionskrieg, der die kriegslüsternen Konföderierten schwer in die Schranken weist und die eilends mit einem Jungspund (Rand Brooks) verheiratete Scarlett erstmals zur Witwe macht. In unregelmäßigen Abständen begegnet sie auch immer wieder dem zynischen Filou Rhett Butler (Clark Gable), der als bekennender Opportunist mit dem Krieg Geschäfte zu machen versteht, immer wieder jedoch Durchbrüche der Moral erlebt. Als Butler einige Jahre später schließlich Scarletts mittlerweile dritter Ehemann wird, lebt das Paar trotzig aneinander vorbei, obgleich man sich tief im Herzen doch liebt.

Der Schwulst dieses monumentalen Epos kann seine tiefe innere Schönheit zum Glück trotz aller Bemühungen nicht zukleistern. Ebensowenig wie der ihm innewohnende, akute Rassismus, der gegenüber Margaret Mitchells literarischer Vorlage immerhin noch deutlich abgemildert wurde. Dennoch graust es einem doch bisweilen, mit welchem Selbstverständnis das alte Hollywood noch das zwangsläufige Untermenschentum des Afroamerikaners thetoretisierte. Die bloße szenische Darstellung der Schwarzen im Film kann man ihm nicht anlasten, die entspricht vermutlich (wohl eher noch in beschönigender Form) dem südstaatlichen Zeitkolorit der Sklavenära. Dass die 'Neger' allerdings stets als unterbelichtete comic relieves herhalten müssen, deren dunkle Pigmentierung mit einer eindeutigen Form geistiger Behinderung parallelisiert wird, lässt sich nur angesichts des Alters von "Gone With The Wind" guten Gewissens ertragen. Doch welcher Pomp, welch große Gefühle lauern über diesem Trübsal: Eine Farbenpracht von größtmöglicher Schönheit, Verschwendungssucht allerorten und natürlich ein bleibend aktueller Antikriegsfilm. Bei der Betrachtung des Werkes stellt sich unweigerlich eine ganz spezielle Gefühlslage ein; diese kenne ich nur hierher und von den Filmen David Leans. Große Traurigkeit, schicksalhafte Endgültigkeit. Diese Menschen wussten offensichtlich noch, wie man mit Würde zu leiden hatte. Und wie unglaublich die Vergänglichkeit der Zeit: Bei der Kinopremiere von "Gone With The Wind" in Atlanta waren noch wirkliche konföderierte Veteranen unter den Gästen (die von der MGM freilich mit großem Trara dorthingerollt wurden, doch egal) und die Distanz zwischen der Gegenwart und der Filmentstehung entspricht in etwa der zwischen dem Ende des Sezessionskrieges und seiner Premiere. Ein Wahnsinn, das alles.

9/10

Victor Fleming George Cukor Sezessionskrieg Georgia Südstaaten Margaret Mitchell Sam Wood Sklaverei Rassismus Best Picture


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JULIUS CAESAR (Joseph L. Mankiewicz/USA 1953)


"Yet, Brutus is an honorable man."

Julius Caesar ~ USA 1953
Directed By: Joseph L. Mankiewicz

44 v. Chr.: Am Idus des März wartet auf den römischen Imperator Julius Cäsar (Louis Calhern) seine Ermordung durch einige Verschwörer im Senat, angeführt von seinen einstmaligen Vertrauten Cassius (John Gielgud) und Brutus (James Mason), die eine diktatorisch geprägte Monarchie durch den Politpatriarchen fürchten. Nachdem Brutus zunächst die Plebejer beschwichtigen kann, nutzt jedoch Cäsars Intimus Marcus Antonius (Marlon Brando) die Gunst der Stunde und wiegelt das Volk gegen die Meuchelmörder auf. Brutus und Cassius fliehen und sehen sich bald darauf dem sie verfolgenden Antonius und seinen Heerscharen gegenüber.

Mankiewicz' ehrgeizige Shakespeare-Adaption stellt den seltenen Fall einer Studiogroßproduktion dar, die sich an den originalen Dramentext hält und ihren monumentalen Aufwand hinter sinnierende Monologe und nicht minder "unterhaltungsfeindliche" Dialoge stellt. Eine grandiose Darstellergarde gibt es zu bewundern, an deren vermeintlicher Spitze der soeben im kometenhaften Aufstieg begriffene Brando steht, die jedoch tatsächlich von James Mason angeführt wird, dessen klassische Schauspielausbildung in herrlicher Weise mit Brandos method acting kollidiert bzw. sich durch jenes ergänzt. Dass diese beiden so unterschiedlichen professionellen Ansätze sich zusätzlich ausgerechnet durch eine inhaltsgebundene Antagonistenschaft niederschlagen, sollte im Nachhinein betrachtet kein Zufall sein.
Altehrwürdiges mit Stecken und Stab.

8/10

Joseph L. Mankiewicz based on play William Shakespeare period piece Historie Römisches Reich Rom Verschwörung


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ESTHER AND THE KING (Raoul Walsh/I, USA 1960)


"Hang the betrayer!"

Esther And The King (Das Schwert von Persien) ~ I/USA 1960
Directed By: Raoul Walsh

500 Jahre vor Christi Geburt beherrscht Xerxes (Richard Egan), der König der Perser, ein gewaltiges Reich. Als er von einem seiner Feldzüge zurückkehrt und registriert, dass seine Frau (Daniele Rocca) ihn betrogen hat, wird er zum Zahnrädchen in einem allumspannenden Stürzungsplan seines intriganten Würdenträgers Haman (Sergio Fatoni). Dieser sucht eine Judäerin für Xerxes' nächste Ehe und findet sie in der Person der jungfräulichen Esther (Joan Collins). Mit viel Aufopferungsbereitschaft vermag es Esther schließlich, Xerxes zu einem gerechteren Herrscher zu machen und ihn die wahre Natur seines Erzfeindes Haman erkennen zu lassen.

Purer Camp ist dieser Ausflug von Walsh nach Rom geworden, wo er mit einer fast durchgängig italienischen Crew, darunter Mario Bava als DP und unkreditiertem Co-Regisseur, dieses herrliche Stück Bibeltrash aus dem Boden stampfte. Bereits die Besetzung der Collins, die ja zuvor schon Hawks' Ägypten-Epos "Land Of The Pharaohs" einen unwiderstehlichen Schmierfilm verlieh, garantiert für exploitatives Hinguckerkino erster Garnitur. Die Geschichte ein einziger antiker Witz, die Formalia schön, lieb und teuer, die Atmosphäre durchsetzt von schwüler Ränke und säurehaltiger Boshaftigkeit - so liebt man sein kleines Monumentalkabinett. Kokain, appe Köpfe und angedeuteter Sex - für einen Streifen von anno 60 liefert "Esther And The King" beachtliche Schauwerte. Wie sich ausgerechnet Raoul Walsh in diesen amüsanten Killefit verirren konnte, weiß ich nicht genau, aber das ist ja eigentlich auch ganz egal.

6/10

Raoul Walsh Persien Bibel Camp Trash Mario Bava


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THE ALAMO (John Wayne/USA 1960)


"Republic. I like the sound of the word."

The Alamo ~ USA 1960
Directed By: John Wayne

Texas, 1836: Der mexikanische General Santa Anna rückt gen Norden vor, um der dräuenden Republikwerdung des Staates entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite steht General Sam Houston (Richard Boone), der die Interessen der vorwiegend nordamerikanischen Siedler vertritt. Zwischen den beiden Armeen befinden sich nurmehr der Rio Grande und die halb verfallene Mission Alamo, von Colonel William Travis (Laurence Harvey) kurzerhand zum Fort und zur letzten Verteidigungsbastion gegen den unaufhaltsam gegen Houston ziehenden Santa Anna ausgerufen. Neben dem dandyhaften Travis verschanzen sich noch die beiden Colonels und Milizenführer Jim Bowie (Richard Widmark) und Davy Crockett (John Wayne) mit ihren Leuten in Alamo. Rund 180 Soldaten stehen gegen eine 7000 Mann starke Armee und das Fort kann immerhin dreizehn wertvolle Tage gehalten werden, bevor Santa Anna es endgültig erstürmt.

"The Alamo" ist das Lebenswerk von John Wayne, sein Traumprojekt, das ihn ein ums andere Mal fast in den Bankrott getrieben und für das er gekämpft hat wie für keine andere Arbeit sonst. Zahlreiche Anekdoten und Legenden ranken sich um die Entstehungsgeschichte dieses durch und durch prachtvollen Films, der, wie Joe Hembus es so schön formuliert, Wayne-Hassern wie Wayne-Verehrern allen nötigen Zündstoff zur Untermauerung ihrer jeweiligen Argumentationsbollwerke liefert. "The Alamo" hofiert die US-Staatsräson wie nur wenige andere Kinostücke, faselt in polithistorisch denkbar naivsten Tönen von Freiheit und Demokratie und kultiviert Heldentum wie Reispflanzen, derweil sich der Weltpolizist im realten Kalten Krieg sowie inmitten der zwei Prügeleien von Korea und Vietnam befand.
"The Alamo" jedoch schlug Dukes ganz persönliche Schlacht, und wie er dies vollführte, ist von einer formalen und atmosphärischen Brillanz, die im Prinzip alle Neider mundtot machen sollte: Wayne stellt unter Beweis, mit welch aufmerksamer Lernfähigkeit er Ford und Hawks über die Schultern geschaut hat, lässt nach "Rio Bravo" erneut Tiomkins "Deguello" erklingen, derweil jeder den Ausgang dieses Mammutprojekts kennen dürfte und sich selbst die Frage danach, warum man drei Stunden mit Helden fiebern soll, deren Tod am Ende sowieso unausweichlich determiniert ist, zur Beiläufigkeit degradiert findet. Leider ist die Langfassung nach wie vor weder als DVD noch als Blu-ray erhältlich; die vorliegende Version ist, wenngleich noch immer höchst delektabel, um eine gute halbe Stunde erleichtert. Neben einigen Handlungsschnitten fehlen etwa Ouvertüre und Intermission. Eine cineastische Scharte, die hoffentlich in Bälde ausgewetzt wird. Das fünfzigjährige Jubiläum vor zwei Jahren hätte einen wohlfeilen Anlass abgegeben, aber diesen hat man ärgerlicherweise verpennt.

9/10

John Wayne Alamo Texas period piece Historie James Edward Grant Belagerung


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1492: CONQUEST OF PARADISE (Ridley Scott/F, E 1992)


"Riches don't make a man rich, they only make him busier."

1492: Conquest Of Paradise (1492: Die Eroberung des Paradieses) ~ F/E 1992
Directed By: Ridley Scott

1492 bricht der Italiener und Seenavigator Christoph Columbus (Gérard Depardieu) mit dem Segen der spanischen Krone gen Westen auf, um eine alternative Meeresroute nach Asien ausfindig zu machen. Nach etwa neunwöchiger Kreuzfahrt über den Atlantik stößt Columbus mit seinen drei Schiffen auf eine Gruppe von Inseln, die von verschiedenen Eingeborenenstämmen besiedelt sind und die heute als Bahamas und Teil der Westindischen Inseln bekannt sind. Eine zweite Reise im Folgejahr steht unter eindeutiger imperialistischer Hoheit: Columbus und seine Brüder (Steven Waddington, Fernando Guillén Cuervo) werden als für Christianisierung und Ausbeutung der hiesigen humanen und ökologischen Ressourcen zuständige Gouverneure eingesetzt. Besonders jedoch der sie begleitende, spanische Edelmann Moxica (Michael Wincott) entpuppt sich als sadistischer Menschenschinder und sorgt, zusammen mit klimatischen Ungelegenheiten dafür, dass Columbus' Eroberungsträume wie eine Seifenblase zerplatzen. Später wird nicht er, sondern der Festlandfinder Amerigo Vespucci als Entdecker der Neuen Welt gefeiert.

Und da reisten sie an und brachten all das Schlechte auf Erden mit ins Paradies: Gier, Religion. Machtdurst, Intrigen, Krieg - kurz gesagt: Zivilisation. Dass ausgerechnet der dafür verantwortliche Mann fünf Jahrhunderte später als Geschichtsheld mit zwei Spielfilmen geehrt wurde, von denen der vorliegende als der wohl deutlich aufsehenerregendere bezeichnet werden darf, schmeckte nicht jedem. Und in der Tat bietet "1492" erklärten Kritikern vermutlich eine Vielzahl von Ansatzpunkten, um Scotts Kolonialepos aus den Angeln zu hebeln. Der Regisseur macht erneut von seiner überaus flamboyanten Oberflächeninszenierung Gebrauch und bietet zur zweiten Filmhälfte hin einige betont naturalistische, augenscheinlich unverhältnismäßige Momente, die in ihrer beinahe horrorartigen Ausprägung die späteren Gewaltmomente in "Gladiator" vorwegnehmen. Sein hübsch größenwahnsinniger Gestus, unterstrichen noch von Vangelis' so vielzitiertem Bombast-Score zeichnet "1492" nach meinem Empfinden jedoch erst wirklich aus, alles wirkt teuer, edel und vor allem echt. Man ahnt, welch hohes Maß an Sorgfalt in die (Re-)Kreation der Kostüme und Requisiten gesteckt wurde, mit welcher Detailversessenheit die set pieces ausgewählt und später in den Film integriert wurden. Das alles ist nichts minder als Ehrfurcht gebietend, ja, fast schon erschlagend. Und es ist eine Art Kino, die ich in ihrem naiv-simplifizierenden Selbstverständnis sehr liebe, zumal sie in ihrer Naturbelassenheit seit ein paar Jahren ausgestorben ist und hier ausnahmsweise mal kein Hollywood-Studio die Finger im Spiel hatte. Was man hier sieht, stammt alles noch aus altweltlichen Bankkonten. Ein charmanter Versuch also, 500 Jahre später nochmal neues Terrain zu erschließen.

8/10

Ridley Scott Kolonialismus Columbus Seefahrt period piece Historie Biopic Inquisition Karibik Mittelalter





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