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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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ERCOLE ALLA CONQUISTA DI ATLANTIDE (Vittorio Cottafavi/I, F 1961)


Zitat entfällt.

Ercole Alla Conquista Di Atlantide (Herkules erobert Atlantis) ~ I/F 1961
Directed By: Vittorio Cottafavi

Herkules (Reg Park) und sein Freund Androklus (Ettotre Manni), König von Theben, wohnen einer nervenaufreibenden Vision bei, die nicht nur das Ende Griechenlands, sondern sogar das der ganzen Welt prophezeit. Zusammen mit Herkules' Sohn Illus (Luciano Marin) und dem lustigen Zwerg Timotheos (Salvatore Furnani) bricht man übers Meer auf, die dräuende Gefahr ausfindig zu machen und zu beseitigen. Jene zeigt sich bald in Form der sagenhaften Insel Atlantis respektive deren Königin Antinea (Fay Spain), einer machtgierigen Diktatorin, die ihrem Machterhalt zur Bedingung ohne zu zögern ihre Tochter (Laura Efrikian) opfern will und mithilfe eines mystischen Steines eine Superrasse züchtet, mit deren Unterstützung sie die Weltherrschaft anstrebt.

Noch schöner als Cottafavis erster "Herkules"-Film mit Mark Forest gestaltet sich dieser Meilenstein des Schundfilms. Herrliche, verschwenderisch mit Goldlack bepinselte Plastikbauten, kurzsichtige Maskenbildnerei (Antineas blondbärtige Ariergarde steht den Heino-Zombies aus "Otto - Der Film" in nichts nach), des Recken bemühter Kampf gegen ein teuflisch kindergartenkostümiertes Monster namens Proteus, das sich wahlweise auch in einen sattgefressenenen, dressierten Zirkuslöwen oder in eine dreißig Zentimeter lange Babypython verwandeln kann und natürlich Reg Park selbst, mein persönlicher Lieblings-Herkules, machen Cottafavis Film zu einem Erlebnis. Meine wie immer überheblich konnotierte Schilderung des Films soll dabei der spürbarten Vitalität der Inszenierung, die vor einem fast kindlichen Enthusiasmus sowie dem Mut zur Ernsthaftigkeit inmitten der eigenen Trashprämisse strotzt bitte nicht den Weg abschneiden. "Ercole Alla Conquista Di Atlantide" ist wirklich italienischer Bodybuilder-/Sandalen-Gurkensalat at its finest accomplishment!

8/10

Vittorio Cottafavi Herkules Griechenland Atlantis Europloitation Griechische Mythologie


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NOVECENTO (Bernardo Bertolucci/I 1976)


Zitat entfällt.

Novecento (1900) ~ I 1976
Directed By: Bernardo Bertolucci

Um 1890 wird den zwei alten Patriarchen Alfredo Berlingheri (Burt Lancaster) - Großgrundbesitzer eines Landguts in der Emilia-Romagna - und Leo Dalcò (Sterling Hayden) - Berlingheris Verwalter und Vorabeiter - zur selben Stunde jeweils ein Enkel geboren. Als Kinder sind Alfredo (Paolo Pavesi) und Olmo (Roberto Maccanti) so gut befreundet, wie es der sie umgebende Standesdünkel gerade eben zulässt, ihre Jugend trennt sie jedoch vorübergehgend. Als Olmo (Gerard Depardieu) als Kriegsveteran auf den Hof zurückkehrt, findet er den opportunistischen und sich später als bösartig gewalttätig entpuppenden Attila (Donald Sutherland) als neuen Vormann. Alfredo (Robert De Niro) ist derweil Offizier geworden, ohne je in den Krieg ziehen zu müssen. Beide lernen eine Frau kennen. Olmos geliebte Anita (Stafania Sandrelli) stirbt bei der Geburt seiner Tochter, Alfredo heiratet seine Ada (Domique Sanda), doch Hochzeit und Ehe sind überschattet von Blut, Lügen und Alfredos ewiger Zauderei. Als viele Jahre später - Ada hat Alfredo längst verlassen und Olmo musste wegen einer Beleidigung des mittlerweile zu einem Schwarzhemd-Protagonisten gewordenen Attila fliehen, der Faschismus aus dem Land wird und eine sozialistischze Übergangsregierung gebildet wird, taucht Olmo wieder auf und macht seinem alten Freund Alfredo, nunmehr seiner hochherrschaftlichen Stellung enthoben, den Femeprozess.

Bertoluccis gewaltiges Porträt des Aufkeimen und Niederschlagen des italienischen Faschismus vor dem vergleichsweise intimen Hintergrund zweier ungleicher Freunde ist bis heute ein herausragendes Beispiel für kontroverses Filmemachen. Wegen einiger mitunter nicht immer geschmackssicherer Zeigefreudigkeiten gerügt und sogar gehasst, von Bertolucci, seit 68 KPI-Mitglied, als kommunistisches Manifest deklariert (was freilich in sich beißendem Widerspruch zur teuren Produktion und ausstatterischen Pracht des Filmes steht) und aufgrund vieler kleinerer und größerer Mäkel stets aus allen Winkeln heraus kritisiert, scheint "Novecento" bis heute keine wirklichen Freunde gefunden zu haben. Ich sehe mir den Film alle paar Jahre dennoch sehr gern an, wenn Muße, Zeit und Entspannung es mir gestatten. In grob vier Akte, die den Jahreszeiten zugeordnet sind, aufgeteilt, entspannt sich die wahre Komplexität des monströsen Werkes tatsächlich immer wieder erst mit ein paar Tagen Abstand. Dann vergesse ich die drei, vier visuellen Anstößigkeiten des Films, die einen im Zuge der Betrachtung noch durchaus auf Trab halten, und wende mich retrospektiv dem Gesamtbild zu; - jenes schlicht ein Beispiel für brillantes Filmemachen. Mit aller gebotenen Eleganz nähert sich Bertolucci seiner schwierig aufzuzäumenden Protagonisten-Dublone und nimmt sich ganz einfach die Zeit, die Charakterentwicklung der beiden Männer nicht per Holzhammer einzupflanzen, sondern sie sich entwickeln und reifen zu lassen. Episoden, Anekdoten, Wichtigeres und Unwichtigeres - am Ende fällt man tatsächlich kurz der Illusion anheim, Zeuge zweier Leben geworden zu sein, Ismen hin oder her. Und darin liegt das wahre Verdienst Bertoluccis und seines Films, der eigentlich eher filmgewordene Weltliteratur repräsentiert.

9/10

period piece Freundschaft Biopic Faschismus Italien Emilia-Romagna Kommunismus Skandalfilm


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LAWRENCE OF ARABIA (David Lean/UK 1962)


"My fear is my concern."

Lawrence Of Arabia (Lawrence von Arabien) ~ UK 1962
Directed By: David Lean

Der während des Ersten Weltkriegs in Kairo stationierte britische Leftenent T.E. Lawrence (Peter O'Toole) erhält den Auftrag, auf der arabischen Halbinsel den Beduinenscheich Faisal (Alec Guinness) aufzusuchen und ihn im Kampf gegen die Türken zu beraten. Bei Faisal angelangt, fasst Lawrence den eigenmächtigen Plan, mit fünfzig von Faisals Männern, darunter der mutige Sherif Ben Ali (Omar Sharif) die als unüberwindbar geltende Wüste Nefud zu durchqueren und die türkische Küstenfeste Akaba von der unbewachten Landseite her anzugreifen. Nachdem das Unmögliche gelungen ist und die britische Kommandatur in Kairo informiert wurde, soll Lawrence mit den geeinten arabischen Stämmen einen Guerillakrieg gegen die türkischen Besatzer führen. Seine Gefangennahme und Folter durch einen feindlichen Bey (José Ferrer) hinterlässt tiefe psychische Narben bei ihm, deren Auswirkungen in einer blutigen Racheaktion gegen eine türkische Garnison kulminieren. Die Einnahme von Damaskus markiert Lawrences letzte große Militäraktion, bevor er nach England zurückkehrt.

Nicht der schönste von Leans Monumentalfilmen, das ist und bleibt für mich "Dr. Zhivago", dafür jedoch sein ausgewogenster und in Bezug auf die Darstellung eines Charakters wahrscheinlich sorgfältigster. In kaum einem anderen Werk dieser Prägung wird das gattungsinhärente Missverhältnis zwischen komplexer Persönlichkeitszeichnung und bedingungslosen Schauwerten so kompromisslos ausgehebelt. Im Laufe des Films findet sich die all over England rückblickend frenetisch gefeierte Person des T.E. Lawrence nach und nach ihres mythischen Sockels entledigt und sein Wesen parallel dazu dergestalt heruntergeschält, dass am Ende ein nunmehr befremdlicher, gebrochener Mensch zurückbleibt, der seiner historisch übermächtigen Reputation kaum mehr gerecht werden kann. Nach diversen zuvor als unmöglich eingestuften Aktionen muss der sich auch selbst immens verklärende Mann sich eingestehen, dass er nicht nur keineswegs allmächtig ist, sondern dass er darüberhinaus an seinen inneren und den von außen an ihn herangetragenen Ansprüchen zu zerbrechen droht. Als sich der gewaltige, an ihn gerichtete Erwartungsdruck nach der Einnahme von Damaskus, die die Unmöglichkeit einer langfristigen Einigung der teils seit Generationen verfehdeten arabischen Stammesfürsten transparent macht, in Wohlgefallen auflöst, ist auch Lawrences "Intervention" in Arabien beendet. Von jetzt an finden sich die weiteren Konflikte zwischen Besatzern und landesstämmischer Bevölkerung vornehmlich auf dem Papier ausgetragen und er selbst sich als in diesem Teil der Welt nicht weiter von Belang.
Eines T.E. Lawrence' Entwicklungsgeschichte lässt sich kaum ohne eine gewaltige Visualisierung der ihn begleitenden Ereignisse schildern und für ebendiese Gratwanderung war David Lean fraglos der beste Mann zur Zeit. Wenngleich sein Produzent Sam Spiegel das gewaltige Werk zeitweilig um bis zu runden vierzig Minuten heruntergekürzt hatte, fand sich "Lawrence" knappe drei Jahrzehnte nach seiner Uraufführung dank des eifrigen Restaurators Robert Harris in einer der integralen Fassung zumindest sehr nahe kommenden Version wieder, die man nunmehr umweglos genießen kann. In dieser vollendeten Form taugt "Lawrence" vorzüglich dazu, einem jeden die Phrase von 'filmischer Pracht' nahezubringen, ohne sich in ausufernden verbalen Blumigkeiten zu versteigen. Danach fällt einem dann erstmal gar nichts mehr ein.
Watch it, be amazed and weep gently.

10*/10

David Lean WWI Arabien Naher Osten Wüste Biopic Kolonialismus Best Picture Syrien


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CAST A GIANT SHADOW (Melville Shavelson/USA 1966)


"I'm so damn tired of being proud of you."

Cast A Giant Shadow (Der Schatten des Giganten) ~ USA 1966
Directed By: Melville Shavelson

1946 kommt der während des Zweiten Weltkrieges an der Invasion der Alliierten beteiligte US-Offizier David Marcus (Kirk Douglas) als Militärberater nach Palästina. Für den jüdischstämmigen Kriegshelden zählt seine ethnische Identität nicht viel - außerdem empfindet er die planlose militärische Situation der Israelis vor Ort als katastrophal. Dennoch schafft er es aller Widerstände zum Trotze, die politischen Splittergruppen zu einen und eine gewisse Kampfausbildung zum Standard zu machen. Schließlich wird er der erste General des neuen Staates Israel und leistet wichtige Schützenhilfe bei der Befreiung Jerusalems.

Anders als der thematisch anverwandte, jedoch deutlich ambitionierter wirkende "Exodus" sieht sich "Cast A Giant Shadow" als reines Action- und Starvehikel, dessen politische Botschaft irgendwo im Explosionsrauch verweht. Von ernstzunehmender politischer Vehemenz kann aber ohnehin kaum die Rede sein. In einigen Rückblenden wird David Marcus bereits als kerniger amerikanischer Held mit klarer Vision gezeichnet sowie als ein Mann, der seine private Erfüllung vornehmlich in der Kriegsführung findet. Seine Frau (Angie Dickinson) wähnt sich daheim vernachlässigt, derweil Marcus amourösen Fremdabenteuern im Wechsel mit dem kombattanten Clinch auf der anderen Seite des Globus nicht abgeneigt ist.
Für den wie immer siegesgewiss grinsenden Kirk Douglas war der Film sowohl Herzensangelegenheit als auch überschwängliche Star-Auto-PR. In Gastrollen treten Frank Sinatra, Yul Brynner und John Wayne auf, der sich als mit seiner Performance als dickschädliger General Randolph inoffiziell für Douglas' vorjährige Appearance im Wayne-Vehikel "In Harm's Way" revanchierte. Später traten beide Akteure dann nochmal in gleichberechtigten Parts in Burt Kennedys "The War Wagon" auf. Senta Berger als Marcus' israelische Geliebte lässt angesichts der sie umgebenden Starpower sehr selbstbewusst durchscheinen, welch atemberaubende Schönheit sie ist. Ansonsten ist "Cast A Giant Shadow" allerdings nicht vieler weiterer Worte wert. Man kann ihn wohl gleichermaßen als abenteuerlichen Kriegsfilm vor historisch nicht ganz alltäglichem Hintergrund schätzen oder ihn als imperialistische Männerfantasie verdammen. Beides geht, nichts muss. Ich mag ja solche bunten Breitwand-Trivialismen, "aber des wissen's eh" (in memoriam Kasi).

7/10

Naher Osten Israel Nahost-Konflikt period piece Historie Biopic WWII Ethnics Kolonialismus


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EXODUS (Otto Preminger/USA 1960)


"God, don't let my brother die at the end of a British rope."

Exodus ~ USA 1960
Directed By: Otto Preminger

Zypern, 1946: Der Hagana-Abgesandte Ari Ben Kanaan (Paul Newman) fasst den Plan, rund 600 jüdische Exilanten aus aller Herren Länder nach Palästina zu schleusen, um der Welt nachdrücklich zu vermitteln, dass dort ein zionistischer Staat im Entstehen begriffen ist. Nach einiger Haderei mit den britischen Besatzern gelingt sein Vorhaben. In Palästina geht der Kampf gegen die Briten weiter. Aris Onkel Akiva (David Opatoshu) wählt dafür den militanten Weg: Er macht sich als berüchtigter Irgun-Terrorist einen Namen und ordnet Sprengungen britischer Ziele an. Als Akiva und seine Männer gefangen genommen und in der Gefängnisfestung Acre inhaftiert werden, befreit Ari sie in einer logistisch komplizierten Aktion. Kurz darauf steht die Staatsgründung Israels im allgemeinen Interesse. Für die arabische Minderheitsbevölkerung Palästinas ein Anlass für einen sofortigen Aufruf zum Heiligen Krieg.

Seine Verbundenheit zum biblisch orientierten Monumentalkino bringt Premingers "Exodus" gleich in der Titelsequenz zum Ausdruck: Ernest Golds pathetische Musik könnte ebensogut auch "The Ten Commandments" oder "Ben-Hur" eröffnen. Die ebenso ruhige wie epische Inszenierung weist dann, schon aufgrund des zeitgebundenen Settings, allerdings eher Richtung David Lean. In drei wesentlichen Episoden fasst die Uris-Verfilmung rund ein Jahr zionistischer Zeitgeschichte mit fiktivem, an authentische Personen angelehnten Protagonisten-Personal zusammen. Es gibt wenige Actionsequenzen und für einen Film dieser Größenordnung somit verhältnismäßig wenige Schauwerte. Die bereits anhand Uris' Roman geäußerte Kritik, derzufolge die Geschichte allein die israelische Perspektive beleuchte, lässt sich umstandslos auch auf Premingers Adaption übertragen. Mit Ausnahme von Aris Jugendfreund Taha (John Derek) werden die Araber im Allgemeinen und die Palästinenser im Besonderen als radikale Barbaren gezeichnet, die sich gefällist an bestehende Verhältnisse anzupassen haben, die "Friedensbotschaft" des jüdischen Volkes jedoch ignorieren und, sogar mit der Unterstützung von Nazis, zu unbarmherziem Antisemitismus aufrufen. Dass Ari Taha bald darauf ermordet und als Verräter geschändet in seinem Haus vorfindet, unterstreicht nochmals die Perfidie, mit der die muslimische Gesellschaft in "Exodus" gezeichnet wird. Der Film endet mit der Doppelbestattung Tahas und der fünfzehnjährigen Karen (Jill Haworth), die ebenfalls zum unschuldigen Mordopfer der Araber geworden ist. Eine nur augenscheinlich versöhnliche Geste.
Bei aller Diskutabilität ist "Exodus" nach wie vor ein insbesondere atmosphärischer und visueller Gewinn für Freunde monumentalen Hollywood-Kinos, für das Heimkino-HD geradezu gemacht scheint. Ihn für einen reell vertretbaren Platz im allgemeinen Kanon der Monumentalfilme vorzuschlagen wäre möglicherweise etwas vermessen - für mich persönlich gehört er allerdings längst dazu, wobei die aktuelle Betrachtung dies nochmals nachdrücklich untermauern konnte.

8/10

Otto Preminger Israel period piece Historie Leon Uris Zypern Nahost-Konflikt Naher Osten Kolonialismus Dalton Trumbo


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CALIGOLA (Tinto Brass/I, USA 1979)


"If only all of Rome had just one neck..."

Caligola ~ I/USA 1979
Directed By: Tinto Brass

Rom im Jahre 37: Caligula (Malcom McDowell), Enkel des amtierenden Kaisers Tiberius (Peter O'Toole), lässt seinen Großvater von seinem Berater Macro (Guido Mannari) ermorden und sich selbst zum Imperator krönen: Der Beginn einer vierjährigen Schreckensherrschaft, die nach diversen Regierungsskandalen und Bloßstellungen des Senats schließlich von einem lange schwelenden Prätorianer-Aufstand beendet wird.

"Caligola" stellte seinerzeit die erste Möglichkeit für das Feuilleton dar, guten Gewissens einen Film mit pornographischem content besprechen zu dürfen, was natürlich prompt mit der zu erwartenden Ablehnung und mit oberflächlichem Widerwillen quittiert wurde. Blödsinn. Selbst in der nachträglich von "Penthouse"-Kopf Bob Guccione und seinen Schergen umgeschnittenen und modifizierten Fassung, die dann zu Brass' Leidwesen zur allgemein bekannten avancierte, markiert "Caligola" das einzigartige Fanal eines Wahnsinnsprojekts, das mit seiner ebenso kunstvollen wie provozierenden Bildsprache von vornherein als Kulturaffront begriffen werden musste. "Caligola" ist letzten Endes zu einer monströsen Kino-Hydra mutiert, als das zerrissene Werk vierer Egomanen mit jeweils völlig unterschiedlichen Vorstellungen des abschließenden Resultats. Der Scriptautor Gore Vidal hatte den Film als satirische Studie um Cäsarenwahn und Korrumpiertheit im Angesichte totaler Macht konzipiert, Tinto Brass wollte dann daraus eines seiner voluminösen Erotikepen formen, die Produzenten Guccione und Franco Rosselini zerstritten sich und waren zu keiner weiteren Zusammenarbeit bereit; schließlich ließ Guccione nach Beendigung der Dreharbeiten die Filmrollen ohne Brass' Einverständnis in die USA fliegen, um dort die in aller Welt gezeigte Schnittfassung zu besorgen. Der vorliegende Film mag mit Brass' Intentionen nicht mehr viel zu tun haben und es ist bedauerlich, dass Kernsequenzen wie eine Senatsrede, die Caligula von seinem Hengst Incitatus halten ließ, nicht nur weggefallen, sondern anscheinend verschollen sind. Dennoch erscheint mir der Film trotz seiner nachträglich von Guccione und Giancarlo Lui eingefügten Hardcore-Elemente stimmig und erstaunlich wohlkomponiert. Um die Darstellung eines irrsinnigen Charakters halbwegs nachvollziehbar arrangieren zu können, sollten gewisse Ungewöhnlichkeiten zum Maß gemacht werden und ebendies ist hier eben der Fall. "Caligola", sich in Blut und Sperma suhlend, beeindruckt und begeistert mich sogar in dieser Form als einer der wenigen Filme, denen ich das Prädikat 'absolutistisch' zukommen lassen würde. Ein einzigartiges Werk vor allem, und, das ist das Schönste, unter Garantie vor geistloser Neuanordnung gefeit.

9/10

Tinto Brass Rom Römisches Reich Historie period piece Madness Skandalfilm Splatter Parabel


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DAVID AND BATHSEBA (Henry King/USA 1951)


"It is not for us to question the ways of the Lord!"

David And Bathseba (David und Bathseba) ~ USA 1951
Directed By: Henry King

König David (Gregory Peck) von Israel verliebt sich in seine schöne Nachbarin Bathseba (Susan Hayward) - dummerweise ist diese mit Davids Offizier Urija (Kieron Moore) verheiratet. Die Liebenden finden wider alle Moral trotzdem zusammen, was Gottes Zorn heraufbeschwört: Eine lange Dürrezeit steht dem Lande ins Haus, die in Hunger und Leid kulminiert. Erst Davids offene Reue vermag den Herrn zu besänftigen.

Ausnahmsweise mal kein Hemingway aus dem Haus King, sondern eine etwas simplere Literaturverfilmung, eine, die sich aufs Alte Testament beruft nämlich. "David And Bathseba" ist was für Leute, die Bibeltrash aus Hollywood schätzen, alte Technicolor-Schinken ebendaher präferieren oder schlicht etwas für "Traumpaare" übrig haben - eines wie Peck und Hayward nämlich, die von der Fox unter Darryl F. Zanuck seinerzeit mit einigem Nachdruck gepusht wurden. "David And Bathseba" nimmt sich zudem ein leicht kritisches Wesen heraus; er denunziert nämlich den weisen Propheten Nathan (Raymond Massey) als einen radikalen Sektierer, der einem Gott dient, der zu differenzieren verlernt hat in all seinem Gesetzeswahn und lehrt, dass das Leben auch graue Schattierungen beinhaltet. Insofern löst sich, wie schon im biblischen Kontext, die Geschichte Davids recht prägnant aus ihrem Milieu. Doch keine Sorge: es gibt noch genug zu staunen über Wohl und Wehe der alten Könige - und den Zorn des Gerechten natürlich, der Blitz und Donner niedergehen lässt nach jeweiligem Gutdünken. Bibeltrash halt.

6/10

Henry King Israel Bibel Historie period piece Bundeslade


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MASTER AND COMMANDER: THE FAR SIDE OF THE WORLD (Peter Weir/USA 2003)


"You want your children to sing the "La Marseillaise?""

Master And Commander: The Far Side Of The World (Master And Commander - Bis ans Ende der Welt) ~ USA 2003
Directed By: Peter Weir

Im Jahre 1805 kreuzt die Fregatte 'H.M.S. Surprise' der Royal Navy in Richtung Südsee, um das französische Kriegsschiff 'Acheron' zu kapern, das den Kriegszug Napoleons auf dem Seeweg bis in die Kolonien tragen soll. Der Captain der Surprise, ein erfahrener Seekriegs-Haudegen namens Jack Aubrey (Russell Crowe), lässt sich zweimal fast von der Acheron überlisten, bis er im Zuge einer teils von immens glücklichen Zufällen überschatteten Aktion das feindliche Schiff übernehmen kann.

Meisterlicher Abenteuerfilm von Peter Weir, der den Zauber vergleichbarer alter Hollywood-Produktionen wie Walshs "Captain Horatio Hornblower R.N." beschwört, ohne jedoch Gefahr zu laufen, die natürliche Patina jener Werke aufzugreifen und stattdessen einen technisch makellosen, bald jungenhaften Seekriegsfilm alter Schule schafft, der seinen fast schon aggressive Anachronistik zu seiner stärksten Waffe macht: Unter Aufwendung aller gegenwärtigen Möglichkeiten und dazu parallel ohne jedwede Anbiederung an postmoderne Kino-Couture geht Weir stur seinen Weg und erzählt seine Geschichte, als gelte es, viktorianischen Jungs von 13 Jahren den Atem zu rauben. Dass er dabei - mit Verlaub - auf das potenzielle Gegenwartspublikum pfeift wurde ihm am Box Office quittiert: "Master And Commander" floppte erwartungsgemäß brutal. Umso schöner, dass dieser offenkundige Kindheitstraum so naturbelassen zu sehen ist. Einer von Weirs schönsten und besten Filmen, so viel ist mal sicher.

10/10

Peter Weir Napoleonische Kriege period piece Seefahrt


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FOR WHOM THE BELL TOLLS (Sam Wood/USA 1943)


"Nothing can ever part us now, can it?"

For Whom The Bell Tolls (Wem die Stunde schlägt) ~ USA 1943
Directed By: Sam Wood

Kastilien, 1937: Die Franquisten gewinnen an Boden, während der republikanisch-liberale Widerstand in den Provinzen zunehmend geschwächt wird. Der amerikanische Partisan und Sprengstoffexperte Robert Jordan (Gary Cooper) unterstützt die Guerilla, indem er brisante Aufträge von der Generalität annimmt und ausführt. Seine jüngste Mision führt ihn in die Berge vor Segovia, wo er eine nachschubsichernde Brücke sprengen soll. Zuvor trifft er dort eine kleine Schar Widerstandskämpfer, darunter die resolute Pilar (Katina Paxinou), der zwielichtige Pablo (Akim Tamiroff) und die schöne María (Ingrid Bergman), in die Robert sich heftig verliebt.

Hemingway nahm Sam Wood die Verfilmung seines Romans, der sich auf der Leinwand in eine glühende, üppige Farb-Schmonzette verwandelte, ziemlich übel. Die Paramount zielte wie sämtliche der übrigen Studios darauf ab, das Konkurrenzwerk "Gone With The Wind" zu toppen, was jedoch aussichtslos blieb, trotz Hemingways wunderbaren Stoffs und seiner politisch höchst integren Aussage. Letzten Endes läuft das in dramaturgischer Hinsicht eher kammerspielartig gehaltene, in den schroffen Sierras von Kalifornien und im plüschigen Studio-Atelier gefilmte Drama ohnehin bloß darauf hinaus, Cooper und die Bergman als Traumpaar zu verkaufen, was die Inszenierung dann auch meisterlich bewerkstelligt. Das Ende mitsamt einem der heroischsten Heldentode der Filmgeschichte ist herzzereißend und nötigt mir jedesmal wieder ein Tränchen ab. Die Bergman war nie schöner und erotischer denn als "cropped head", der Cooper selbigen so gut wie mühelos verdreht.
Vieles kann man an "For Whom The Bell Tolls" auch schwach finden, oder ihm vorwerfen; dass er sülzig und trivial ist etwa, dass die Spanier statt rustikalem Spanisch ein rustikales Englisch mit spanischem Akzent sprechen (ein Problem freilich, dass sich Hemingway bereits beim Schreiben seines Romans stellte und nach vielerlei Ansicht nur unbefriedigend von ihm gelöst wurde), dass die Figuren Abziehbilder und Klischees sind. Dann wird man vor lauter Griesgrämigkeit aber einen herrlich romantischen Film mit traumhaft schöner Musik von Victor Young versäumen, baucherwärmende Bilder in Dreistreifen-Technicolor und die schönsten Close-Ups von der Bergman, die es im Kino gibt. Man entscheide selbst.

9/10

Berge Ernest Hemingway Sam Wood Spanischer Bürgerkrieg period piece


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SUPERUOMINI, SUPERDONNE, SUPERBOTTE (Alfonso Brescia/I, HK, MEX 1975)


Zitat entfällt.

Superuomini, Superdonne, Superbotte (Supermänner gegen Amazonen) ~ I/HK/MEX 1975
Directed By: Alfonso Brescia

Eine aggressive Amazonenschar versucht, das gesamte von kleinen Dörfern besiedelte Tal, in dem sie lebt, unter ihre Fuchtel zu bringen. Dagegen hat allerdings der flotte Kämpfer Dharma (Aldo Canti) mancherlei einzuwenden. Zusammen mit dem bärenstarken Farbigen Moog (Marc Hannibal) und dem asiatischen Kampfkünstler Chung (Hua Yueh) tritt er gegen die Amazonen an und zeigt ihnen, was eine Harke ist.

"Supermänner, Superfrauen, Superkeile" lautet frei übersetzt der Titel von Brescias klotzhohler Gaga-Komödie, die längst zum Evergreen muffig müffelnder Videothekenwühltische avanciert ist. Rainer Brandts deutsche Synchronfassung stellt ferner ein Highlight selbst seiner albernsten Ergüsse dar und man kann somit getrosterdings sicher sein, das sich kein einziger vernünftiger Dialog auf der hiesigen Tonspur auftreiben lässt. Brandt hat sich dabei selbst die Hauptrolle (auf Aldo Canti) auferlegt und gibt mit seiner Schnodderschnüss nonsensmäßige Halbheiten von sich, die schon kaum mehr zu toppen sind. Allein deshalb lohnt sich dieser tolldreiste Unsinn schon; doch auch Brescias Regiekünste, die ich ja just erst noch in "La Bestia Nello Spazio" bewundern durfte, sind von niedersten Gnaden. Ein anbsolutes Nichts an Geschichte wird durch eine umgekehrt proportionale Menge infantiler Prügeleien "aufgewertet", wobei ausnahmsweise mal so martialisch gekleidete wie wohlgestaltete Damen zu den Hauptopfern der Faustdresche auserkoren sind. Vermutlich war es genau das, was dem Film ehedem seine vergleichsweise hohe Altersfreigabe eintrug; die visuell verniedlichte Gewalt gegen das starke, äh, schwache Geschlecht. Zwar bekommen auch ein paar Statisten Speere in den Balch geworfen, alles in allem dürfte "Superuomini" jedoch nur ein unwesentlich höheres Trauma-Potenzial beinhalten als jeder durchschnittliche Bud-Spencer-Streifen. Der groovige Soundtrack von Franco Micalizzi mitsamt Morricone-Zitaten ist derweil zum Niederknien.
Wie resümierte mein faszinierter Mitkucker so schön während des Abspanns? "Ein Meisterwerk der Huppifluppi-Komödie!" Verdammt richtig, Jensemann!

6/10

Antike Amazonen Sleaze Historie Martial Arts Crossover Shaw Bros. period piece Alfonso Brescia Europloitation Barbaren





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Funxton

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