Zitat entfällt.
Novecento (1900) ~ I 1976
Directed By: Bernardo Bertolucci
Um 1890 wird den zwei alten Patriarchen Alfredo Berlingheri (Burt Lancaster) - Großgrundbesitzer eines Landguts in der Emilia-Romagna - und Leo Dalcò (Sterling Hayden) - Berlingheris Verwalter und Vorabeiter - zur selben Stunde jeweils ein Enkel geboren. Als Kinder sind Alfredo (Paolo Pavesi) und Olmo (Roberto Maccanti) so gut befreundet, wie es der sie umgebende Standesdünkel gerade eben zulässt, ihre Jugend trennt sie jedoch vorübergehgend. Als Olmo (Gerard Depardieu) als Kriegsveteran auf den Hof zurückkehrt, findet er den opportunistischen und sich später als bösartig gewalttätig entpuppenden Attila (Donald Sutherland) als neuen Vormann. Alfredo (Robert De Niro) ist derweil Offizier geworden, ohne je in den Krieg ziehen zu müssen. Beide lernen eine Frau kennen. Olmos geliebte Anita (Stafania Sandrelli) stirbt bei der Geburt seiner Tochter, Alfredo heiratet seine Ada (Domique Sanda), doch Hochzeit und Ehe sind überschattet von Blut, Lügen und Alfredos ewiger Zauderei. Als viele Jahre später - Ada hat Alfredo längst verlassen und Olmo musste wegen einer Beleidigung des mittlerweile zu einem Schwarzhemd-Protagonisten gewordenen Attila fliehen, der Faschismus aus dem Land wird und eine sozialistischze Übergangsregierung gebildet wird, taucht Olmo wieder auf und macht seinem alten Freund Alfredo, nunmehr seiner hochherrschaftlichen Stellung enthoben, den Femeprozess.
Bertoluccis gewaltiges Porträt des Aufkeimen und Niederschlagen des italienischen Faschismus vor dem vergleichsweise intimen Hintergrund zweier ungleicher Freunde ist bis heute ein herausragendes Beispiel für kontroverses Filmemachen. Wegen einiger mitunter nicht immer geschmackssicherer Zeigefreudigkeiten gerügt und sogar gehasst, von Bertolucci, seit 68 KPI-Mitglied, als kommunistisches Manifest deklariert (was freilich in sich beißendem Widerspruch zur teuren Produktion und ausstatterischen Pracht des Filmes steht) und aufgrund vieler kleinerer und größerer Mäkel stets aus allen Winkeln heraus kritisiert, scheint "Novecento" bis heute keine wirklichen Freunde gefunden zu haben. Ich sehe mir den Film alle paar Jahre dennoch sehr gern an, wenn Muße, Zeit und Entspannung es mir gestatten. In grob vier Akte, die den Jahreszeiten zugeordnet sind, aufgeteilt, entspannt sich die wahre Komplexität des monströsen Werkes tatsächlich immer wieder erst mit ein paar Tagen Abstand. Dann vergesse ich die drei, vier visuellen Anstößigkeiten des Films, die einen im Zuge der Betrachtung noch durchaus auf Trab halten, und wende mich retrospektiv dem Gesamtbild zu; - jenes schlicht ein Beispiel für brillantes Filmemachen. Mit aller gebotenen Eleganz nähert sich Bertolucci seiner schwierig aufzuzäumenden Protagonisten-Dublone und nimmt sich ganz einfach die Zeit, die Charakterentwicklung der beiden Männer nicht per Holzhammer einzupflanzen, sondern sie sich entwickeln und reifen zu lassen. Episoden, Anekdoten, Wichtigeres und Unwichtigeres - am Ende fällt man tatsächlich kurz der Illusion anheim, Zeuge zweier Leben geworden zu sein, Ismen hin oder her. Und darin liegt das wahre Verdienst Bertoluccis und seines Films, der eigentlich eher filmgewordene Weltliteratur repräsentiert.
9/10
period piece Freundschaft Biopic Faschismus Italien Emilia-Romagna Kommunismus Skandalfilm
Novecento (1900) ~ I 1976
Directed By: Bernardo Bertolucci
Um 1890 wird den zwei alten Patriarchen Alfredo Berlingheri (Burt Lancaster) - Großgrundbesitzer eines Landguts in der Emilia-Romagna - und Leo Dalcò (Sterling Hayden) - Berlingheris Verwalter und Vorabeiter - zur selben Stunde jeweils ein Enkel geboren. Als Kinder sind Alfredo (Paolo Pavesi) und Olmo (Roberto Maccanti) so gut befreundet, wie es der sie umgebende Standesdünkel gerade eben zulässt, ihre Jugend trennt sie jedoch vorübergehgend. Als Olmo (Gerard Depardieu) als Kriegsveteran auf den Hof zurückkehrt, findet er den opportunistischen und sich später als bösartig gewalttätig entpuppenden Attila (Donald Sutherland) als neuen Vormann. Alfredo (Robert De Niro) ist derweil Offizier geworden, ohne je in den Krieg ziehen zu müssen. Beide lernen eine Frau kennen. Olmos geliebte Anita (Stafania Sandrelli) stirbt bei der Geburt seiner Tochter, Alfredo heiratet seine Ada (Domique Sanda), doch Hochzeit und Ehe sind überschattet von Blut, Lügen und Alfredos ewiger Zauderei. Als viele Jahre später - Ada hat Alfredo längst verlassen und Olmo musste wegen einer Beleidigung des mittlerweile zu einem Schwarzhemd-Protagonisten gewordenen Attila fliehen, der Faschismus aus dem Land wird und eine sozialistischze Übergangsregierung gebildet wird, taucht Olmo wieder auf und macht seinem alten Freund Alfredo, nunmehr seiner hochherrschaftlichen Stellung enthoben, den Femeprozess.
Bertoluccis gewaltiges Porträt des Aufkeimen und Niederschlagen des italienischen Faschismus vor dem vergleichsweise intimen Hintergrund zweier ungleicher Freunde ist bis heute ein herausragendes Beispiel für kontroverses Filmemachen. Wegen einiger mitunter nicht immer geschmackssicherer Zeigefreudigkeiten gerügt und sogar gehasst, von Bertolucci, seit 68 KPI-Mitglied, als kommunistisches Manifest deklariert (was freilich in sich beißendem Widerspruch zur teuren Produktion und ausstatterischen Pracht des Filmes steht) und aufgrund vieler kleinerer und größerer Mäkel stets aus allen Winkeln heraus kritisiert, scheint "Novecento" bis heute keine wirklichen Freunde gefunden zu haben. Ich sehe mir den Film alle paar Jahre dennoch sehr gern an, wenn Muße, Zeit und Entspannung es mir gestatten. In grob vier Akte, die den Jahreszeiten zugeordnet sind, aufgeteilt, entspannt sich die wahre Komplexität des monströsen Werkes tatsächlich immer wieder erst mit ein paar Tagen Abstand. Dann vergesse ich die drei, vier visuellen Anstößigkeiten des Films, die einen im Zuge der Betrachtung noch durchaus auf Trab halten, und wende mich retrospektiv dem Gesamtbild zu; - jenes schlicht ein Beispiel für brillantes Filmemachen. Mit aller gebotenen Eleganz nähert sich Bertolucci seiner schwierig aufzuzäumenden Protagonisten-Dublone und nimmt sich ganz einfach die Zeit, die Charakterentwicklung der beiden Männer nicht per Holzhammer einzupflanzen, sondern sie sich entwickeln und reifen zu lassen. Episoden, Anekdoten, Wichtigeres und Unwichtigeres - am Ende fällt man tatsächlich kurz der Illusion anheim, Zeuge zweier Leben geworden zu sein, Ismen hin oder her. Und darin liegt das wahre Verdienst Bertoluccis und seines Films, der eigentlich eher filmgewordene Weltliteratur repräsentiert.
9/10
period piece Freundschaft Biopic Faschismus Italien Emilia-Romagna Kommunismus Skandalfilm