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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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YEAR OF THE DRAGON (Michael Cimino/USA 1985)


"A fish stinks from the head down." - "The Chinese eat the head."

Year Of The Dragon (Im Jahr des Drachen) ~ USA 1985
Directed By: Michael Cimino


Der New Yorker Police Captain Stanley White (Mickey Rourke) wird nach Chinatown versetzt und nimmt unversehens den Kampf gegen die dort herrschenden Triaden, allen voran den aalglatten Emporkömmling Joey Tai (John Lone), auf. Dabei wird seine Vorgehensweise immer fanatischer und seine Methoden immer fragwürdiger. Schließlich kostet sein Ehrgeiz sogar Whites Frau (Caroline Kava) das Leben. Doch White lässt sich nicht beirren.

Den epischen Stil der ersten beiden Werke seiner "Amerika-Trilogie" behält Cimino für das wiederum meisterlich inszenierte Finale "Year Of The Dragon" bei: Seltene Schnitte, langgezogene Einstellungen, statische Totalen und Bewegung durch langsame Zooms verleihen seinem großen Gangsterfilm, einem der besten und wichtigsten des Jahrzehnts, seine Klasse. Die "Year Of The Dragon" besonders im zeitgenössischen Kontext gern gemachten Rassismus-Vorwürfe laufen, wie ich nun erneut feststellen konnte, völlig ins Leere, Andersmeinende mögen weiter unten gern mit mir darüber diskutieren. Es erscheint mir diesbezüglich jedenfalls nicht von hinreichender Evidenz, dass ein Teil der chinesischen Immigrantenschaft als mafiös organisierte Verbrecherkönige diffamiert wird, da müsste man ebensogut "The Godfather" oder "State Of Grace" als rassistische Pamphlete abstempeln. Dass nebenbei Mickey Rourke runde zwanzig Jahre zu jung für die von ihm gespielte Rolle ist, kann man angesichts seines wie immer grandiosen Spiels verschmerzen. Ohnehin sollte der rezeptorische Fokus sich wesentlich auf die Regiearbeit Ciminos konzentrieren, eines wahren Künstlers vor dem Herrn, der ja irgendwann leider die falsche Abfahrt genommen hat. Verdammt schade drum, sage ich.

9/10

Triaden Ethnics Michael Cimino New York


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PUSHER 3 (Nicolas Winding Refn/DK 2005)


Zitat entfällt.

Pusher 3 ~ DK 2005
Directed By: Nicolas Winding Refn


Der berüchtigte Kopenhagener Gangster Milo (Zlatko Buric) hat Probleme: Während seine Tochter Milena (Marinela Dekic) mit großem Trara ihren 25. Geburtstag feiert, steht er bei ein paar Ecstasy-Dealern in der Kreide, die ihm ursprünglich Heroin versprochen und dann die absatzlahmen Pillen geliefert haben. Um sie zu beschwichtigen, beherbergt Milo kurzfristig einen polnischen Mädchenhändler in seinem Restaurant, dessen herrisches Verhalten bei Milo nach kurzer Zeit alle Sicherungen durchbrennen lässt. Bald hat er zwei Leichen am Hals und sein alter Freund Radovan (Slavko Labovic), mittlerweile ehrbarer Pizzabäcker, soll ihm bei der Entsorgung helfen.

Im dritten "Pusher"-Film widmet sich Nicolas Winding Refn in der Hauptsache dem Ex-Jugoslawen Milo, einziges personelles Bindeglied zwischen allen drei Filmen. Die Nöte eines alternden Gangsters, der, zumal selbst schwer abhängig, mit Heroin und Koks aufgewachsen ist und mit neumodischem Zeug wie Ecstasy nichts anzufangen weiß, vermittelt Winding Refn in einer gewagten Mixtur aus Humor und Tragik. Wie der stressgeplagte Milo, den man bereits im ersten Teil als unberechenbaren Charakter mit zugleich immens komischem Potiental kennengelernt hat, zwischen Treffen der "Anonymen Drogensüchtigen", seinen Geschäften, der Party-Organisation und später der Bereinigung seiner unkontrollierten Bluttaten hin- und herhetzt, das hat natürlich klar identifizierbare Wurzeln: Man denke nur an das letzte Drittel von "Goodfellas", in dem ein bis zur pathologischen Paranoia bekokster Ray Liotta von einem Polizeihubschrauber durch die Gegend gehetzt wird oder an Warren Beatty, der als "Bugsy" zwischen "Geschäftsgesprächen" und töchterlicher Geburtstagstorte hin- und hereilt. Als kleine Hommage an diese großen Vorbilder funktioniert "Pusher 3" bestens, und nicht bloß als solche. Man darf nur hoffen, dass Winding Refn sich entschließt, es nicht bei einer Trilogie zu belassen, sondern viele weitere Figuren im Kopenhagener Gangstermilieu entdeckt, die genug Potential für ein Unterwelt-Abenteuer hergeben. Im Zweifelsfall kann er ja auch einen seiner alten Helden zurückkehren lassen...

8/10

Drogen Familie Kokain Dänemark Heroin Ecstasy Kopenhagen Nicolas Winding Refn Menschenhandel Splatter


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PUSHER II (Nicolas Winding Refn/DK 2004)


Zitat entfällt.

Pusher II ~ DK 2004
Directed By: Nicolas Winding Refn


Nachdem er aus dem Knast entlassen wird, versucht der nicht allzu intelligente Tonny (Mads Mikkelsen), in der KFZ-Werkstatt seines Vaters (Leif Sylvester), in Kopenhagen bekannt und gefürchtet als "der Schmied", unterzukommen. Doch der Schmied hat für seinen Sohn kaum mehr als Verachtung übrig und schätzt seinen Angestellten Ø (Øyvind Hagen-Traberg) deutlich höher. Zudem erfährt Tonny, dass er einen kleinen Sohn hat, dessen Mutter ausgerechnet die allerorten als Schlampe verrufene Charlotte (Anne Sørensen) ist. Als der dauerbekokste Kleingauner Mösen-Kurt (Kurt Nielsen) Tonny schließlich auch noch in eine Schuldenaffäre hineinzieht, steht dieser bald noch bedröppelter da als ohnehin, zumal das ausgelegte Geld dem Schmied gehört. Tonny steht in der Zwickmühle zwischen seinem ihn hassenden Erzeuger und dem Bedürfnis, dem eigenen Sohn einst ein besserer Vater zu sein.

Acht Jahre nach "Pusher", dessen Ende weniger offen blieb als es ehedem den Anschein hatte, wendet sich Nicolas Winding Refn erneut jenem urbanen Universum aus Drogen, bizarrer Vitalität und Tod zu. Diesmal steht Tonny, den man auch problemlos für tot hätte halten können, dessen Schicksal nach dem Erstling zumindest offen war, im Fokus der Erzählung. Tonny erweist sich als ein noch tragischerer Charakter denn sein alter Freund Frank, zeigt sich doch im Laufe des Films, dass er völlig einsam ist und keinen Menschen hat, der zu ihm hält. Umso intensiver sein in ihm keimender Wunsch, allen anderen eine lange Nase zu drehen und selbst Verantwortung für jemanden zu übernehmen. Die zuvor verübte Verzweiflungstat, nichts weniger als klassische antike Tragödie, wirkt dabei wie ein gigantischer Befreiungsakt. Am Ende heißt es dann gezwungenermaßen wieder: "Leaving Copenhagen". Be quick or be dead!

8/10

Drogen Kokain Kopenhagen Dänemark Nicolas Winding Refn Familie


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PUSHER (Nicolas Winding Refn/DK 1996)


Zitat entfällt.

Pusher ~ DK 1996
Directed By: Nicolas Winding Refn


Der Kopenhagener Kleindealer Frank (Kim Bodnia) gerät eines Tages in immense Schwierigkeiten, als er ein Geschäft versaut, bei dem wegen eines unvorhersahbaren Polizeieinsatzes ein großes Kontingent Heroin des Gangsters Milo (Zlatko Buric) im Wasser landet. Die lästige Polizei kann Frank fürs Erste abschütteln, doch sein bester Kumpel Tonny (Mads Mikelsen) hat ihn offenbar verraten und Milo und sein Henchman Radovan (Slavko Labovic) wollen ihren Verlust nebst einigen Altschulden von Frank ersetzt haben. Jener sitzt bald zwischen allen Stühlen.

Eine Schande, dass ich mich erst so spät an "Pusher" und die beiden Nachfolger herangemacht habe, aber irrationale Vorurteile haben mir da wohl einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zum einen zählt der wie mir erst später bewusst wurde, einige Jahre jüngere, ebenfalls aus Dänemark stammende und im Gangstermilieu spielende "I Kina Spiser De Hunde", in dem gleichermaßen Kim Bodnia die - von mir seinerzeit als besonders enervierend wahrgenommene - Hauptrolle spielt, zu meinen größten cineastischen Hassobjekten, zum anderen nahmen die mir permanent von Freunden und Bekannten vorgehaltenen Vorschusslorbeeren irgendwann dermaßen überhand, dass ich überhaupt keine Lust mehr auf die Filme verspürte. Erst Winding Refns sensationeller "Valhalla Rising" hat mich bezüglich der Qualitäten des Regisseurs eines Besseren belehrt - manchmal braucht man eben einfach die Axt. Der letztwöchig verbrachte Dänemark-Urlaub auf dem schönen Kegnæs erschien mir jetzt als zumindest regional passend für die "Pusher"-Trilogie. Und in welcher Windeseile ich die Filme verschlungen habe. Inhaltlich wusste ich glücklicherweise gar nichts über sie, so dass der Genuss sich umso großzügiger entfalten konnte.
Das Kaleidoskop des vorgestellten Personals ist bereits grandios; schon bei der Betrachtung dieses ersten Films verkuckt man sich regelrecht in die unterschiedlichen Charaktere, denen Winding Refn sich mit dokumentarischer Präzision nähert und los lassen sie einen auch Tage später nicht. Besonders der jugoslawischstämmige Gangster Milo, der sich von einem verschrobenen, lustigen Exzentriker Marke Kusturica zu einem gewalttätigen Monster entwickelt, hatte es mir gleich angetan. Glücklicherweise soll man ja später noch mehr von ihm zu sehen bekommen.

9/10

Dänemark Nicolas Winding Refn Heroin Kokain Kopenhagen Drogen


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GEKITOTSU! SATSUJIN KEN (Shigehiro Ozawa/J 1974)


Zitat entfällt.

Gekitotsu! Satsujin Ken (Der Wildeste von allen) ~ J 1974
Directed By: Shigehiro Ozawa

Der knüppelharte Kämpfer Tsurugi (Sonny Chiba) nimmt gegen Bares Aufträge aller Kuleur an; von wem oder um was es geht ist ihm, Hauptsache die Bezahlung stimmt. Eines Tages gerät er in Konflikt mit der Yakuza, als er eine Millionenerbin (Yutaka Nakajima) vor den bösen Finstermännern schützen will. Dabei muss sich Tsurugi sogar seiner eigenen Vergangenheit stellen.

Herrlich entfesseltes Klopperkino, ausnahmsweise mal aus Japan. "Gekitotsu!", der den Auftakt zu einer auch als "Street Fighter"-Serie bekannten Trilogie bildet, scheut sich nicht vor jeglichem, was im Exploitation-Bereich Aufsehen zu erregen weiß, außer vielleicht vor entkleideten Damen. Ansonsten gibt es einige ziemlich fiese Einfälle, darunter die, wie ich glücklicherweise erst im Nachhinein erfahren habe, legendäre Röntgen-Schädelbruch-Szene, die wirklich allergemeinste Kirmes ist. Im Prinzip bildet "Gekitotsu!" mit all seinem infantilen Übermut und seiner hemmungslos gelebten Einfalt tadelloses Kino für kleine (und klein gebliebene große) Jungs, mit entsprechenden Ratschlägen fürs heimische Familienprogramm halte ich mich aber lieber zurück.

7/10

Martial Arts Exploitation Shigehiro Ozawa Yakuza Japan Hong Kong


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HOUSE OF BAMBOO (Samuel Fuller/USA 1955)


"I'm right, as always."

House Of Bamboo (Tokio-Story) ~ USA 1955
Directed By: Samuel Fuller


Der Militäragent Eddie Kenner (Robert Stack) kommt undercover nach Tokio, um den Umständen des Todes eines Kollegen, der anscheinend in schlechte Gesellschaft geraten war, nachzuspüren. Tatsächlich wird Kenner, der sich als 'Eddie Spanier' vorstellt, bald fündig: Der Amerikaner Sandy Dawson (Robert Ryan) hat eine kleine Verbrecherclique gegründet, mit der er in schöner Regelmäßigkeit Raubüberfälle in der Umgebung verübt. Kenner erschleicht sich Dawsons Vertrauen, gerät jedoch in höchste Gefahr, als er schließlich auffliegt.

"House Of Bamboo" war dann wieder ein exzellentes Beispiel für Sam Fullers unnachahmliches Talent, amerikanische aliens vor veränderter Kulturkulisse agieren zu lassen - nur eben ohne sich auf die klaustrophobischen Raumgrenzen eines U-Boots zu beschränken. Sandy Dawson und sein kleiner, exklusiver Kriminellenclub setzen sich in Japan fest wie die Made im Speck. Die devoten Verhaltensweisen der Landsleute nutzen die arroganten Gaijins schamlos aus, beschäftigen überhöfliches Personal und nehmen sich allenthalben und im raschen Wechsel einheimische Frauen als "Kimonas". Dabei ist Dawson auch ein eiskalter Killer: Wer bei seinen Überfall-Aktionen zufällig verletzt wird, gehört sogleich erschossen, damit er bei der Polizei nicht plaudern kann. In einer ebenso starken wie ruppigen Szene bricht Dawson wortlos bei seinem ehemals besten Freund Griff (Cameron Mitchell) ein, den er, während er in der Badewanne sitzt, eines fälschlichen Verdachts wegen mit regloser Miene abknallt. Die rohe Brutalität dieser Sequenz, die es einem Erschießungsopfer sogar ausnahmsweise gestattet, herzhaft zu schreien, erweist sich selbst nach 56 Jahren noch als höchst eindrucksvoll. On location gefilmt, erneut in Scope und etwas blasseren Farben als "Hell And High Water", passend zum japanischen Herbst, ist dies nicht nur ein maßgeblicher Thriller, sondern auch ein ganz vorzüglicher Fuller.

9/10

undercover Samuel Fuller Japan Tokio


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WHITE HEAT (Raoul Walsh/USA 1949)


"Made it, Ma! Top of the world!"

White Heat (Sprung in den Tod) ~ USA 1949
Directed By: Raoul Walsh


Nach einem brutalen Postzug-Überfall mit vier Mordopfern sieht sich der Gangsterboss Cody Jarrett (James Cagney) schwer bedrängt. Um der Todesstrafe zu entgehen, lässt er sich in einem anderen Bundesstaat für ein parallel von einem "Kollegen" verübtes, kleines Verbrechen verurteilen und für eine Zweijahresstrafe ins Gefängnis sperren. Dort rückt ihm der V-Mann Fallon (Edmond O'Brien) auf die Pelle, der sich Codys Vertrauen nur sehr mühsam erschleichen kann. Draußen wird derweil Codys Mutter (Margaret Wycherly) ermordet, mit der den Verbrecher eine pathologische Liebe verbindet. Cody dreht durch, bricht, Fallon im Schlepptau, aus und rächt seine alte Dame. Der nächste Bruch, ein eigentlich sorgfältig geplanter Überfall auf eine Chemiefabrik, bedeutet schließlich Codys Ende.

Klimax, Ende und zugleich finaler Wegbereiter des klassischen Gangsterkinos, das und nichts weniger ist Walshs "White Heat"; größte Arbeit seines Regisseurs, größte Leistung seines Hauptdarstellers. Eine unglaublich gewalttätige Stimmung begleitet Walshs Genre-Fanal, die vor allem Cagneys bahnrechendem, teils improvisiertem Spiel als psychotisches, jederzeit vor der Explosion stehendes Muttersöhnchen zuzuschreiben ist. Solch eine darstellerische Intensität bedeutete selbst im Kino der ausgehenden Vierziger noch eine Form von Waghalsigkeit, denn wo bislang sämtliche der klassischen Filmgangster bestenfalls abgrundtief böse, aber auf ihre Weise stets berechenbar blieben, brachte Cagney als Cody Jarrett das gefährliche Moment der Undurchschaubarkeit mit sich, das sich selbst bis heute noch seinen Weg bis vor die Leinwand bahnt. Ich hatte das Glück, "White Heat" innerhalb meiner eigenen Biographie schon sehr früh im Fernsehen zu sehen, in einer mir damals geflissentlich anrüchig erscheinenden Spätausstrahlung irgendwann nach Mitternacht, an die ich mich selbst jetzt noch minutiös erinnere. Cagney hat für mich sein mit diesem Film installiertes, dämonisches Image, nie mehr abwerfen können und jene Szene in der Gefängniskantine, in der er nach der Nachricht vom Tode seiner Ma völlig ausrastet, ist mir bis heute einer der hervorstechendsten Gänsehautmomente geblieben. Von Walshs absolut geradliniger, exzellenter Regie, die nicht nur so dicht wie selten an den Figuren entlangbalabcierte, sondern zudem eindrucksvoll belegte, dass Männerkino nicht per se im Kriegsfilm oder Western zu finden sein müsse, zehrt freilich auch Cagneys Leistung.

10/10

Madness Rache Gefaengnis Raoul Walsh film noir


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THEY LIVE BY NIGHT (Nicholas Ray/USA 1948)


"I won't sell you hope when there ain't any."

They Live By Night (Sie leben bei Nacht) ~ USA 1949
Directed By: Nicholas Ray


Der junge Bankräuber Bowie (Farley Granger) arbeitet im Verbund mit den beiden alten Hasen Chickamaw (Howard Da Silva) und T-Dub (Jay C. Flippen). Als Bowie die nette Farmerstochter Keechie (Cathy O'Donnell) kennenlernt, brennt er, nachdem er bei einem erneuten Bruch schwer verwundet und von Keechie gesundgepflegt wird, mit ihr durch. Unterwegs heiraten die beiden und verstecken sich dann in einem Wochenendchalet in den Bergen. Doch Chickamaw macht sie ausfindig und nötigt Bowie zu einem weiteren "Ding", das für die beiden alternden Gangster den Tod bedeutet. Die mittlerweile schwangere Cathy versteckt Bowie im Motel einer alten Bekannten (Helen Craig), die das junge Paar an die Polizei verrät, um Straferlass für ihren eigenen Mann zu bekommen.

Poetisch-pessimistischer Film noir von Nicholas Ray und erste Adaption des eigentlich in der Depressionszeit angesiedelten Krimis "Thieves Like Us" von Edward Anderson. Gleich mit diesem Frühwerk gelang Ray eine meisterhafte Arbeit: Ray scheint jeglichen Naturalismus, jeglichen grellen Effekt und überhaupt jede Form der Vordergründigkeit ganz bewusst abzulehnen und konzentriert sich ganz auf die von vornherein zum Scheitern prädestinierte Liebesgeschichte seines Protahonistenpaars. Farley Granger besitzt dabei aber auch rein gar nichts von dem mysteriösen, aggressiven Zauber, der all die klassischen Gangster-Darsteller von Robinson bis Bogart einrahmte. Er ist eher - wie eigentlich stets in seinen damaligen Rollen - das verschüchterte, sich unterordnende Jüngelchen, ein Stücklein Holz in der Brandung, unfähig zur Gegenwehr und daher stets an der Schwelle zum Abgrund.
Ray scheint speziell mit diesem Werk die perfekte Vorlage für die Autoren-Theorie zu liefern; er gibt sich ganz als Metteuer en scène, hebt die Inszenierung deutlich von den Reizen seines Films ab und schafft damit eine höchst spezifische, so lyrische wie melancholische Stimmung, wie sie mir in sonst keinem anderen Noir-Stück begegnet ist.

10/10

Nicholas Ray amour fou Flucht film noir Couple on the Loose


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HIGH SIERRA (Raoul Walsh/USA 1941)


"Sometimes I feel like I don't know what it's all about anymore."

High Sierra (Entscheidung in der Sierra) ~ USA 1941
Directed by: Raoul Walsh

Kaum dass der Gangster Roy Earle (Humphrey Bogart) amnestiert und aus dem Knast entlassen wird, plant er bereits sein nächstes großes Ding: Mit ein paar Kompagnons (Arthur Kennedy, Alan Curtis, Cornel Wilde) soll der Safe eines Luxushotels in der Sierra Nevada überfallen werden. Der Plan gelingt, aber bis auf Marie (Ida Lupino), die bei Roy im Wagen sitzt, kommen die anderen bei einem Unfall ums Leben. Von seinem Anteil finanziert Roy der unter einem Klumpfuß leidenden Velma (Joan Leslie) eine Operation, in der Hoffnung, sie möge seinen späteren Heiratsantrag annehmen. Doch Velma lehnt ab und Roy bleibt bei Marie, mit der er sich eine blühende Zukunft erhofft. Das Schicksal aber meint es anders mit ihm.

Bogart Hauptrolleneinstand, den er zwar immer noch nur unter Zweitnennung in der Besetzungsliste begehen durfte, der aber ganz klar bewies: Bogey ist der 'born leading man'. Seine Charakterisierung des traurigen, suchenden Gangsters Roy Earle zählt zu den wahrhaft unsterblichen Leistungen im Schaffen dieses kantigen Akteurs und "High Sierra" wiederum zu Walshs Meisterleistungen. Das unter anderem von John Huston fürs Script adaptierte Thema bewegte den Regisseur immerhin so sehr, dass er sechs Jahre später mit "Colorado Territory" ein eigenes Western-Remake schuf, diesmal mit Joel McCrea. Nachdem es zuvor bereits mehrfach an Cagney war, für seine Gangsterfiguren Zuschauersympathien zu evozieren, hatte nun Bogey die Aufgabe, den Verbrecher zum Menschen zu machen. Dass der sich zynisch gebende, beinharte Kriminelle, den die Presse "Mad Dog" tauft, tatsächlich auch ein einsamer, seines nervenaufreibenden "Berufs" müder Mildtäter ist, muss seinerzeit wie eine kline Film-Sensation angemutet haben; jedenfalls leidet man mit der Lupino und dem kleinen, unwissentlich verräterischem Hund Pard, als Roy Earle am Ende vom Berg heruntergeballert wird und tot unten ankommt. Verbrechen lohnte sich eben langfristig noch nie - wenigstens im Kino nicht.

9/10

Kalifornien Heist film noir John Huston Hund Raoul Walsh Motel car chase


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THE ROARING TWENTIES (Raoul Walsh/USA 1939)


"Here's one rap you ain't gonna beat!"

The Roaring Twenties (Die wilden Zwanziger) ~ USA 1939
Directed By: Raoul Walsh


In den frühen zwanziger Jahren, das Prohibitionsgesetz ist soeben vom Stapel gelaufen, macht der Weltkriegsveteran Eddie Bartlett (James Cagney) eine steile Karriere als Bootlegger und Alkoholschmuggler. Bei der Aufrechterhaltung einer legalen Fassade als Taxiunternehmer hilft ihm sein alter Kamerad Lloyd (Jeffrey Lynn), seines Zeichens Anwalt und treuer Freund Eddies. Als die beiden auf George Hally (Humphrey Bogart), der mit ihnen seinerzeit ebenfalls in einem deutschen Bombentrichter gelegen hat, treffen, ist die alte Allianz wieder vollzählig. Doch George hält wenig davon, die zweite Geige zu spielen und hintergeht Eddie, dem ferner der Liebeskummer seinen ohnehin morsch werdenden Ast ansägt...

Und wieder Cagney und Bogey als Ex-Genossen und Berufsrivalen, von denen einer durch die Hand des anderen ins Gras beißt und der Täter an den Folgen seiner Rachsucht stirbt. Allerdings ist hier erstmals einer der großen Gangsterfilme der Dreißiger als period piece angelegt; blickt "The Roaring Twenties" doch zwanzig Jahre in der Landeshistorie zurück und beschwört bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die Romantik der Flüsterkneipen und den unwiderstehlichen Charme von in Hinterzimmern gebrautem Champagner, der mit dem Originalgetränk soviel gemein hat wie ein schottischer Single Malt mit Pennerfusel. Auf die frivole und leicht anrüchige Atmosphäre kam's eben an, und die stimmte offensichtlich. Damit einher ging als Medaillenkehrseite jedoch auch der berufliche Aufstieg der großen und kleinen Gangster und hier sind wir wiederum iom personellen Mythos angelangt. Cagney spielt mit Eddie Bartlett die erste seiner kriminellen Figuren, der uneingeschränkte Sympathie gebührt, wenngleich auch bereits "Angels With Dirty Faces" in diese Richtung wies. Für Bartlett als Veteran erweist es sich bei aller Ambition als unmöglich, einer geregelten Arbeit nachzugehen; der Abstieg in das Unterwelt-Milieu gerät folglich zur existenziellen Notwendigkeit - wenn auch als recht komfortable. An wirklichen Kapitalverbrechen ist Eddie jedoch nie beteiligt und am Ende stirbt er als Held und Retter, der ihm letzten Moment die verdiente Absolution erfährt.
Hiernach konnte praktisch erstmal nichts mehr kommen, für den Zeitraum der folgenden zehn Jahre war's daher um Cagneys Gangsterinterpretationen geschehen.

9/10

Raoul Walsh period piece Historie Freundschaft WWI Prohibition New York Robert Rossen





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Funxton

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