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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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L'AMOUR BRAQUE (Andrzej Żuławski/F 1985)


Zitat entfällt.

L'Amour Braque (Liebe und Gewalt) ~ F 1985
Directed By: Andrzej Żuławski


Der ungarische Adelssprössling Léon (Francis Huster) begibt sich nach einem langwierigen Psychiatrie-Aufenthalt nach Paris, um dort eine Zeitlang bei Bekannten unterzukommen. Im Zug begegnet er dem Gangster-Anarcho Micky (Tchéky Karyo) und seinen Kumpanen, die soeben von einem Banküberfall kommen. Micky drängt sich Leon auf und schwärmt ihm von seiner heißgeliebten Mary (Sophie Marceau) vor, die er in Paris aus den Fängen der Venin-Familie befreien will. Die gemeingefährlichen Venins lassen Marie sich prostituieren und haben auch deren Mutter auf dem Gewissen, zugleich sind sie dafür verantwortlich, dass Mickys Vater lange Jahre im Gefängnis verbracht hat. Léon, der sich gleich bei der ersten Begegnung mit ihr in die so schöne wie labile Mary verliebt, gerät zwischen die Fronten dieses bizarren Gangsterkriegs.

"Eine", so Żuławski, der Kompromisslose, "Transponierung von Dostojewskis "Der Idiot" in die Gegenwart von 1985", in das Pariser Gangstermilieu, um inhaltlich etwas eloquenter zu sein (dafür, dass dabei keine Rede von einer wie auch immer gearteten Anbindung an die Realität sein kann, bürgt das permanent irrationale Verhalten fast sämtlicher Charaktere). Vielmehr noch eine Transponierung in Żuławskis filmischen Kosmos zwischen Wahn und Tod, Geisteskrankheit und blanker Emotion. Das Kinopendant zum gelebten Laissez-faire, zur totalen Anarchie. 'Seelenstriptease', wie es sich so schön tradiert, aber immer wieder treffend anbringen lässt. Erster Film mit seiner Muse und späteren Ehefrau Sophie Marceau, damals gerade neunzehn Jahre jung. Ebenso wie von Huster, Karyo und all den anderen Darstellern verlangt der Filmemacher von ihr ein Entblößen aufs Äußerste, die Entledigung jedweder Hemmnisse und Schranken. In einer Szene stellt Sophie/Mary eine Szene aus Tschechows "Möwe" dar und schafft für Nanosekunden das nahezu Unmögliche: Ein Einreißen sämtlicher Barrieren zwischen ihr selbst, ihrer Rolle und der äußeren Realität - Transzendenz. Hernach wird niemand mehr ein hübsches Teenie-Starlet in der Marceau sehen. "La Boum" ist kaum kalt und schon wieder vergessen. Huster veranstaltet, analog zum Vorlagen-Fürst Myschkin, einen manisch-depressiven Affentanz mitsamt epileptischen Anwandlungen; Karyo, ansonsten ja ein eher ruhiger Vertreter, hat man selten, wahrscheinlich gar noch nie derart ausgelassen erlebt. Wenn man Żuławski schätzt, ist diese "verdrehte Liebe" zwischen Idiotenprinz und Jungfrauenhure - man könnte sie auch als extremes, mentales Wechselduschen bezeichnen - so gottgleich wie jeder seiner Filme. Wer es erstmals mit ihm versucht, sollte sich jedoch vielleicht woanders umschauen...

9/10

Rache Parabel Paris Andrzej Zulawski Groteske


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THE STONE KILLER (Michael Winner/USA, I 1973)


"What hit him?" - "A complete state of death."

The Stone Killer (Ein Mann geht über Leichen) ~ USA/I 1973
Directed By: Michael Winner


Nachdem er wegen seiner rüden Methoden von New York nach L.A. strafversetzt wurde, kommt Lieutenant Torrey (Charles Bronson) einer großangelegten Mafiaaktion auf die Spur: Der aus Sizilien stammende Pate Don Vescari plant, mithilfe eines eigens für diesen Auftrag trainierten, ausschließlich aus Vietnam-Veteranen bestehenden Killer-Kommandos sämtliche seiner Konkurrenten aus dem Weg zu räumen und damit eine seit über vierzig Jahren schwelende Vendetta endlich in die Tat umzusetzen.

Nicht das erste und nicht das beste Werk der langjährigen Kollaboration Winner/Bronson, dennoch aber ein sehr passabler Genrebeitrag, der sich mit flottem Score (Roy Budd), einigen Derbheiten und emsigen Schnitzereien an der Ikonisierung von Bronsons hell illuminierter Rächerfigur ziemlich nahtlos in den zeitgenössischen Action- und Polizeifilm einreiht. Mit Martin Balsam als großem, wörtlich unfassbaren Antagonisten steht Bronson ein Gegner von Format gegenüber; leider jedoch kommt es zu keinem direkten Duell zwischen den beiden. Ferner dürfte dies einer der wenigen, wenn nicht der einzige Bronson-Film sein, in dem Charley am Ende vor dem Geschick und der Übermacht des organisierten Verbrechens kapitulieren muss und nur zweiter Gewinner bleibt. Das ist angesichts der späteren Karriere des Bestrafers von beinahe schon göttlichen Gnaden ein wenig unbefriedigend, angesichts des ansonsten unterhaltsamen Resultats inklusive flotter Verfolgungsjagd jedoch verschmerzbar.

6/10

Mafia Los Angeles New York Michael Winner


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GIVE 'EM HELL, MALONE (Russell Mulcahy/USA 2009)


"Suck my Sinatra!"

Give 'Em Hell, Malone ~ USA 2009
Directed By: Russell Mulcahy


Der beinharte Privatdetektiv Malone (Thomas Jane) gelangt in den Besitz eines Köfferchens, das die Gemüter der hiesigen Unterwelt erhitzt - allen voran das des Zuhälters Whitmore (Gregory Harrison), der ein Trio teils vollkommen verrückter Killer (Ving Rhames, Doug Hutchison, Chris Yen) hinter Malone herschickt, um selbst an den Koffer und seinen rätselhaften Inhalt zu gelangen. Und dann ist da noh die schöne, aber verlogene Evelyn (Elsa Pataky)...

So ganz ins Reine gekommen bin ich mit Mulcahys neuem Film nicht. "Give 'Em Hell, Malone" biedert sich unverhohlen an beim Zuschauer und scheint förmlich aus jeder Pore danach zu lechzen: "Find mich cool! Find mich cool!" Eine solche Art der Evokation ist mir in der Regel kreuzunsympathisch - wenn sich dazu noch ein ganz gezielt abgekupfertes "Sin City"-Flair gesellt, zugleich unverhohlen zu "Last Man Standing" herübergeschielt wird und die diversen Dreißiger-Jahre-Anklänge innerhalb eines ansonsten gegenwärtigen settings, die man nichtmal als Spleen der Hauptfigur abtun kann, weil sie gleich mehrere Personen im Film pflegen, letztlich völlig sinnfrei bleiben und ganz offensichtlich nur einem schicken hardboiled-Flair geschuldet sind, dann wandelt sich meine besagte Antipathie zumeist in somatische Übelkeitsanfälle. Der Witz jedoch ist: "Give 'Em Hell, Malone" kriegt irgendwie noch ganz haarscharf seine Kurve, meistert die scheinbare Unmöglichkeit, in seiner nervensägenden Attitüde doch noch ganz witzig zu sein und seine absolut durchgekauten Mechanismen noch halbwegs genusstauglich an den Mann zu bringen.
Speziell den Kritikern meines sturköpfig praktizierten Punktesystems sei hiermit versichert: Die Kardinalfrage, ob ein Film zu was auch immer tauglich ist, stellt sich mir persönlich weniger in der abschließenden numerischen Einordnung, sondern darin, ob ich nach vollzogener Beschau das Gefühl habe, mir ihn irgendwann nochmal ansehen zu können. Das war hier der Fall. Auch wenn das Diskussionsobjekt mitsamt all seiner Digitalfilter und shutter pics eigentlich gar nicht sooo doll ist.

6/10

neo noir Russell Mulcahy femme fatale


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IL CONTO È CHIUSO (Stelvio Massi/I 1976)


Zitat entfällt.

Il Conto È Chiuso (In den Klauen der Mafia) ~ I 1976
Directed By: Stelvio Massi


Der vagabundiere Ex-Söldner Marco (Carlos Monzón) kommt in eine norditalienische Stadt (mutmaßlich Mailand), die von den zwei konkurrierenden Gangstern Manzetti (Luc Merenda) und Belmondo (Mario Brega) beherrscht wird. Sein resolutes Auftreten verschafft Marco umgehend eine Anstellung bei Manzetti, doch Marco spielt nicht ganz fair. Er informiert Belmondo über Manzettis geplante Aktionen und sorgt so dafür, dass beide Bosse übervorteilt sind. Manzetti ahnt nicht, dass Marco noch eine alte Rechnung mit ihm offen hat.

Auch im eigenen Lager wussten die Italiener mitunter erfolgreich zu wildern: "Il Conto È Chiuso" ist im Grunde nichts anderes als ein inoffizielles, in die Moderne transferiertes "Django"-Remake, wobei Corbuccis Film (wie "Per Un Pugno Di Dollari") ja wiederum lose auf "Yojimbo" basiert. Auch in diesem besonders gegen Ende recht derben Gangsterdrama geht es um einen schweigsamen Fremden mit zunächst undurchsichtigen Motiven, der nur den Niedrigsten vertraut und sich die bösen Reichen zunächst zu Freunden und dann zu Todfeinden macht. Ansonsten unterscheidet sich Massis Film wenig von den ähnlich geratenen Produktionen jener Tage. Es geht hart zu und auch der gewisse Funke Sozialkritik bleibt stets gewahrt (hier etwa in der Form, dass staatliche Instanzen wie die Polizei nie auftauchen, fast so, als seien sie gar nicht existent).
Luc Merenda beeindruckt als charismatischer Sadist, Monzóns Charakterbirne ist ganz eindeutig eine lateinamerikanische. Macht aber nix, als zielsicherer Messerwerfer ist der Typ anyway große Klasse.

6/10

Stelvio Massi Europloitation


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DIE KATZE (Dominik Graf/BRD 1987)


"Das Leben ist 'ne Sau - gut, wenn sie manchmal geschlachtet wird."

Die Katze ~ BRD 1988
Directed By: Dominik Graf


Von einem Düsseldorfer Luxushotel aus steuert der Profiverbrecher Probek (Götz George) eine Geiselnahme in der gegenüberliegenden Bank. Diese führen sein Partner Junghein (Heinz Hoenig) und dessen Adlatus Britz (Ralf Richter) durch. Probek hat die Aktion schon im Vorhinein minutiös geplant und unter anderem die Frau (Gudrun Landgrebe) des Bankdirektors Ehser (Ulrich Gebauer) für seine Zwecke eingespannt. Außerdem verfügt er über modernste Abhörtechnik und weiß so über jeden geplanten Schritt des zuständigen Beamten Voss (Joachim Kemmer) Bescheid. Das Geiseldrama entwickelt sich zu einem technisierten Tauziehen zwischen Polizei und Gangstern.

1988 war der deutsche Genrefilm so gut wie tot, während die übrigen Kinobeiträge von hierzuland irgendwo im Sumpf des Gelangweilt-prätentiösen dahindümpelten. Da kam der seinerzeit noch recht frische Regisseur Dominik Graf daher und spendierte dem Kino einen lupenreinen Thriller aus nationaler Produktion. Ein beinahe revolutionäres Geschenk. Götz George, der schon in den Jahren zuvor einen neuerlichen Popularitätsschub durch seine "Tatort"-Engagements als Kommissar Schimanski hatte verbuchen können, wurde nach "Abwärts" bereits zum zweiten Mal innerhalb dieser Karriereperiode abseits seines ewigen Klischeeparts besetzt. Als Probek ist er ein eiskalter und zäher Profi, dem kaum etwas eine mimische Regung abringt, der sein Metier als eine Art Sport begreift und der so gar nichts mehr hat von jenem etwas prolligen Parka-Ermittler aus dem Pott. Die Figur Probek darf vielmehr als Eherbietung an große französischen Vorbilder aus der Ecke Melville betrachtet werden. Und auch Grafs kernige Inszenierung bewegt sich weit abseits vom TV-Einerlei dieser Tage. Sie liefert exakt die pointierte Kühle und Berechnung, die ein Film dieser Kuleur benötigt, den schmissigen "Titel"-Song "Good Times" von Eric Burdon nicht zu vergessen.
Die aktuell unter dem Schirm einer FAZ-Reihe erschiene DVD bietet im Gegensatz zu der letztjährig veröffentlichten Fassung endlich eine Abtastung im Originalformat (wenn auch nur von einer etwas angegriffenen Kinokopie, was aber nicht wesentlich stört) und ist erstmals ungekürzt. Ein heißer Tipp für die gegenwärtig kühlen Tage.

8/10

Dominik Graf Heist Kidnapping


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BALL OF FIRE (Howard Hawks/USA 1941)


"Would you yum me one more time?"

Ball Of Fire (Die merkwürdige Zähmung der Gangsterbraut Sugarpuss) ~ USA 1941
Directed By: Howard Hawks


Mitten in Manhattan haben sich acht Wissenschaftler mit so illustren Namen wie 'Professor Magenbruch' und 'Professor Oddly', eingefunden, um, finanziert aus dem Nachlass eines verstorbenen Sonderlings, die definitive Enzyklopädie zu verfassen. Jeder der acht ist eine Autorität auf seinem Gebiet. Unter ihnen findet sich auch der vergleichsweise junge Linguist Professor Betram Potts (Gary Cooper), der eines Tages entsetzt feststellt, dass seine gesamte Forschung ohne die Berücksichtung der Umgangssprache und der zahlreichen Gossendialekte nichts wert ist. Eine aufschlussreiche Tour durch den Big Apple führt ihn schließlich zur der von der Polizei gesuchten Nachtclubsängerin Sugarpuss O'Shea (Barbara Stanwyck). Sie soll gegen ihren Liebhaber, den Gangsterboss Joe Lilac (Dana Andrews) aussagen. Um unbehelligt zu bleiben, versteckt sich Sugarpuss mittels eines plumpen Tricks im Hause der acht Sonderlinge, die durch das verruchte junge Blut allesamt aufzublühen beginnen. Besonders Betram erwischt es schwer. Als Sugarpuss anfängt, dessen Zuneigung zu erwidern, gilt es noch, den fiesen Lilac auszuschalten, was die zerzausten Akademiker mit Bravour bewerkstelligen.

Mit "Ball Of Fire", dessen Script, allein die obige Synopse müsste das schon verraten, von Billy Wilder und seinem damaligen Koschreiber Charles Brackett verfasst wurde, stielte Hawks nichts weniger als eine Variation des wenige Jahre zuvor bereits modernisierten Märchens vom Schneewittchen und den Sieben Zwergen ein: Eine weltmännische, hübsche, vielleicht etwas subsozial geprägte Dame gerät an einen achtköpfigen Zirkel wirklichkeitsferner Hinterwäldler des Alltags mit - teilweise - weißen Bärten (und gespielt von so liebenswerten Darstellern wie Oscar Homolka, S.Z. Sakall und Henry Travers), die sich allesamt ein bisschen in die unbeschwerte Leichtlebigkeit ihrer neuen Freundin vergucken. Der achte Zwerg freilich, der in diesem Falle aussieht und redet wie Gary Cooper, ist gar kein Zwerg, sondern der Prinz persönlich und Dana Andrews die böse Stiefmutter. Der Ausgang ist natürlich von vornherein klar und auch gar nicht das, was zählt bei einer screwball comedy. Als von Interesse erweist sich hier lediglich der Weg zum Ziel, der gespickt ist mit typisch Wilder'schen Bildungsspäßen und der gekrönt wird von einem natürlich wunderhübschen Ende, an dem alle sich in die Arme nehmen und ihre gemeinsame Zukunft begießen dürfen. Verwundert bloß etwas, dass Gary Cooper in einem doch eigentlich urtypischen Cary-Grant-Part auftaucht (was selbstverständlich nicht heißen soll, dass er seine Sache auch nur im Entferntesten schlecht machte). Film zum Gut-, ja, sogar zum Besserfühlen.

8/10

Screwball Howard Hawks Parodie Billy Wilder


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THIEVES LIKE US (Robert Altman/USA 1974)


"You liar! You cheated on me!"

Thieves Like Us (Diebe wie wir) ~ USA 1974
Directed By: Robert Altman


Misissippi zur Depressionszeit: Die drei Lebenslänglichen Bowie (Keith Carradine), Chicamaw (John Schuck) und T-Dub (Bert Remsen) fliehen aus dem Staatsgefängnis und rauben im gesamten Süden der USA zahlreiche Banken aus. Besonders Chicamaw geht dabei zunehmend gewalttätig vor. Als Bowie sich in die unbedarfte Jungfrau Keechie (Shelley Duvall) verliebt, beginnt er ansatzweise, seine kriminelle Existenz zu hinterfragen, kann und will jedoch nicht über seinen Schatten springen, was ihn schlussendlich das Leben kostet.

In den USA der dreißiger Jahre Bankräuber zu sein, bedeutete angesichts der ökonomischen Verhältnisse zugleich Rebellion als oberstes Existenzprinzip sowie eine besonders harsche Form der Systemfeindlichkeit; erst einige Dekaden später wurden aus den grimmigen Schattenwesen hinter den Tommy Guns echte Menschen, die in der Populärkultur bis heute eine nachträgliche Mythisierung erfahren. Im Gegensatz zu Bonnie und Clyde oder John Dillinger sind die "Helden" in Altmans "Thieves Like Us", jener nach Rays gut 25 Jahre älterem "They Live By Night" bereits die zweite Verfilmung von Edward Andersons gleichnamigem Roman, derweil Gegenstände reiner Fiktion, die eine starke Verwurzelung in der historischen Realität allerdings nicht verleugnen können. Der unweigerliche Moralisierungsfaktor ist zwar auch hier evident, jedoch verdeutlicht Altman durch stetige kleine Hinweise die schon damals allgegenwärtige Einflussnahme der Massenmedien, in diesem Fall des Radios. Permanent laufen im Hintergrund die damals beliebten Rundfunkserien wie "The Spirit" und "The Shadow", die das Bandenunwesen staatlich legitimiert und in höchstem Maße naiv bis in seine Grundfesten verdammen und der öffentlichen Ächtung preisgeben, als eine Art stiller Kommentar. Dabei bestand seinerzeit für den "kleinen Mann" eine der wenigen Chancen, zu etwas Flüssigem zu kommen, darin, den göttlichen Pfad der Tugend zu verlassen. Altman versäumt es trotz bewusster Aussparung von offensichtlichem Sozialkitsch nicht, darauf hinzuweisen. Müßig zu erwähnen, dass "Thieves Like Us" stilistisch eindeutig als einer seiner Filme identifizierbar ist.

8/10

New Hollywood period piece Suedstaaten Great Depression Robert Altman Couple on the Loose


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THE BIG SLEEP (Howard Hawks/USA 1946)


"You don't look like a man who'd be interested in first editions." - "I collect blondes in bottles, too."

The Big Sleep (Tote schlafen fest) ~ USA 1946
Directed By: Howard Hawks


Der Privatdetektiv Philip Marlowe (Humphrey Bogart) erhält von seinem Klienten General Sternwood (Charles Waldron) den Auftrag, sich um eine Erpressungsepisode seine jüngere Tochter Carmen (Martha Vickers) betreffend zu kümmern und wenn möglich den Aufenthaltsort von Sternwoods verschwundenem Freund Sean Regan ausfindig zu machen. Marlowe stößt schnell auf die einfältige Erpresserbande, muss dann jedoch feststellen, dass auch Sternwoods andere Tochter Vivian (Lauren Bacall) in die Klauen eines Erpressers gefallen ist.

Einer von Hawks' schönsten Filmen und eines der großen Meisterwerke des klassischen film noir, das zudem die filmische Inkarnation des hardboiled p.i. ausdefiniert. Für Bogart bedeutete der Part des Philip Marlowe, nachdem er ja für Huston bereits Hammetts Sam Spade gespielt hatte, die coolste Rolle seiner Leinwandkarriere. Marlowe ist ein Typ, den absolut nichts anficht und der selbst bei höchster Gefahr für Leib und Leben noch Herr der Lage bleibt. Auf schnippische Kommentare zu seiner Person, besonders solche, die auf seine Körpergröße abzielen oder ihn anderweitig aus der Reserve locken sollen, hat er stets die passende Antwort parat. Wie "To Have And Have Not" ist auch "The Big Sleep" vorneweg ein Vehikel für die Paarung Bogart/Bacall. Ansonsten erweist er sich als großer Triumph singulärer Bestandteile über die Gesamtkohärenz. Trotz des brillanten Dialogscripts, das vor wundervollen, zitierfähigen Zeilen nur so wimmelt, ist die Story in ihrer Gesamtheit nicht vollends nachvollziehbar. Selbst wenn man sich mit einem Notizblock danebensetzte und bunte mind maps anfertigte, würde man vermutlich nicht restlos jede Plotwendung erfassen können, so dermaßen verworren und konfus läuft das Ganze ab. Der eigentliche Kniff liegt aber eben darin, diese vermeintliche Schwäche durch die vielen übrigen Stärken zu egalisieren. Sogar die erst relativ spät entstandene Synchronisation macht dem Film trotz mancher Soundtrackpfuschereien keine Schande. Arnold Marquis, der auf Bogart besetzt war, lieferte eine seiner allerbesten Vorstellungen.
Ich persönlich finde es nur jedesmal, da ich mir die knappen zwei Stunden mit diesem prachtvollen Film schenke, schade, dass meiner Lieblingsfigur, nämlich dem alten General Sternwood, nicht etwas mehr screentime eingeräumt wurde.

10/10

hardboiled Howard Hawks Raymond Chandler film noir Philip Marlowe William Faulkner Los Angeles


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THE GENERAL (John Boorman/IE, UK 1998)


"You never own things. The things own you."

The General ~ IE/UK 1998
Directed By: John Boorman


Am 18. August 1994 wird der Dubliner Gangster Martin Cahill (Brendan Gleeson) direkt vor seinem Haus von einem Attentäter erschossen, nachdem er ein mehr als ereignisreiches Leben geführt hat. Schon als Jugendlicher rebelliert der ewige Dickkopf im berüchtigten Hollyfield-Viertel, einem Sinnbild des Sozialabbaus aufwachsende Cahill gegen die Polizei-Obrigkeit. Jene symbolisiert für ihn nichts weiter als staatliche Repression. Später weigert er sich trotzig, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen oder Steuern zu bezahlen, outet sich in aller Öffentlichkeit als Berufskrimineller und bezieht regelmäßig seine Arbeitslosenstütze, obwohl er an Einbrüchen mit Millionenbeute beteiligt ist. Im Privatleben führt Cahill eine rundum akzeptierte Dreiecksbeziehung mit seiner Frau (Maria Doyle Kennedy) und deren Schwester (Angeline Ball). Seine ihn nicht vor Diabetes bewahrende Enthaltsamkeit und Diszipliniertheit tragen ihm den Spitznamen "The General" ein. Als er wertvolle Gemälde an eine protestantische Untergrundorganisation verhehlt, gerät er ins Schussfeld der IRA.

Der farbenfrohe Charakter Martin Cahills stand Pate für zwei fast zeitgleich entstandene Filme. Der erste und wesentlich bedeutsamere davon ist Boormans "The General", dem zwei Jahre später "Ordinary Decent Criminal" mit Kevin Spacey folgte. Dieser verwendete jedoch andere Namen und gestaltete bestimmte Fakten geflissentlich um. Boorman brachte seinen Film in kunstvollem Schwarzweiß-Scope in die Kinos, die meisten der später auf Heimmedien erschiedenen Kopien waren dann eingefärbt. Eine Schande, da sich die ganze Substanz und Brillanz von "The General" tatsächlich nur mittels des Ursprungsmaterials erfassen lässt. Der Regisseur macht für seine Inszenierung Gebrauch von einer großen emotionalen Bandbreite. In erster Linie überwiegen allerdings die komischen Elemente, etwa, wenn Cahill in diversen Szenen die irische Polizei narrt oder mit ungeheurer Dreistigkeit einmal mehr Gesetzeslücken ausnutzt, um einer drohenden Haftstrafe zu entgehen. Dieser Humor übersieht allerdings nicht die teils tragischen Persönlichkeiten der Cahill umgebenden Individuen, geschweige denn seine eigene. Der von allen Seiten kommende, ungeheure Druck macht aus dem einst so stolzen Dissidenten schließlich einen nervösen Paranoiker und der 'Robin Hood von Dublin' nimmt seinen unmittelbar nahenden Tod mit einem fast dankbaren Gesichtsausdruck in Kauf.
Ein famoser Film, vermutlich der beste, den Boorman in den letzten zwanzig Jahren zustande gebracht hat.

9/10

Irland Biopic IRA John Boorman Working Class Heist Nordirland-Konflikt


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THE BIG COMBO (Joseph H. Lewis/USA 1955)


"I think Mr. Diamond needs a drink."

The Big Combo (Geheimring 99) ~ USA 1955
Directed By: Joseph H. Lewis


Mit verbissener Härte versucht Lieutenant Diamond (Cornel Wilde), den skrupellosen Gangsterboss Mr. Brown (Richard Conte) festzunageln. Dieser jedoch windet sich aus jeder noch so ausweglos scheinenden Sackgasse und wird dabei immer dreister in seinen Methoden. Diamonds große Chance ergibt sich, als er mithilfe von Browns Freundin Susan (Jean Wallace) die unter neuer Identität lebende Noch-Ehefrau (Helen Walker) des Verbrecherkönigs ausfindig macht.

Joseph H. Lewis' "The Big Combo" markiert den neben Langs "The Big Heat" zweiten harten Polizeifilm der frühen Post-Noir-Jahre. Die Grundfesten der Story gerieren sich wie bei Lang: Ein unbestechlicher Polizist macht den Kampf gegen das organisierte Verbrechen, respektive gegen eine dieses symbolisierende Schlüsselfigur zu seinem Privatkrieg, der selbst unter größten persönlichen Einbußen geführt wird. Wie in "The Big Heat", in dem Lee Marvin seiner Freundin das Gesicht mit kochendem Kaffee verbrüht, gibt es auch in "The Big Combo" eine denkwürdige Gewalt- bzw. Foltersequenz, in der Diamond von Mr. Brown und seinen Vasallen mittels eines Hörgeräts und Hochprozentigem traktiert wird. Den Part des furchteinflößenden Asphaltsatans übernimmt hier Richard Conte, des öfteren in films noirs zu sehen und in seinen späten Tagen häufiger Gast als altehrwürdiger Mafiaboss. Seinerzeit unerhörte Themen wie Homosexualität (das von Lee van Cleef und Earl Holliman gespielte Killerpärchen ist offensichtlich schwul) und sexuelle Hörigkeit (der Grund, warum Susan nicht von Mr. Brown loskommt) werden in Lewis' Film angeschnitten, ohne sie ausbeuterisch zu gestalten.
All das sind Gründe dafür, dass "The Big Combo" trotz seines Status als kleine B-Produktion mittlerweile auch großflächig als veritabler Klassiker gilt.

8/10

hardboiled film noir Independent Joseph H. Lewis





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