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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE ICEMAN (Ariel Vromen/USA 2012)


"I'm good at what I'm doing."

The Iceman ~ USA 2012
Directed By: Ariel Vromen

Der in der Pornokino-Branche tätige Richard Kuklinski (Michael Shannon) hat ein völlig moralbefreites Verhältnis zur Gewaltanwendung. Als Kind von seinen regelmäßig und schwer Eltern misshandelt, genügt es dem erwachsenen Kuklinski nur, wenn ihn jemand schief ansieht, um diesen hernach schnell und unauffällig zu töten. Als der Mafiascherge Roy DeMeo (Ray Liotta) Wind von Kuklinskis "Qualitäten" bekommt, heuert er ihn als Auftragskiller an - wobei er ausschließlich Männer angreift und beseitigt. Diese Tätigkeit ermöglicht Kuklinski und seiner parallel zu seinen grausamen Aktiitäten gegründeten Familie ein wohlsituiertes Leben. Trotz seiner einerseits liebevoll-aufopfernden Art werden seine Frau Deborah (Winona Ryer) und Töchter (McKaley Miller, Megan Sherrill) immer wieder Zeugen irrationaler Gewaltausbrüche bei Richard. Über zwei Jahrzehnte nach der Hochzeit mit Deborah wird er in ihrem Beisein im Zuge eines Großeinsatzes des ATF verhaftet - ohne dass seine Frau bis dato um das Doppelleben ihres Mannes weiß.

Der authentische Richard Kuklinski, der 2006 im Gefängnis verstarb, bildete den seltenen Fall eines pathologischen Serienkillers, der seine Obsession zum Beruf machen "durfte": Nachdem er sich bereits in seinem sozialen Umfeld einen Ruf als gewaltbereiter Totschläger erworben hat, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte, wenn einem sein Leben lieb war - zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits mehrere Menschenleben auf dem Gewissen-, trat die Mafia mit ihm in Kontakt. In den folgenden Jahrzehnten trieb er zwischen zwischen zwei unvereinbaren Welten hin und her - der des nach außen idyllischen Familienlebens mit kleineren Hinweisen auf sein soziopathisches Innenleben und der von Verbrechen und Gewalt. Wie viele Menschen Kuklinski zum Zeitpunkt seiner Verhaftung im Jahre 1986 tatsächlich auf dem Gewissen hatte, ließ sich nie verifizieren. Offizielle Angaben schwanken zwischen 100 und 250 Opfern.
Vromens auffallend spät entstandene Filmbiographie um Kuklinski streift nur Blitzlichter und einzelne Ereignisse in dessen Leben, setzt im Protagonistenalter von 29 Jahren ein und komprimiert die folgenden 22 Jahre mittels einer fast dokumentarischen Abgeklärheit. "The Iceman" verweigert sich großen emotionalen Gefällen und schildert Kuklinski so, wie er wohl tatsächlich war - als einen stillen, zu explosiven Ausbrüchen neigenden Hünen, dem jedwede Sympathie für das Menschengeschlecht bereits in frühester Biographie herausgeprügelt wurde und der im Gegensatz dazu seine Familie geradezu äffisch vergötterte. In manchen Punkten verweigert sich das Script zugunsten der Akzentuierung seiner im Grunde bipolaren Existenz einer akkuraten Authentitzität, so wird Kuklinskis Sohn völlig außen vor gelassen, ebenso wie die Tatsache, dass er seine Frau häufig geschlagen haben soll. Einen Höhepunkt bildet die formidable Besetzung von "The Iceman" - neben dem beängstigend-monströsen Shannon bleiben Auftritte von Robert Davi, David Schwimmer, Stephen Dorff und James Franco in dankbarer Erinnerung.

8/10

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HEISSES PFLASTER KÖLN (Ernst Hofbauer/BRD 1967)


"Exquisit und exklusiv - des ist unser Motto!"

Heißes Pflaster Köln ~ BRD 1967
Directed By: Ernst Hofbauer

Der Zuhälter Paul (Arthur Brauss) bekommt gleich in mehrerlei Hinsicht kalte Füße: Der übereifrige Staatsanwalt Stauffer (Richard Münch) strebt eine Revisionsverhandlung gegen Pauls wegen Mordes verdächtigen Bruder (Jos Hartmann) an und der Wiener Poldi kommt mit seinem Tross nach Köln, um Pauls Pferdchen vom Strich weg abzuwerben und in seinem Edelpuff zu beschäftigen. Derweil treibt das marodierende Teeniemädchen Vera (Monika Zinnenberg) ihr Unwesen in der Stadt und Stauffers Sohn Ernst (Claus Ringer) schwebt wegen seiner hübschen Freundin Susanne (Doris Kunstmann) auf Wolke 7.

Orientiert an einigen echten Vorfällen im ehedem zeitgenössischen "Chicago am Rhein", in welchem Ende der Sechziger Zuhälter wie der tatsächlich Todesdrohungen gegen einen verfeindeten Staatsanwalt ausstoßende Toni Dumm (oder, wie er besser bekannt ist, Dummse Tünn) zu den heimlichen urbanen Größen zählten, klöppelten Hofbauer und die Münchener LISA-Film dieses schon semilegendäre Kolportage-Produkt über die sittenwidrigen Vorgänge im Mittwesten der Bundesrepublik zusammen: Ja, nicht nur in Hamburg und Frankfurt waren die Nächte lang (respektive heiß), auch bei uns am Rhein ging's hoch her. Das kölsche Fremdenverkehrsamt sah es dabei gar nicht gern, dass ausgerechnet die Bayern ihr rheinisches Frohsinnsmekka so verunglimpften und die hauseigene Großstadt als dermaßen verworfenes Sündenbabel zeichneten. Die Herren von der Lokalreklame hatten offensichtlich keinen Sinn für Humor, denn die - natürlich filmdramaturgisch hübsch zurecht gebogene und verzerrte - Rotlichtwelt des Films reizt gewiss zu mancherlei schäbigem Grinsen. Wenn die Zuhältergangs jeweils zu dritt gegeneinander antreten und Rainer Basedow sein Vis-à-vis Herbert Fux mit "Du Frankenstein!" beschimpft, dann bleibt freilich kein Auge trocken. Außerdem demonstriert uns die hübsche Bilderbuch-, äh, Bildungsbürgerjugend, dass es immer noch Wege und Hoffnung gab - auch dies schon damals.

7/10

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AMERICAN ME (Edward James Olmos/USA 1992)


"Welcome to the clika, carnal!" - "Por vida, ese, por vida."

American Me (Das Gesetz der Gewalt) ~ USA 1992
Directed By: Edward James Olmos

Montoya Santana (Edward James Olmos), einer der führenden Chicano-Drogenbosse Kaliforniens, blickt während eines weiteren Gefängnisaufenthalts, den er eigentlich gar nicht selbst zu verschulden hat, auf sein verpfuschtes Leben zurück. Geboren als Vergewaltigungresultat während einer Sauftour von Navy-Matrosen hat sein nomineller Vater (Sal Lopez) ihn nie wirklich annehmen oder akzeptieren können. Diese fehlende Liebe macht sich früh bemerkbar: Als Jugendlicher (Panchito Gómez) gerät Santana in die keimende Gangszene von East L.A., landet bald darauf im Knast und passt sich nicht nur zur Gänze den dort vorherrschenden Strukturen an, sondern bestimmt diese in entscheidender Weise mit. Nachdem er seinen ersten Mord infolge einer an ihm vollzogenen Vergewaltigung begangen hat, landet Santana in Folsom und wird dort zum Anführer der Chicano-Gruppe 'EME'. Er verbringt lange Jahre im Gefängnis und organisiert ein mächtiges Drogennetz, das relativ mühelos seine Kanäle zwischen 'draußen' und 'drinnen' zu bewirtschaften weiß. Als Santana nach vielen Jahren freigelassen wird, erkennt er, dass seine emotionale Entwicklung irgendwann mit 15 Jahren stehengeblieben ist und er sich kaum an die Außenwelt zu adaptieren lernt. Als er anfängt, Menschlichkeit und Mitgefühl zu zeigen, steht er bei seinen einstigen carnales auf der Abschussliste.

Taylor Hackfords "Bound By Honor" ist ein großes, episches Werk über die komplexen Vorgänge zwischen der gefängnisinternen und -externen Gangkriminalität im Milieu der Chicanos von Los Angeles, das sich über mehrere Jahrzehnte sozialer und individueller Entwicklungen erstreckt. Dabei war "Bound By Honor" nicht der erste Film, der dieses Thema behandelte - ein Jahr zuvor kredenzte der intraethnisch stets hochengagierte Edward James Olmos den nicht minder brillanten "American Me", der im Schatten des großen Nachfolgers bis dato immer etwas unterzugehen scheint.
"American Me" hat es insofern etwas "leichter" als Hackfords Film, als dass er nicht drei parallele Geschichten zu erzählen hat, sondern sich mit einer begnügt - der des Machers und Organisators, des zum Soziopathen erzogenen Schwerstkriminellen. Olmos verleiht diesem eigentlich undefinierbaren Gewaltverbrecher ein besonnenes Charaktergesicht. Bei ihm wird Santana zum Menschen, zum Antihelden und zu einer, zumindest ansatzweise nachvollziehbaren, Persönlichkeit. Weit weniger schmucklos und glanzvoll inszeniert als "Bound By Honor" (der sich ungeachtet dessen trotzdem auch stark an Olmos' Vorbild orientiert) präferiert "American Me" den schonungslosen Weg, ist hässlich und brutal, ohne sich je exhibitionistisch zu geben, mit pseudodokumentarischen Zügen garniert und wirkt allein denzufolge besonders zum erwartbaren Ende hin schwer affizierend. Eines der Meisterwerke seines Jahrzehnts. Sollte man, zumindest bei entsprechender Neigung zu solchen Stoffen, gesehen haben.

10/10

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THE CLIENT (Joel Schumacher/USA 1994)


"I can assure you, you have been an even larger pain in the ass."

The Client (Der Klient) ~ USA 1994
Directed By: Joel Schumacher

Der elfjährige Mark Sway (Brad Renfro) und sein noch jüngerer Bruder Ricky (David Speck) werden im Wald Zeugen des Selbstmordes eines Anwalts (Walter Olkewicz) aus New Orleans. Zuvör hört Mark noch von dem Grund für dessen Suizid: Er ist Mitwisser eines Mafia-Mords an einem Senator und weiß um das Versteck der Leiche. Ricky fällt wegen des Schocks in katatonische Starre, Mark bekommt es mit dem emsigen Staatsanwalt Roy Foltrigg (Tommy Lee Jones) und der Mafia zu tun. Eher zufällig stößt er auf die Anwältin Reggie Love (Susan Sarandon), die fortan Marks Leben beschützt wie eine Löwin ihre Babys.

Gleich hinterher die schwächste Grisham-Adaption, eine sülzige, überzogene Krimifarce mit einem Sprüche klopfenden Dreikäsehoch als Helden, kurzum: ein Film zum Abgewöhnen. Lichtblicke sind erwartungsgemäß einzig die bravourösen Darsteller, deren Auflistung mit Tommy Lee Jones, J.T. Walsh, Ossie Davis, William H. Macy und den Standards John Diehl und Anthony Heald gewohnt exorbitant ausfällt. Wie gewohnt sind sie alle sehenswert. Susan Sarandon hingegen sollte sich schämen, eine derart klischeebehaftete, geradezu undankbar kantenlose Rolle angenommen zu haben, ebenso wie Joel Schumacher, sich die Regie für ein solch standardisierten Einheitsbrei auch nur in Erwägung gezogen zu haben. "The Client" vereint die denkbar undankbarsten Facetten, die ein Grisham-Stoff transportieren kann und scheint diese in Filmform nochmals zu potenzieren: Rührige Helden, finstere Schurken, Rechtskritik und Mitleid mit den sozial Benachteiligten, die es allein ihrer bäuerlichen Cleverness verdanken, wenn sie im Korruptionsgewirr von Politik und organisierten Verbrechen eine Überlebenschance haben wollen. Ein arroganteres Weltverständnis innerhalb der Populärkultur muss man erstmals ausfindig machen.

3/10

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CONFESSIONS OF AN OPIUM EATER (Albert Zugsmith/USA 1962)


"Here was the secret of happiness, about which philosophers had disputed for so many ages, at once discovered..."

Confessions Of An Opium Eater (Bekenntnisse eines Opiumsüchtigen) ~ USA 1962
Directed By: Albert Zugsmith

Der Abenteurer Gilbert De Quincey (Vincent Price) kommt nach San Francisco, wo er in Chinatown in die Machenschaften einer Tong-Chefin (Linda Ho) gerät, die eine Versteigerung orientalischer Sklavinnen für wohlhabende Geschätsleute plant.

Nach De Quinceys berühmter Novelle entstand dieses durchaus als waghalsig zu bezeichnende trip movie, eine frühe, poetische Vorwegnahme von "Big Trouble In Little China", die im vorgeblichen Gewand eines wilden kleinen Exploiters den schon damals nicht mehr ganz jungen Vincent Price als schwarzgewandeten Seemann zeigt, der im Bannkreis zwischen Opiumpfeife, Baudelaire und kreischenden Mädchen die Kastanien aus dem Feuer holen muss. Price als Actionheld; das mutet bereits als Idee paradox an und in der Tat dürfte er im Zuge der meisten entsprechenden Szenen, die ihn bei Kletteraktionen oder beim Sprung von irgendwelchen Dächern zeigen, gedoubelt worden sein. Zwar ist der Protagonist nur einmal während des Films wirklich direkt berauscht, dennoch gehorcht die gesamte Narration einer seltsamen Traumlogik. Mit dem Eintritt in das fernab der Hauptstraßen liegende Chinatown erhält man zugleich das Visum für eine Parallelwelt, in dem abendländische Wertmaßstäbe passé sind. Passend dazu ist Prices best buddy eine zwergenwüchsige Chinesin (Yvonne Moray). In einer Mischung aus lustvoller Zeigefreudigkeit und kulturellem Respekt springt Zugsmiths Film mitten hinein in dieses räucherstäbchen- und qin-geschwängerte Exotik-El-Dorado und findet am Ende auch ganz bewusst nicht mehr heraus: what happens in Chinatown, stays in Chinatown.

7/10

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TRANCE (Danny Boyle/UK 2013)


"The memory cannot be destroyed."

Trance ~ UK 2013
Directed By: Danny Boyle

Der bei einem Auktionshaus beschäftigte Simon (James McAvoy) hilft dem Ganoven Franck (Vincent Cassel) und seiner Gang, einen wertvollen Goya zu stehlen, versteckt ihn jedoch im allgemeinen Aufruhr und leidet hernach an einer durch einen Gewehrkolbenschlag hervorgerufenen Amnesie. Das Gemälde bleibt verschwunden. Um dessen Versteck zu enthüllen, soll Simon sich einer Hypnotherapie unterziehen. Er selbst wählt die Therapeutin Elizabeth (Rosario Dawson) aus, sein Gedächtnis zu ordnen, verrliebt sich jedoch nach kurzer Zeit in sie. Damit beginnt ein für alle Beteiligten zunehmend gefährliches Vexierspiel, in dessen Unordnung Simon sich bald nicht mehr auskennt.

In seiner bewährt aufwändigen, undurchdringlich-collagenhaften Form widmet sich Danny Boyle zum ersten Mal seit seinem Debüt wieder einer originär kriminalistischen Geschichte, die, ähnlich wie das "Shallow Grave" im Laufe ihrer Entwicklung enthüllt, zu welchen Verworfenheiten gierige und besitzergreifende Zeitgenossen fähig sind und die die meisten ihrer Mitspieler als bestialische Moralhuren denunziert. Schön. Da Boyle, zumindest was mich anbelangt, eine trotz der wesentlichen Boshaftigkeit seiner Geschichte flächige, entspannte Betrachtung begünstigt, mag ich seine Filme ohnehin stets sehr. Ich kann mir vorstellen, dass der bei der Erstbeschau zwangsläufig recht konzentrationsintensive, inhaltliche Aspekt sich bei Wiederholungen wesentlich geschmeidiger ausnimmt und in den Hintergrund tritt, woraufhin die audiovisuellen Vorzüge von "Trance", der einmal mehr von seiner prachtvollen Einfärbung in Verbindung mit sphärischen Klängen lebt, deutlich entspannter zu genießen sein werden. Hat mir gut gefallen.

8/10

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GET THE GRINGO (Adrian Grunberg/USA 2012)


"Is this a prison or the world's shittiest mall?"

Get The Gringo ~ USA 2012
Directed By: Adrian Grunberg

Seine spektakuläre Flucht über die mexikanische Grenze bringt ihn auch nicht weiter: Der Driver (Mel Gibson) landet in einem Ausnahmeknast auf der anderen Seite, derweil seine zuvor erbeuteten zwei Millionen Dollar von einem Paar korrupter Cops in Gewahrsam genommen wird. Als der Driver im Gefängnis einen Jungen (Kevin Hernandez) und dessen Mutter (Dolores Heredia) kennenlernt, entwickelt er familiäre Gefühle. Um sowohl die beiden als auch sein sauer erbeutetes Geld in Sicherheit zu bringen, entwickelt er einen ausgebufften Plan, der einen US-Geschäftsmann (Thomas Kaufman) zum Dreh- und Angelpunkt hat...

Mel Gibson seit langem mal wieder als bad ass wie man ihn dereinst, als es noch nicht verpönt war, lieben durfte; nicht ganz mit der opportunistisch-fatalistischen Resignation eines Max Rockatansky versehen, aber zumindest ein Martin Riggs der Gegenseite. Es müssen eine ganze Menge fieser und mieser Typen dran glauben, wenn der ansonsten namenlose 'Driver' in die Offensive geht und neunundneunzig Prozent von denen haben es auch verdient.
Das verschwitzte, nach mexikanischem Bier und Tacos riechende Grenz-Ambiente wird in "Get The Gringo" geradezu aromatisch wahrnehmbar; man fühlt sich bei Gibson, der nebenbei keine Scheu zeigt, die Alterungsspuren seiner verbraucht wirkenden Physiognomie unverblümt in die Linse zu halten, an Ikonen wie Lee Marvin und Steve McQueen erinnert. Abgeklärt, vom Leben gezeichnet und daher auch von nichts Argem mehr zu überraschen. Zwischendurch hat es eine blutige Großschießerei in gedehnter Zeitlupe, die überdeutlich an analoge Szenen bei Peckinpah und Hill gemahnt. Ich schätze, viel mehr braucht es wohl auch gar nicht, um sich zufrieden zu finden.

8/10

Adrian Grunberg Mexiko Kalifornien Gefängnis


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FOXY BROWN (Jack Hill/USA 1974)


"I don't know... vigilante justice?" - "It's as American as apple pie."

Foxy Brown ~ USA 1974
Directed By: Jack Hill

Für Foxy Brown (Pam Grier) gibt es nur noch eines: Vergeltung. Nachdem Foxys nutzloser Bruder Link (Antonio Fargas) ihren Lover Michael (Terry Carter), der sich just als vormaliger Uncercover-Cop zur Ruhe setzen wollte, an die Gangsterchefin Katherine Wall (Kathryn Loder) verpfiffen hat, wird Michael auf offener Straße hingerichtet. Als Prostituierte getarnt, infiltriert Foxy die sauberen Kreise der Miss Wall und räumt nach ersten Rückschlägen gnadenlos alles beiseite, was sich ihr in den Weg stellt.

Ein grandioser Blaxploiter mit allem, was dazu gehört und vielleicht noch ein wenig mehr. "Foxy Brown" erfüllt nicht bloß Klischees, er kreiert sie auf denkbar aktive Weise mit; etwa unter Aufwändung des treibendenm pseudo-feministischen Elements der schwarzen Superfrau, die sich einer geschmeidigen, sexuell unersättlichen und tödlichen Pantherkatze gleich durch die Reihen ihrer zumeist weißen Widersacher bewegt und unvermittelt zuschlägt. Man lernt zudem viel über das intraethnische geschlechtliche Selbstverständnis dieser Zeit, das eine selbstbestimmte Frauenfigur im Prinzip auch nur solange zuließ, wie diese sich an die virilen Bettqualitäten eines männlichen Gegenparts klammerte: in einer vielsagenden Szene räumt Foxy in einer Lesbenspelunke auf und bearbeitet die verachtenswerten Mannsweiber mit Barhockern. Soviel zum Thema Emanzipation. Später werden ihre Gegner zuvorderst erschossen, jedoch auch auf exotischere Arten liquidiert: Zwei werden verbrannt, einer von einem Frontpropeller zerfetzt. Die Hauptgegnerin allerdings bleibt, unter Foxys denkbar größtmöglicher Erniedrigungsstrategie, am Leben, nachdem sie Foxys Mitbringsel inspiziert hat: Die abgeschnittenen Genitalien ihres Liebhabers (Peter Brown). 'Quid pro quo', allerdings mit etwas mehr 'quid' als nötig.
Pam Grier ist wie gemacht für diese Art niederträchtigen Racheengel-Spektakulums, das zeigt sich besonders anhand des großartigen Kleinods "Foxy Brown". I love it.

8/10

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T-MEN (Anthony Mann/USA 1947)


"These are the six fingers of the Treasury Department fist. And that fist hits fair, but hard."

T-Men (Geheimagent T) ~ USA 1947
Directed By: Anthony Mann

Um einen landesweit operierenden Falschmünzerring dingfest zu machen, schickt das Schatzamt die zwei Agenten O'Brien (Dennis O'Keefe) und Genaro (Alfred Ryder) undercover ins Feld. Geschickt schleichen sie sich in die Reihen der misstrauischen Kriminellen ein, deren Hauptsitz in Los Angeles liegt. Schließlich fliegt Genaros Tarnung auf und er wird erschossen. Für O'Brien ein persönlicher Grund mehr, die Sache zum Abschluss zu bringen.

Mit dokumentarischer Genaugkeit ohne Vernachlässigung der atmosphärischen Sujet-Qualitäten ging Anthony Mann für "T-Men" zu Werke. Unterhaltungsfilme, die zur damaligen Zeit Exekutiv-Organisation wie das FBI oder in diesem Falle das Schatzamt zum Thema hatten, stellten zugleich allerdings auch immer ein Stück PR-Arbeit für die entsprechende Institution dar. Im Prolog von "T-Men" hält der echte Schatzbeamte Elmer Lincoln Irey eine trockene Einführungsrede über die unnachgiebige, heroische Arbeit seiner Kollegen, derweil sich der Film im weiteren Verlauf narrativ an den regelmäßigen Kommentaren eines Off-Sprechers (Reed Hadley) entlanghangelt. Manns versierte Regie im Verbund mit der brillanten Kameraarbeit des großartigen John Alton machen jene verbalen Orientierungspunkte vollkommen überflüssig und lassen sie retrospektiv hoffnungslos naiv erscheinen. Unter dem kunsthistorischen Aspekt, dass sie zur Repräsentanz der Werksoriginalität eben unentbehrlich sind, lassen sie sich jedoch ertragen. Es bleibt aber eine unabdingbare Tatsache, dass "T-Men" ohne jene Einspieler, die ihn ungerechterweise zu einer partiellen Werbeplattform für den US-Polizeiapparat machen, als wichtiges, ja, visionäres Werk mit wesentlich höherem Popularitätsgrad Bestand hätte.

8/10

Anthony Mann film noir Detroit Los Angeles Falschgeld undercover


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SPRING BREAKERS (Harmony Korine/USA 2012)


"Bikinis and big booties - that's what it's all about."

Spring Breakers ~ USA 2012
Directed By: Harmony Korine

Vier Freundinnen (Ashley Benson, Selena Gomez, Vanessa Hudgens, Rachel Korine) wollen dem sie umgebenden College- und Kleinstadtmief Richtung Spring Break entfliehen. Um sich finanziell auszustaffieren, rauben sie zunächst ein Diner aus und starten dann nach Florida, wo ihre Party-Exzesse sie bald hinter schwedische Gardinen führen. Der örtliche Dealer Alien (James Franco) hinterlegt ihre Kaution, erwartet dafür im Gegenzug aber körperliche Gefälligkeiten. Für die sensible Faith (Gomez) der Anlass, wieder nach Hause zu fahren. Die anderen drei lassen sich in Aliens Gangsteruniversum entführen, für zwei von ihnen verwandelt sich seine Rivalität gegen den Konkurrenten Archie (Gucci Mane) in einen blutigen Feldzug.

Harmony Korine, das muss man wissen, ist der Autor der Larry Clark-Filme "Kids" und "Ken Park". Diese Kenntnis erlaubt einen etwas differenzierteren Blick auf "Spring Breakers", einen Film, der sich natürlich nicht in jener Oberflächlichkeit erschöpft, die er in einer Mischung aus Faszinosum und moralinsaurer Protesthaltung porträtiert. Zunächst einmal sieht er toll aus: Schöne junge Menschen mit wenig Textilien am Leib geben sich der bonbonfarbenen Verlotterung in Form von Alkohol, Drogen, Sex und beschissener Musik hin, neonglitzernde Objekte in sternklarer Sommernacht, ein edles weißes Piano vor Bilderbuchküstendämmerung. Und dazwischen unser personell schrumpfendes Mädchenquartett. Deprimiert von der Determination ihres bourgeoisen Lebens stecken sie ihre Nasen in prall gefüllte Eimer mit Koks und Whiskey, wundern sich, dass es infolge dessen einen Kater oder sogar ernstzunehmenden Ärger gibt und holen sich zwischendurch die Absolution bei ihren Familien, indem sie diese via Fernsprecher schlicht anlügen. Als dann der amerikanische Schwiegersohnalbtraum Alien auf der Bildfläche erscheint, geht es endgültig bergab Richtung Moralsumpf. Ab jetzt sind scharfe Knarren im Spiel, Drogen, Gruppensex und Straßenkrieg.
In dem Bewusstsein um Harmony Korines Weltbild kann von ethischer Neutralität natürlich nicht die Rede sein. Der Mann ist mittlerweile 40 und kommt immer noch nicht los von der verworfenen Jugend, wie sie, im Grunde unverantwortlich für sich selbst, Dinge tut, die unvernünftig sind. Ausgerechnet die im Film als gottesfürchtig porträtierte Selena Gomez, die die Kinderzimmerwände von Milliarden Mädchen im Grundschulalter ziert, schafft als erste den "Absprung". Auf einmal steht sie im Billard-Café, wird von Farbigen (!) angestarrt und begrapscht. Da kullern plötzlich die Kleinmädchen-Tränchen, man will "weg hier" und nichts wie ab nach Haus, zur Oma. Bei der nächsten Ausfallnummer ist immerhin eine Kugel im Oberarm verantwortlich. Sowas tut weh und das muss ja nun doch nicht sein. Harmony Korine hat Mitleid mit seinen Schäfchen, aber sein Voyeurismus ist mindestens ebenso unverhohlen und wirkt beinahe schon wie ein selbsttherapeutischer Hilferuf. Ich glaube ganz ernsthaft, dass der Mann ein bis zwei Probleme hat. Nichtsdestotrotz habe ich mir "Spring Breakers" gern angeschaut. Er glänzt so schön.

6/10

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Filmtagebuch von...

Funxton

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