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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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WISE GUYS (Brian De Palma/USA 1986)


"Thank you Mr. Acavano!"

Wise Guys (Zwei Superpflaumen in der Unterwelt) ~ USA 1986
Directed By: Brian De Palma

Harry Valentini (Danny DeVito), Italoamerikaner und Moe Dickstein (Joe Piscopo), Jude, sind Nachbarn, beste Freunde und als Mädchen für alles beim örtlichen Gangsterboss Anthony Castelo (Dan Hedaya) beschäftigt. Dummerweise würde keiner von ihnen jemals eine Feuerwaffe betätigen, also haben sie, als kleines Amüsement für den Rest der Gang, nette, tägliche Aufgaben zu erledigen wie das Testen kugelsicherer Jackets, das Starten der höchstwahrscheinlich mal wieder verbombten Limousine des Chefs, die Abholung von Aquarienfischen beim örtlichen Tierhändler oder das Platzieren von Pferderennwetten. Als genau dies gründlich schiefläuft, schulden Harry und Moe Costelo urplötzlich eine Viertel Million Dollar. Weil keiner von ihnen seinen besten Freund reinreiten will, bekommen sie unabhängig voneinander den Auftrag, den jeweils anderen umzulegen. Eine prekäre Situation, durch die Harry und Moe sich nur durch die Flucht nach vorn und die Hilfe von Bobby D. (Harvey Keitel), seines Zeichens Pate von Atlantic City, retten können.

Dass De Palmas Œuvre sich in ganz unterschiedliche Subkategorien zergliedern lässt, ist seinen in der Filmografie des Meisters halbwegs bewanderten Freunden altbekannt. "Wise Guys" wäre demzufolge eine Art "Versuchsfilm", aus künstlerischer Perspektive möglicherweise entstanden mit dem erklärten Ziel, in anderen Bereichen als dem der hitchcockschen Hommage Fuß zu fassen. Gescriptet ist er als eine köstlich-altmodische Komödie, die ebensogut ein oder zwei Jahrzehnt(e) zuvor von I.A.L. Diamond geschrieben und von Billy Wilder mit Jack Lemmon und Walter Matthau hätte inszeniert werden können. Möglicherweise wären seine Meriten dann auch deutlich vorteilhafter ausgefallen, was nicht eben für eine rückblickend gerechte Behandlung von "Wise Guys" spricht.
Der Film bildet eine herzliche Plattform für sein Hauptdarstellerduo, hat mit Hedaya und Keitel, standards wie Frank Vincent und Julie Bovasso sowie vor allem dem Ex-Wrestler Lou Albano (der ein bisschen aussieht wie ein dicker Joe Spinnell auf coke) eine tolle Nebenbesetzung und macht infolge diverser launiger Gags sowie der ironischen Zeichnung des Ostküsten-Kleingangstermilieus einfach viel Freude. De Palmas Regie ist für eine Komödie vielleicht ein klein wenig zu experimentell mit einem 360°-Shot hier und einer kleinen Plansequenz dort. Aber das sind eben unverzichtbare Markenzeichen des Regisseurs. Man wird sich dereinst vermutlich nicht unbedingt an den kleinen "Wise Guys" erinnern, wenn man De Palmas Kino-Errungenschaften Revue passieren lässt - dies spricht aber keinesfalls gegen den Film, sondern allerhöchstens für De Palmas umfassendes Werk.

8/10

Brian De Palma New Jersey Atlantic City Mafia Ethnics Freundschaft


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BATMAN: MASK OF THE PHANTASM (Eric Radomski, Bruce W. Timm/USA 1993)


"Sal Valestra, your Angel of Death awaits."

Batman: Mask Of The Phantasm (Batman und das Phantom) ~ USA 1993
Directed By: Eric Radomski/Bruce W. Timm

Als Batman sieht sich Bruce Wayne mit einem neuen, tödlichen Gegner konfrontiert, dem "Phantom". Dieses schickt mehrere alternde Mobster ins Jenseits, bevor Batman sein wahres Geheimnis lüften kann. Parallel dazu taucht nach vielen Jahren Bruces alte Liebe Andrea Beaumont wieder in Gotham auf und verdreht ihm erneut den Kopf.

Parallel zur damals bei Fans wie bei Neueinsteigern wie eine Bombe einschlagenden Animated-TV-Serie gab es dieses ersten abendfüllenden Trickfilm fürs Kino. Meisterlich in Umsetzung und Stil, mit multiplen künstlerischen Einflüssen von Will Eisner bis Jugendstil und Art Déco und voll von gepflegt-unaufdringlichen Reverenzen an die Comichistorie Batmans, bildete "Mask Of The Phantasm" wiederum nicht nur für eingefleischte Liebhaber etwas ganz Besonderes. Er emanzipierte zugleich die Protagonisten des Animated-Universums als Neuinstallationen in ihrer eigenen Welt, das waghalsige Kunststück vollführend, zugleich den Charakter der Vorlagenfigur zu transportieren als ihn auch in einen gänzlich neuen stilistischen Kontext zu setzen. In Comictermini würde man dies als eine "Elsewords"- bzw. "What if...?"-Geschichte bezeichnen, eine Story also, die bekannte Figuren in ein ungewöhnliches Szenario verpflanzt, das aufgrund seiner narrativen Radikalität zumeist nur für ein singuläres Abenteuer taugte. Dass Bruce Wayne einst eine Geliebte gehabt haben soll, die ihn zunächst von seinem determinierten Vigilantenpfad abhielt, um ihn dann gezwungenermaßen sitzen zu lassen, ist eine schöne und durchaus Sinn stiftende, aber eben "erfundene" Fußnote in der Charakter-Biographie. Ähnliches gilt für den Joker, dessen erst kurz zuvor von Alan Moore in "The Killing Joke" festgesetzte origin die Autoren schlicht ignorieren. Alles kleine Faux-pas, mit denen man leben kann - weil der Film sie aufgrund seiner Geschlossenheit rasch vergessen macht.

8/10

Batman Comic Serienmord Rache Duell Amour fou Mafia


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THURSDAY (Skip Woods/USA 1998)


"Two fridges. Welcome to suburbia."

Thursday ~ USA 1998
Directed By: Skip Woods

Ein ohnehin nicht ganz gewöhnlicher Donnerstag wird für den mittlerweile in spießigen Vorstadtverhältnissen lebenden Ex-Gangster Casey (Thomas Jane) zu einer blutigen Tortur: Nachdem sein alter Kumpel Nick (Aaron Eckhart) sowohl ein Köfferchen voll Heroin als auch eine stattliche Geldsumme in Caseys Haus drapiert hat, tauchen diverse krimninelle Gestalten bei ihm auf, die wahlweise den Stoff oder die Kohle für sich beanspruchen, derweil Nick irgendwo in der Stadt unterwegs ist. Gut, dass zumindest Caseys nichtsahnende Frau Christine (Paula Marshall) einen Geschäftstermin hat, dumm derweil, dass sich just an diesem Tage ein furztrocknener Beamter (Michael Jeter), der Caseys Tauglichkeit in Bezug auf eine geplante Kindesadoption überprüfen will, bei ihm angekündigt hat.

Es gibt ganz bestimmt innovativere Filme als diesen Tarantino-Klon, der zweifelsohne auf dem Mist eines Menschen gewachsen ist, welcher emsigst alles an luftigen Gangsterfilmen von "True Romance" bis "Pulp Fiction" studiert haben dürfte. Nahezu sämtliche formale und inhaltliche Versatzstücke, aus denen "Thursday" besteht, lassen sich nämlich irgendwie in einem der bis dato verfilmten Tarantino-Scripts oder ihrer bereits entstandenen Ableger wiederfinden. Nur gut, dass dieser Casey eine hinreichend coole Sau (mit ätzender Frisur) ist, um der kompletten home invasion, die ihn an diesem Donnerstag heimsucht, den blanken Arsch zu zeigen. Am Ende gibt es eine Menge Leichen, ein paar davon fachgerecht zersägt und im Müll entsorgt, der Rest ein Fall für die korrupte Bullerei. Immerhin entpuppt sich der zuvor als so dreist eingeführte Nick als wahrer Engel mit schmutzigen Flügeln, denn die ganze üble Geschichte ist auf einen ausgeklügelten Plan seiner Wenigkeit zurückzuführen, der Casey und Christine ein von Aufrichtigkeit geprägtes Leben in Saus und Braus ermöglichen soll. Als Fait accompli ganz nett arrangiert, schließlich jedoch kaum mehr als eine nicht sonderlich gescheite, durchschnittliche Proletenphantasie mit einem immerhin schicken Ensemble.

5/10

Skip Woods Heroin Drogen Marihuana Vorort Taranteenie Schwarze Komödie


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LA CITTÀ SCONVOLTA: CACCIA SPIETATA AI RAPITORI (Fernando Di Leo/I 1975)


Zitat entfällt.

La Città Sconvolta: Caccia Spietata Ai Rapitori (Auge um Auge) ~ I 1975
Directed By: Fernando Di Leo

Als ein Gangstersyndikat Antonio (Francesco Impeciati), den jungen Sohnemann des reichen Bauunternehmers Filippini (James Mason) entführt, nehmen sie aus Gründen der Bequemlichkeit auch gleich noch Antonios Freund Fabrizio (Marco Liofredi) mit. Dessen Vater, der verwitwete KFZ-Mechaniker Mario Colella (Luc Merenda), könnte jedoch bestenfalls Almosen als Lösegeld berappen. Der korrupte Filippini erweist sich indes als höchst geizig und ziert sich, die verlangte Summe zu zahlen, bis die Entführer Fabrizio als Warnung hinrichten. Für Colella gibt es kein Halten mehr: Im Alleingang bringt er das gesamte Syndikat zur Strecke.

Profitorientiertes Kidnapping zählte im Italien der Siebziger zum kriminellen Tagesgeschäft, wie es auch Di Leos Film recht schön veranschaulicht. Die Polizei, selbst in Person ehrbarer Beamter wie des in den Fall involvierten Commissario Magrini (Vittorio Caprioli), resigniert angesichts der Ohnmacht, die sie tagtäglich erleben muss. Auf der anderen Seite gibt es die reichen Großbürger, die ihr Kapital selten mit feineren Methoden erwirtschaftet haben als es nunmehr die sie erpressenden Kidnapper tun. Eifersüchtig wie ein seinen Knochen bewachender Köter weigern sie sich, auf die Lösegeldforderungen einzugehen und schachern um die Leben ihrer Lieben. Was passiert, wenn da eine entschlossene Seele vom anderen Ende der Nahrungskette, nämlich ein ebenso grundsolider wie entschlossener Malocher, in eine solche Geschichte verwickelt wird und nichts tun kann als warten, zuschauen und schließlich verzweifeln, genau davon erzählt "La Città Sconvolta". Das dritte Filmakt widmet sich ganz dem ebenso unbarmherzig wie minutiös ausgeführten Racheplan Colellas, dessen Vergeltung keine Atempause kennt und der seinen großen Kehraus ebenso zielstrebig bis zum allerletzten Hintermann durchführt. Wie gut schließlich einer wie Di Leo solche Sachen in Szene setzen kann, das weiß man ja.

7/10

Fernando Di Leo Mailand Kidnapping Rache Selbstjustiz


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PARTY GIRL (Nicholas Ray/USA 1958)


"No, no. Not with me, fella. Not with Rico Angelo."

Party Girl (Das Mädchen aus der Unterwelt) ~ USA 1958
Directed By: Nicholas Ray

Chicago in den frühen dreißiger Jahren: Der verkrüppelte Mobster-Anwalt Tommy Farrell (Robert Taylor) lernt auf einer Party von seinem Boss Rico Angelo (Lee J. Cobb) die Tänzerin Vicki Gaye (Cyd Charisse) kennen. Der eiskalte Teufelsadvokat und die heiße Schönheit ziehen sich wechselseitig an, was eine aufrichtige Liebesgeschichte zur Folge hat. Diese lässt den vormals zynischen Farrell sein Metier überdenken und bald zu dem Entschluss kommen, dass nur ein Ausstieg aus den mafiösen Elementen der Stadt eine aussichtsreiche Zukunft mit Vicki begünstigt. Damit ist Angelo jedoch alles andere als einverstanden. Als Farrell wegen einer Affäre um eines von Angelos Mündeln, den schießwütigen Cookie La Motte (Corey Allen), in Schutzhaft genommen wird, beginnt der sich um Farrells Aussage sorgende Angelo, Vicki zu bedrohen. Farrell weiß: Jetzt hilft endgültig nurmehr die Flucht nach vorn.

Ähnlich wie in "Johnny Guitar" entwirft Ray mit den vorherrschenden filmischen Mitteln der fünfziger Jahre - Technicolor und CinemaScope - eine gestalterische Augenweide, die das Zeug dazu hatte, ein schlafendes Hollywood-Genre zu reanimieren. Im Falle "Party Girl" war es das des Gangsterfilms. Warner hatte nach seiner großen Serie zeitgenössischer mobster movies in den Dreißigern auf diesem Gebiet kaum mehr etwas geleistet, von dem monströsen "White Heat" vielleicht einmal abgesehen. Stattdessen wurden die paar allenthalben herauskommenden Genrestücke formal zunehmend kärglich und entfernten sich mit ihrem moralethischen Zeigefinger und einem starken Hang zur Psychologisierung immer mehr von der flamboyanten Arbeitsweisen eines Mervyn LeRoy, Michael Curtiz oder Raoul Walsh. Nicholas Ray mühte sich jedoch häufig, mit seinen hochemotionalen, sich vor blühendem Camp nicht scheuenden Liebesgeschichten einen neuerlichen Gegenkurs einzuleiten und alte Traditionen mit aktuellen Mitteln wieder aufleben zu lassen. "Party Girl" schwelgt in Farben und Interieurs, kokettiert mit seinem alternden Protagonisten-Charmeur und spendiert Cyd Charisse nicht weniger als zwei ausufernde, jedoch stets bodenständig inszenierte Revueszenen, in denen die edle, damals bereits siebunddreißigjährige Schönheit viel von ihren beeindruckenden Beinen zeigen durfte. Was schert einen angesichts solch flirrender Erotik schon ein vorsätzlich karikierter Gangster, mag er auch von Lee. J. Cobb gespielt werden. Wobei, der ist natürlich auch toll. Wie so ziemlich alles an Rays Film.

9/10

Nicholas Ray period piece Chicago Mafia film noir


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AT CLOSE RANGE (James Foley/USA 1986)


"He's my father."

At Close Range (Auf kurze Distanz) ~ USA 1986
Directed By: James Foley

Erst als junger Erwachsener lernt der in einem Provinzkaff beheimatete Brad Whitewood Jr. (Sean Penn) seinen kriminellen Vater Brad Whitewood Sr. (Christopher Walken) kennen. Zunächst beeindruckt von der anarchistischen Coolness seines alten Herrn, der ihm unter anderem ein Auto schenkt, muss Brad Jr. bald einsehen, dass sein alter Herr ein gemeingefährlicher, opportunistischer Psychopath ist. Als Brad Jr. im Gefängnis landet, versucht sowohl das FBI ihn zu einer Aussage gegen seinen Vater zu bewegen, was dieser außerhalb der Knastmauern mit irrsinnigen Druckmitteln und einer Jagd auf die Freunde seines Sohnes quittiert, der schließlich sogar Brads Bruder Tommy (Chris Penn) zum Opfer fällt. Dennoch entschließt sich Brad Jr., mit seiner Freundin Terry (Mary Stuart Masterson) das Weite zu suchen. Doch sein Dad lässt ihn nicht so einfach gehen...

Ein jeder hat sie ja, diese Handvoll Filme, die einen, ganz ohne mit äußerem, grellem Naturalismus aufwarten zu müssen immer wieder, einem Pflasterstein gleich, mitten in die Fresse treffen und völlig fertig, ausgeblutet und schweigend zurücklassen. "At Close Range" hat jene ungeheure Wucht schon bei mir hinterlassen, seit ich ihn in den Achtzigern das erste Mal gesehen habe und er unmerklich und umweglos in meinen Lieblingsfilm-Olymp aufgestiegen ist, wo er bis heute ein, wie ich just wieder mal kopfschüttelnd bemerken musste, völlig unberechtigtes Schattendasein fristet. "At Close Range" geht an die Grenzen psychischer Belastbarkeit und darüber hinaus, ist ein ungeheuer kraftvoller Film, der das Fegefeuer der Oberflächlickeiten seiner Entstehungsphase komplett ignoriert und in eine ganz andere Richtung weist als all die gelackten Großstadtdramen dieser Zeit (wie etwa der unmittelbar zuvor gesehene "Against All Odds" von Taylor Hackford). Foley zeichnet die schwüle, südstaatliche US-Provinz als saftig-grüne Hölle, in der geheuchelte Blutsbande nichts mehr zählen, wenn es um Geld und Macht geht; hier tragen die Gangsterpatriarchen bestenfalls vor gericht Nadelstreifenanzüge und pflegen ihren angeblichen "Familien"-Habitus nur so lange, wie niemand ihnen gefährlich wird oder an ihrem Thron zu sägen droht. Christopher Walken habe ich niemals, selbst bei Ferrara, bedrohlicher erlebt als in diesem Film, in dem er einen Proleten-Patriarchen von zunächst bewundernswerter Lässigkeit gibt; ganz den ewig typischen Walken-Gestus vor sich hertragend. Irgendwann jedoch, als es ihm ans Leder zu gehen droht, explodiert Brad Whitewood Sr., benutzt, manipuliert, entpuppt sich als höchst irdener Appalachen-Derwisch, vergewaltigt die Freundin seines Sohnes, tötet schließlich gar seinen Jüngeren, den "Bastard", wie er den einst außerehelich gezeugten Tommy boshaft zu nennen pflegt. Zu einer solchen auratischen Intensität hat es der große Chris Walken - zumindest meinem subjektiven Empfinden nach - später nie mehr gebracht.
Ähnliches gilt für James Foley, dessen bis dato große Sternstunde dieser mit aller Macht an die Substanz seiner Zuschauerschaft gehende Film geblieben ist, wenngleich er seinen Stern mit der Mamet-Adaption "Glengarry Glenn Ross" immerhin nochmal aufflackern lassen konnte. Vermutlich liegt es daran, dass Foley ein Filmemacher ist, der seine kreative Klimax stets im Zuge reziproker Wechselseitigkeit erreichte. Wenn man sich dagegen einen ganz ähnlich angelegten, jüngeren Film wie "Winter's Bone" anschaut, weiß man wieder um das Potenzial dieses kleinen großen, hammerharten Monsters von Film.

10/10

James Foley Südstaaten Familie Freundschaft Appalachen Coming of Age Marihuana


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STRAIGHT TIME (Ulu Grosbard/USA 1978)


"We'll check it out."

Straight Time (Stunde der Bewährung) ~ USA 1978
Directed By: Ulu Grosbard

Ehrlich zu werden ist nicht leicht, wenn der gönnerhafte Bewährungshelfer (M. Emmet Walsh) einen permanent unter Druck setzt, die alten Freunde (Gary Busey) fixen und auch sonst nichts vernünftig läuft. Genau diese Erfahrung macht der nach sechs Jahren Staatsgefängnis auf Bewährung freigekommene Räuber Max Dembo (Dustin Hoffman), der nicht lange fackelt, bevor er wieder ein Ding dreht und bereits größere Überfälle plant.

"Straight Time" zählt nicht nur zu den essenziellen L.A.-Filmen - ihm gebührt zudem das ungewöhnliche Kompliment, die Chuzpe zu besitzen, das kleinkriminelle, urbane Milieu als herzlich unromantische und unerstrebenswerte Realitätsfacette zu zeichnen, in der ungeschriebene Gesetze und Moralbegriffe herrschen, mit denen man als wohlgenährter Vertreter gemütlicher Gutbürgerlichkeit über das Kino hinaus nur ungern zu tun hätte.
Im Laufe des Films erfährt man viel über diesen Max Dembo, schon durch Dustin Hoffmans Präsenz anfänglich unausgesprochen sympathisch und als Identifikationsfigur eingeführt. Der Mann tut, wonach ihm just der Sinn steht; wenn's sein muss auch unter Gewaltanwendung und kennt keine Gnade, wenn man sein Vertrauen missbraucht. Er ientpuppt sich bei aller Cleverness als nicht nur asozial, sondern als waschechter Soziopath. Am Ende, nach einer nochmal visuell repetierten, langjährigen Knastkarriere, wartet auf Max Dembo nurmehr die Höchststrafe, und diese fällt in Kalifornien bekanntermaßen höchst unangenehm aus. Möglicherweise entschließt er sich aber doch nochmal anders und entkommt über die Grenze; diese moralische Wunschentscheidung zu fällen überlässt Grosbard seinem Publikum. Ebenso wie die Lesart, "Straight Time" als Reflexion über ein dysfunktionales Strafsystem zu begreifen. Oder einfach nur als grandioses Kleingangster-Drama.

9/10

Los Angeles Heist Ulu Grosbard New Hollywood Heroin Freundschaft


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ACROSS 110TH STREET (Barry Shear/USA 1972)


"I'll tell you what, motherfuckin' Doc Johnson..."

Across 110th Street (Straße zum Jenseits) ~ USA 1972
Directed By: Barry Shear

Die drei Kleinganoven Jim Harris (Paul Benjamin), Joe Logart (Ed Bernard) und Henry Jackson (Antonio Fargas) erleichtern die New Yorker Mafia bei einem Geldtransfer in Harlem um eine stattliche Geldsumme und legen dabei sieben Menschen um. Fortan sitzen dem Trio nicht nur der bei der 'Familie' um Anerkennung buhlende Nick D'Salvio (Anthony Franciosa), sondern auch die beiden unterschiedlichen Cops Mattelli (Anthony Quinn) und Pope (Yaphet Kotto) im Nacken...

Phantastischer Gangsterthriller aus den frühen Siebzigern, der das noch junge Mafia-Genre mit zeitgenössischen Cop-Filmen sowie einem sanften Blaxploitation-Einschlag kombiniert und seinen Job permanent voll konzentriert, sauspannend und vor allem mit gebührender Intelligenz und Ernsthaftigkeit hinlegt. Bereits angefangen mit dem wunderbaren Titel und dem klassischen Song von Bobby Womack (allerdings in einer deutlich flotteren Version als die heute bekannte) kommt in den neunzig Folgeminuten ein vielschichtiger, grandios gespielter Ensemblefilm zustande, der mittels seiner empathischen Darstellung nicht nur sämtlichen vorgestellten Charakteren einen abgerundeten Background verschafft, sondern sich darüber hinaus durchaus in die Reihen der großen New Yorker Polizeifilme jener Tage einzugliedern weiß. Ein Muss.

9/10

Barry Shear Mafia New York Harlem Blaxploitation


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DRIVE (Nicolas Winding Refn/USA 2011)


"There's no good sharks?"

Drive ~ USA 2011
Directed By: Nicolas Winding Refn

Ein Stuntman und nebenberuflicher Fluchtwagenfahrer (Ryan Gosling) übernimmt Verantwortung für eine benachbarte Familie, deren Vater Standard (Oscar Isaac) soeben aus dem Gefängnis entlassen wurde und gleich wieder in den kriminellen Sumpf gerät. Als der Driver erfährt, dass der bei einem Überfall erschossene Standard nur als Strohmann in einem aus dem Ruder geratenen Mafiakrieg fungiert, hält ihn nichts mehr zurück.

"Drive" schreibt sie fort, die wortkargen, urbanen Gangster-Mythen von Jean-Pierre Melville, Walter Hill und Michael Mann, unter passgenauer Nutzung und Ergänzung der mittlerweile bewährten, flächig-transzendenten und traum-haften Bildwelten Nicolas Winding Refns, die sich auch auf US-Terrain gleichsam faszinierend ausnehmen. Wieder einmal wird der Moloch Stadt, besonders das nächtliche Lichtteppich-L.A., zum inoffiziellen Protagonisten eines Gangsterfilms, denn "Drive" kann nur vor großstädtischer Kulisse zu seiner ganz speziellen, hochtourigen Form auflaufen, anderswo wäre er nicht nur uninteressant, sondern wohl geradezu redundant. Der schweig- und einsame Held, eine Art Jeff Costello des neuen Jahrtausends, markiert eine unergründliche Mischung aus pflichtbewusstem Profi und grenzautistischem Proleten, sein Bewusstsein wie alle Refn-Hauptcharaktere in fremden Sphären parkend und bei Bedarf zu einer unaufhaltsamen Killermaschine explodierend. Gosling spielt diese geradezu orakelhafte Figur mit bewundernswerter Gleichmut, irgendwo im Niemandsland zwischen Tranxilium und Ephedrin. Und wie nach jedem von Refns meisterlichen Filmen möchte man am Ende gar nicht raus, sondern am liebsten noch viel länger verweilen in seinem bizarren Universum aus entanonymisierter Zärtlichkeit, Gewalt und Kryptik.

9/10

Nicolas Winding Refn Los Angeles car chase Auto Stuntman Mafia


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DI YI LEI XING WEI XIAN (Tsui Hark/Hong Kong 1980)


Zitat entfällt.

Di Yi Lei Xing Wei Xian (Söldner kennen keine Gnade) ~ HK 1980
Directed By: Tsui Hark

Pearl (Chi Lin Chen), die emotional schwer gestörte, kleine Schwester des Polizisten Tan (Lo Lieh), ertappt die drei nerdigen Schüler Paul (Albert Au), Lung (San Lung Tin) und Ko (Law Che Biu) bei einer üblen Unfallgeschichte mitsamt Fahrerflucht und mischt sich danach auf zunehmend aufdringliche Art in die einstmals so behüteten Existenzen des Trios ein. Wechselseitiges Getrieze ist die Folge für alle Beteiligten. Der Bogen wird jedoch endgültig überspannt, als sich die seltsame Clique in die Geschäfte einiger waffenschmuggelnder Vietnam-Veteranen einmischt und einen Haufen japanischer Barschecks an sich bringt. Das lassen sich die brutalen Gangster nicht gefallen und es geht den Teens schwer ans Leder...

Tsui Harks dritter Film ist ein mit Worten nur schwer zusammenfassbares Höllenfeuerwerk, das sich, einem wilde Kapriolen vollführenden, eitlen Rodeogaul gleich, oftmals zu überschlagen droht, eigentlich jedoch stets Fasson und Form wahrt. Eine wüste Montage, unfassbare Gewalttätigkeiten, die die merkwürdige Mischung aus Teenagerdrama und hartem Gangsterfilm wie beiläufig eskortieren und eine garantiert nie vorhersehbare Storyentwicklung bleiben als die vorrangigen Impressionsfixpunkte im Kopf. Alles geschieht mit absoluter, dabei fast choreographiert wirkender Rasanz. Der sich anfänglich einstellende Eindruck des Anrüchig-Billigen, den der unter anderem aus Soundbits von "Dawn Of The Dead" und Jean Michel Jarres "Oxygène 4" zusammengefrickelte Score hinterlässt, wird ganz schnell wieder verdrängt durch die Vergegenwärtigung des unheimlichen Post-Aufwands, der bei der Fertigstellung des Films ganz offenbar vonnöten war. Alles andere als ein leichter Genuss, wie ich zunächst dachte, aber durchaus lohnenswert selbst für seltene Gäste im Fernostkino wie meinereiner.

8/10

Hong Kong Tsui Hark Teenager





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Funxton

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