Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

PANIC IN THE STREETS (Elia Kazan/USA 1950)


"Apologies to your mother, that's the second mistake she made."

Panic In The Streets (Unter Geheimbefehl) ~ USA 1950
Directed By: Elia Kazan

Bei der Obduktion eines infolge einer betrügerischen Pokerpartie getöteten Schiffsarbeiters (Lewis Charles) findet man heraus, dass selbiger unter einer aggressiven Form der Lungenpest litt und kurz darauf sowieso das Zeitliche gesegnet hätte. Dem Gesundheitsbeamten Clint Reed (Richard Widmark) und dem Polizisten Tom Warren (Paul Douglas) bleiben nur Stunden, um die mit dem Toten in Kontakt getretenen Personen, darunter vorrangig dessen Mörder, ausfindig zu machen, bevor eine Massenpanik oder gar eine Pandemie entsteht und mögliche Infizierte die Seuche ins ganze Land tragen.

Für "Panic In The Streets" verwebte Elia Kazan den klassischen film noir mit Elementen des SciFi- und Katastrophenfilms und baute mithilfe des MacGuffin um das tödliche Pestvirus eine typische Gangsterstory aus dem Rotlichtmilieu zu einer national bedeutsamen Affäre aus. Richard Widmark war hier unmittelbar nach "Night And The City" in einer fast schon als glorios einzuordnenden Heldenrolle zu bewundern. Als idealistischer Kleinfamilienvater, der im Laufe der Geschichte erfährt, dass sich ein weiteres Kind ankündigt und eminent wichtige Arbeit für einen Hungerlohn tut, gibt er ein liebenswertes buddy team mit dem knarzigen Paul Douglas ab. Auf der Gegenseite gibt es Jack Palance (damals noch als Walter Jack Palance kreditiert) in seinem Kinodebüt und dazu den stets sehenswerten Zero Mostel. Besonders Palance, dessen infolge schwerer Operationsnarben ohnehin kantige Gesichtszüge in Verbindung mit seiner merkwürdig ungeschlachten Statur und Gestik stets höchst einprägsam waren, ist als gieriger Kleingangster Blackie geradezu furchterregend. Erst aus der Parallelmontage der rast- und ratlosen, nach jedem Strohhalm greifenden Gesetzeshüter auf der einen und den einem Phantom nachjagenden Ganoven auf der anderen Seite bezieht "Panic In The Streets" sein hohes Maß an extensiver Spannung.

8/10

Elia Kazan New Orleans Pest Virus film noir


Foto

NIGHT AND THE CITY (Jules Dassin/UK 1950)


"Harry is an artist without an art."

Night And The City (Die Ratte von Soho) ~ UK 1950
Directed By: Jules Dassin

Der Kleingauner, Nepper und Schlepper Harry Fabian (Richard Widmark) ist ein schmales Licht in der Londoner Unterwelt. Ständig verschuldet, von den meisten belächelt, nur von seiner gutmütigen Freundin Mary (Gene Tierney) heiß geliebt, befindet er sich meist auf der Flucht vor irgendwelchen brutalen Gläubigern. Als er bei einem Freistil-Veranstaltung zufällig der früheren Ringerlegende Gregorius (Stanislaus Zbyszko) und dessen Mündel Nikolas (Ken Richmond) begegnet, hat Harry mal wieder eine zündende Idee, die ihn leben lassen wird "wie Gott in Frankreich": Er plustert sich zum Konkurrenten des in seinen Kreisen gefürchteten Ringkampf-Veranstalters Kristo (Herbert Lom) auf, zugleich Gregorius' Sohn. Den naiven Alten und seinen Schüler ködert Harry mit dem Versprechen, ausschließlich Kämpfe im klassischen griechich-römischen Stil zu präsentieren. Schon bald jedoch bricht er die Abmachung und engagiert den brutalen Freistilkämpfer "Henker" (Mike Mazurki), der in Harrys Trainingskeller eine Katastrophe herbeiführt. Harrys Ende ist nunmehr beschlossene Sache, denn der rachedurstige Kristo setzt ein Kopfgeld auf ihn aus...

Großes Meisterwerk aus der originären Ära des Film Noir, wenngleich ausnahmsweise nicht in Kalifornien entstanden, sondern in London und damit zugleich eine Bereicherung für den klassischen britischen Gangsterfilm. Dassin entwirft ein ebenso lyrisches wie mitreißendes Porträt der Londoner Halbwelt zwischen Schmutz und Neonreklamen, zeigt die Diskrepanz zwischen Lebensrealität und großen Hoffnungen; den ewigen Drang danach, auszubrechen und irgendwo eine bessere Existenz zu beginnen, wenngleich die so gern verleugneten Wurzeln und letzten Endes auch die Determinante des Schicksals nur hier und nirgendwo anders liegen. Richard Widmark, der besonders in jungen Jahren ein ausgesprochen unsympathisches Gesicht aufsetzen konnte und daher in seinen ersten Filmen zumeist wahlweise als diabolischer Bösewicht ("Kiss Of Death") oder als Westentaschen-Gangster ("Pickup On South Street") besetzt wurde, liefert hier die definitive Charakterisierung des zum Tode verurteilten Verlorenen, an denen sich eine ganze Latte späterer, analoger Figuren zu messen haben wird. Widmark meistert die Gratwanderung der Evokation gegensätzlicher Emotionspole perfekt, weiß man doch nie, ob man diesen Harry Fabian bemitleiden, mit ihm fühlen, oder ihn wegen seiner idiotischen, impulsiven Aktionen, die selbst vor schlimmsten Auswirkungen nicht Halt machen, verabscheuen soll. Am Ende hilft einem einmal mehr die engelsgleiche Gene Tierney bei der Entscheidungsfindung.

10/10

London Unterwelt Kiez Ringkampf Jules Dassin film noir


Foto

THE BIG SLEEP (Michael Winner/UK 1978)


"So many guns lately; so few brains."

The Big Sleep (Tote schlafen besser) ~ UK 1978
Directed By: Michael Winner

Philip Marlowe (Robert Mitchum) wird von dem alten General Sternwood (James Stewart) beauftragt, herauszufinden, wer ihn und seine beiden Töchter Charlotte (Sarah Miles) und Carmilla (Candy Clark) erpresst und womit. Marlowe stößt schon bald auf ein undurchdringliches Netz aus Lügen und Irrsinn sowie mehrere kleine und große Gangster, den windigen Joe Brody (Edward Fox), den ängstlichen Harry Jones (Colin Blakely) und den Casinochef Eddie Mars (Oliver Reed) mitsamt seinem Killer Canino (Richard Boone).

Nach Dick Richards' famosem "Farewell My Lovely" der zweite und letzte Auftritt Robert Mitchums als Philip Marlowe. Mitchum ist wie immer grandios, der Film ist es nicht. Dass Chandler sich relativ problem- und kompromisslos in die Gegenwart transponieren lässt, demonstrierte bereits Robert Altman mit seinem grandiosen "The Long Goodbye"; einen kapitalen Fehler begeht Winner jedoch darin, Marlowe seinen lokalen Wurzeln zu entreißen und ihn nach London und in die englische Provinz zu verfrachten. Zu Marlowe gehört schlichterdings Los Angeles und seine verkommene Unterwelt wie der Senf zum Würstchen, was besonders manifest wird angesichts der Tatsache, dass Winner sich an der Neuadaption eines bereits von Howard Hawks absolut vollkommen verfilmten Klassikers abarbeitet. Eindrucksvoll zeigt "The Big Sleep" zudem die Grenzen seines Regisseur auf: Sind seine zahlreichen Filme mit Charles Bronson wenn auch nicht durchweg meisterlich, so zumindest aber doch sehenswert, wirkt "The Big Sleep" nicht zuletzt ob seines bekanntlich höchst verwirrenden Handlungskonstrukts teilweise verloren und zerfasert. Die Verfilmung einer Marlowe-Geschichte bedarf einer stilsicheren, sensiblen Hand und nicht der eines inszenatorischen Rüpels wie Winner einer ist. Dafür gibt es zahlreiche Gastauftritte von teilweise fast vergessenen Altstars wie Richard Todd und Richard Boone, wobei letzterer mit seinen 61 Jahren reichlich steif daherkommt. Eine Schau ist außerdem die völlig hyperagierende Candy Clark, die sich - für den männlichen Betrachter - erfreulich offenherzig präsentiert. Insgesamt ein zwiespältiges Vergnügen.

5/10

Michael Winner Raymond Chandler Remake Philip Marlowe London England film noir neo noir hardboiled


Foto

TRAFFIC (Steven Soderbergh/USA, D 2000)


"They talk like they're conspiring to conspire."

Traffic ~ USA/D 2000
Directed By: Steven Soderbergh

An allen möglichen nordamerikanischen Fronten tobt der Krieg gegen und für Kokain und Crack aus Mexiko: Ein ehrgeiziger Politiker (Michael Douglas) wird mit den Schrecken der Sucht in Person seiner eigenen, kinderjährigen Tochter (Erika Christensen) konfrontiert, ein Polizist (Benicio Del Toro) aus Tijuana wandelt beständig auf dem schmalen Grat zwischen Angst und Gewissen, zwei US-Cops (Don Cheadle, Luis Guzmán) beschützen einen wichtigen Kronzeugen (Miguel Ferrer), der gegen einen der wichtigsten Koks-Importeure (Steven Bauer) Kaliforniens aussagen soll, dessen Gattin (Catherine Zeta-Jones) sich angesichts der Enthüllungen um ihren Mann und existenzieller Bedrohungen vom biederen Hausmütterchen zur knallharten Gangsterbraut entwickelt, ein mexikanischer General (Tomas Milian) plant, selbst in das wohlkorporierte Geschäft mit harten Drogen einzusteigen.

In Soderberghs Ensemblefilm kreuzen sich irgendwann mal die Wege fast aller Beteiligten; ohne, dass sie jeweils gerade ahnen, wer ihnen entgegenkommt, sind das jeweils schicksalhafte Begegnungen. Überstilisierung hat man dem Regisseur vorgeworfen, der hier mit grobkörnigen Filtern und tiefen Primärfarben arbeitet, mit DV-Kamera und Jump Cuts herumhantiert, als gelte es, die Nouvelle Vague auf amerikanischem Grund verspätet lobzupreisen. Dabei soll doch bloß Realismus Trumpf sein, die wesentliche Sinnlosigkeit des ewigen Kriegs gegen die Schwemme harter Opiate aufgezeigt werden, die man, so das nüchterne Fazit des Films, mit rechtsstaatlichen Mitteln niemals gänzlich in den Griff bekommen wird. Dabei geht es Soderbergh weniger um gezielte Milieueinblicke, nein, eine großangelegte, sämtliche Facetten und Charaktere abdeckende Bestandsaufnahme hatte er im Sinn, mit scheinbar unwillkürlich und rein zufällig beteiligtem Personal, das jeweils reale Pendants sein Eigen nennen darf. So kommt es schließlich, dass die abgefuckte Cracknutte hier ausnahmsweise mal nicht der Ethnie XY entstammt, sondern just des vom Senat obersten Drogenbeauftragten Töchterlein ist. Realismus? Vielleicht doch nicht so ganz...
Aber dann gibt es da ja noch die umso lohnenswertere zwingend-tolle Episode um Milian als ultrabösem Sith Lord des globalen Drogenimperiums und Benicio Del Toro als dessen tapferem Widersacher, so wie eigentlich das gesamte, atemberaubende, mit mindesten sechzehn großen Namen auftrumpfende Ensemble einfach nur bombastisches Spiel präsentiert. "Qualitätskino", sicher, aber welches von der Sorte, das sich gefallen zu lassen nicht weh tut.

8/10

Steven Soderbergh Drogen Kalifornien Mexiko Politik Crack Kokain Ensemblefilm


Foto

ASSASSINATION GAMES (Ernie Barbarash/USA, RO 2011)


"People choose their deaths when they choose how they live."

Assassination Games ~ USA/RO 2011
Directed By: Ernie Barbarash

Die beiden Profikiller Vincent Brazil (Jean-Claude Van Damme) und Roland Flint (Scott Adkins) treffen in Bukarest aufeinander, als sie - der eine aus professionellen, der andere aus privaten Gründen - dasselbe Ziel in Augenschein nehmen: Den brutalen Gangsterboss Polo Yakur (Ivan Kaye), der unter anderem die Schuld am komatösen Zustand von Flints Frau (Bianca Bree) trägt. Zudem steht Flint auf der schwarzen Liste eines Interpol-Beamten (Serban Celea), der sämtliche Verbindungen zu einst auf semilegalem Wege beauftragten Cleanern kappen will. Nach anfänglichem Misstrauen schließen sich Brazil und Flint schließlich zusammen und machen ihren Gegnern die Hölle heiß.

Wenn Actionfilme mit Niztzsche-Zitaten eingeleitet werden, dann sollte gesundes Misstrauen sich in Griffbereitschaft befinden, doch weit gefehlt: "Assassination Games" ist ein stilsicherer, eleganter Ostblock-DTV-Klopper, der geradezu eine Wohltat darstellt im Vergleich zu dem sich zunehmend megalomanisch gerierenden 3D-Blockbuster-Krempel aus den Studios. Mittels genussvoll ausgeblichener, goldbraun getoasteter DV-Fotografie gibt sich "Assassination Games" ganz der Faszination der geöffneten Ex-Diktatur hin und ist, wie die meisten der hier entstandenen Genreproduktion zwar einerseits kostengünstige Alternative, andererseits jedoch auch ein Zeitporträt von gegenwärtig noch unschätzbarem, bleibenden Wert, das eine stets zu kippen drohende, orientierungslose Wirtschaftsbrache sozusagen durch die Hintertür linsend präsentiert. Vom etwas abgedroschenen Plot des seine Emotionswelten entdecken Auftragskiller sollte man sich nicht blenden lassen; kann auch sein, dass Van Dammes Schildkröte einmal zuviel gekrault wird. Macht alles nichts, die zwingend involvierende, traumwandlerische Visualität des Films rettet ihn aus jedweder übrigen Unbill. Mir scheint fast, dass die ganze hinter dem zerrissenen Vorhang tätige Autorenfilmermischpoke rund um Isaac Florentine, Dolph Lundgren und nun eben Ernie Barbarash (Freund Oli weiß da sicher noch ein paar Patrone(n) mehr zu benennen) sich klammheimlich zu einem Künstlerkollektiv mausert, dass unbemerkt von der Welt eine teuflisch ernstgemeinte Nouvelle Vague des B-Actionfilms fabriziert. Oder bin ich etwa ein Spätmerker? Sei's drum, wenn solche Qualitätsprodukte dabei herauskommen wie "Assassination Games" haben die Jungs meinen Segen allemal!

7/10

Ernie Barbarash Bukarest Profikiller Buddy Movie Rumänien


Foto

PERRAK (Alfred Vohrer/BRD 1970)


"Und das ist dann wohl der Beichtstuhl?"

Perrak ~ BRD 1970
Directed By: Alfred Vohrer

Kommissar Perrak (Horst Tappert) von der Hamburger Polizei muss den Mord an einem jungen Transvestiten (Art Brauss) aufklären. Als sich erweist, dass das Opfer sich nebenbei als Erpresser betätigt hat, vergrößert sich schlagartig der Verdächtigenkreis: Steckt womöglich der russische Diplomat Oblomov hinter der Gewalttat? Der brutale Gangster Kaminsky (Herbert Suschka)? Der undurchsichtige Manager Bottke (Werner Peters)? Oder gar der reiche Geschäftsmann Imhoff (Hans Schellbach)? Der unbestechliche Perrak lässt sich nicht beirren, selbst dann nicht, als sein Sohn (Georg M. Fischer) entführt wird, um ihn aufzuhalten...

Vier Jahre vor "Derrick" war erstmal "Perrak", und dass es mir da keine Verwechslungen gibt. Alfred Vohrer wagte sozusagen eine 'home invasion' in die maßgeschneiderten Arbeitsviertel von Jürgen Roland und Rolf Olsen und lieferte mit "Perrak" einen schön sleazigen Kiezfilm ab, der dem Rest Deutschlands mit staunend offenstehendem Mund vorführte, welche sexuellen Abartigkeiten im Rotlichtmilieu der Hansestadt auf dem Tagesplan stehen. Einen "pulvertrockenen Sittenreißer" versprach das Kinoplakat. Die Ex-Hure "Trompeten-Emma" (Judy Winter), mittlerweile zur Puffmutter aufgestiegen, ermöglicht in ihrem (Blankenesener?) "Heim der betenden Schwestern" allerlei Perversionen hinter gediegener Fassade: Von Rollenspielen über S/M bis hin zur Pädophilie gibt es hier einfach alles. Und dann die Drag Queens, die allenthalben ihre illustren Auftritte haben (Zitat eines Show-Besuchers: "Kaum zu glauben, dass das in Wirklichkeit ein Mann ist!"). Als "Perrak" dann die südprovinziellen Bahnhofskinos enterte, gab es somit für den ortsansässigen Bauern Dimpflmoser noch gehörig was zu lernen! Zwar hätte man sich auch über Curd Jürgens als "Perrak" gefreut, aber wer weiß, vielleicht wäre dem deutschen TV-Publikum dann eine künftige Legende erspart, äh, verwehrt geblieben. "Bimbo, hol' schonmal den Wagen!"

7/10

Kiez Alfred Vohrer Sleaze Hamburg


Foto

ZEROKA NO ONNA: AKAI WAPPA (Yukio Noda/J 1974)


Zitat entfällt.

Zeroka No Onna: Akai Wappa (Der Tiger von Osaka) ~ J 1974
Directed By: Yukio Noda

Die wegen ihrer gewalttätigen Methoden gescholtene Undercover-Polizistin Rei (Miki Sugimoto) gilt als Frau für besonders harte Fälle. Als die Tochter des einflussreichen Präsidentschaftskandidaten Nagumo (Tetsurô Tanba) von ein paar Kleingangstern entführt wird, heuert jener Rei an, um das Mädchen zu befreien und sämtliche der Verbrecher in den Tod zu schicken. Kaum, dass die Affäre publik zu werden droht, verlangt Nagumo zusätzlich den "Unfalltod" seiner eigenen Tochter, was Rei sich jedoch nicht gefallen lässt.

"Zeroka No Onna: Akai Wappa" gilt ja hierzuland als populäres Vorzeigebeispiel für den aus Japan kommenden Schmierfilm der Siebziger, nicht zuletzt, weil ihm in unseren Breitengeraden eine wahrhaft kostbare Synchronisation zuteil wurde. Auf welche Sublevel sich damals noch heuer populäre Sprecher in den Berliner und Münchener Studios herablassen und mit welchem Vokabular da aus wohlfeilen Mündern wie dem Thomas Dannebergs noch ganz unbeschwert um sich geschossen wurde, das ist heute kaum mehr vorstellbar. Doch soll dies die originären, unleugbaren Qualitäten des Films nicht in den Schatten stellen. Schick und durchaus geschmackvoll inszeniert ist er nämlich und mit einem flotten Score versehen. Die sehr ansehnliche Miki Sugimoto als feministischer Todesengel lebt darin in einer Welt, in der ausnahmslos jeder Mann sein unseliges Dasein wahlweise als ekelhafter Vergewaltiger oder als rücksichtsloser Karrierist zu begehen scheint und es daher für die mit roten Stacheldrahthandschellen bewaffnete Schönheit, die selbst ihren Sex als emotionslose Waffe einsetzt, massig zu tun gibt. Das Blut von Reis Opfern spritzt jeweils in sekundenlangen Fontänen, wie man es von Japanern gewohnt ist und am Ende sitzen die Finsterlinge samt und sonders in der Hölle oder zumindest auf dem sozialpolitischen Abstellgleis. Hat auch keiner von ihnen anders verdient. Man muss wohl wahrlich froh sein, wenn man dieser Rei niemals im wahren Leben begegnet. Auf Leinwand und Glotze indes immer wieder gern.

7/10

Yukio Noda Japan Sleaze Exploitation Kidnapping


Foto

SATSUJIN KEN 2 (Shigehiro Ozawa/J 1974)


Zitat entfällt.

Satsujin Ken 2 (Sonny Chiba - Der unerbittliche Vollstrecker) ~ J 1974
Directed By: Shigehiro Ozawa

Diesmal übernimmt der Auftragskiller Takuma Tsurugi (Sonny Chiba) eine Mission, die im selbst bald zu heikel wird: Im Auftrag des Mafia-Handlangers Otaguro (Hiroshi Tanaka) schaltet er einige von dessen unliebsamen Störfaktoren aus. Als er jedoch den weisen Karateexperten Masaoka (Masafumi Suzuki) aus dem Weg räumen soll, wirft Tsurugi das Handtuch. Ein schwerer Fehler, denn nun wird er selbst zur Zielscheibe des internationalen organisierten Verbrechens und einiger der härtesten Killer der Welt, darunter sein totgeglaubter Erzfeind Shikenbaru (Masashi Ishibashi).

Nicht mehr ganz so verrückt wie der erste "Street Fighter"-Film, aber immer noch verrückt genug. Das Null an Plot deckelt ausschließlich Sonny Chibas exponierte Kampfesauftritte, die wieder von schönster Infantilität beseelt sind. Gar königlich die Szene, in der der harte Meisterkiller unter schmerzverzerrtem Gesicht eine Flasche Weißwein über eine bandagierte Oberarmverletzung spuckt und kippt. Man hat aber zum Glück gar nicht die Zeit, sich oder den Film zu fragen, was dieser Schwachsinn überhaupt soll, denn schon geht's weiter mit dem bunten Handkanten-Allerlei. Wer nebenbei so naiv ist, zu glauben, Verhoeven sei in seinem "Total Recall" der Erste gewesen, der ein Augenpaar ein paar Millimieter weit aus den Höhlen ragen lässt, wird hier eines Besseren belehrt. Er ist eben unerbittlich, der Sonny.

6/10

Shigehiro Ozawa Japan Yakuza Martial Arts Mafia Exploitation


Foto

SCHAMLOS (Eddy Saller/AT, BRD, F 1968)


"Porca miseria!"

Schamlos ~ AT/BRD/F 1968
Directed By: Eddy Saller

Als die lebenslustige Nutte Annabella (Marina Paal) umgebracht wird, verdächtigt alle Welt zunächst den homosexuellen Altschauspieler Hohenberg (Louis Soldan). Als dieser jedoch vor Gericht freigesprochen wird, lässt der eherne, italienisch-katholische Vater (Vladimir Medar) des Mädchens ein Femegericht von dem Unterwelt-Zampano Pohlmann (Udo Kier) inszenieren, der schon bald seinen Konkurrenten Kovalski (Rolf Eden) als den wahren Schuldigen auszumachen glaubt.

Deftige Reaktionärskost fürs Bahnhofskino gestreckt mit betagtem, moralinsaurem Pathos, das alte Herren mit hochgeschlagenem Mantelkragen ob seiner Kritik heuchelnden Perspektive ihrerzeit zumindest halbwegs guten Gewissens wieder in die graue Alltagsrealität der späten Wirtschaftswunderwelt entlassen haben dürfte. Zwar weidet sich "Schamlos" seinem Titel gemäß, wenn auch mit gewisser Zügelung, am wirklich ansehnlichen Leib der schönen Marina Paal, betont jedoch zugleich die verbotene Atmosphäre des Halbwelt-Milieus. Kier und Eden als Rotlicht-Gegenspieler sind natürlich eine erwartungsgemäße Schau; der eine, jung und gutaussehend, wird im Laufe der Geschichte aus seiner Delinquentenrolle zum Retter der Gerechtigkeit hochgejubelt, während der andere, froschäugig und gemein, wie man ihn eden, äh, eben kennt, den finalen Triumph des Bösen markiert. Und noch weitere Weisheiten bietet Sallers Schickflick auf: Schummrige Beatschuppen mit wuschelhaarigen Bands sollten besser gemieden werden, darin gibt's nämlich bestenfalls behaschte Studenten und versoffene Sittenstrolche, italienische Migranten haben alle irgendwie Dreck am Stecken, sexuell emanzipierte, junge Frauen erwartet in Prä-Aids-Zeiten die göttliche Bestrafung auf Umwegen und schwule Outcasts mögen zwar kultiviert erscheinen, sind aber prinzipiell kokainsüchtig und langfristig zum Verzweiflungssuizid verdammt. Für die Scriptautoren, darunter Saller selbst, waren denn auch merklich die skandalösen (und völlig unzurechnungsfähigen) Wendungen seiner Geschichte zweitrangig, vielmehr ging es um die bloße Schilderung sittlicher Unhaltbarkeiten. Wunderbar, mit welch augenzwinkernder Genussbarkeit sich dergleichen heutzutage bestaunen lässt.

6/10

Kiez Sleaze Europloitation Eddy Saller Rolf Eden


Foto

LA BANDA DEL TRUCIDO (Stelvio Massi/I 1977)


Zitat entfällt.

La Banda Del Trucido (Die Gangster-Akademie) ~ I 1977
Directed By: Stelvio Massi

Verzweifelt versucht der wenig zimperliche Commissario Ghini (Luc Merenda), den schießwütigen und überaus brutalen Gangster Belli (Elio Zamuto) festzunageln. Mithilfe des Erzganoven Sergio "Monnezza" Marazzi (in der deutschen Fassung "Tresi", Tomas Milian), der hinter der Fassade der kleinbürgerlichen Trattoria "Zum Furzgeräusch" seine höchstpersönliche "Gangster-Akademie" aufzieht und sich mit seiner rundlichen Freundin (Nicoletta Piersanti), zugleich Mutter seines Söhnchens, herumärgert, kann Ghini Belli und seine Kumpanen schließlich festnageln.

Der dritte "Monnezza"-Film, diesmal nicht von Lenzi, sondern von Stelvio Massi inszeniert, kann mit den Vorzügen der zweieinhalb Vorgänger nicht ganz konkurrieren. Die Geschichten von Ghini und Monezza werden praktisch "gegeneinander" erzählt und wirken stark episodisch angelegt, eine wirklich flüssig ablaufende Fusion gibt es nicht, so dass "La Banda" einen recht inkonsisten, zerfallenen Eindruck hinterlässt. Bis auf die letzten Minuten, in denen er sich des Mentekels der Kleinganoven-Rache bedient, gleicht Monnezza mehr und mehr seinem Polizisten-Pendant Nico Giraldi. Die meiste Zeit macht er lustige bis dämliche Sprüche und jammert seinem geliebten kleinen Filius, jener freilich noch im Säuglingsalter, von den wesentlichen Nöten des nichtsnutzigen, ehelosen Ganovenvaters vor. Luc Merenda als Ghini gibt derweil den wie üblich betont unkorrupten, eisenharten Bullen, der unnachgiebig seinen Weg verfolgt. Dass die Wege dieser beiden höchst unterschiedlichen Charaktere sich im Laufe der Geschichte zweimal kreuzen, ist obligat, in welchem Rahmen sich dieser inhaltliche "Kniff" jedoch vollzieht, bleibt gewissermaßen streitbar.
Unerwartet gelungen die Synchronisation. Milian wird diesmal von der ungewohnten, rauen Stimme Kurt Goldsteins, im Vergleich zu seinen üblichen Sprechern Randolf Kronberg und Thomas Danneberg mit einem höchst differenten Timbre ausgestattet, übersetzt, die im Kontext des Films jedoch erstaunlich gut funktioniert und dabei unwidersprochene Lebensweisheiten wie die folgene absondern darf: "Es gibt immer zwei Dinge, die nach Fisch riechen. Eins davon ist Fisch."
Tutto sommato vielleicht kein ausgesprochener Höhepunkt des Poliziottesco, aber immer noch ein durchaus brauchbarer Eintrag.

6/10

Rom Stelvio Massi Monnezza Poliziottesco





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare