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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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KILLER FISH (Antonio Margheriti/I, USA, BRA, UK 1979)


"I win my wars."

Killer Fish (Piranhas II - Die Rache der Killerfische) ~ I/USA/BRA/UK 1979
Directed By: Antonio Margheriti

Eine in Brasilien umtriebige Räubergang, die ein Vermögen an Edelsteinen aus einer hiesigen Fabrik geklaut hat, rechnet nicht mit der Raffinesse ihres Mastermind Diller (James Franciscus). Dieser hat nämlich, in zielsicherer Ahnung, dass die Anderen versuchen würden, ihn übers Ohr zu hauen, das Gewässer, in dem die Klunker versteckt sind, mit Piranhas verseucht. Die bissigen Fischchen knöpfen sich nunmehr jeden vor, der versucht, die Steine für sich zu kapern. Einzig Dillers Partner Lasky (Lee Majors) ist clever genug, sich von den Piranhas fernzuhalten - bis ein vorbeiziehender Hurricane sie alle nebst dem aparten Model Gabrielle (Margaux Hemingway) und einer kleinen Schar Modefotografen in höchste Bedrängnis bringt.

Als RTL plus damals in NRW in die freie Empfangbarkeit überführt wurde - das war glaube ich im Sommer 88 - zählte "Killer Fish" zu den oft und gern gezeigten Wiederholungen des Senders. Dabei erwies sich der deutsche Titel einmal mehr als Mogelpackung, wie sie die Italiener auch selbst und im Original gern zu verkaufen pflegten; mit Joe Dantes "Piranha" hat Margheritis Film nämlich außer den titelgebenden Beißkollegen nichts gemein. Fairerweise muss man hinzufügen, dass Selbiges auch für das spätere, offizielle Sequel gilt. Wie dem auch sei, "Killer Fish", eigentlich ein Musterbeispiel für internationales Koproduzieren, zählt zu den wenig gelittenen Streifen seiner Ära. Dabei ist er gar nicht so übel - die Besetzung ist durchweg gut aufgelegt und es macht Laune, ihr zuzuschauen; die (leider erst recht spät stattfindenden) Spannungssequenzen mit den Piranhas, die sich mit viel Elan durch die Eingeweide ihrer Opfer fressen (besonders am dicken Roy Brocksmith haben sie ihre Freude), sind Margheriti ordentlich gelungen. Gut, seiner späteren Vorliebe für Pyrotechnik, Miniaturbauten und Rückprojektionen gibt Margheriti vielleicht ein-, zweimal zu oft statt, aber das kennt man ja von ihm. Ich fand dieses Wiedersehen nach langer Zeit jedenfalls durchaus erfreulich.

6/10

Antonio Margheriti Brasilien Piranhas Heist Europloitation


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ELIZA GRAVES (Brad Anderson/USA 2014)


"Use your eyes, Dr. Newgate!"

Eliza Graves (Stonehearst Asylum) ~ USA 2014
Directed By: Brad Anderson

Im Winter des Jahres 1899 kommt der junge Psychiater Dr. Newgate (Jim Sturgess) zu der abgelegenen Irrenanstalt Stonehearst Asylum im Norden Englands. Dessen Leiter Dr. Lamb (Ben Kingsley) nimmt Newgate, der sich stante pede über die hier vorherrschenden, unkonventionellen Behandlungsmethoden wundert, sogleich unter seine Fittiche. Lamb lässt die meisten Insassen der Anstalt frei im Hause herumspazieren und erlegt seinen Patienten sogar ein hohes Maß an Selbstverwaltung auf, so auch der reizenden Eliza Graves (Kate Beckinsale), die auf Newgate einigen Eindruck macht. Bei einer Stippvisite in den Kellergewölben entdeckt Newgate dann die Wahrheit: Lamb ist tatsächlich selbst ein schwer kriegstraumatisierter Patinent in Stonehearst, der den eigentlichen Chefarzt Dr. Dalt (Michael Caine) un dessen Personal eingekerkert und für sinistre Pläne vorgesehen hat.

"Eliza Graves" punktet mit einem gerüttelten Maß an Atmosphäre und Besetzung, allen voran natürlich die über jeden Zweifel erhabenen Schauspieltitanen Kingsley und Caine (in Nebenrollen gibt es weitere Sympathiegesichter wie David Thewlis, Brendan Gleeson und Jason Flemyng), kann darüber hinaus aber kaum überraschen. Entgegen voreilig geschürter Annahmen ist Andersons Film ein recht vulgär geführter, philologischer Diskurs über die Kinderschuhe der Psychiatrie, in denen steckend man glaubte, Wechselbäder und andere Foltermethoden trügen zur Heilung des Patienten bei. Dass sich derweil auch die Elektroschock- und die Konfrontationstherapie als nicht zwangsläufig von Erfolg gekrönt erweisen, spricht nicht eben für einen allzu sicheren Umgang des Fims mit seinem Sujet. Dann schon lieber die gepflegten Horrorfilm-Anleihen; die düsteren, mager ausgeleuchteten und fast spürbar ausgekühlten Gewölbe des Gebäudes (ohnehin einer der Stars des Films), das winterliche Exterieur. "Eliza Graves" ist ein Film, den man wohl am Besten dick eingepackt, bei offenem Fenster und rieselndem Schnee in der Dunkelheit schaut. Dann dürfte er hinhauen.

7/10

Brad Anderson fin de siècle England Edgar Allen Poe period piece Psychiatrie


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STOKER (CHAN-WOOK PARK/UK, USA 2013)


"Effective for what?" - "To get your attention."

Stoker ~ UK/USA 2013
Directed By: Chan-wook Park

Nach dem Tod ihres geliebten Vaters (Dermot Mulroney) taucht plötzlich dessen langvermisster Bruder Charlie (Matthew Goode) bei der Beerdigung und danach in der rural gelegenen Villa von India (Mia Wasikowska) und ihrer nunmehr verwitweten Mutter Evelyn (Nicole Kidman) auf. Für die eigensinnige India kommt Onkel Charlie einer Mischung aus Uneinschätzbarkeit und heimlicher Bewunerung gleich. Ebenso scheint sich der aparte, junge Mann für sie zu interessieren. Bald jedoch muss India feststellen, dass Onkel Charlie mehr als nur eine dunkle Seite verbirgt - und nicht nur er...

Eine weitere Reverenz-Erweisung an Altmeister Hitchcock; im Speziellen diesmal an dessen persönlichen Lieblingsfilm in eigener Sache - "Shadow Of A Doubt". Allerdings kommt Park, dessen Regiefähigkeiten ich unbehelligt wissen möchte, über ein respektables Maß an Ehrerbietung nicht hinaus. Sein Film bläht sich nämlich mit pompöser Bildsprache so gewaltig auf wie ein Heißluftballon, nur um dann doch wieder bei seinem bodenständigen Kriminalplot zu landen, der, das Vorbild beweist es eindrucksvoll, mit einer intimeren, sehr viel privateren Inszenierung doch wesentlich mehr Geschlossenheit erreicht. Auch, dass die Bezugsebene zwischen Nichte und Onkel - in "Stoker" kennt man sich nicht, weil die psychotischen Auswüchse des Guten bereits seit Jahren aktenkundig sind und Charlie ebenjene in Verwahrung verbracht hat - wird von dort nach hier in mir unbegreiflicher Weise variiert und vermutlich auch verwässert. "Shadow Of A Doubt" bezog eines seiner inneren Hauptspannungsmomente ja gerade aus der Tatsache, dass die Nichte Charlie ihren namensvetterlichen Onkel stets so anhimmelte und eben all die Jahre bloß zu jung war, um den Wolf im Schafspelz auszumachen.
Geschmackssicher nimmt "Stoker" sich ganz sicher aus und er kommt entsprechend schick daher - allerdings bleibt er unter seiner Oberfläche über weite Strecken leer und fad - wie ein wertvoller Gobelin, der kalten Unterputz verbirgt.

5/10

Chan-Wook Park Mutter & Tochter Familie Coming of Age


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DAS EXPERIMENT (Oliver Hirschbiegel/D 2001)


"Ausziehen."

Das Experiment ~ D 2001
Directed By: Oliver Hirschbiegel

Der zwischenzeitlich als Taxifahrer jobbende, freie Journalist Tarek Fahd (Moritz Bleibtreu) erfährt von einem universitär initiierten Experiment, in dessen Verlauf sich eine Gruppe männlicher Individuen freiwillig und für eine Dauer von zwei Wochen in einen hermetisch abgeschlossenen Komplex begeben und dort die Rollen von Gefangenen und Wärtern einnehmen sollen. Tarek riecht eine Sensationsstory, die er durch seine Teilnahme an der Studie gezielt zu lenken hofft. Zunächst läuft alles wie geplant, doch bereits nach kürzester Zeit verselbstständigt sich die Situation - die gezielt nach ihrer psychischen Ausgangslage eingesetzten Wärter beginnen, die Gefangenen zu dominieren, bald auch zu erniedrigen und schließlich zu quälen und zu foltern bis hin zum Totschlag. Die Überwachung des Experiments gleitet den Leitern (Edgar Selge, Andrea Sawatzki) durch Unachtsamkeit aus den Händen und statt ihrer übernehmen zwei der "Wächter", die sadistisch veranlagten Berus (Justus von Dohnányi) und Kamps (Nicki von Tempelhoff), zunächst heimlich das Regiment. Es kommt zur Katastrophe...

"Das Experiment" ist einer der beständigsten deutschen Filme der letzten zwei Jahrzehnte; beständig in seinem Bestreben, involvierendes Genrekino abseits der normierten Kino-Weichspülerei zu liefern, beständig auch in seiner höchst affizierenden Wirkmacht. Natürlich sollte man den kritischen Blickwinkel nicht vernachlässigen: Hirschbiegels Werk gibt sich einen betont authentischen, grenzdokumentarischen Anstrich, der wiederum auf das zugrunde liegende Buch Mario Giordanos rekurriert. Jenes befasste sich mit dem 1971 von dem Psychologen Philip Zimbardo durchgeführten "Stanford-Prison-Experiment", das von der Projektleitung abgebrochen werden musste, als einige Versuchsparameter sich ihrer Kontrolle entzogen. Freilich kam es hier nicht zu Todesfällen und auch die physische Folter nahm nicht die im Film dargestellten Formen an. Andere "Wärter"-Maßnahmen wie die Neumischung der Zelleninsassen zur Zerstreuung aufkeimender Solidarität oder der Entzug von Kleidung und Bettwäsche entsprechen indes den realen Vorkommnissen.
Die etablierte (und teils auch unetablierte) Kritik warf Hirschbiegel eine stark populistische, spekulative Inszenierung vor; eine Stereotypisierung der vorgestellten Charaktere und gewaltige Löcher im Handlungsablauf. Schließlich kann man eine unverhohlene, überaus einseitig formulierte Denunziation wissenschaftlicher Testreihen zu empirischer Erkenntnisgewinnung wittern.
All dies ist nicht von der Hand zu weisen, ebensowenig wie die Tatsache, dass vom Zuschauer eine Menge an good will eingefordert wird, um den Ereignissen im Experimentsverlauf Glauben zu schenken. Dann würde man jedoch all den Vorzügen des Films nicht gerecht - zu nennen wäre da die unglaubliche Sogwirkung, die "Das Experiment" aufbaut; die Identifikation mit den Gefangenen gelingt beinahe mühelos wie auch die empathische Brücke zu der gesamten, sie umschließenden Situation. Man leidet und wütet mit Tarek Fahd und den anderen und wünscht sich irgendwann selbst eine Metallstange an die Hand. Das ist zwar böses, gar aggressives und nicht eben differenziertes, aber dafür auch höchst vitales Filmemachen.

8/10

Oliver Hirschbiegel Mario Giordano Gefängnis undercover


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GRINDHOUSE (Robert Rodriguez, Quentin Tarantino/USA 2007)


"I never miss."

Grindhouse ~ USA 2007
Directed By: Robert Rodriguez/Quentin Tarantino

Aus Robert Rodriguez' und Quentin Tarantinos dereinst recht vollmundig angekündigtem "Grindhouse"-Projekt, das eine Hommage an das bereits im Titel postulierte "Kleinkunstkino" der siebziger Jahre darstellte, wurden zunächst die beiden Einzelsegmente "Planet Terror" und "Death Proof" destilliert und als eigenständige Arbeit des jeweiligen Regisseurs vermarktet. Gewinnmaximierung, ganz im Sinne jener liebevoll hofierter und karikierter Schmuddelreißer aus besseren Kinotagen. Die beiden solitär genossenen "Hauptfilme" (deren Reihenfolge innerhalb von "Grindhouse" selbst in umgekehrter Provenienz vielleicht etwas geschickter gewesen wäre, aber achronologische Durchmengung gehört ja zu Tarantinos kleinen Spezialitäten), die in ihren Einzelversionen jeweils mit einigen Szenen angereichert und gestreckt wurden, ergeben in ihrer Kompilation mitsamt all den hübschen Trailern ein deutlich passgenaueres Vergnügen. Diverse Darsteller, ja, sogar Charaktere wie der stets gern gesehene, vom zerknirschten Michael Parks gegebene Sheriff Earl McGraw, tauchen ja in beiden Filmen auf, was dem eigentlich intendierten venue sehr zuspricht. Einerseits muss man somit zwar auf Wohlgelittenes wie etwa den Lap Dance von Vanessa Ferlito verzichten, es bleibt einem jedoch auch geflissentlich störender Füllstoff erspart. Die Sinnfälligkeit des Ganzen, insbesondere die von Form und Präsentation jedenfalls erschließt sich zur Gänze erst im Double Feature, das ich den beiden Einzelbeiträgen stets vorziehen würde.

9/10

Robert Rodriguez Quentin Tarantino Texas Hommage Splatter Zombies Virus car chase Freundschaft Exploitation


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KILL BILL (Quentin Tarantino/USA 2003/04)


"That woman deserves her revenge and we deserve to die."

Kill Bill ~ USA 2003/04
Directed By: Quentin Tarantino

Beatrix Kiddo (Uma Thurman) gehörte einst der "Deadly Viper Assassination Squad" an, einer sechsköpfigen Gruppe von in fernöstlichen Tötungskünsten ausgebildeten Profikillern. Dieser steht Bill (David Carradine) vor, ein alternder, zynischer Amerikaner, der mit Beatrix eine Liaison pflegte bis zu dem Tag, als sie sich zum Ausstieg entschloss. Schwanger von Bill wollte sie ihrer Tochter ein Leben abseits ihres einstigen Milieus ermöglichen und suchte sich unter neuem Namen Tommy Plympton (Chris Nelson), einen Plattenladenbesitzer aus El Paso, als künftigen Ehemann und Ziehvater des Kindes aus. Der rachsüchtige Bill bekommt jedoch Wind von Beatrix' Plänen und überfällt sie mit dem Rest der Truppe bereits bei der Hochzeitsprobe. Vermeintlich tot und um das Leben des Babys gebracht verbringt Beatrix vier Jahre im Koma, während derer sie ein schmieriger Krankenpfleger (Michael Bowen) als willenloses Vergewaltigungsopfer feilbietet. Infolge eines Mückenstichs erwacht Beatrix nach dieser langen Zeit und begibt sich auf einen beispiellosen Rachefeldzug, an dessenen Ende sich Berge von von Leichen auftürmen und sie ihre kleine Tochter (Perla Haney-Jardine) doch noch in die Arme schließen kann.

Ich mag es ja. ohnehin Zusammengehöriges in einem Guss zu betrachten und soweit als möglich auch wahrzunehmen und zu bewerten. Im Falle "Kill Bill", der im Abstand von sechs Monaten in zwei Teilen mit den Untertiteln "Vol. 1" und "Vol. 2" ins Kino kam, erscheint mir diese Art der Rezeption als probat. Zwar scheinen die meisten Zeitgenossen nur allzu gern auf die Divergenz der beiden Segmente zu pochen, mich interessiert dies jedoch bestenfalls geringfügig. Sicherlich gibt es offenkundige Einzelheiten, die jedem der beiden volumes halbwegs eindeutig zuzurechnen sind: Der erste Film liebäugelt noch sehr viel mehr als der zweite mit ostasiatischen "traditionals": Zu Beginn kommt das altehrwürdige ShawScope-Logo, eines der Kapitel ist als Anime gestaltet, Sonny Chiba und Gordon Liu treten auf, es geht nach Japan und gegen eine Yakuza-Chefin (Lucy Liu) , die vormals zur Viper Squad gehörte. Fontänen von Blut und herumfliegenden Extremitäten im üblich gnadenlos überzeichneten Finale gemahnen an Vertraut-Klassisches wie die "One Armed Swordsman"-Reihe oder die "Kozure-Ôkami"- und "Goyôkiba"-Serials. Der zweite Film beinhaltet dann noch einen Rückblick, in dem Beatrix, die erst hierin ihren wahren Namen zurückerhält und vormals lediglich als "The Bride" firmierte, ihre kämpferische Ausbildung bei dem höhnisch-arroganten Meister Pai Mei (Gordon Liu in einem Zweitauftritt) begeht. Ansonsten führt sie ihr Weg nach Texas und Mexiko, wo sie den übrigen Schergen Bills begegnet, darunter seinem jüngeren Bruder Budd (Michael Madsen), dessen ehrloser Verzicht auf kämpferische Tradition sie am Dichtesten an die Schwelle des Heldinnen-Todes trägt. Sie wird lebendig begraben, kann sich jedoch durch eine von Pai Meis Techniken befreien. Eine weitere verleiht ihr zugleich die elementarste Handhabe, selbst mit dem Oberboss Bill fertig zu werden, der sich am Ende und recht zufrieden mit dem Verlauf der Ereignisse seinem Schicksal stellt.
Selbstredend kann "der eine" nicht ohne "den anderen" Film bestehen und es wird niemand ernstlich behaupten können, sich mit der Beschau des zuerst aufgeführten Teils, also unter Verzicht auf den inhaltlich komplexeren und wesentlich emotionaleren zweiten Film, zufrieden geben zu wollen. Tatsächlich haben beide ihre spezifischen, besonderen Vorzüge und decken im Prinzip das gesamte Spektrum tarantino'scher Interessen ab. Vol. 1 bietet subsummiert karnevalesken, von einem Maximum an Referenzen getragenen, knallbunten Intentionstrash, Vol. 2 legt dann mehr Wert auf leise Töne, zärtliche Tragik und jenes bisschen an Vulgärpsychologie, zu dem Tarantino eben fähig ist. Dem umfassenden Erlebnis der "ganzen, blutigen Affäre" trägt man allerdings einzig mit bedingungsloser Nahtlosigkeit adäquat Rechnung. Vier Stunden sollten sich dann auch hinreichend planungsaffin ausnehmen.

9/10

Quentin Tarantino Hommage Martial Arts Texas Profikiller Japan Okinawa Tokio Rache Splatter Mexiko


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PULP FICTION (Quentin Tarantino/USA 1994)


"Just because you are a character doesn't mean that you have character."

Pulp Fiction ~ USA 1994
Directed By: Quentin Tarantino

Binnen etwa 18 Stunden ereignen sich im Schmelztiegel von L.A. mehrere einschneidende Episoden rund um den Gangsterboss Marsellus Wallace (Ving Rhames): Zwei von ihm entsandte Profikiller, Vincent Vega (John Travolta) und Jules Winfield (Samuel L. Jackson) müssen einen Wallace geraubten Koffer mit mysteriösem Inhalt sicherstellen. Im Zuge dessen kommt es zu mehreren beabsichtigten und unbeabsichtigten Todesfällen, dem halsbrecherischen Einsatz eines Cleaners (Harvey Keitel) und der Konfrontation mit einem Räuber-Pärchen (Tim Roth, Amanda Plummer). Später muss Vincent Vega im Auftrag seines Bosses dessen Frau Mia (Uma Thurman) ausführen, die am Ende des Abends beinahe an einer Überdosis fälschlicherweise geschnupften Heroins krepiert. Parallel dazu weigert sich der von Wallace geschmierte Boxer Butch Coolidge (Bruce Willis), einen getürkten Kampf zu verlieren und schlägt seinen Gegner stattdessen tot. Auf der Flucht vor dem wütenden Betrogenen muss Butch noch unbedingt seine Armbanduhr sicherstellen und begegnet dabei ausgerechnet seiner Nemesis in Person. Zusammen landen die beiden im Keller einer nachgerade gestörten Vergewaltiger-Clique, aus der Butch sich und Wallace befreien kann und im Gegenzug einen Freifahrtschein kassiert.

Nach "Pulp Fiction" avancierte Quentin Tarantino zu ausnahmslos everybody's darling, der Film und Kino etwas abgewinnen konnte. Machten sich bereits in "Reservoir Dogs" und "True Romance" etliche intertextuelle Referenzen und Bezüge bemerkbar, so bestimmten diese bereits weite Teile der mentalen Landschaft, die "Pulp Fiction" grundierte: Angelegt als achronologische Schilderung miteinander auf obskure Art verwobener Ereignisse im folkloristisch gezeichneten, südkalifornischen Gangstermilieu erweisen sich die einzelnen Episoden rasch als stark beeinflusst von den bereits ihrerseits oftmals reziprok plagiierten harboiled crime stories der vierziger und fünfziger Jahre und den entsprechenden B-Filmen aus Hollywood. Der Begriff "pulp", eine Art unschuldige(re) Vorstufe zum "camp", bezeichnet eben diesen Umgang mit popkulturellen Schemata: die nur geringfügig modifizierte Varianz überschaubarer Motive und Topoi. Tarantino pickte sich davon nach eigenem Bekunden ein paar der besonders archetypischen heraus und legierte diese zu jenem gefeierten cineastischen Großereignis, dem rückblickend vor allem großes Lob gebührt, weil es erstmals bewusst die Grenzen zwischen seit jeher schief beäugtem Genrestoff und etablierter Erzählkunst aufstieß. Die scheinbar endlos geführten, stets ironisch konnotierten Dialoge über Allerweltsthemen, die jeder zweite freundschaftlich geführte, reale Dialog irgendwann streift - das begeisterte die Leute. Man spricht über Fast Food, erotische Avancen und Drogen, später auch über Gewalt und Ethik; die Schauplätze sind ordinäre Vorstadthäuser und hippe Retro-Restaurants, das Valley und Glendale, auf der Musikspur laufen Surfrock, Soul und ein neues Stück, die künftig alle feste Assoziationen zu den Bildern wecken: Als Exempel für einen in jeder Hinsicht, also qualitativ wie quantitativ, maximal konsumierten Kultfilm, der einen globalen Nervnenner getroffen hat, ist und bleibt "Pulp Fiction" konkurrenzlos.
Dass einem mit dem Abstand der Jahre (Wahnsinn, es sind schon über 20) dann doch kleinere Schönheitsfehler ins Auge stechen, Überreizungen, Makel, ohne die der Film möglicherweise glatter, aber eben nicht mehr er selbst wäre, erscheint mir eher wertungsneutral. Einen anderen "Pulp Fiction" als eben diesen, den ja jeder kennt, möchte ja doch keiner haben.

10/10

Quentin Tarantino Roger Avary Ensemblefilm Los Angeles Profikiller Freundschaft Drogen Heroin neo noir


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JOHN WICK (Chad Stahelski/USA, CA, CN 2014)


"People don't change. Times do."

John Wick ~ USA/CA/CN 2014
Directed By: Chad Stahelski

Der frühere Superkiller John Wick (Keanu Reeves) hat sich aus dem Geschäft zurückgezogen, nachdem er seine Zukünftige Helen (Bridget Moynahan) kennengelernt hat. Diese stirbt jedoch schon nach wenigen Jahren Ehe an Krebs und John bleibt als Erinnerung ein kleiner Beagle-Welpe, den Helen ihm zum "Abschied" vermacht. Als John während einer Spritztour mit seinem Ford Mustang Iosef (Alfie Allen), der Sohn des John nicht unbekannten Gangsterbosses Viggo Tarasov (Michael Nyqvist) begegnet, will dieser ihm den Wagen abkaufen. Nach seiner Weigerung überfällt Iosef John in seinem Haus, tötet den kleinen Hund und raubt den Wagen. Der folgende Rachefeldzug führt John Wick gegen das gesamte Syndikat von Boss Tarasov...

Im Gefolge des "The Equalizer"-Revivals ein weiterer, höchst leichenreicher Actionfilm, in dem es ein Einzelgänger mit der Russenmafia aufnimmt und seine versierten Qualitäten als Killermaschine in voller Blüte zum Einsatz bringt. Nicht ganz so bärbeißig wie in Fuquas Film, dafür mit einem ausgereiften Gespür für visuell reiche Lokalitäten und Szenarien ist "John Wick" vor allem ein Film der Form. Die perfide Initiation der höchst effektiven Entfesselung von John Wicks Racheritus ist angesichts der wahrlich beeindruckend minutiösen Choreographie seiner diversen Nachtclub- und Disco-Schlachten schon bald vergessen und der Film damit ohne seinen eigentlichen Motor. Als hartes event und glamour movie mit feinen Ideen wie der, mitten in New York ein Hotel ausschließlich für im Einsatz befindliche Auftragskiller (mitsamt eigener Goldmünzen-Währung) zu platzieren oder John Patrick Kelly als allzeit bereiten Kopf eines Cleaner-Teams einzusetzen, wird "John Wick" noch so manchen Zuschauer zu begeistern wissen; unter seiner glattpolierten, hochglänzenden Oberfläche lässt sich derweil nicht viel mehr entdecken.

7/10

Chad Stahelski Profikiller Rache Russenmafia New York


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RESERVOIR DOGS (Quentin Tarantino/USA 1992)


"You ever listen to K-Billy's "Super Sounds of the Seventies" weekend? It's my personal favorite."

Reservoir Dogs ~ USA 1992
Directed By: Quentin Tarantino

Ein von dem Gangsterboss Joe Cabot (Lawrence Tierney) und seinem Sohn Nice Guy Eddie (Chris Penn) angeheuertes, aus sechs Gaunern bestehendes Team soll einen akkurat geplanten Diamantenraub vollführen. Doch die Sache läuft gehörig aus dem Ruder, weil einer der sich zuvor untereinander unbekannten Teilnehmer ein Undercover-Cop ist, der bereits im Vorhinein seine Leute zum Schauplatz des Verbrechens beordert hat. Nachdem der schießwütige Mr. Blonde (Michael Madsen) vor Ort ein Massaker angerichtet hat und bereits zwei der Ganoven, Mr. Blue (Eddie Bunker) und Mr. Brown (Quentin Tarantino) dran glauben mussten, treffen die Übrigen nach und nach am verabredeten Treffpunkt, einer Lagerhalle, ein. Mr. Orange (Tim Roth) hat einen Bauchschuss und verblutet langsam, derweil Mr. White (Harvey Keitel) und Mr. Pink (Steve Buscemi) die Sache halbwegs ruhig und überlegt überblicken. Als Mr. Blonde mit einem gekidnappten Polizisten (Kirk Baltz) auftaucht, wartet bereits die nächste Katastrophe...

Als Quentin Tarantinos erste Filme bei uns auftauchten, sprich "Reservoir Dogs" und der von ihm gescriptete "True Romance", war ich wie viele andere ein ausgemachter Fan des Mannes und himmelte seine Arbeiten an - für einen 17- bis 20-jährigen Kinogänger zu dieser Zeit ganz gewiss nichts Ungewöhnliches. Als ich dann zu studieren anfing und in jeder noch so abgewichsten Klitsche, in der sich eine Party abspielte, ein "Pulp Fiction"-Poster vorfand, erkaltete meine Bewunderung für diesen plötzlich zum langweiligen Salonthema avancierten Filmemacher und verwandelte sich in eine Art Ernüchterung; ich wollte ihn bestenfalls nurmehr nett finden und jedes ihm gewidmete Gespräch aus der Laienecke mit demonstrativem Gähnen quittieren. Tarantino als "everybody's darling", der dann auch noch von Hinz und Kunz plagiiert wurde - das gefiel mir, der ich mich Trends stets tapfer verweigert habe, ganz und gar nicht. Dass er mit "Jackie Brown" seinen, wie ich bis heute finde, stärksten Film vorgelegt hat und im Gefolge von "Hype Fiction" eigentlich alles genau richtig gemacht hat, war mir dann demonstrativ egal.
"Reservoir Dogs" und "Pulp Fiction habe ich nach zuvor mitunter pathologischen Überdosierungen zum letzten Mal vor geschätzt fünfzehn Jahren gesehen und jetzt mal wieder Lust drauf bekommen. Zu ersterem darf ich schonmal sagen, dass er mich neuerlich begeistert konnte. Als einen ungeheuer frischen Film habe ich ihn just wieder wahrgenommen, voll von leidenschaftlichem fandom, angenehm exzessiv, getragen von einem unschlagbaren Narzissmus und, wenngleich betreffs seiner inszenatorischen Qualität weit hinter den meisten wirklich großen, klassischen amerikanischen Regisseuren liegend, als ein Musterexemplar seiner Gattung, dem längst selbst ein Platz im Olymp der nachwuchsinspirierenden Werke gebührt. Gewissermaßen schade angesichs dessen, dass Tarantino gezwungenermaßen zum Opfer seines eigenen Kults wurde - und es bis heute, ebenso gezwungenermaßen, geblieben ist.

9/10

Quentin Tarantino Ensemblefilm undercover Freundschaft Los Angeles Heist


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REDD INC. (Daniel Krige/USA 2012)


"This is your fifth and last caution!"

Redd Inc. (Headhunt) ~ USA 2012
Directed By: Daniel Krige

Der verurteilte Serienmörder Thomas Reddman (Nicholas Hope), der seine fünf Opfer allesamt enthauptete, gilt als tot und begraben, als sich die Kronzeugin des Prozesses, die Internet-Stripperin Annabelle (Kelly Paterniti) nach einem Überfall in der Wohnung zusammen mit den übrigen an Reddmans Verurteilung beteiligten Personen an einem mit Arbeits-Computern ausgestattetem Tisch angekettet wiederfindet. Reddman ist mitnichten tot und fordert seine Gefangenen auf, nach Beweisen für seine Unschuld zu suchen. Wenngleich eine Geisel nach der anderen das Zeitliche segnen muss, erkennt Annabelle bald, dass ihr Peiniger zwar vollkommen verrückt, aber tatsächlich mitnichten der damals gesuchte "Headhunter" ist. Der sitzt indessen unentlarvt am gleichen Tisch wie sie...

Ein langweiliger Stinker, hässlich und blöd. Da kann die "Fangoria" noch so vielversprechend als Schirmherr auftreten und Tom Savini noch hundertmal in den Credits stolz geschwellt als S-F/X-Supervisor aufgeführt werden und ein dem Streifen ein Cameo spendieren; geadelt wird das Ding dadurch trotzdem nicht. "Redd Inc." hangelt sich lediglich von einer seiner immerhin fiesen, handgemachten und ordentlichen Gore-Sequenzen zur nächsten; hat dazwischen jedoch nurmehr katastrophale Leerläufe zu bieten und entlarvt sich damit selbst als ideenloser Käse. Das Szenario - ein gemeingefährlicher Schizo verschafft sich seine Privatrache, indem er die Denunzianten an ihm und an der Moral in einer schummrigen Lokalität bis aufs Blut drangsaliert, erscheint mir mit jedem Male, da ich es seit "Saw" gesehen habe, unorigineller und obsoleter.
Daher, liebe Nachwuchsfilmer, jene repräsentierend lieber Mr. Krige -- lasst euch endlich mal was Neues einfallen, auf dass im Genre weniger redundanter Bodensatz und wieder mehr Sehenswertes entstehe. Danke und liebe Grüße, gez. ein Fan.

2/10

Daniel Krige Splatter Groteske Serienmord





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Funxton

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