"Frisches vom Schlachter Karl!"
Die Zärtlichkeit der Wölfe ~ BRD 1973
Directed By: Ulli Lommel
Der homosexuelle Glücksritter Fritz Haarmann (Kurt Raab) gaunert sich sich durch das zerbombte Bochum der Nachkriegszeit. Er bringt es sogar zum Polizeispitzel, und kann so fürs Erste einer geheimen Neigung unbehelligt weitergehen: Unter Vorlage seines Ausweises nimmt er Strichjungen mit nach Hause, bietet ihnen gegen Liebesdienste Kost und Logis und bringt sie dann um, indem er sie erdrosselt und/oder, einem Vampir gleich, zu Tode beißt. Das Fleisch der Ermordeten verschenkt und verkauft Haarmann an Nachbarn und Freunde. Als sein Freund Hans Grans (Jeff Roden) sich anderweitig orientiert, bricht Haarmanns Kartenhaus, auch unter dem Drängen der britischen Besatzer, zusammen.
Von der Weimarer Republik in die Trümmerjahre, von Hannover nach Bochum. Weil Lommel und Fassbinders 'Tango Film' nur ein sehr begrenztes Budget zur Verfügung stand, griff man auf die künstlerische Freiheit zurück, Zeit- und Lokalkolorit zu verändern - so jedoch nicht die allgemeine atmosphärische Vorstellung, die Haarmanns berühmten Fall als bundesrepublikanisches Schreckgespenst bis in die Gegenwart hinein begleitet. Kurt Raab verleiht dem oftmals semantisch falsch als 'Massenmörder' bezeichneten Haarmann ein seltsames, gleichermaßen zärtliches und dämonisches Antlitz. Wie ein glatzköpfiger Dandy wirkt er, von scharfem kriminellen Verstand und überhaupt hoher Intelligenz, welche er jedoch, einem Raubtier gleich, lauernd verbirgt und nur im rechten Moment gebraucht. Freilich ist seine Triebgesteuertheit noch wesentlich übermächtiger, dabei sieht man Haarmann erst zum Schluss des Films, als er einem Lockvogel der Schupo auf den Leim geht, völlig losgelöst von aller rationalen Geistigkeit. Zwischendurch ahnt man seine Barbareien bloß, ähnlich der penetranten Nachbarin Frau Lindner (Margit Carstensen). Wenn Haarmann der Wirtin Louise (Brigitte Mira) wieder einmal eine Schüssel von frisch Geschlachtetem bringt, fröstelt man kurz, nur um dann wieder gierig die faszinierend-graue Tristesse des frühen Siebziger-Jahre-Ruhrgebiets in sich aufzunehmen.
8/10
Homosexualitaet Fritz Haarmann Serienmord Ruhrpott Ulli Lommel Rainer Werner Fassbinder Nachkriegszeit
Die Zärtlichkeit der Wölfe ~ BRD 1973
Directed By: Ulli Lommel
Der homosexuelle Glücksritter Fritz Haarmann (Kurt Raab) gaunert sich sich durch das zerbombte Bochum der Nachkriegszeit. Er bringt es sogar zum Polizeispitzel, und kann so fürs Erste einer geheimen Neigung unbehelligt weitergehen: Unter Vorlage seines Ausweises nimmt er Strichjungen mit nach Hause, bietet ihnen gegen Liebesdienste Kost und Logis und bringt sie dann um, indem er sie erdrosselt und/oder, einem Vampir gleich, zu Tode beißt. Das Fleisch der Ermordeten verschenkt und verkauft Haarmann an Nachbarn und Freunde. Als sein Freund Hans Grans (Jeff Roden) sich anderweitig orientiert, bricht Haarmanns Kartenhaus, auch unter dem Drängen der britischen Besatzer, zusammen.
Von der Weimarer Republik in die Trümmerjahre, von Hannover nach Bochum. Weil Lommel und Fassbinders 'Tango Film' nur ein sehr begrenztes Budget zur Verfügung stand, griff man auf die künstlerische Freiheit zurück, Zeit- und Lokalkolorit zu verändern - so jedoch nicht die allgemeine atmosphärische Vorstellung, die Haarmanns berühmten Fall als bundesrepublikanisches Schreckgespenst bis in die Gegenwart hinein begleitet. Kurt Raab verleiht dem oftmals semantisch falsch als 'Massenmörder' bezeichneten Haarmann ein seltsames, gleichermaßen zärtliches und dämonisches Antlitz. Wie ein glatzköpfiger Dandy wirkt er, von scharfem kriminellen Verstand und überhaupt hoher Intelligenz, welche er jedoch, einem Raubtier gleich, lauernd verbirgt und nur im rechten Moment gebraucht. Freilich ist seine Triebgesteuertheit noch wesentlich übermächtiger, dabei sieht man Haarmann erst zum Schluss des Films, als er einem Lockvogel der Schupo auf den Leim geht, völlig losgelöst von aller rationalen Geistigkeit. Zwischendurch ahnt man seine Barbareien bloß, ähnlich der penetranten Nachbarin Frau Lindner (Margit Carstensen). Wenn Haarmann der Wirtin Louise (Brigitte Mira) wieder einmal eine Schüssel von frisch Geschlachtetem bringt, fröstelt man kurz, nur um dann wieder gierig die faszinierend-graue Tristesse des frühen Siebziger-Jahre-Ruhrgebiets in sich aufzunehmen.
8/10
Homosexualitaet Fritz Haarmann Serienmord Ruhrpott Ulli Lommel Rainer Werner Fassbinder Nachkriegszeit