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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DIE ZÄRTLICHKEIT DER WÖLFE (Ulli Lommel/BRD 1973)


"Frisches vom Schlachter Karl!"

Die Zärtlichkeit der Wölfe ~ BRD 1973
Directed By: Ulli Lommel


Der homosexuelle Glücksritter Fritz Haarmann (Kurt Raab) gaunert sich sich durch das zerbombte Bochum der Nachkriegszeit. Er bringt es sogar zum Polizeispitzel, und kann so fürs Erste einer geheimen Neigung unbehelligt weitergehen: Unter Vorlage seines Ausweises nimmt er Strichjungen mit nach Hause, bietet ihnen gegen Liebesdienste Kost und Logis und bringt sie dann um, indem er sie erdrosselt und/oder, einem Vampir gleich, zu Tode beißt. Das Fleisch der Ermordeten verschenkt und verkauft Haarmann an Nachbarn und Freunde. Als sein Freund Hans Grans (Jeff Roden) sich anderweitig orientiert, bricht Haarmanns Kartenhaus, auch unter dem Drängen der britischen Besatzer, zusammen.

Von der Weimarer Republik in die Trümmerjahre, von Hannover nach Bochum. Weil Lommel und Fassbinders 'Tango Film' nur ein sehr begrenztes Budget zur Verfügung stand, griff man auf die künstlerische Freiheit zurück, Zeit- und Lokalkolorit zu verändern - so jedoch nicht die allgemeine atmosphärische Vorstellung, die Haarmanns berühmten Fall als bundesrepublikanisches Schreckgespenst bis in die Gegenwart hinein begleitet. Kurt Raab verleiht dem oftmals semantisch falsch als 'Massenmörder' bezeichneten Haarmann ein seltsames, gleichermaßen zärtliches und dämonisches Antlitz. Wie ein glatzköpfiger Dandy wirkt er, von scharfem kriminellen Verstand und überhaupt hoher Intelligenz, welche er jedoch, einem Raubtier gleich, lauernd verbirgt und nur im rechten Moment gebraucht. Freilich ist seine Triebgesteuertheit noch wesentlich übermächtiger, dabei sieht man Haarmann erst zum Schluss des Films, als er einem Lockvogel der Schupo auf den Leim geht, völlig losgelöst von aller rationalen Geistigkeit. Zwischendurch ahnt man seine Barbareien bloß, ähnlich der penetranten Nachbarin Frau Lindner (Margit Carstensen). Wenn Haarmann der Wirtin Louise (Brigitte Mira) wieder einmal eine Schüssel von frisch Geschlachtetem bringt, fröstelt man kurz, nur um dann wieder gierig die faszinierend-graue Tristesse des frühen Siebziger-Jahre-Ruhrgebiets in sich aufzunehmen.

8/10

Homosexualitaet Fritz Haarmann Serienmord Ruhrpott Ulli Lommel Rainer Werner Fassbinder Nachkriegszeit


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EXTREMITIES (Robert M. Young/USA 1986)


"Okay, let's talk about the hammer."

Extremities ~ USA 1986
Directed By: Robert M. Young


Die in einer Dreier-WG mit ihren zwei Freundinnen Patty (Alfre Woodward) und Terry (Diana Scarwird) lebende Marjorie (Farrah Fawcett) wird eines Nachts von dem Unhold Joe (James Russo) überfallen. Zwar kann sie entkommen, die in der Folge gemachte Anzeige bei der Polizei ist jedoch zwecklos, wie sie mit Entsetzen feststellen muss. Schlimmer noch, Joe hat Marjories Brieftasche entwendet und kennt somit ihre Adresse. Einige Wochen später, Marjorie ist allein im Haus, taucht er tatsächlich bei ihr auf. Da er damals vermummt war, erkennt Marjorie ihn nicht sofort, doch Joe fackelt ohnehin nicht lange. Er setzt die Frau einem vor allem psychischen Martyrium aus, bis sich das Blatt wendet: Marjorie kann sich befreien und Joe im Kamin festsetzen. Als Terry und Patty nach Hause kommen, haben sie alle Mühe damit, Marjorie davon abzuhalten, ihre Selbstjustiz bis zur letzten Konsequenz zu üben.

Ich weiß noch, dass damals bei seinem Kinoeinsatz ziemlich heiß und kontrovers über "Extremities" diskutiert wurde, darüber, ob er eine Stellung als feministisches Filmpamphlet verdient habe, oder ob er nicht doch nur ein weiterer Reißer sei, dem es vornehmlich um spekulative Oberflächlichkeiten gehe. Herzlich spannend ist er jedenfalls allemal und verfügt als adaptiertes Theater vor allem über zwei wesentliche Pluspunkte: Phantastische Darsteller in den Antagonistenrollen. Der seit damals praktisch unermüdlich in Indie-Produktionen auftretende James Russo, kurz zuvor noch als Mordopfer in "Beverly Hills Cop" zu bewundern, ist unglaublich gut als fieser, tatsächlich hopchgradig gestörter Misogyner, der sich im Nachhinein noch als gesuchter Serienkiller entpuppt und dessen "Erstidentität" als treusorgender Familienvater dramaturgisch ganz bewusst nur angerissen wird. Selbiges gilt für Farrah Fawcett, der man die Fähigkeiten zu solch intensivem Spiel zuvor womöglich kaum zugetraut hätte. Nun ist "Extremities" ganz bestimmt keine makellose Arbeit und ich schätze, dass, wer nach möglichen Schwächen sucht, davon eine Menge finden kann. Ich für meinen Teil konnte mich jedoch ordentlich mitreißen lassen von dieser - vor allem darstellerischen - tour de force.

8/10

based on play Robert M. Young Rape & Revenge Rache Serienmord Selbstjustiz


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THE FACE BEHIND THE MASK (Robert Florey/USA 1941)


"With these hands, I can do anything!"

The Face Behind The Mask (Das Gesicht hinter der Maske) ~ USA 1941
Directed By: Robert Florey


Der ungarische Uhrmacher Janos Szabo (Peter Lorre) kommt voller guter Hoffnung und Freundlichkeit nach New York. Wenn er erstmal genug Geld verdient habe, so sagt er, werde er seine Braut Maria nachkommen lassen und hier mit ihr glücklich sein. Ein böser Unfall durchkreuzt jedoch Janos' Pläne: Sein Gesicht verbrennt bis zur Unkenntlichkeit. Niemand will dem Enstellten fortan mehr Arbeit geben. Janos verliert bald jeden Lebensmut und trennt sich per Brief von seiner Mary. Am Punkt tiefster Verzweiflung lernt er den Kleinganoven Dinky (George E. Stone) kennen, mit dessen Unterstützung Janos sich nach und nach zu einem brillanten Raubexperten entwickelt. Er trägt nun eine eigens angefertigte, seinen früheren Gesichtszügen nachempfundene Maske. Da lernt er die lebensfrohe, blinde Helen (Evelyn Keyes) kennen, mit der Janosz zu seinem alten Enthusiasmus zurückfindet. Seinen Kumpanen zeigt er die rote Karte. Als diese Janos fälschlich der Spitzelei verdächtigen, verüben sie einen Anschlag auf ihn, dem die arme Helen zum Opfer fällt. Janos, der nun endgültig jeden Lebenswillen verloren hat, denkt sich einen perfiden Racheplan für sie aus.

Einer der ungehobenen Hollywood-Schätze der vierziger Jahre. "The Face Behind The Mask" zeigt einen wesentlich hagerer gewordenen Peter Lorre auf dem Höhepunkt seiner Schauspielkunst. Die Emotionen hinter der Maske, die wie ein trauriges Zerrbild seines eigentlichen Gesichts aussieht, stellt er mit der gebührenden Verhaltenheit dar, tatsächlich so, als befände sich ein (unsichtbarer) Schutz auf seinem Antlitz. Floreys Film ist auch die zutiefst ergreifende, herzzereißende Geschichte der Rache eines in die Enge Getriebenen. Im Zuge der später aufkommenden, grell-brutalen Exploitationfilme scheint das Kino irgendwann vergessen zu haben, dass Rache immer auch ein Ausdruck tiefer Verzweiflung und Trauer ist. "The Face Behind The Mask" akzentuiert diesen Aspekt noch mit aller gebührenden Kraft. Man ist, ganz besonders eben wegen Lorres wahnsinniger Fähigkeit, Empathie für seine Figuren zu erzeugen, immer ganz dicht bei diesem Janos Szabo, der einst so liebenswert und mit offenen Armen auf Ellis Island landetete, nur um dann wie bereits so viele vor ihm von der Unbarmherzigkeit der Großstadt erdrückt zu werden. Das Motiv der augenscheinlich blinden, mit dem Herzen jedoch umso besser sehenden Schönheit, die sich dem "kaputten" Helden widmet, zieht sich bis heute durch alle Schichten des Genrefilms.

10/10

Wueste Robert Florey Rache Film Noir Entstellung New York


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LOS CRONOCRÍMENES (Nacho Vigalondo/E 2007)


Zitat entfällt.

Los Croncrímenes (Timecrimes) ~ E 2007
Directed By: Nacho Vigalondo


Vom Garten aus beobachtet der soeben sein neues Landhaus bezugsfertig machende Ehemann Héctor (Karra Elejalde) mit dem Fernglas, wie sich im Gebüsch jenseits seines Grundstücks ein hübsches Mädchen entkleidet. Um der Sache nachzugehen, stiehlt sich Héctor dorthin und macht die unangenehme Bekanntschaft eines bandagierten Unholds. Die Flucht zu einem benachbarten Grundstück stürzt Héctor in ein höchst unangenehmes Abenteuer.

Mit einiger Verspätung, die darauf zurückzuführen ist, dass ich tapfer auf das nun endlich erfolgte, deutsche DVD-Release gewartet habe, konnte ich Vigalondos vielgelobte "Chronalverbrechen" besichtigen. Die Vorschusslorbeeren scheinen mir nun etwas sehr großzügig verteilt, oder umgekehrt konnte der Film unmöglich noch das einlösen, was ich mir in etwaiger Turmhöhe von ihm erwartete. Abgesehen davon ist er natürlich sehenswert, hübsch kompakt und schnörkellos gemacht und abgesehen davon, dass er jene Zeitreisprämisse, derzufolge auch im Raum-Zeitkontinuum kein Individuum mehr als einmal existieren kann, vollständig ignoriert, auch stimmig und wohldurchdacht erzählt. Das anfänglich noch brillant ausgereizte Suspense-Moment verflüchtigt sich zwar spätestens nach der ersten Zeitreise Héctors zu großen Teilen; dafür ist wiederum die uralte Sci-Fi-These, derzufolge humane (und auch tierische) Versuchs- und Laborsubjekte häufig dem Wahnsinn anheim zu fallen drohen, von Vigalondo bezogen auf das Zeitreisesujet durchaus interessant übertragen worden. Andererseits: Dass ein unbedarfter Spießbürger kaum unbeschadet aus einer Geschichte wie dieser hervorgehen kann, ist wohl nicht weiter verwunderlich.

8/10

Spanien Nacho Vigalondo Zeitreise


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CRY OF THE CITY (Robert Siodmak/USA 1948)


"You're losing anyway, Martino."

Cry Of The City (Schrei der Großstadt) ~ USA 1948
Directed By: Robert Siodmak


Der Gangster Martin Rome (Richard Conte) wird bei einem Duell mit einem Polizisten schwer angeschossen und gefasst. Im Krankenhaus offeriert ihm der windige Anwalt Niles (Berry Kroeger) das Angebot, Rome solle sich doch zu einem erst kürzlich verübten Juwelenraub bekennen, ein Anteil an der Beute wäre ihm sicher. Der Ganove verneint und als Niles ihm droht, sich an Romes Freundin Teena (Debra Paget) heranzumachen, bricht dieser aus und bemächtigt sich der gestohlenen Juwelen. Der ehrgeizige Lieutenant Candella (Victor Mature) klebt ihm jedoch wie Spucke an den Haxen.

Wunderbarer New-York-Film, on location gedreht und gerade deshalb so großartig. Die Cop-Vs.-Robber-Story ist so interessant nicht, als dass sie allein einen exzellenten Film tragen könnte; was Siodmak jedoch aus seinen Einstellungen herausholt, wie er die italienische Ethnie und die in ihr verwuzelten Widersacher zeichnet und eben die nächtliche Urbanität mit all ihren lichtscheuen Gestalten porträtiert, das macht "Cry Of The City" zu einer Sternstunde. Auch fragt man sich hier mal wieder aufs Neue, warum der tolle Victor Mature sich so oft für Sandalenfilme hat verbraten lassen. In kleinen, finsteren Thrillern wie diesem war er doch eine wirkliche Nummer. Ganz toll!

9/10

Robert Siodmak New York Film Noir Duell


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THE DARK MIRROR (Robert Siodmak/USA 1946)


"How could you?"

The Dark Mirror (Der schwarze Spiegel) ~ USA 1946
Directed By: Robert Siodmak


Terry Collins (Olivia de Havilland), Hauptverdächtige im Mordfall an einem renommierten Arzt, entpuppt sich als eineiiger Zwilling ihrer Schester Ruth. Als der ermittelnde Polizist Stevenson (Thomas Mitchell) nicht herauszufinden vermag, welches der beiden vermeintlich identischen Idividuen nun am fraglichen Abend von all den Zeugen gesehen wurde, beginnt er zu resignieren. Doch der Psychologe Dr. Elliott (Lew Ayres) rückt den Schwestern mit Rorschach-Tests, Wortassoziationsübungen und einem Polygraphentest zuleibe. "Eine von beiden ist irrsinnig", konstatiert er bald fachmännisch. Und die Betreffende lässt nicht mit sich scherzen...

Die Psychoanalyse war anno 46 gerade hoch in Mode im US-Thrillerkino. Hitchcock hatte sich ihrer bereits in "Spellbound" bedient, in der mit Traumdeutung herumhantiert wurde, "The Dark Mirror" befleißigte sich der Zwillingsforschung, die vor allem den Opponenten in der Anlage-Umwelt-Debatte manch bahnbrechende Erkenntnisse lieferte. Im Film kamen noch weitere, oben erwähnte Analysewerkzeuge zum Tragen, die vor allem die diagnostische Griffigkeit der Psychiatrie unter Beweis stellen sollten. Deren Darstellung im Film ist zwar interessant, letzten Ende aber ziemlich unseriös und doch nur der Spannungsschürung geschuldet. Hier sind wir dann wieder beim Regiekünstler Siodmak - seine Fähigkeiten zum bloßen Spannungsaufbau wiederum beachtlich einsetzend, gerät der mit technisch brillanten "Zwillingseffekten" arbeitende "The Dark Mirror" zeitweise zum veritablen Nägelkauer, wobei er am Ende dann doch gefährlich in die Melodramatik abzurutschen droht. Dennoch, De Palmas "Sisters", Henenlotters "Basket Case" oder auch den erst letzthin von mir geschauten "Dead Ringers" wird man hiernach vielleicht mit etwas anderen Augen sehen.

8/10

Robert Siodmak Zwillinge Psychiatrie Film Noir Nunnally Johnson


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THE SPIRAL STAIRCASE (Robert Siodmak/USA 1945)


"Anything can happen in the dark..."

The Spiral Staircase (Die Wendeltreppe) ~ USA 1945
Directed By: Robert Siodmak


Neuengland im frühen 20. Jahrhundert: Ein Serienmörder tötet eine Reihe in seinen Augen "unvollkommener" Frauen. Fast alle davon haben eine geistige Behinderung oder sind körperlich versehrt. Für Helen (Dorothy McGuire), die infolge eines heftigen Traumas stumm gewordene Haushälterin der reichen Familie Warren, wird es in einer stürmischen Nacht brenzlig: Offenbar kommt der gesuchte Verbrecher ausgerechnet aus dem trauten Kreise oder zumindest dem Bekanntenfeld der Warrens. Der Verdacht verdichtet sich in Richtung des soeben aus Europa heimgekehrten, filouhaften Lebemannes Steve Warren (Gordon Oliver)...

Übers Wochenende habe ich mir inmitten wüster Zeugnisschreiberei eine kleine Reihe mit Siodmak-Thrillern genehmigt, wobei ich aufgrund der chronologischen Vorgabe sogleich seine vielleicht beste US-Regiearbeit genießen konnte. Siodmak, gebürtiger Dresdner jüdischer Abstammung, der Deutschland wie nahezu jeder ranghafte Künstler 1933 verließ bzw. verlassen musste, galt bis ins Alter als großer Erzähler und Verbreiter von Anekdoten sowie als Meister der Fabulierkunst. Was seine Fähigkeit, im Film zu erzählen, anbelangt, so ist Siodmak keineswegs bar jeder potenziellen Kritik: Allzu häufig gab es bei ihm logische Unebenheiten und dramaturgieräsonale Schlenker, die bei bei Anderen nie aufgetreten wären. Was für ein überragender Stilist Siodmak jedoch auf der anderen Seite sein konnte, habe ich anhand aller vier geschauter Werke feststellen können: Jeder Einzelne ein audiovisuelles Sahnestück und von höchster filmischer Kunstfertigkeit getragen. Besonders den In- und Outros ist jeweils gehobene Aufmarksamkeit zu widmen. "The Spiral Staircase" beginnt gleich mit einer meisterhaft montierten und arrangierten Kinovorstellung, die den ersten Mord des Films einläutet. Vom Mörder ist, quasi als optischer Indikator, anfänglich stets nur ein im Irrsinn weit aufgerissenes Auge zu sehen, in dem sich spiegelt, was er jeweils zu sehen glaubt und das seine ganze Irrationalität symbolisiert. Eine später noch vielfach variierte Methode zur Unholds-Charakterisierung. Doch trägt der gesamte Film sich über die Kreierung von Stimmung und Atmosphäre, er ist sozusagen eine moderate Fortsetzung des mit dem Ende des Weltkriegs befristet ersterbenden Horrorkinos mit explizitem gothic impact.

10/10

New England Nacht Robert Siodmak Serienmord Haus


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LOS VIOLADORES (Paul Grau/E, CH 1981)


Zitat entfällt.

Los Violadores (Mad Foxes - Feuer auf Räder (Stingray 2)) ~ E/CH 1981
Directed By: Paul Grau


Der angeberische Fatzke Hal Walter (José Gras) gerät an eine üble Rocker-Clique, mit der er sich einen immer brutaler ausartenden Kampf liefert.

Heissa, Tante Guderun! "Los Violadores" ist einerjener Filme, nach deren Besichtigung man das unweigerliche Bedürfnis erstmal ein ausgiebiges Bad zu nehmen, um den in den letzten achtzig Minuten zwangsauferlegten Schmierfilm wieder von der Pelle zu bekommen. Meine hochverehrten Herrschaften, etwas so dermaßen auf Widerlichkeit Gebürstetes wie dieses Machwerk gibt's beileibe nicht alle Tage zu bestaunen! Es geht schon damit los, dass der als solcher veräußerte "Held" in etwa tausendmal unsympathischer daherkommt als seine Widersacher, eine Sandkastenrocker-Gang, die Barcelona auf mordsgefährlichen Enduros unsicher macht und Hakenkreuzbinden um die Arme trägt - letzteres aber offensichtlich im Namen politischer Halbbildung und sowieso bloß zu Provokationszwecken. Ansonsten sind die Jungs nämlich ziemlich witzig drauf und erinnern mich an manche meiner eigenen Jugendepisoden. Der mit dem typisch spanischen Namen Hal Walter ausgestattete Protagonist ist derweil das, was in den frühen Achtzigern als "Popper" über den Ladentisch ging, also kein Zeitgenosse, mit dem man sich freiwillig näher befassen täte. Sein Auto, das sogar im grammatikalisch abenteuerlichen deutschen Titel auftaucht (wenn auch nur in Klammern), bekommt übrigens während des gesamten Films keinen Kratzer ab - selbst die vor bestialischem Mord nicht zurückschreckenden Rocker lassen von einem solchen Statussymbol wohlweislich die dreckigen Fingerchen.
"Los Violadores" spielt etwa in derselben Liga wie "Die Todesgöttin des Liebescamps" und "Die Brut des Bösen", den beiden Anders-Klassikern dieser Zeit, nur traut er sich einiges mehr zu als diese und macht auch vor visuellen Grenzübertretungen wie Gekrösebeschau und Kastration nicht halt. Ganz prachtvolles Rotzekino, das man einfach mal gesehen haben muss, um's zu glauben!

6/10

Europloitation Rocker Trash Rache Erwin C. Dietrich Paul Grau Barcelona Sleaze Splatter


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DECEIVER (Jonas Pate, Josh Pate/USA 1997)


"20,000 bucks on Monday - or I'll take your little girls out for lunch..."

Deceiver (Scharfe Täuschung) ~ USA 1997
Directed By: Jonas Pate/Josh Pate


Der so reiche wie hochintelligente Südstaaten-Spross James Wayland (Tim Roth) ist Hauptverdächtiger in einer Ermittlung bezüglich des bestialischen Mordes an einer Prostituierten (Renée Zellweger). Die Detectives Braxton (Chris Penn) und Kennesaw (Michael Rooker), Spezialisten für Lügendetektor-Tests, sollen einen ebensolchen mit Wayland durchführen - und kommen zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Nicht nur, dass Wayland Epileptiker und Alkoholiker von jeweils ganz besonderer Form ist, er findet auch noch spielend heraus, dass Braxton und Kennesaw selbst einigen Dreck am Stecken haben und setzt sein Wissen aufs Herausforderndste gegen sie ein.

Gute Unterhaltung für solche, die gern mehr vom Schlage eines "Se7en" oder "The Usual Suspects" sehen möchten. Für die ansonsten eher in TV- Angelegenheiten reisenden Pate-Zwillinge war dies jedenfalls die erste und bislang einzige geimsame Kinoregie. Besonders die Script-Einflüsse aus den genannten Beispielen sind dabei akut; es geht dem Film primär darum, seine Geschichte dergestalt weiterzutreiben, dass das Publikum permanent hinters Licht geführt und ihm jeweils nur kleine Häppchen geliefert werden, die bis kurz vor Schluss nie ein konkretes oder gar konziliantes Gesamtbild ergeben. Erst dann wird der große Plan offenbar, erst dann der Drahtzieher und das strategische Genie zur Gänze preisgegeben. Hätte Kevin Spacey die Hauptrolle übernommen, es wäre sozusagen lächerlichst geworden. Doch auch die "Deceiver"-Besetzung ist für diese Art Kino in den Neunzigern von höchster Cremigkeit; Ellen Burstyn, Rosanna Arquette und ein wie üblich famoser Michael Parks geben sich die Ehre und komplettieren einen Film, der umso großartiger wäre, wüsste man nicht ganz genau um seine Durchsichtigkeit und darum, dass er letzten Endes bloß diesen Epigonenstatus innehat...

7/10

Absinth Madness Josh Pate Alkohol Luegendetektor Jonas Pate Suedstaaten


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THE LIGHT AT THE EDGE OF THE WORLD (Kevin Billington/USA, E, LI, CH 1971)


"Truly ladylike!"

The Light At The Edge Of The World (Das Licht am Ende der Welt) ~ USA/E/LI/CH 1971
Directed By: Kevin Billington

Im späten 19. Jahrhundert kommt der Aussteiger Will Denton (Kirk Douglas) auf eine kleine Felseninsel vor Kap Hoorn, um den ansässigen Leuchtturmwärter Moriz (Fernando Rey) zu unterstützen. Schon nach wenigen Tagen landet dort auch eine Bande Küstenpiraten unter der Führung des grausamen Captain Kongre (Yul Brynner). Kongre tötet Moriz und seinen jungen Gehilfen Felipe (Massimo Ranieri); Denton kann entkommen und sich in einer kleinen Höhle versteckt halten. Von dort aus beobachtet er die skrupellosen Machenschaften der Freibeuter, die ein englisches Passagierschiff auf die Klippen locken und plündern. Zwischen Denton und Kongre entbrennt ein unerbittliches Guerilla-Duell.

Eine sehr gewinnend inszenierte Verne-Adaption, die neben den ausgesucht schönen Bildern von Billingtons dp Henri Decaë in erster Linie vom tollen Spiel ihrer Antagonisten Douglas und Brynner lebt. Besonders Brynner habe ich noch nie so diebisch diabolisch erlebt, wie als abgrundtief böser Piratenkapitän. Dieser Meinung ist auch Kirk Douglas, der ihm im Zuge des Showdown ein herzliches "Dich hätte man gleich nach der Geburt ersäufen sollen!" entgegenrotzt.
Der alles andere als zimperliche "The Light At The Edge Of The World" antizipiert gleichfalls bis ins Detail die heute so breitgetretene "Die Hard"-Dramaturgie: Ein einsamer Held hat auf entlegenem, hermetischem Areal gegen eine Gruppe Bösewichte nebst ihren üblen Machenschaften zu bestehen und gleicht dabei seine Methoden immer mehr denen seiner Widersacher an. Das unbarmherzig geführte Duell zwischen Denton und Kongre ist also auch ein psychologisches und zugleich eines der Maskulinität - ein Mann ist nur ein Mann, wenn er am Ende aufrecht steht.

7/10

Ozean Kap Hoorn Leuchtturm Insel Jules Verne Kevin Billington period piece





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Funxton

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