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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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eXistenZ (David Cronenberg/CAN, UK 1999)


"I actually think there's an element of psychosis involved here."

eXistenZ ~ CAN/UK 1999
Directed By: David Cronenberg


In naher Zukunft hat sich die Videospieltechnologie quantensprunghaft weiterentwickelt: Die Spieler können nunmehr mithilfe des eigenen Nervensystems in täuschend echte virtuelle Realitäten eintauchen und dort je nach Spielgestaltung bizarre Abenteuer erleben. Königin der Programmierer ist die kultisch verehrte Allegra Geller (Jennifer Jason Leigh), doch hat sie auch Feinde, nämlich die "Freunde der Realität", die die neue Spieldimension verteufeln und Allegra aus dem Weg räumen wollen. Zusammen mit ihrem Bodyguard Ted Pikul (Jude Law) setzt sich Allegra aufs Land ab und spielt ihr neues Spiel "eXistenZ". Für Ted und auch für Allegra wird es in dessen Verlauf zunehmend schwer, die Realitätsschichten noch auseinanderzuhalten.

Bei "eXistenZ" hatte - und habe ich noch - das erste und bis dato zum Glück einzige Mal den Verdacht, dass Cronenberg sich auf seiner selbstkreierten Ästhetik ausruht und sein gesamtes Motiv-Sammelsurium zur Masche verkommen lässt. Im Prinzip ist "eXistenZ" nämlich nichts anderes als ein zeitversetztes, wenig verhülltes Eigenremake von "Videodrome" - ein neues Medium ergreift Besitz von einem seiner Konsumenten, der daraufhin der Doppelbödigkeit der Scheinrealität auf den Leim geht und zum Attentäter wird, derweil sich gegnerische Pro- und Contra-Kräfte gegenseitig bekriegen. Wie in "Videodrome" bekommt die Technik durch ihre buchstäbliche Organisierung einen symbolhaften Charakter: Die 'Gamepods' und 'Bioports' werden zu Extremitätenverlängerungen und speisen sich direkt aus der Wirbelsäule ihrer Benutzer, eine Handfeuerwaffe besteht aus Tierinnereien und schießt mit menschlichen Zähnen. Der für Publikumsverwirrung zuständige, dramaturgische "Kniff" mit den sich gegenseitig über- und unterlagernden Realitäten ist derweil ein ziemlich alter Hut. Hier liefert Mr. Cronenberg einmal keine Avantgarde, sondern hinkt ausnahmsweise (wohltuend berechenbar) hinterher - hinterm Genrekino, hinter der Kunst, und, ja, sogar hinter sich selbst.

6/10

Videospiel Virtual Reality David Cronenberg Zukunft


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M (Fritz Lang/D 1931)


"Muss! Will nicht! MUSS! WILL NICHT!"

M ~ D 1931
Directed By: Fritz Lang


In Berlin geht ein pathologischer Kindermörder um, der nach außen hin unscheinbare Hans Beckert (Peter Lorre). Dieser versetzt nicht nur die Bevölkerung und die Polizei, allen voran Kriminalinspector Lohmann (Otto Wernicke), in Aufruhr, sondern auch das unter permanenten Großrazzien leidende, organisierte Verbrechen. Schließlich kommen die Unterweltler auf die zündende Idee, den noch anonymen Mörder mithilfe der städtischen Bettler zu finden, dingfest zu machen und ihn vor ihr hauseigenes Femegericht zu stellen.

Langs Meisterwerk in der restaurierten Fassung zu sehen, befreit vom Schmutz und Staub der Jahrzehnte und mattglänzend wie nie, ist, man kann es sich denken, ein wahrer Hochgenuss. Auch wenn "M" für mich kulturhistorisch betrachtet primär ein mit Döblins "Berlin Alexanderplatz" ranggleiches Porträt über die Hauptstadt der entstehenden und langsam kippenden Weimarer Republik (beides liest sich ganz gut als symbolbehaftete Fallstudie) darstellt - das eigentliche große Thema, das Lang zeit seiner Karriere bewegte - der gesellschaftlich Ausgestoßene im Angesichte der Lynchjustiz - wird hier bereits bis zur Vollendung ausgespielt, da es sich noch bewusst untendenziös gibt und die volle Entscheidungsgewalt seinem Publikum überlässt: Wie kann man einem Mann wie Hans Beckert in adäquater Weise begegnen? Die reale Antwort auf ebendiese Frage ergab sich wenige Wochen nach der Filmpremiere, als Peter Kürten, der "Vampir von Düsseldorf", zu dessen Fall "M" einige bewusste Analogien aufzeigte, seinem Scharfrichter begegnete und enthauptet wurde. Hier stand die soziale Bestialität der psychopathologischen für einen luftleeren Moment in nichts nach und Langs Film mit seinem bis heute unerreichten, ungeheuer intensiv aufspielenden Peter Lorre bekam seine vollendete historische Daseinsberechtigung. Was bleibt, ist Perfektion: gestern, heute, immerdar.

10/10

Serienmord Weimarer Republik Berlin Fritz Lang Unterwelt


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MOTHER'S DAY (Darren Lynn Bousman/USA 2010)


"I hate disco!"

Mother's Day ~ USA 2010
Directed By: Darren Lynn Bousman


Drei Einbrecher (Patrick John Flueger, Warren Kole), einer davon (Matt O'Leary) schwer verletzt, wollen sich nach einem missglückten Bankraub in ihrem alten Haus verschanzen, wissen jedoch nicht, dass es bereits vor einigen Jahren verkauft wurde. Nunmehr wohnt dort das Yuppie-Ehepaar Beth (Jaime King) und Daniel Sohapi (Frank Grillo), welches gerade einige Gäste zu einer Party im Hause hat. In punkto Demütigung, Folter und Drangsale also massig zu tun für die Gangster, besonders, als deren geistesgestörte Mutter (Rebecca De Mornay) dort eintrifft...

Der Titel ist derselbe, zwei der Hauptfiguren heißen Ike und Addley. Und sie haben eine Mutter mit seltsamen Vorstellungen häuslicher Regelpflege. Jede weitere Ähnlichkeit mit Charles Kaufmans satirischem Splatter-Klassiker ist rein zufällig und vermutlich noch nichtmal gewollt. Der 10er-"Mother's Day" bietet nurmehr völlig abgeschmacktes, kalkuliertes und konventionelles Terrorkino für einen oberflächlichen Filmabend zwischen Popcorn und Handy. Liest sich reaktionär? Ist aber verdammt wahr, denn Bousman und sein noch recht unbeschlagener Autor Scott Milam interessieren sich weder dafür, dem renommierten Original jedwede Ehre zu erweisen, noch legen sie Wert auf das Mindeste eines jeden Spannungsfilms: Glaubwürdigkeit. Nahezu jede im Film auftretende Person verhält sich dermaßen dämlich und irrational, dass ihr zumeist kurzfristig folgender Filmtod zur Erlösung geriert. Ohnehin ist einem, ein kapitaler Missgriff für ein sich diesem Horror-Subgenre zurechnendes Werk, recht schnell egal, was mit den Geiseln geschieht, da jeder einzelne von ihnen ein Arschloch ist, das ich sofort und ohne zu zögern von meiner persönlichen Freundesliste streichen würde angesichts einer ähnlichen Situation. Mann, mit welch personellem Gesocks man sich so herumschlagen muss im neumodischen Kino. Glaube ferner kaum, dass man hier eine schwarze Ethik-Studie im Sinn hatte, wobei, wenn Bousman seine "Saw"-ähnlichen Entscheidungs- und Kausalitätssituationen auffährt (und davon hat's gleich mehrere), kann man sich dessen auch nicht mehr sicher sein. Vor rund zwanzig Jahren gab's mal einen mediokren Krimi von Curtis Hanson, der hieß "The Hand That Rocks The Cradle" und hatte die De Mornay in einer ganz ähnlichen Rolle, was mich clevererweise dazu veranlasst, "Mother's Day" eher als ein inoffizielles Sequel von selbigem denn als Remake zu betrachten.
Dann ebbt der Ärger über das Gebotene auch gleich wieder etwas ab, und man kann ganz entspannt dem phänotypischen Sadismus des Horror-Aficionados stattgeben, den es ja doch immer wieder freut, wenn das Fleischermesser sein entseeltes Futter bekommt. Mjam.

4/10

Familie Remake Terrorfilm Darren Lynn Bousman Kidnapping Home Invasion


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ODDS AGAINST TOMORROW (Robert Wise/USA 1959)


"Well, to me you ain't just another white spot on the streets."

Odds Against Tomorrow (Wenig Chancen für morgen) ~ USA 1959
Directed By: Robert Wise


Um sich zu sanieren, will der betagte Ex-Cop Burke (Ed Begley) eine Bank in Merton, Upstate New York überfallen. Dazu braucht er noch zwei Männer, die er in den Gaunern Earl Slater (Robert Ryan) und Johnny Ingram (Harry Belafonte) gefunden zu haben glaubt. Burke bedenkt jedoch nicht, dass Slater und Ingram, einmal zusammengeführt, schlimmer als Hund und Katz sein müssen. Slater, ein ausgebrannter, misanthropischer und zur Gewalttätigkeit neigender Weltkriegsveteran legt starke rassistische Tendenzen an den Tag, während der farbige Ingram eine Familie zu versorgen und einiges an Schulden bei dem Kredithai Bacco (Will Kuluva) einzulösen hat - nicht eben die treffsicherste Konstellation für einen gelungenen Bruch...

Meisterliches von Wise, mit Blick auf seine Filmographie schätzungsweise einer seiner besten Filme. In tristgrauen, zutiefst im Realismus verankerten Einstellungen tischt Wise seine hoffnungslose Einbrechergeschichte auf, die, das weiß man bereits im Vorfeld, weniger von der eleganten Ausführung eines Coups handelt als vielmehr davon, drei desillusionierte Versager zum letzten Mal in ihrem Leben verlieren zu sehen. Bereits die gefeierte "Waiting"-Sequenz - Burke, Slater und Ingram halten sich, ihren Gedanken nachhängend und mit großem örtlicher Distanz zueinander, an einem Flussufer auf, um die Zeit bis zum Überfall zu überbrücken - ist von einer formalen Brillanz, die noch heute jeden angehenden Filmemacher in Ehrfurcht erblassen lassen und nachhaltig erschüttern sollte. Spätestens angesichts dieser flüchtigen Augenblicke wird auch klar, dass "Odds Against Tomorrow" eine brutale Studie des Scheiterns ist. Dabei wird der so groß angekündigte Rassismus-Aspekt glücklicherweise eher zur beiläufigen Facette - anders als die vielen thematisch ähnlich gelagerten Filme jener Zeit wirkt "Odds" nicht, als wolle er irgendwen oder irgendwas mit Gewalt etablieren. Seine bittere Konsequenz ist lediglich die, dass die Hautfarbe spätestens im Tode sowieso ohne jedwede Bedeutung ist.

10/10

Rassismus Heist Robert Wise New York Abraham Polonsky


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CARLOS (Olivier Assayas/F, D 2010)


"This isn't my kind of terrorirism."

Carlos (Carlos - Der Schakal) ~ F/D 2010
Directed By: Olivier Assayas


Der Werdegang des unter dem Namen "Carlos" zu hohem internationalen Popularitätsgrad gelangten, venezolanischen Terroristen Ilich Ramírez Sánchez (Édgar Ramírez) ab 1972. Nachdem Carlos sich der palästinensischen Extremistenorganisation PFLP anschließt, tritt er mit dem Kidnapping einiger Minister von der Wiener OPEC-Konferenz im Jahre 1975 endgültig in das Licht der Öffentlichkeit. Wenngleich die Aktion im Sinne des Organisators bei Weitem nicht vollends zufriedenstellend verläuft, bleibt Carlos noch viele Jahre im Terrorgeschäft. Nach der Gründung seiner eigenen Gruppe, der OAAS, schlägt Carlos, gedeckelt von den Sowjets, sein Hauptquartier in Budapest auf und führt von hier aus mehr oder minder erfolgreich Aufträge durch, die von Waffenübergaben an die ETA über Anschlägen für die Araber bis hin zu verdeckten KGB-Aktionen reichen. 1994 wird er schließlich im Sudan festgenommen und der französischen Justiz überstellt.

Nicht allein Carlos' unter zumeist großer Medienaufmerksamkeit ausgeführte Terroraktionen dürften Assayas veranlasst haben, diesen fünfeinhalbstündigen Mammutfilm über ihn zu dirigieren; auch Carlos' Nebenstatus als eine Art Sub-Popstar, Hedonist und Womanizer wird seinen Beitrag dazu geleistet haben. Entsprechende Aufmerksamkeit widmet Assayas den "fiktionalisierten" Episoden aus Carlos' Privatleben: Seine zahllosen Affären mit schönen Frauen, die sich mal mehr, mal weniger als Sympathisanten der antiimperialistischen Sache verstehen, dabei eine mit seinen Grundsätzen unvereinbare Misogynie und seine heillos übersteigerte Egomanie. "Carlos" bildet somit auch eine willkommene Demystifizierung des linken Terrors der siebziger und frühen achtziger Jahre, indem er ihn als öffentlichkeitswirksame Plattform für bisweilen naive Selbstdarsteller entlarvt. Dabei formuliert Assayas vor einer nebenbei brillanten Songauswahl (u.a. New Order, Wire, The Feelies und The Lightning Seeds) sogar die zwischen brodelnd und gewagt oszillierende These, das Männer wie Carlos diesen Lebensstil aus rein egozentrischen Gründen wählen - International gesuchter Terrorist zu sein, bedeutete damals, als das entsprechende Bild sich nicht auf irgendwelche bärtigen, spinnerten Mullahs beschränkte, vor allem eines: Popularität. Carlos genießt die ihm zuteil werdende Heldenverehrung aus entsprechenden Kreisen. Junge Genossinnen werfen sich ihm an den Hals, er kann mit Waffen spielen, kubanische Zigarren rauchen, guten Scotch trinken und später, als die Ideale langsam schwammig zu werden beginnen, mit luxuriösen Autos fahren. Nicht das schlechteste Leben, obschon die weststaatlichen Konsequenzen dafür von einiger Dauer sind.

9/10

TV-Serie Olivier Assayas Historie period piece Biopic Terrorismus Naher Osten Paris


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CLEOPATRA JONES (Jack Starrett/USA 1973)


"Right on, Cleo!"

Cleopatra Jones (Ein Fall für Cleopatra Jones) ~ USA 1973
Directed By: Jack Starrett


Wenn der exaltierten Spezialagentin Cleopatra Jones (Tamara Dobson) eines ein Dorn im Auge ist, dann ist es Heroin in der schwarzen Nachbarschaft. Um L.A.s hauptamtlicher Pusherin Mommy (Shelley Winters) das Geschäft zu versauen, reist Cleo, wie sie von ihren Freunden genannt wird, sogar bis in die Türkei und lässt ein gewaltiges Mohnfeld bombardieren. Für Mommy reine Provokation und Anlass genug, einige bestechliche Cops auf ein Entzugscenter in Watts, das von Cleos Stecher Reuben (Bernie Casey) geleitet wird, zu hetzen. Doch Cleo lässt sich nichts gefallen und macht Mommy mit ihrer flotten Corvette, einer MP, und zwei befreundeten Karatekämpfern (Albert Popwell, Caro Kenyatta) die Hölle heiß.

Herrlich greller Blaxploiter mit allen Zutaten des Genres, der nicht nur dem black, sondern auch dem feminine consciousness in die Handtasche spielt. Selbstredend rein oberflächlich, denn die Zeichnung des teilnehmenden Personals könnte viel klischierter nicht sein. Auf der einen Seite die hochgewachsene Super-Heroine, auf die fraglos jeder nicht gerade an Präpubertät oder Altersschwäche leidende bro in da hood komplett abfährt nebst ihrem omnipotenten Lover, der auc nur deshalb ihr Lover ist, weil er cool ist like steel und das gockelhafte Gehabe der meisten schwarzen Jungs längst abgelegt hat. Auf der anderen Seite ein grotesk überzeichneter, lesbischer Pusher-Albtraum (Shelley Winters mit roter Perücke und in einer Paraderolle) mitsamt farbigem Vizekönig (Antono Fargas, auch in Paraderolle) korrupte, weiße (fo' sho' rassistische) Cops. So simpel gestrickt wie zeitentlarvend. Und natürlich saukomisch.

6/10

Heroin Drogen car chase Los Angeles Blaxploitation Jack Starrett Martial Arts


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THE RAVEN (Lew Landers/USA 1935)


"Yes! I like to torture!"

The Raven (Der Rabe) ~ USA 1935
Directed By: Lew Landers


Als der geniale Chirurg und Poe-Fanatiker Dr. Vollin (Bela Lugosi) der jungen Balletttänzerin Jean (Irene Ware) das Leben rettet, verliebt er sich unsterblich in sie. Richter Thatcher, Irenes Vater (Samuel S. Hinds), passt dies überhaupt nicht und er beschwört Vollin, sie in Ruhe zu lassen. Der Zurückgestoßene reagiert in höchstem Maße erbost und denkt sich einen umfassenden Racheplan aus. Was nämlich niemand weiß: Vollin ist schon seit längerem völlig wahnsinnig und hat in seinem Keller eine umfangreiche Foltermaschinerie nach Poes Werken konstruiert. Um seine perfiden Pläne umsetzen zu können, bedient er sich der unfreiwillig helfenden Hand des Gangsters Bateman (Boris Karloff), dessen Gesicht er entstellt und nur wieder richten will, wenn Bateman ihm "assistiert".

Mit "The Raven", der den Regisseur Lew Landers noch unter seinem Geburtsnamen Louis Friedlander in seinen credits führt, suchte die Universal, an den Erfolg des vorjährigen Meisterstücks "The Black Cat" von Edgar G. Ulmer anzuknüpfen. Wiederum diente ein Poe-Titel (diesmal das berühmte Gedicht "Der Rabe", eine Ode an eine verflossene Liebe mit Namen Lenore) als Inspiration für eine eigens ersonnene Story, in der es vorrangig um eine Bestie in Menschengestalt geht, um Sadismus und Folter und in der erneut Lugosi und Karloff als Antagonisten auftraten; diesmal allerdings in jeweils diametraler Position. Die größte Schau in "The Raven" neben dem architektonisch umfunktionierten Haus Vollins, in dem auf Hebeldruck Stahltüren erscheinen und sogar ganze Räume verschoben werden können, ist natürlich Lugosi, der jede seiner Szenen als Projektionsflächen für sein bekanntlich auch im wirklichen Leben übersteigertes Ego nutzt. Mit größter Verve lässt er seine irrsinnigen Augen aufblitzen, lacht das gellende Lachen des Wahns und wird am Ende natürlich zum Opfer einer seiner eigenen Folterfallen. Kurz gesagt kann "The Raven" es bei aller Güte nicht ganz mit "The Black Cat" aufnehmen, dazu fehlt es ihm an der kompromisslosen Ernsthaftigkeit des Vorbilds und an dessen aufreizender Lust zum Surrealen und Versponnenen. Dennoch ein beachtlicher kleiner Film mit vielen spaßigen Details.

7/10

Lew Landers Edgar Allan Poe Madness mad scientist


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THE INVISIBLE MAN (James Whale/USA 1932)


"The drugs I took seemed to light up my brain. Suddenly I realized the power I held, the power to rule, to make the world grovel at my feet!"

The Invisible Man (Der Unsichtbare) ~ USA 1932
Directed By: James Whale


Der Wissenschaftler Griffin (Claude Rains) verschafft sich durch eine Droge physische Unsichtbarkeit, allerdings mit zwei gravierenden Problemen im Schlepptau: Griffin kann sich nicht mehr zurückverwandeln und, noch schlimmer, wird durch die Zuführung der Droge größenwahnsinnig. Fortan terrorisiert er seine Umwelt, bis der einsetzende Schneefall ihn durch seine Fußspuren verrät.

Erstklassige Arbeit von James Whale nach H.G. Wells' berühmtem Roman, die, obgleich sie in größerem Maße dem Genre der Science Fiction zugezählt werden muss, mindestens dasselbe Horrorpotenzial hat wie die im Umfeld entstandenen Gruselfilme der Universal. Ein dem Wahnsinn verfallenes, unsichtbares Individuum, durch nichts und niemanden zu fassen und bei gleichzeitig hohem Intellekt jeder noch so sorgsam durchdachten Falle entgehend - das bedeutet nichts Minderes als einen veritablen Albtraum für jedermann. Der Gedanke, die Furcht, dass ebenjener Mensch die ganze Zeit neben einem stehen könnte, ohne sich bemerkbar zu machen; die Angst vor einem permanenten Lauschangriff, ist ja ohnehin das tragende Element dieses Zweiges des Phantastischen. Whale setzt ihn mit seinem stets spürbaren, latenten Sinn für bizarren Humor so konsequent um, dass "The Invisible Man" auch knapp achtzig Jahre später als Thriller allererster Güte bezeichnet werden muss, in dem es zwischendurch jeweils nur Sekunden zum Durchatmen gibt und der seine wohldurchdachte Spannungsschraube konsequent bis zum Finale anzieht und beibehält.

10/10

Mad Scientist Unsichtbarkeit Universal-Monster James Whale Madness H.G. Wells


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THUNDER ROAD (Arthur Ripley/USA 1958)


"You finally made the big mistake tonight."

Thunder Road (Kilometerstein 375) ~ USA 1958
Directed By: Arthur Ripley


Nachdem Lucas Doolin (Robert Mitchum) aus dem Koreakrieg heimgekehrt ist, steigt er in das "Moonshining"-Geschäft seiner Familie ein. Sein Vater (Trevor Bardette) pflegt im Hinterwald von Kentucky eine illegale Whiskey-Destille, derweil Doolin den Stoff zu liefern hat. Dazu benutzt er getunte Autos, die auch schonmal über Spezialgadgets verfügen und liefert er sich mit diversen ungehaltenen Schatzbeamten. Jene gehen zuweilen tödlich aus. Als der Gangsterboss Kogan (Jacques Aubuchon) sich mit Doolin anlegt, bleibt der harte Schmuggler ungerührt. Erst als die von Kogan ausgehende Gefahr auch seinen kleinen Bruder (Jim Mitchum) erreicht, fährt Doolin aus der Haut.

Als kleine Liebeserklärung an die Bootlegger-Parakultur in den Appalachen und das moralische "Grundrecht" eines jeden Amerikaners, sich seinen Schnaps selbst brennen und ihn steuerfrei verscherbeln zu dürfen, genießt "Thunder Road" in den USA den Segen einer ungemein großen Anhängerschaft. Und es sieht dann auch ganz anders als die vielen anderen films noirs der Jahre zuvor, dieses Herzensprojekt von Robert Mitchum, wenngleich es sich zumindest formal durchaus noch als später Nachzügler in deren Tradition stellt. "Thunder Road" probiert, erste Action-Standards zu setzen; es gibt einige Verfolgungsjagden, die zwar noch recht possierlich und altbacken inszeniert sind, aber immerhin. Viel interessanter ist sowieso die Antihelden-Verklärung des Films: Mitchum ist der perfekte amerikanische Rebell. Frustrierter Kriegsveteran, eigenbrötlerisch, dickköpfig. Von zwei schönen Frauen (Keely Smith, Sandra Knight) verehrt und vor allem die coolste Sau on earth. Als sich bei einer seiner unfreiwilligen Rennfahrten einer von Kogans Spürhunden gleich neben ihn setzt, schnippt Doolin ihm durch die geöffneten Fenster ungerührt seine Kippe ins Gesicht. Damit ist der Rivale in jeder Weise aus dem Rennen. Speziell diese latente, bösartige, man möchte fast sagen: 'mitchumeske' Lakonie ist es, die "Thunder Road" zu etwas Besonderem macht.

8/10

Alkohol car chase Kentucky Bootlegging Appalachen Arthur Ripley Familie film noir


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THE CORRUPTOR (James Foley/USA 1999)


"You don't change Chinatown, it changes you."

The Corruptor ~ USA 1999
Directed By: James Foley


Der für das NYPD tätige Nick Chen (Chow Yun-Fat) bekommt mit dem jüngeren Danny Wallace (Mark Wahlberg) einen zunächst grün anmutenden Kollegen zugeteilt, der sich jedoch in der chinesischen Kultur recht gut auskennt und so bald auch in Chens Einsatzgebiet Chinatown einen Fuß hereinbekommt. Wie Chen erweist sich bald auch Wallace als recht offen für die großzügigen Angebote des Glücksspiel- und Prostitutionsmoguls Henry Lee (Ric Young), der soeben dabei ist, der wichtigste Boss des Viertels zu werden. Somit stehen beide Cops zwischen ihrer Pflichterfüllung und den Annehmlichkeiten der Korruption. Allerdings weiß Wallace mehr über Chen als umgekehrt...

Ein wenig geschwätzig hier und etwas großkotzig dort kommt Foleys immerhin rasant inszenierter Actionfilm daher. Zudem stützt er sich auf sehenswertere Vorbilder: "New Jack City", "Year Of The Dragon" und natürlich die Polizeifilme von Sidney Lumet grinsen aus allen vier Bildecken aufs Publikum hinab. Zweifellos war der Produktion ferner sehr daran gelegen, neben dem Hongkong-Kino der vorhergehenden Jahre nicht allzu alt auszusehen und so lässt sie seine Hauptikone Chow Yun-Fat, dessen obercooles Gehabe in einem amerikanischen Film nicht immer ganz passend wirkt, analog neben einem zumeist hilflos dreinblickenden Mark Wahlberg durchs Bild hampeln. Die Chemie zwischen den beiden Akteuren soll immerhin den Film tragen, man muss sich aber schon eine Menge davon selbst suggerieren, um die ganze Kiste überhaupt ein bisschen glaubhaft erscheinen zu lassen. Das Brauchbarste an "The Corruptor" sind seine farbintensiven, leuchtenden und überschärften Bilder, die Innenasichten Manhattans und die tiefen Einblicke in neonlichtgeschwängerte Straßenschluchten. Diese formalen Vorzüglichkeiten kann das Script leider nicht gänzlich stützen.

6/10

Korruption Freundschaft Triaden New York James Foley





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Funxton

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