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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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RED (Robert Schwentke/USA 2010)


"This used to be a Gentleman's game."

Red ~ USA 2010
Directed By: Robert Schwentke


Weil er Unrühmliches über die Vergangenheit des Vize-Präsidenten Stanton (Julian McMahon) weiß, soll der im Ruhestand befindliche CIA-Killer Frank Moses (Bruce Willis) von seiner Ex-Organisation eliminiert werden - womit sich sein persönlicher Status in "red" (retired extremely dangerous) ändert. Dabei ist er gerade dabei, sich in eine Sozialbeamte (Mary-Louise Parker) zu verlieben, die durch die Bekanntschaft zu Moses selbst in Lebensgefahr gerät. Glücklicherweise stehen dem immer noch brettharten Profi bei seinem nun folgenden Kampf gegen den Geheimdienst einige alte Freunde und Feinde (John Malkovich, Morgan Freeman, Helen Mirren, Brian Cox) zur Seite.

"Red" hat mich eigentlich nur deshalb interessiert, weil es sich um eine lose Comic-Adaption handelt. Warren Ellis, der Autor der Vorlage, zählt zu den hellsten Köpfen seiner Branche; somit ist zumindest "auf dem Papier" alles im grünen Bereich. Der Film macht Ellis' Miniserie keine Schande, weicht jedoch, schon aufgrund seiner inhaltlichen Ausdehnung, in einigen Punkten von selbiger ab. Die Schwentkes Film zugrunde liegende Konzeption ist der von Stallones B-Hero-Reanimation "The Expendables" in manchen Punkten nicht unähnlich; hier wie dort kommen einige berühmte Köpfe der Branche, die schon länger vom Schirm der Öffentlichkeit verschwunden schienen, wieder aufs Tapet. In "Red" freut man sich etwa über kurze Auftritte von James Remar, Richard Dreyfuss und ganz besonders Ernest Borgnine, zum Dreh immerhin satte 93 Jahre alt. Abgesehen von diesen kleineren, rein personell gewichteten in-jokes ist "Red" jedoch ein weithin überraschungsarmer Film für die Masse, mit demselben Geschwätz über den unantastbaren Profikiller-Superheld-Hybriden, wie man es schon seit Jahren zu hören bekommt; sauber gemacht, ironisch konnotiert, kurzweilig genossen - viel hängen bleibt aber ganz bestimmt nicht. Okay für 'nen losen Samstagnachmittag halt.

6/10

Verschwoerung Comic Robert Schwentke Profikiller CIA DC Comics


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SHOCK CORRIDOR (Samuel Fuller/USA 1963)


"I am impotent... and I like it!"

Shock Corridor ~ USA 1963
Directed By: Samuel Fuller


Um vor Ort den Mord an einem Psychiatrie-Patienten aufzuklären und für die entsprechende Story den Pulitzer-Preis einzuheimsen, inszeniert der Investigationsjournalist Johnny Barrett (Peter Breck) seinen eigenen psychischen Verfall: er hege sexuelle Gedanken gekoppelt mit unkontrollierbarer Aggression gegenüber seiner "Schwester" Cathy (Constance Towers), die in Wahrheit seine Lebensgefährtin ist. Als Johnny dann in die Nervenheilanstalt eingewiesen wird, schafft er es schließlich, den Mörder mitsamt Motiv ausfindig zu machen, wird jedoch parallel dazu zu einem tatsächlichen psychischen Wrack.

Karriegeilheit um den Preis des Wahnsinns: Wer mit der Psychotherapie spielt, so "Shock Corridor", kann leicht zu ihrem Opfer werden. Was Fuller hierin präsentiert, der Abstieg in die Welt der schweren, unheilbaren Psychosen und seelischen Leiden, mitsamt einer mörderisch-suggestiven Visualisierung derselben, das ist nichts weniger als meisterlich. "Shock Corridor" beinhaltet zahlreiche unvergesslich-beunruhigende Einstellungen; einen - sich freilich nur in Barretts Kopf ereignende - Platzregen auf dem Gang der Psychiatrie, eine furchtbare Elektroschock-Therapie, Barretts Befragungen der drei Zeugen, jene allesamt Opfer der Gesellschaft und ihrer Barbareien. Stuart (James Best) ist ein schwer traumatisierter Kriegsveteran und zwischenzeitlicher Überläufer, Trent (Hari Rhodes) war einst der erste farbige Schüler an einer gemischtrassigen Schule im Süden und hat über die permanenten Anfeindungen hinaus den Verstand verloren, Boden (Gene Evans) hat bei der Entwicklung von Atom- und Wasserstoffbomben mitgeholfen und seine universelle Schuld nicht verkraftet. Und dann sind da noch die übrigen Patienten; der übergewichtige, sich selbst für einen Opernsänger haltende Pagliacci (Larry Tucker) etwa. Dieses Panoptikum schwer gestörter Individuen, dem sich Barrett am Ende, als er angesichts seiner Erlebnisse zunächst in eine schwere Zwangsneurose und dann in die Katatonie verfällt, chancenlos integriert, lässt sich in umschreibender Weise kaum umreißen. Man sollte selbst einen Blick darauf werfen und danach schweigend in sich gehen. Aber bitte ohne katatonisch zu werden, wobei diese Gefahr wohl nicht von der Hand zu weisen ist...

10/10

Samuel Fuller Psychiatrie Independent Journalismus Madness


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HOUSE OF BAMBOO (Samuel Fuller/USA 1955)


"I'm right, as always."

House Of Bamboo (Tokio-Story) ~ USA 1955
Directed By: Samuel Fuller


Der Militäragent Eddie Kenner (Robert Stack) kommt undercover nach Tokio, um den Umständen des Todes eines Kollegen, der anscheinend in schlechte Gesellschaft geraten war, nachzuspüren. Tatsächlich wird Kenner, der sich als 'Eddie Spanier' vorstellt, bald fündig: Der Amerikaner Sandy Dawson (Robert Ryan) hat eine kleine Verbrecherclique gegründet, mit der er in schöner Regelmäßigkeit Raubüberfälle in der Umgebung verübt. Kenner erschleicht sich Dawsons Vertrauen, gerät jedoch in höchste Gefahr, als er schließlich auffliegt.

"House Of Bamboo" war dann wieder ein exzellentes Beispiel für Sam Fullers unnachahmliches Talent, amerikanische aliens vor veränderter Kulturkulisse agieren zu lassen - nur eben ohne sich auf die klaustrophobischen Raumgrenzen eines U-Boots zu beschränken. Sandy Dawson und sein kleiner, exklusiver Kriminellenclub setzen sich in Japan fest wie die Made im Speck. Die devoten Verhaltensweisen der Landsleute nutzen die arroganten Gaijins schamlos aus, beschäftigen überhöfliches Personal und nehmen sich allenthalben und im raschen Wechsel einheimische Frauen als "Kimonas". Dabei ist Dawson auch ein eiskalter Killer: Wer bei seinen Überfall-Aktionen zufällig verletzt wird, gehört sogleich erschossen, damit er bei der Polizei nicht plaudern kann. In einer ebenso starken wie ruppigen Szene bricht Dawson wortlos bei seinem ehemals besten Freund Griff (Cameron Mitchell) ein, den er, während er in der Badewanne sitzt, eines fälschlichen Verdachts wegen mit regloser Miene abknallt. Die rohe Brutalität dieser Sequenz, die es einem Erschießungsopfer sogar ausnahmsweise gestattet, herzhaft zu schreien, erweist sich selbst nach 56 Jahren noch als höchst eindrucksvoll. On location gefilmt, erneut in Scope und etwas blasseren Farben als "Hell And High Water", passend zum japanischen Herbst, ist dies nicht nur ein maßgeblicher Thriller, sondern auch ein ganz vorzüglicher Fuller.

9/10

undercover Samuel Fuller Japan Tokio


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PICKUP ON SOUTH STREET (Samuel Fuller/USA 1953)


"I'm just a guy keeping my hands in my own pockets."

Pickup On South Street (Polizei greift ein) ~ USA 1953
Directed By: Samuel Fuller


Der erst kürzlich aus dem Knast entlassene Taschendieb Skip McCoy (Richard Widmark) beklaut in der U-Bahn die unwissend als Botin für kommunistische Agenten tätige Candy (Jean Peters), die in ihrer Börse einen Mikrofilm mit einer brisanten Atomwaffen-Formel mit sich trägt. Candy ihrerseits wird von FBI-Leuten beschattet, die Skip jedoch nicht rechtzeitig erwischen. Als der windige Gauner erfährt, welch wertvolles Gut er in Händen hält, beschließt er, dessen Zielgruppe zu erpressen - mit immenser Gefahr für Leib und Leben.

Die erste von zwei aufeinander folgenden Fuller-Arbeiten mit Richard Widmark, ein zynischer, kleiner film noir, der seinen Hauptdarsteller von einer wenig angenehmen Seite zeigt. Auch wenn Skip McCoy die Ehrgrundsätze der Straßengauner nie ganz vergisst, so ist er doch kaum der Typ, dem man gern über den Weg traute. Seiner zukünftigen Freundin, die, auch das gehört zu Fullers Weltbild, von Skips mitunter brutaler Art nicht wenig angezogen ist, verpasst er einen gezielten Haken im Dunkeln, amüsiert sich, als er feststellt, dass er eine Frau ausgeknockt hat und weckt sie auf, indem er ihr grinsend eine Bierneige übers Gesicht kippt. Und das ist der Held der Geschichte! Soviel Kaltschnäuzigkeit war im Kino von 1953 keine Selbstverständlichkeit. Die humanitäre Wärme weht aus anderer Richtung, nämlich von der wie stets wunderbaren Thelma Ritter her, die als Polypenspitzel Moe Williams eine rührend-authentische Vorstellung gibt.
Was das Thema der kommunistischen Verschwörung auf US-Boden anbelangt, so mag man es als Zeitzeichen abtun, das bestenfalls von kulturhistorischem Interesse ist. Letzten Endes ist die für diese Zeit nicht unübliche Sinnentstellung in der deutschen Fassung, die aus den "Roten" Rauschgiftgangster macht, höchstens insofern von Belang, als dass die opportunistische Haltung von Skip McCoy eine deutlich abgeschwächte Note erhält. Ansonsten bleibt "Pickup" selbst in dieser bizarren Form noch eine kleine Pflichtveranstaltung.

8/10

Hafen New York Verschwoerung film noir Samuel Fuller Taschendiebstahl Kalter Krieg Spionage


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ANGUSTIA (Joan Josep Bigas Luna/E 1987)


"It's all in your imagination. I really don't exist."

Angustia (Im Augenblick der Angst) ~ E 1987
Directed By: Joan Josep Bigas Luna


Patty (Talia Paul) und Linda (Clara Pastor) sehen sich den Film "The Mommy" in einem Kino an: Darin ist der ödipal gestörte, in einer Augenklinik tätige John Pressman (Michael Lerner) von den Sehorganen seiner Patienten besessen, zumal er selbst bald erblinden wird. Er beginnt zu morden und die Augen seiner Opfer zu extrahieren. Nach einer Hypnose durch seine Mutter (Zelda Rubinstein) begibt sich John in ein Kino, in dem Harry Hoyts "The Lost World" gezeigt wird. Dort läuft er Amok und tötet zahleiche Menschen. Für Patty und Linda wird der Filminhalt indes zur blutigen Realität: Ein weiterer Zuschauer (Àngel Jové) nimmt sich das Leinwandgeschehen zum Vorbild und fängt an, die Kinogäste zu erschießen.

Um sich Bigas Lunas buchstäblich doppelbödigen Horrorfilm über das Sehen und die ihm zugrunde liegenden, zerebralen Prozesse anzuschauen, bedarf es einiger Anstrengung. Gegen Ende zerfließen die Inhalte der beiden werksintern gleichberechtigt nebeneinander stehenden Filme durch die so geschickte wie verwirrende Monatage vollends und sind kaum mehr voneinander zu unterscheiden. Hinzu kommt die in John Pressmans Kopf permanent echoende Stimme seiner von Zelda Rubinstein gespielten Mutter, die, ebenso wie die zwischenzeitliche Hypnose, eine höchst enervierende Qualität aufweisen. Als eine Reise in psychotische Untiefen in der betonten Tradition von Powells "Peeping Tom" und Bogdanovichs "Targets" ist "Angustia" aber dennoch ein äußerst sehenswerter Genre-Beitrag, der aus mir unerfindlichen Gründen jedoch sein Herkunftsland ignoriert. Warum ein spanischer Film in Culver City spielen muss, leuchtet mir nicht ganz ein; es sei denn, Bigas Luna erachtet Kalifornien als den Dreh- und Angelpunkt der (Genre-)Filmkunst und siedelt dort daher seine Geschichte an.

8/10

Mutter Madness Massenmord Serienmord Film im Film Kino Bigas Luna Augen


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BLACKOUT (Eddy Matalon/CAN, F 1978)


"All my paintings..."

Blackout (Die Bestien) ~ CAN/F 1978
Directed By: Eddy Matalon


Während ganz Manhattan von einem Stromausfall lahmgelegt wird, verschaffen sich vier geistesgestörte, aus einem verunglückten Gefangenen-Transport entkommene Verbrecher (Robert Carradine, Jean-Pierre Aumont, Don Granberry, Terry Haig) Zutritt zu einem Hochhaus. Dort terrorisieren die Mieter und klauen alles, was nicht niet- oder nagelfest ist, bis der wackere Cop Evans (Jim Mitchum) sie dingfest machen kann.

Flüchtige Verbrecher, die gutbürgerliche Hausbewohner drangsalieren - das ist seit Wylers "The Desperate Hours" zu einem regelmäßig bedienten Motiv des Terrorkinos geworden. Dem ebenso billigen wie unspektakulären "Blackout", der sich ergänzend der narrativen Strukturen des damals gerade im Aussterben begriffenen Katastrophenfilms bedient (und analog dazu sogar mit ganz schönen appearances der Altstars Ray Milland und June Allyson aufwarten kann), gelingt es allerdings nicht recht, seinem Publikum authentische Gefühle des Unbehagens einzubläuen. Dafür punktet der von Ivan Reitman mitproduzierte Film wiederum mit schwarzen Humoreinlagen und einer durchdacht-pointierten Montage. Für eineinhalb kurzweilige Stunden langt das Ding also absolut, zumal es mir ohehin stets Vergnügen bereitet, dem notorisch imbezil dreinblickenden Mitchum-Filius Jim zuzuschauen.

5/10

Eddy Matalon Hochhaus Terrorfilm Independent Madness New York


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WHITE HEAT (Raoul Walsh/USA 1949)


"Made it, Ma! Top of the world!"

White Heat (Sprung in den Tod) ~ USA 1949
Directed By: Raoul Walsh


Nach einem brutalen Postzug-Überfall mit vier Mordopfern sieht sich der Gangsterboss Cody Jarrett (James Cagney) schwer bedrängt. Um der Todesstrafe zu entgehen, lässt er sich in einem anderen Bundesstaat für ein parallel von einem "Kollegen" verübtes, kleines Verbrechen verurteilen und für eine Zweijahresstrafe ins Gefängnis sperren. Dort rückt ihm der V-Mann Fallon (Edmond O'Brien) auf die Pelle, der sich Codys Vertrauen nur sehr mühsam erschleichen kann. Draußen wird derweil Codys Mutter (Margaret Wycherly) ermordet, mit der den Verbrecher eine pathologische Liebe verbindet. Cody dreht durch, bricht, Fallon im Schlepptau, aus und rächt seine alte Dame. Der nächste Bruch, ein eigentlich sorgfältig geplanter Überfall auf eine Chemiefabrik, bedeutet schließlich Codys Ende.

Klimax, Ende und zugleich finaler Wegbereiter des klassischen Gangsterkinos, das und nichts weniger ist Walshs "White Heat"; größte Arbeit seines Regisseurs, größte Leistung seines Hauptdarstellers. Eine unglaublich gewalttätige Stimmung begleitet Walshs Genre-Fanal, die vor allem Cagneys bahnrechendem, teils improvisiertem Spiel als psychotisches, jederzeit vor der Explosion stehendes Muttersöhnchen zuzuschreiben ist. Solch eine darstellerische Intensität bedeutete selbst im Kino der ausgehenden Vierziger noch eine Form von Waghalsigkeit, denn wo bislang sämtliche der klassischen Filmgangster bestenfalls abgrundtief böse, aber auf ihre Weise stets berechenbar blieben, brachte Cagney als Cody Jarrett das gefährliche Moment der Undurchschaubarkeit mit sich, das sich selbst bis heute noch seinen Weg bis vor die Leinwand bahnt. Ich hatte das Glück, "White Heat" innerhalb meiner eigenen Biographie schon sehr früh im Fernsehen zu sehen, in einer mir damals geflissentlich anrüchig erscheinenden Spätausstrahlung irgendwann nach Mitternacht, an die ich mich selbst jetzt noch minutiös erinnere. Cagney hat für mich sein mit diesem Film installiertes, dämonisches Image, nie mehr abwerfen können und jene Szene in der Gefängniskantine, in der er nach der Nachricht vom Tode seiner Ma völlig ausrastet, ist mir bis heute einer der hervorstechendsten Gänsehautmomente geblieben. Von Walshs absolut geradliniger, exzellenter Regie, die nicht nur so dicht wie selten an den Figuren entlangbalabcierte, sondern zudem eindrucksvoll belegte, dass Männerkino nicht per se im Kriegsfilm oder Western zu finden sein müsse, zehrt freilich auch Cagneys Leistung.

10/10

Madness Rache Gefaengnis Raoul Walsh film noir


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DARK PASSAGE (Demer Daves/USA 1947)


"You'd be insane to follow me. "

Dark Passage (Die schwarze Natter) ~ USA 1947
Directed By: Delmer Daves


Vincent Parry (Humphrey Bogart), angeblicher Mörder an seiner Ehefrau, der tatsächlich zu Unrecht verurteilt wurde, flieht aus San Quentin, um seine Unschuld zu beweisen. Vor San Francisco stößt er auf die junge Künstlerin Irene (Lauren Bacall), die ihm über die Runden hilft. Um Zeit zu gewinnen, lässt Parry sich von einem im Untergrund tätigen Chirurgen (Houseley Stevenson) das Gesicht verändern. Dies feit ihn jedoch nicht vor allzu neugierigen Polizisten und einem gierigen, kleinen Erpresser (Clifton Young). Schließlich muss Parry, nachdem er die wahre Schuldige (Agnes Moorehead) ausfindig gemacht hat, nach Peru fliehen, wohin ihm Irene, eine glückliche Zukunft zu zweit im Blick, alsbald folgt.

"Dark Passage" brachte manches Novum mit sich ins Kino: Nicht nur, dass Daves mit einer neuartigen, kleinformatigen Handicam arbeitete, um während des ersten Filmdrittels Parrys subjektive Perspektive zu visualisieren (ein mittlerweile etwas possierlich wirkendes, nichtsdestotrotz interessantes Experiment), er wurde zudem on location in San Francisco gefilmt, was für die damals noch vornehmlich im Atelier arbeitenden Studios eine durchaus ungewöhnliche Maßnahme bedeutete. Immerhin sind diese beiden Faktoren in der Hauptsache dafür verantwortlich, dass "Dark Passage" ein recht frisches, ungewöhnliches Aussehen verbuchen kann - allerdings hatte die Konstruktion der Story gleichsam zur Folge, dass man Bogarts Antlitz erst nach etwa einer Stunde zu sehen bekommt.
Die Kriminalgeschichte um Parrys unschuldige Verurteilung sowie um eine pathologisch eifersüchtige Irre, die tatsächlich für die Parry zur Last gelegten Verbrechen verantwortlich ist, wirkt derweil wie bloßes Beiwerk, zuweilen wie Ballast gar, der die deutlich spannendere Story um den verfolgten Mann mit neuem Gesicht eher ausbremst denn sie zuzuspitzen.

8/10

San Francisco Nacht Delmer Daves film noir


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THE AMERICAN (Anton Corbijn/USA 2010)


"You cannot deny the existence of hell. You live in it. It is a place without love."

The American ~ USA 2010
Directed By: Anton Corbijn

Als der Profikiller Jack (George Clooney) in Schweden von einigen Berufsgenossen attackiert wird und hernach eine unbeteiligte Zeugin (Irina Björklund) zu beseitigen gezwungen ist, trifft er sich mit seinem Auftraggeber Pavel (Johan Leysen) in Rom, um das weitere Vorgehen zu besprechen. In einem kleinen Abruzzen-Dorf soll Jack möglichst unerkannt und getarnt als Photograph auf Urlaub das nächste Attentat vorbereiten. Seine Arbeit besteht darin, ein Präzisionsgewehr für seine Kollegin Mathilde (Thekla Reuten) zu konstruieren. Als Jack sich dann in die Prostituierte Clara (Violante Placido) verliebt, ist sein Schicksal endgültig besiegelt.

Dass es keine größere Einsamkeit gibt als die des Samurai, es sei denn, die des Tigers im Dschungel, wissen wir ja nicht erst seit gestern. Und so ist auch Anton Corbijns neuester Beitrag zum Subgenre des Auftrags-/Profikiller-Films weniger ein thematischer Zusatz denn eine, so darf man wohl gleich einräumen, selbstgefällige Variation desselben. Corbijns offenkundiges Selbstverständnis als vornehmlich auf visueller Ebene arbeitender Künstler macht Inhalte, Stoffe, Narration für ihn vermutlich sekundär und so dürfte der motivische Verlauf von "The American" selbst jedem Laien gleich von Anbeginn an bewusst sein. Die einsamen Mitglieder der exotischen Tätigkeitssparte 'Auftragskiller' kennt man selbst als Kinolaie jedenfalls zur Genüge und so sollte man den Film vielleicht als eine reine Form der Meditation begreifen, als eine in atmosphärischer Hinsicht durchaus entspannt gefertigte Gemengelage aus Bildern, Klängen und Assoziationen, unabhängig von ihrer allzu luziden Geschichte. Dann findet man nämlich, dass "The American" eine recht gute Arbeit darstellt, die - wie könnte es auch anders sein bei Corbijn - von der Kreierung von Ästhetik eine Menge versteht. So ist dies kaum ein Film zum Mitfiebern, sondern vielmehr einer zum sich darauf hintreiben lassen. Wohin auch immer.

7/10

Anton Corbijn Abruzzen Profikiller


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BULLETS OR BALLOTS (William Keighley/USA 1936)


"I don't like guys who put their hands on me."

Bullets Or Ballots (Wem gehört die Stadt?) ~ USA 1936
Directed By: William Keighley


Nachdem der beinharte New Yorker Polizei-Detective Johnny Blake (Edward G. Robinson) aus dem Polizeidienst entlassen wurde - wegen Unfähigkeit, wie es heißt - heuert ihn sein alter Bekannter Al Kruger (Barton MacLane), ein berüchtiger Syndikatschef, als neuen Vize an. Ganz zum Unverständnis von Krugers rechter Hand Bugs Fenner (Humphrey Bogart), der sich selbst schon in der Nachfolge des Bosses gesehen hat. Tatsächlich ist Blakes Rauswurf jedoch nur Fassade, um ihm ein ungestörtes Ermitteln in Krugers Organisation zu ermöglichen - und die Identitäten der großen Hintermänner im Dunklen auszubaldowern.

Auftritt Bogey: Nach Keighleys "'G' Men", der den Gangster als zunehmend beliebte Identifikationsfigur Protagonisten entthronte und Polizisten zu auch beim Hays Office wesentlich beliebteren Filmhelden kürte, traten die bisherigen Genrestars als Gesetzeshüter auf. In "Bullets Or Ballots" war es an Robinson, jenen knallharten Cop zu personifizieren, der jedem Ganoven, der ihn auf der Straße nicht ordentlich zurückgrüßt, gleich mal adäquat eins vors Mäppchen verpasst. Hinzu kam das im Subgenre immer wieder beliebte Motiv des Undercover-Ermittlers, der die zu bekämpfende / entmachtende Organisation von innen heraus sprengt. Diese war hier allerdings von weitaus größerem Kaliber als bislang gewohnt: Entstammten die bis dato veräußerten Verbrecher im Regelfall einem bildungsarmen und sozialschwachen Milieu, kamen die Köpfe hier direkt aus der altehrwürdigen Hochfinanz der Wall Street. Und auch von Korruption im Justizapparat ist gleich mehrfach die Rede.
Für den Part des brutalen Fieslings hatte derweil ein bei Warner unter Vertrag stehender, noch unbekannter Darsteller mit gepflegtem Überbiss einzustehen: Humphrey Bogart, der in den folgenden Jahren erstmal regelmäßig und stillschweigend der Böse zu sein verpflichtet war. Abgesehen von diesen filmhistorisch sicherlich berichtenswerten Anekdoten konnte "Bullets Or Ballots" dem Gangsterfilm vor allem formal wenig Neues hinzusetzen, außer der Addition eines weiteren, durchaus sehenswerten Qualitätsproduktes.

7/10

William Keighley New York Gluecksspiel Duell





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