Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

BLUE CITY (Michelle Manning/USA 1986)


"I want some fuckin' justice."

Blue City ~ USA 1986
Directed By: Michelle Manning


Als der junge Billy Turner (Judd Nelson) in sein Heimatstädtchen Blue City auf den Florida Keys zurückkehrt, muss er erfahren, dass sein Vater, der frühere Bürgermeister, ermordet worden ist. Für Billy liegt der Fall klar - hinter dem Mord kann nur der Glücksspielhai Perry Kerch (Scott Wilson) stecken, der nicht nur ein Casino eröffnet, sondern sich außerdem noch Billys wenig traurige Stiefmutter (Anita Morris) unter den Nagel gerissen hat. Zusammen mit seinem alten Kumpel Joey (David Caruso) und dessen Schwester Annie (Ally Sheedy) zieht Billy rigoros gegen Kerch und seine Gorillas zu Felde.

Der Walter-Hill-Film, der gar kein Walter-Hill-Film ist; fürderhin eine weitere Auffrischung alter Kindheits- und Jugenderinnerungen dank meines lieben, nicht nur in dieser Beziehung überaus wackeren Freundes Oliver. Das Regiefeld bei diesem dennoch unverkennbar von Hill gestempelten Rachefilm überließ der Altmeister der Nachwuchs-Directrice Michelle Manning - vermutlich jene Entscheidung, die nachhaltig für den schlechten Ruf verantwortlich ist, der "Blue City" bis heute vorauseilt. Der aus deutlichen Westernmotiven und der typischen, an "Streets Of Fire" gemahnenden urbanen Hill-Mythologie kombinierte Film wagt zudem noch eine Kreuzung mit der damals bei jugendlichen Kinogängern beliebten Brat-Pack-Schiene. Der Einsatz von Judd Nelson jedoch, eines, wie man nachträglich konstatieren muss, verdammt miesen Schauspielers, der kaum mehr als eine Reprise seiner kultisch verehrten, rotzlöffeligen John-Bender-Figur aus "The Breakfast Club" gibt, gereicht "Blue City" dabei ebenso zum Nachteil wie die unerfahrene Inszenierung seiner Regisseurin. Der Film weiß nicht, wo er eigentlich hingehören möchte; schließt er nun an die schwerelose Flockigkeit der Achtziger-Teen-Comedy an oder entschließt er sich doch zur notwendigen Konsequenz einer Vigilanten-Story? Bis zum Ende bleibt diese Crux ungelöst. Dennoch hat "Blue City" seinen eigentümlichen Reiz, der vornehmlich in der sorglosen Beschwörung ästhetischer zeitgenössischer Oberflächlichkeiten zu finden ist oder in kleinen darstellerischen Highlights wie dem von Paul Winfield gesetzten. Außerdem gestaltet er sich angemessen kurz und kurzweilig und ebenso unkompliziert konsumierbar.

5/10

Brat Pack Walter Hill Michelle Manning Florida


Foto

KÆRLIGHED PÅ FILM (Ole Bornedal/DK 2007)


Zitat entfällt

Kærlighed På Film (Bedingungslos) ~ DK 2007
Directed By: Ole Bornedal


Der Kopenhagener Polizeiphotograph Jonas (Anders W. Berthelsen), ein in seinem Alltagstrott gefangener Familienvater, verursacht aus Nachlässigkeit einen Autounfall, bei dem die junge Julia (Rebecka Hemse) schwer verletzt wird. Als der sogleich merkwürdig von Julia faszinierte Jonas diese im Krankenhaus besuchen will, hält alle Welt ihn für einen gewissen 'Sebastian', jener offenbar Julias Ehemann, an den sie selbst wegen einer Amnesie jedoch keine Erinnerung hat und der zudem auf seltsame Weise in Kambodscha verschwunden scheint. Jonas spielt das Verwechslungsspiel mit und verliert dabei immer mehr den Bezug zu seiner eigenen Identität - bis plötzlich der echte Sebastian auftaucht...

Nachdem die von von Trier oktroyierte "Dogma"-Hysterie im hohen Norden wieder weithin abgeebbt ist - wobei mir diese "kulturelle Rekonaleszenz" manchmal wie ein hörbares Aufatmen erscheint - kommen jetzt aus dem Skandinavischen also vermehrt stark stilisierte Filme, so auch dieser hingebungsvoll an US-Vorbildern orientierte Identitätskrisen-Thriller. "Kærlighed På Film" begreift sich offenbar als eindeutige Reminiszenz an Hitchcocks Klassiker, arbeitet mit psychoanalytischen Motiven wie sexueller Obsession, Paraphilie und Morbidität. Der eigentliche, im Kern präsente Aufzug der Story um einen sich in Selbstillusionen verlierenden Biedermann machte auf mich dabei durchaus den Eindruck kompetenter Umsetzung. Was den Film jedoch leider eines hohen Maßes seiner sonstigen Wucht beraubt, ist die kriminalistische Aufschlüsselung des Ganzen, die einen ziemlich platten Handlungsstrang um Diamantenschmuggel und Triaden miteinbezieht und für den ironischerweise frappant nach Jörg Kachelmann aussehenden Jonas als eine Art Schicksalsschlüssel fungiert. Ohne dieses überflüssige Zugeständnis an die Konvention wäre "Kærlighed På Film" vielleicht wesentlich tragfähiger geworden, so langt es leider bloß zu einer - immerhin hübsch polierten - Teilnehmer-Medaille.

7/10

film noir Dänemark Kopenhagen neo noir Ole Bornedal


Foto

DEVIL IN A BLUE DRESS (Carl Franklin/USA 1995)


"The only question is are you on top of your trouble or not?"

Devil In A Blue Dress (Teufel in blau) ~ USA 1995
Directed By: Carl Franklin


L.A. 1948: Der farbige Kriegsveteran Ezekiel 'Easy' Rawlins (Denzel Washington) hat soeben seinen Job verloren und bangt um die Abzahlung seiner Hypothek. Da kommt ihm ein scheinbar schneller Job gerade recht. Von dem unsymathischen DeWitt Albright (Tom Sizemore) beauftragt, soll Easy eine im Schwarzenmilieu verkehrende, weiße Lady namens Daphne Monet (Jennifer Beals) finden, da der Bürgermeisterkandidat Carter (Terry Kinney) ein spezielles Interesse an ihr habe. Kaum dass die Dame sich erstmals gezeigt hat, registriert Easy, dass er nur ein zu vernachlässigendes Teilchen in einem boshaften Spiel um Erpressung und politische Ränke ist.

Sehr sympathischer film noir von einem Regisseur, der bereits mehrfach ein Händchen für gutes Krimikino bewiesen hat. Der primäre Reiz der Romanadaption "Devil In A Blue Dress" liegt natürlich darin, die im Prinzip typische Hardboiled-P.I.-Story fast zur Gänze in die afroamerikanische Halbwelt von Los Angeles zu verlegen, ein Milieu also, in das Chandler oder Spillane respektive ihre Helden sich niemals oder höchstens widerwillig hineingetraut hätten. Washington als Ermittler ist eine erwartungsgemäß solide Besetzung für den Privatschnüffler (zunächst) "by accident", dessen Nase schon aufgrund seiner in bestimmten Ecken der Stadt ungern gesehenen Hautfarbe besonders gefährdet ist. Leider blieb es im Kino bislang bei diesem einen Auftritt von Easy Rawlins, derweil er in schriftlicher Form bereits eine ganze Reihe von Fällen zu lösen hatte. Über eine Fortsetzung täte ich mich auch jetzt noch freuen.

8/10

femme fatale film noir period piece Carl Franklin hardboiled Walter Mosley Los Angeles


Foto

DARK BLUE (USA, D 2002/Ron Shelton)


"You gotta have some breaks."

Dark Blue ~ USA/D 2002
Directed By: Ron Shelton


Detective Eldon Perry (Kurt Russell) vom LAPD ist seinem direkten Vorgesetzten Van Meter (Brendan Gleeson), einst Kollege und Freund von Perrys Vater, bedingungslos loyal. Zwar ahnt Perry, dass Van Meter einigen Dreck am Stecken hat, würde sich dies jedoch nie eingestehen und lässt sich lieber selbst zum Werkzeug von Korruption und Polizeikriminalität machen. Auch Perrys junger Partner Bobby Keough (Scott Speedman) wird in die gut geölte Unrechts-Maschine des Uniformfilz gezogen. Der rechtschaffene, stellvertretende Polizeichef Arthur Holland (Ving Rhames) steht als Vorkämpfer gegen Van Meter und seine Methoden allein auf weiter Flur - bis Bobby sich entschließt, auszupacken.

Nach einem Treatment von James Ellroy siedelt David Ayer sein Script vor dem historischen Hintergrund der 92er Unruhen in Los Angeles an, die infolge des Freispruchs von vier Polizisten, welche den afroamerikanischen Bürger Rodney King misshandelt hatten, stattfanden. "Dark Blue" steht ganz in der Tradition der kritischen Uniformsystemanalytiker wie Joseph Wambaugh, Sidney Lumet und schließlich auch Ellroy selbst. David Ayer könnte man nun neben Antoine Fuqua durchaus als legitimen Nachfolger jener "klassischen" Polizeichronisten bezeichnen; wie die Pioniere wähnt er die permanente Gefahr des Machtmissbrauchs, die scheinbare Legitimation krimineller Gelüste, die durch die Integration in die heiligen Hallen der Exekutive für viele ihrer Kettenglieder erst zur Selbstverständlichkeit wird und ab und von Zeit zu Zeit einer reinigenden, kathartischen Lektion bedarf. Der an sich einwandfreien Narration gegenüber steht allerdings die leidlich-betuliche und weithin überraschungsarme Inszenierung des Auftragsregisseurs Shelton, dessen wahrscheinlich einziger tragfähiger Film dies ist; die Figurenkonstellation entspricht derweil faktisch jener aus "L.A. Confidential" - Kurt Russell bekleidet eine Art Hybriden aus den Crowe- und Spacey-Rollen, Speedman und Rhames teilen sich im Gegenzug den Pearce-Part und Brendan Gleeson übernimmt 1:1 den Cromwell-Charakter. Einen Originalitätspreis gewinnt "Dark Blue" ergo kaum; absprechen hingegen kann man ihm nicht, dass er auf einer etwas flacheren Ebene spannend bis vorzüglich unterhält, was ja auch nicht immer schlecht ist.

7/10

Ron Shelton period piece David Ayer James Ellroy Los Angeles Korruption


Foto

THE TAKING OF PELHAM 1 2 3 (Tony Scott/USA, UK 2009)


"Plan B is enforcing plan A."

The Taking Of Pelham 1 2 3 (Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3) ~ USA/UK 2009
Directed By: Tony Scott


Der Ex-Broker Ryder (John Travolta) dreht durch und nimmt zusammen mit ein paar Helfershelfern einen New Yorker U-Bahn-Wagon in Geiselhaft. Am anderen Ende der Funkleitung sitzt der wegen eines unbestätigten Korruptionsvorwurfs degradierte Walter Garber (Denzel Washington), der mit dem unerbittlich vorgehenden Garber verhandelt - der Anfang eines Psychoduells mit scharfen Schusseinlagen.

Ein weiteres Remake, das die Welt nicht braucht. Scott pflegt weiterhin tapfer den Duktus seiner letzten paar Fime und inszeniert rund um seinen Leib- und Magenstar Washington ein bewusst unübersichtliches Feuerwerk aus Zeitraffern, SloMos, Zooms, Schnittgewittern und allem Übrigen, was der Postmillenium-Actionfilm noch so aufbietet. Das hat nach meinen Empfinden mehr mit Videokunst zu tun als mit homogenem Filmemachen und dieses geckenhafte Vortäuschen von Dynamik empfinde ich als das genaue Gegenteil seiner Intention; nämlich als ermüdend. Einen halbverrückten, bösen Travolta kennen wir bereits seit "Broken Arrow" und selbst darin war sein Spiel kaum mehr denn semilächerliches overacting, Washington indes darf seinem gewohnten Gutmenschenpart tatsächlich mit einem Makel anreichern. Seinen peinlichen Gipfel erreicht das ohnehin dulle Script in einer hoffnungslos unbeholfenen Handy-Dialogszene zwischen Garber und seiner Frau (Aunjanue Ellis), die eindrucksvoll demonstriert, dass auch ein erfahrener Regisseur sich bisweilen nicht für absolut Unzureichendes zu schade ist. Wenn "Pelham 1 2 3" auch nicht so katastrophal überkandidelt ausfällt wie Scotts debakulöser "Domino", gilt: wer einen guten Film sehen möchte, genieße das hundertmal bessere Original von Joseph Sargent, das Scotts Neufassung trotz fünfunddreißig Jahren Abstand in jeder einzelnen Hinsicht zigfach überlegen ist.

4/10

New York Boerse Tony Scott Terrorismus


Foto

AD OGNI COSTO (Giuliano Montaldo/I, E, BRD 1967)


Zitat entfällt.

Ad Ogni Costo (Top Job - Diamantenraub in Rio) ~ I/E/BRD 1967
Directed By: Giuliano Montaldo


Der soeben in Pension gegangene, ehemals in Rio de Janeiro tätige Englischlehrer Professor Anders (Edward G. Robinson) will seine Rente aufbessern, indem er vier über einen Mittelsmann (Adolfo Celi) angeheuerte Profis (Klaus Kinski, Robert Hoffmann, Ricardo Cucciolla, George Rigaud) einen Multimillionenraub in einem Hochsicherheitsgebäude gegenüber seiner früheren Arbeitsstelle durchführen lässt. Die nicht unproblematische Aktion verläuft exakt nach dem Plan des Professors, der sämtliche Eventualitäten eingerechnet hat - bis auf eine...

Im Stile von Dassin inszeniertes heist movie, das, wie bei italienischen Mainstream-Filmen üblich, aufgrund seines plagiatorischen Charakters zwar weder sonderlich innovativ noch sonstwie revolutionär, dafür aber kurzweilig und spannend um die Kurve kommt. Die ausführliche Einbruchsszene ist ziemlich toll, Montaldos Regie auch sonst durchweg professionell und Rio als Kulisse hält, was es verspricht. Einzig die moralische Keule, die bei den meisten Bruch-Filmen seit Hustons "The Asphalt Jungle" offenkundig unabdingbar zu sein scheint, nervt auch hier. Man wollte den Kriminellen, und mögen sie noch so symathisch sein, ehedem einfach keine Erfolge zugestehen. Sauerei, das.

7/10

Giuliano Montaldo Rio de Janeiro Heist Diamanten


Foto

UN PROPHÈTE (Jacques Audiard/F, I 2009)


Zitat entfällt.

Un Prophète (Ein Prophet) ~ F/I 2010
Directed By: Jacques Audiard


Mit neunzehn Jahren kommt Malik (Tahar Rahim) ins Zuchthaus um eine sechsjährige Haftstrafe abzusitzen. Nach kurzen lernt der junge, sich später zu einem Weissager mausernden Analphabet auf unangenehme Weise César Luciani (Niels Arestrup), den Chef der lokalen Korsenmafia kennen. César missbraucht Malik zunächst als Attentäter und lässt ihn einen unliebsamen arabischen Widersacher (Hitchem Yacoubi) ausschalten. Danach wird Malik mehr und mehr zu Césars rechter Hand und schließlich zu dessen engstem Vertrauten. Mithilfe seines neu gewonnen Freundes Ryad (Adel Bencherif) lernt Malik lesen und schreiben und reift zu einem scharfsinnigen Beobachter der ihn umgebenden Dinge. Als Malik schließlich Freigänge bei der Gefängnisleitung erwirkt, beginnt er, seine eigenen Pläne zu verwirklichen...

Ein Aufstieg; vom kleinen Gelegenheitsgauner zum mächtigen Gangsterboss: In seinem epischen, emotional hintergründigen Knastfilm demonstriert Jacques Audiard, wie das Rechtssystem seine Sanktionierungsmaßnahmen auf höchst widersinnige Art zur eigenen Nemesis herangedeihen lässt. Mal mehr, mal weniger stark inspiriert von den großen Klassikern des Genrefilms erzählt Audiard zwar keine sensationell neue Geschichte - der sich mehr und mehr emanzipierende Zögling in einer Verbrecherhierarchie verfügt bekanntermaßen über eine generationenlange Tradition -, verbindet diese jedoch mit seiner bereits aus "De Battre Mon Coeur S'Est Arrêté" bekannten, kühlen und wortkargen Perspektive. Audiard, wiederum auch stark orientiert an Melvilles sensorischem Blick, überlässt viel seinen starken Darstellern; der mehr als beachtenswerte Tahar Rahim erinnerte mich mit seiner unruhigen Physiognomie auf seltsame Weise an den jungen William Petersen aus "To Live And Die In L.A." und "Manhunter" und lässt mindestens genausoviele seiner umwälzenden psychischen Prozesse sich auf dem scheinbar reglosen Gesicht widerspiegeln wie eben weiland Petersen.
Wie extrem realitätsangebunden Audiard zu inszenieren weiß, wenn es darauf ankommt, lässt sich gleich anhand der Mordszene an Reyeb ersehen - eine der intensivsten ihrer Art, die Töten und Sterben als jeweils wahnsinnig anstrengenden Kraftakt zeigt und nur ganz schwer erträglich ist.

8/10

Mafia Jacques Audiard Gefaengnis


Foto

THE GHOST WRITER (Roman Polanski/F, UK, D 2010)


"You're not to be written out of history."

The Ghost Writer ~ F/UK/D 2010
Directed By: Roman Polanski


Da der vorherige Ghostwriter für die Memoiren des bei der Öffentlichkeit zunehmend unpopulären Ex-Premierministers Adam Lang (Pierce Brosnan) einem Unfall zum Opfer gefallen ist, wird dringend ein neuer benötigt. Ein Ersatz (Ewan McGregor) ist rasch gefunden, doch der neue Ghostwriter stößt bald auf einige biographische Ungereimtheiten in der Vergangenheit Langs, die ihn vermuten lassen, dass der Tod seines Vorgängers keineswegs ein simpler Unfall war und ihn selbst um sein Leben fürchten lassen.

Ganz. Schön. Kaltschnäuzig, wie Polanski unbeirrt seinen Kurs fährt und einen Kriminalfilm inszeniert, wie er, von den zeitgenössischen Requisiten vielleicht abgesehen, so auch vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte aussehen können. Gerade so, wie man es von ihm gewohnt ist, rückt Polanski weniger Personen als Räume, Architekturen, Landschaften und Stimmungen ins Bild. Die scheinbare Behäbigkeit seiner in aller gebotenen Seelenruhe erzählten Geschichte erweist sich rasch als trügerisch und schon bald gewinnt, Hitchcock lässt grüßen, ein zunächst noch ungreifbarer Faktor des Beunruhigenden an Präsenz. Etwas stimmt nicht mit der gesamten Situation, das Bild sowohl von Lang als auch von seinen politischen Gegnern rückt sich in eine zunehmend unharmonische Position. Dass Polanski dies auf eine unendlich subtile, ja, fast schon frech gemächliche Weise geschehen lässt, rechne ich ihm als großes Verdienst an. Von etwaigen Publikumszugeständnissen findet sich hier keine Spur, der Mann macht - wie eh und je - seinen Film und nie den eines anderen.

8/10

Verschwoerung Roman Polanski


Foto

THE 'HUMAN' FACTOR (Edward Dmytryk/UK, I 1975)


"Oh noooo!"

The 'Human' Factor (Ein Mann rechnet ab) ~ UK/I 1975
Directed By: Edward Dmytryk


Der für die NATO in Neapel tätige Computerfachmann John Kinsdale (George Kennedy) wird aus heiterem Himmel mit dem Antlitz des Schreckens konfrontiert, als seine gesamte Familie eines Tages von Terroristen aufgesucht und ermordet wird. Wie sich herausstellt, sind die Kinsdales nur die ersten Opfer einer Kette von Anschlägen, die ausschließlich in Italien lebenden, amerikanischen Familien gilt. Kinsdale gibt sich äußerlich ruhig und gelassen, plant insgeheim jedoch längst das gezielte Ausfindigmachen und Töten der Attentäter.

George Kennedy, zur Entstehehungszeit des Films etwa fünfzig Jahre alt, verleiht dem Antlitz des Familienvaters, dem urplötzlich der Boden unter den Füßen fortgerissen wird, eine fast erschreckende Glaubwürdigkeit. Allzu schnell vergisst man, was für ein vielseitiger und hochklassiger Akteur der wegen seiner imposanten Statur besonders in späteren Karrierejahren so gern als Teddybär und hero's best friend missbrauchte Kennedy ist. Hier, als rächender Selbstjustizler, dessen innerer brodelnder Vulkan erst in den letzten Filmminuten unerbittlich zum Ausbruch gelangt, walzt er sich wie ein menschlicher Dreißigtonner durch ein pittoreskes Südeuropa, das mit seiner geballten, amerikanischen Wut weder rechnen kann, noch sie zu bremsen in der Lage ist. Es erweist sich als erfreulich und vor allem abwechslungsreich, zu sehen, dass ausnahmsweise einmal nicht der drahtige, klischierte Actionheros im Mittelpunkt steht, sondern der einstmals knuffige Typ von nebenan.
Dennoch bleibt festzuhalten: Für den großen Edward Dmytryk, der Hollywood nach dem Western "Alvarez Kelly" endgültig den Rücken zuwandte und fortan nurmehr in Europa tätig war, hätte man sich eine bravourösere Abschlussvorstellung gewünscht als diesen Vigilantenthriller. Andererseits hätte es auch noch sehr viel schlimmer kommen können. Insgesamt liegt Dmytryk mit "The 'Human' Factor" dann auch genau auf der Linie der anderen großen Regisseure des golden und silver age, die in den Siebzigern vor dem Zusammenbruch des tradierten Studiosystems kapitulierten.

6/10

Edward Dmytryk Rache Italien Terrorismus


Foto

BROOKLYN'S FINEST (Antoine Fuqua/USA 2009)


"Just don't thank me. You even couldn't if I've had a second to think about what to do."

Brooklyn's Finest (Das Gesetz der Straße - Brooklyn's Finest) ~ USA 2009
Directed By: Antoine Fuqua


Drei Brooklyner Polizisten am Rande des Nervenzusammenbruchs: Der desillusionierte und einsame Eddie Dugan (Richard Gere) hat nur noch eine Woche bis zur Pensionierung und soll ausgerechnet jetzt noch einen potenziellen Nachfolger einarbeiten; Clarence Butler (Don Cheadle) arbeitet undercover um schneller befördert werden zu können und spürt langsam, dass er seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen ist; Sal Procida (Ethan Hawke) ist Vater einer stets weiterwachsenden Familie, die er dringend in einem größeren und sauberen Haus unterbringen möchte. Weil das Geld fehlt, kommt er auf dumme Gedanken...

Mit den schon vor einigen Dekaden von Altman installierten Mitteln des klassischen Ensemblefilms näherte sich Regisseur Fuqua dem Polizeidrama an und bewerkstelligte einen Genrefilm originärer Schule, wie er so ähnlich auch vor dreißig Jahren hätte entstehen können. Mit hartem Naturalismus und frei von jedweder Art der Auflockerung geht es Fuqua im Gegensatz zu seinen Urahnen Sidney Lumet oder Daniel Petrie weniger um das Aufzeigen eines innerlich faulenden, korrupten Systems sondern darum, Einzelschicksale und das zerstörerische Potenzial dieses vielbespuckten Knochenjobs dramaturgisch auszuloten. Dass dabei vor kleineren Klischees hier und da nicht unbedingt Halt gemacht wird, erschien mir vermschmerzbar angesichts der ansonsten durchaus packend erzählten und am Ende sogar vortrefflich montierten Drei-Ebenen--Plots. Ebenfalls positiv zu vermerken ist die vollmundige Brillanz, mit der sämtliche Akteure ihre Rollen ausfüllen. Besonders Wesley Snopes wäre es zu wünschen, dass er sich langsam wieder aus der DTV-Schiene emporarbeiten kann. Bei solcher Qualitätsarbeit wie in diesem Falle dürfte ihm das eigentlich nicht allzu schwer fallen.

8/10

Antoine Fuqua New York Ensemblefilm





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare