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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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AFTER HOURS (Martin Scorsese/USA 1985)


"I don't know what came over me." - "Lack of discipline." - "Possibly."

After Hours ~ USA 1985
Directed By: Martin Scorsese


Der mit seinem Leben unzufriedene New Yorker Programmierer Paul Hacket (Griffin Dunne) lernt nach einem gewöhnlichen Arbeitstag in einem Diner die attraktive Marcy (Rosanna Arquette) kennen, erhält von ihr die Nummer ihres WG-Apartements in Uptown Manhattan (das sie mit ihrer Künstlerfreundin Kiki (Linda Fiorentino) bewohnt) und ruft nur kurze Zeit später bei ihr an, um möglichst noch in derselben Stunde ein Rendezvous zu bekommen. Eine folgenschwere Entscheidung, denn Soho erweist sich als bizarrer Hort verrückt gewordener Nachteulen, die keinen Spaß verstehen.

Best to be seen by double mit dem im selben Jahr erschienen "Into The Night", einem meiner Lieblingsfilme nebenbei. Zwei in ihrer ganz individuellen Weise recht eigenwillige Insomnie-Komödien, wobei der sich für "After Hours" erstmals bei Michael Ballhaus' Brillanz als dp bedienende Scorsese sich noch weniger als sein Kollege John Landis um Oberflächen und Narrativik schert und stattdessen ein reines Panoptikum des Irrsinns aufbietet, das bei aller Absurdität und grotesken Komik tieftraurig ist und nicht zuletzt Scorseses eigene Seelenlage widerspiegelt, nachdem sein erster Versuch, die Kazantzakis-Verfilmung "The Last Temptation Of Christ" zu stemmen, brutal gescheitert war. Griffin Dunne, der das Projekt mehr oder weniger eingestielt hatte, gibt an, sich zwischenzeitlich auch um Tim Burton als Regisseur bemüht zu haben, was vermutlich ebenfalls nicht die schlechteste Wahl gewesen wäre, zumindest in Relation zu dem abgründigen Humor des Stücks. Das, was Paul Hacket hier des Nachts in den Bohème-Kreisen Manhattans passiert, wirkt im Gegensatz zu Ed Okins L.A.-Erlebnissen zumindest halbwegs geerdet; erscheint deswegen aber auch um einiges weniger märchenhaft. Eine gerüttelt Maß Kafka steckt hierin; der von anonymen Antagonisten verfolgte Unschuldige, der in die unaufhaltsamen Zahnräder der Verfolgung gerät. Dabei träumt Paul durchaus von der Freiheit, immerhin liest er Henry Miller - für einen EDV-Experten sicherlich keine eben typische Lektüre. Doch schon das Öffnen und Schließen der Pforten seiner Firma weist wesentlich mehr Elemente von Orwell und Bradbury auf. Paul ist nur ein Atom innerhalb des allumfassenden, repressiven Gefüges, umso verlorener sein Strampeln.
Einer der interessantesten, wenn auch sperrigsten und weniger zugänglichen Filme des Regisseurs.

9/10

Bohème Insomnie Martin Scorsese Subkultur Nacht New York


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TAXI DRIVER (Martin Scorsese/USA 1976)


"Loneliness has followed me my whole life. Everywhere. In bars, in cars, sidewalks, stores, everywhere. There's no escape. I'm God's lonely man."

Taxi Driver ~ USA 1976
Directed By: Martin Scorsese


Der einsame New Yorker Vietnamveteran Travis Bickle (Robert De Niro) nimmt einen Job als Taxifahrer an und arbeitet ausschließlich in der Nachtschicht. Ist er ohnehin schon äußerst unzufrieden mit dem üblen Zustand der urbanen Rotlichtbezirke, so veranschaulichen ihm seine Touren durch das neonbeleuchtete Manhattan nur umso deutlicher, dass es so nicht weitergehen kann mit dieser Stadt. Zwei Begegnungen führen schließlich dazu, dass Travis auf seine Weise "mobil macht": Die attraktive Wahlkampfhelferin Betsy (Cybill Shepherd) lässt ihn abblitzen, nachdem er sie in ein Pornokino ausführt, von der minderjährigen Prostituierten Iris (Jodie Foster), die ihm nächtens zweimal begegnet, glaubt er derweil einen leisen Befreiungswunsch zu vernehmen, den er ihr unbedingt erfüllen möchte.

Nachdem Charles Bronson als Paul Kersey anno 74 erstmals als rotsehender Rächer durch den nächtlichen Central Park tingelte um dort Kleinkriminelle zu erledigen, betrieben Paul Schrader und Scorsese nur zwei Jahre später bereits zielgerichteten Ikonoklasmus: Ihr Vigilant präsentiert sich als kaputter Soziopath, als "avenger without a cause", der sich nach seinem abschließenden Amoklauf nur deshalb nicht selbst zu richten vermag, weil er zuvor alle Magazine leegefeuert hat. Die größte Form von Zynismus erfolgt allerdings erst durch die ihn umgebende, ihn zum Helden und Retter stilisierende Mediengesellschaft. Scorsese folgt Travis' psychischem Niedergang so nüchtern und kommentarlos wie nur möglich, kommuniziert über Bilder und Impressionen anstatt vage Beweggründe zu ermitteln oder vordergründige Charakteranalyse zu betreiben - die vielleicht größte Stärke des Films. Bernard Herrmanns bald romantisch angehauchter Jazzscore dudelt dazu, als betreibe "Taxi Driver" auch noch ganz bewussten Stilbruch.
Die großstädtische Anonymität, in der der ohnehin schwer traumatisierte Kriegsheimkehrer Travis Bickle sich bewegt, ist angefüllt mit dysfunktionalen Sozialgliedern: Seine Arbeitskollegen sind verlogene Dummschwätzer, seine Angebetete entpuppt sich gleich beim ersten unglücklichen Treffen als kaum mehr denn ein oberflächliches Modepüppchen, das sich einzig darum liberal gibt, um auch auf intellektueller Ebene als schick zu gelten. Der Politiker Palantine (Leonard Harris) ergießt sich in hohlem Populismus und betreibt leere Wähleranbiederung, ein sich bourgeois gebender nächtlicher Fahrgast (Martin Scorsese) entlarvt sich selbst als zugekokster Größenwahnsinniger, ganz ähnlich wie der gewaltbereite Eckladenbetreiber (Victor Argo) von nebenan. Der Kindernutten auf die Straße schickende Zuhälter Sport schließlich vereint nur die allermiesesten Eigenschaften in sich und bietet daher das dankbarste Ziel für Travis' aufgestaute Triebentladung. Bei der Vorstellung all dieser Figuren geht der Film geschickt genug vor, sein Publikum zu heimlichen Komplizen des seinerseits selbst schwer gestörten Titelcharakters zu machen, eine gleichermaßen perfider und intelligenter Ansatz.
Ohne "Taxi Driver" hätte das New Yorker Underground-Kino nie die Blüte der nächsten Jahre erreicht, wäre das Werk von Autoren wie Abel Ferrara, Frank Hennenlotter, William Lustig oder James Glickenhaus, das teils direkten Bezug nimmt auf Scorseses archetypisches Meisterwerk, kaum denkbar. So genuin gemein, schwarzhumorig und hinterhältig war seitdem nicht viel.

10*/10

Veteran Insomnie Madness Vigilantismus Paul Schrader New York Martin Scorsese Nacht New Hollywood


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MEAN JOHNNY BARROWS (Fred Williamson/USA 1976)


"Why ain't I satisfied?"

Mean Johnny Barrows (Die Mafia kennt keine Gnade) ~ USA 1976
Directed By: Fred Williamson


Nachdem der hochdekorierte Vietnamkämpfer Johnny Barrows (Fred Williamson) unehrenhaft aus der Armee entlassen wurde, vegetiert er als Penner im Großraum von L.A. und hält sich mit schlecht bezahlten Tagelöhnerjobs über Wasser. Als er eines Tages dem sympathischen Mafioso Mario Racconi (Stuart Whitman) begegnet, versucht dieser ihn, im Wissen um Johnnys "Talente", als Mann fürs Grobe anzuheuern. Doch Johnny lehnt trotz mehrerer großzügiger Offerten ab. Als Mario nebst seinem Vater (Luther Adler) und weiteren Beteiligten von der gegnerischen Da Vince-Familie zusammengeschossen wird - die Racconis weigern sich, in den Drogenhandel einzusteigen - lässt sich Johnny doch noch engagieren. Doch ein Feind sitzt dort, wo Johnny es am wenigsten vermutet.

Schleppend erzählter und langweiliger Blaxploiter, der zweierlei beweist: Zum einen, dass nicht aller Seventies-Exploitation-Glanz zwangsläufig ein goldiges Erlebnis verheißt und zum anderen, dass der "Hammer" Fred Williamson ein lausiger Regisseur ist. Oder zumindest war, seine späteren Arbeiten (immerhin noch 19 weitere, wie ich erstaunt festgestellt habe), sparen vielleicht zumindest den einen oder anderen der hier (noch?) angezeigten Mängel aus, keine Ahnung - "Mean Johnny Barrows" ist bislang der einzige Film von Williamson als Regisseur, den ich mir zu Gemüte geführt habe. Felsenfest steht für mich, dass die überaus selbstverliebte Inszenierung des sich häufig (möglicherweise auch semisatirisch) gern als tollster Hecht im Karpfenteich präsentierenden Ex-Profi-Footballers im Laufe des Films ein wenig zu akut wird und letztlich in keiner Relation steht zu dem Schmalhans-Küchenmeister-Geplänkel, das "Mean Johnny Barrows" ansonsten aufbietet. Es dauert eine gute Stunde, bis mal ein wenig Aktion ins Haus steht, vorher drängt sich uns an vorderster Front der Hammer auf: der Hammer, wie er durch die Straßen streift, der Hammer, wie er mit weißen Cops in Konflikt gerät, der Hammer, wie er im Hauseingang pennt, der Hammer, wie er mit Elliot Gould (in einem schönen Gastauftritt) in der Suppenküche steht, der Hammer, wie er von einem Tankstellenbetreiber (R.G. Armstrong) ausgenutzt wird. Gähn. Nebenbei installiert der Film noch flott den bei "The Godfather" abgeschauten Mafia-Zank. Am Schluss werden dann vier, fünf Pappenheimer abgeschossen und der in einer kläglichen Loserrolle aufspielende Roddy MacDowall buchstäblich versenkt. Ehrlich gesagt empfand ich selbst das forciert auf den Überraschungseffekt angelegte Ende als gegenteilig - nämlich wenig überraschend. Nee, da gibt's durchaus Spannenderes, mit dem man seine Zeit verplempern kann.

4/10

Mafia Vietnamkrieg Fred Williamson Veteran Blaxploitation Independent


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TRIANGLE (Christopher Smith/UK, AU 2009)


"You're schizo!"

Triangle ~ UK/AU 2009
Directed By: Christopher Smith


Jess (Melissa George), überforderte Mutter eines kleinen autistischen Sohnes (Joshua McIvor), lässt sich von einem Bekannten (Michael Dorman) zu einem Segeltörn auf seiner Yacht 'Triangle' einladen, bei dem noch vier weitere Teilnehmer dabei sind. Während der anfangs sonnigen Fahrt gibt es eine urplötzliche Flaute, ein gewaltiges Unwetter zieht auf und die Triangle kentert. Eine der Mitfahrerinnen (Emma Lung) wird unbrettbar über Bord gespült. Nach einiger Zeit wird in der Ferne ein großer Oceanliner sichtbar, von dem man sich Rettung verspricht. Als die fünf Schiffbrüchigen diesen betreten, scheint er, mit Ausnahme einer im Hintergrund umherhuschenden Person menschenleer. Bloß warum hat Jess das untrügliche Gefühl, das alles schonmal erlebt zu haben?

Ein ganz nettes Verwirrspiel, das durchaus manche positive Aspekte in sich vereint, in mancherlei, vor allem logischer Hinsicht, aber auch sehr inkonsequent verfährt. Letzten Endes geht es darum, dass die bedauernswerte Jess in einer Zeitschleife gefangen ist, wie man sie aus "Groundhog Day" und "12:01" kennt. Allerdings ist unsere Protagonistin nur begrenzt, respektive zeitweilig in der Lage, ihre Situation zu durchschauen und aktiv zu beeinflussen, kann daher keinen Ausweg finden und bleibt somit hoffnungslose Gefangene ihres Zeittraumas. Möglicherweise ist sie auch selbst Autistin oder irgendwie andeweitig in psychische Mitleidenschaft gezogen und erlebt dieselben Ereignisse immer wieder bloß in ihrem Geiste. Entsprechende Hinweise darauf könnten aus dem narrativen Schema heraus gedeutet werden.
Dann allerdings werfen sich rasch ein paar evidente Fragen auf: Da Jess ein Opfer der Unendlichkeit geworden ist, dürften nicht mehr die physischen Relikte von vorherigen Ereignissen sichtbar sein (ein ausgesprochen dummer Fehler, den der Film auch noch mehrfach begeht); zudem sind die, zweifelsohne ausschließlich aus Gründen der Publikums-Irreführung eingeflochtenen Unregelmäßigkeiten in Jess' Verhalten, innerhalb des Realitätsgefüges des Films als kaum mehr denn blanker Blödsinn zu erachten. Smith verrennt sich selbst in seinem Bemühen, gleich mehrere verschiedene Jesses zur selben Zeit in Aktion treten zu zu lassen (was physikalisch betrachtet ohnehin als no go gilt) und lässt seinen ansonsten durchaus interessanten inhaltlichen Ansatz damit frontal vor die Wand rennen. Dass "Triangle" trotzdem recht spannend sowie von erlesener Form ist und seine mysteriöse Storyprämisse bis zu einem gewissen Gradmaß auch ordentlich ausfüllt, möchte ich allerdings nicht unerwähnt wissen. Sicherlich sehenswert für Freunde guter Unterhaltung, für ambitionierte Logiker oder Relativitätstheoretiker indes vermutlich eine veritable Tortur.

7/10

Zeitschleife Ozean Christopher Smith Seenot


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BULLITT (Peter Yates/USA 1968)


"Frank, we must all compromise." - "Bullshit."

Bullitt ~ USA 1968
Directed By: Peter Yates


Lt. Frank Bullitt (Steve McQueen) vom San Francisco Police Department erhält von dem profilierungssüchtigen Senator Chalmers (Robert Vaughn) persönlich den Auftrag, einen immens wichtigen Kronzeugen namens Johnny Ross (Pat Renella) zu beschützen, der in Kürze in einem publicityträchtigen Prozess gegen die Mafia aussagen soll. Ross wird ermordet, Bullitts Partner (Carl Reindel) schwer verletzt. Das Seltsame ist nur, dass Ross seinen Mördern offenbar selbst die Hotelzimmertür geöffnet hat. Während Chalmers vor Wut schäumt, findet Bullitt heraus, dass der echte Ross mitnichten tot ist und stattdessen einen allzu vertrauensseligen Strohmann (Felice Orlandi) geopfert hat.

Archetypisch komponierter Polizeifilm, ohne den so ziemlich alles, was sich bis heute im Genre tummelt, undenkbar wäre. Von der Charakterisierung der Titelfigur, eines höchst ehrgeizigen, wortkargen und verbissenen Berufsfanatikers, dessen Berufsethos sich jedoch zumindest noch vor der Wohnungstür abstellen lässt - ein Persönlichkeitszug nebenbei, den selbst direkte Epigonen wie Popeye Doyle und Harry Calahan schon nicht mehr auzfweisen können -, über die Demonstration eines repressiven, leistungsorientierten Obrigkeitssystems bis hin zu den hier noch vergleichsweise spartanisch eingesetzten Actionsequenzen (auf ganze drei entsprechende Szenen bringt es der Film, wobei deren Herzstück, die kunstvoll gefilmte Verfolgungsjagd, pursten Kinoklassizismus darstellt) sollten beinahe sämtliche Elemente aus "Bullitt" in den künftigen Jahren immer wieder auftauchen. Eine solche Entwicklung markiert ja stets ein Zeichen für einen ikonografischen Film und damit zugleich meist ein sich niemals abnutzendes Sahnestück der Leinwandistorie. Und ein solches ist "Bullitt", ganz ohne Zweifel.

10/10

Peter Yates car chase San Francisco


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ALONE IN THE DARK (Jack Sholder/USA 1982)


"There are no crazy people, doctor. We're all just on vacation."

Alone In The Dark (Zwei Stunden vor Mitternacht) ~ USA 1982
Directed By: Jack Sholder


Für den jungen Psychiater Dr. Potter (Dwight Schultz) erweist sich die neue Anstellung in einem New Jerseyer Provinzsanatorium als echte Herausforderung. Nicht nur, dass die Therapiemethoden seines Kollegen Dr. Bain (Donald Pleasence) höchst unkonventionell anmuten, Bain scheint auch selbst nicht ganz richtig im Kopf zu sein. Wirklich prekär wird es, als ein langwieriger Stromausfall die ganze Gegend heimsucht. Vier in Bains Spezialstation 3 einsitzende, wahnsinnige Schwerverbrecher (Jack Palance, Martin Landau, Erland van Lidth, Phillip Clark) können die Sicherheitseinrichtungen überwinden und fliehen aus der Anstalt. Ihr Ziel: Das Haus Dr. Potters. Die vier sind nämlich der fixen Idee aufgesessen, Potter habe seinen Vorgänger Dr. Merton (Larry Pine) ermordet und müsse nun dafür bestraft werden...

Frühes New-Line-Glanzstück von Jack Sholder, der in der nicht zu unterschätzenden, glücklichen Position war, über eine wahre, zudem in Topform befindliche Prachtbesetzung verfügen zu können. Das Slasherthema des sich durch die Reihen seiner Mitmenschen mordenden Psychopathen war gerade hoch in Mode, als Sholder auf die eigentlich naheliegende Idee kam, nicht nur einen, sondern gleich vier archetypisch gestaltete und zu allem Überfluss noch fraternisierte boogey men auftreten zu lassen. Dieses Beispiel machte zwar nicht Schule, erwies sich aber trotzdem als kurzfristig wirkungsvoll. Dass zumindest drei der Irren recht populäre Gesichter ihr Eigen nennen, ist dann für den inneren Rhythmus des Films gewissermaßen wieder kontraproduktiv, letztlich aber kein echter Störfaktor. Diskutieren ließe sich vielleicht über die ziemlich billige, populistische Denunziation der forensischen Psychiatrie, da ich die Thematisierung von reaktionärem Gebahren im Horror- und Splatterfilm aber tatsächlich für eher amüsant denn zweckdienlich halte, lasse ich es an dieser Stelle einfach bleiben.
"Alone In The Dark" ist abseits davon grimmiges, witziges Horrorkino der Klasse A, wobei sich mir die Frage stellt, weshalb der Film eigentlich nur einen so niedrigen Bekanntheitsgrad genießt. Für ein solches Kabinettstückchen schwerstens unverdient.

7/10

Psychiatrie Jack Sholder Slasher Serienmord Belagerung


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THE LAST HOUSE ON THE LEFT (Wes Craven/USA 1972)


"Piss your pants!"

The Last House On The Left (Mondo Brutale) ~ USA 1972
Directed By: Wes Craven


Ein Trip nach New York anlässlich Maris Collingwoods (Sandra Cassell) 17. Geburtstags wird ihr und ihrer Freundin Phyllis (Lucy Grantham) zum Verhängnis. Auf der Suche nach ein bisschen Dope geraten sie in die Fänge des flüchtigen Gewaltverbrechers Krug Stillo (David Hess), seiner zwei Kumpanen (Fred Lincoln, Jeramie Rain) und seines labilen Sohnes (Marc Sheffler). Das sich als veritable Gruppe von Psychopathen entpuppende Gangsterquartett erniedrigt, vergewaltigt und ermordet die beiden Mädchen, zufällig ganz in der Nähe des abgelegenen Hauses von Maris Eltern (Richard Towers, Cynthia Carr). Wegen einer Autopanne begeben sich die Kriminellen nach ihrer Bluttat ausgerechnet zu den Collingwoods. Als diese durch einen dummen Zufall realisieren, wen sie da bei sich zu Gast haben und dass diese Menschen für Maris Tod verantwortlich sind, rächen sie sich auf grausame Weise.

Ein leuchtendes Beispiel dafür, welch reizvolle Blüten New Hollywood trieb und dass die ganze Bewegung nicht nur das Studiosystem verunsicherte und umkrempelte, sondern auch unabhängigen Debütfilmern den Weg ebnete und Nebenschauplätzen wie dem New Yorker Underground Tür und Tor zum internationalen Filmgeschehen öffnete. Für "The Last House On The Left" taten sich die aus dem Horrorfilmgeschäft der achtziger Jahre nicht mehr fortzudenkenden Namen Wes Craven (Autor & Regisseur), Sean S. Cunningham (Produzent) und Steve Miner (Produktionsassistent) zusammen, um, enttäuscht, müde und angepisst von der allgegenwärtigen gesellschaftlichen Verlogenheit und beeinflusst von Bergmans Drama "Jungfrukällan" ein neues, wütendes Subgenre zu kreieren: das des Terrorfilms. Erst vor einigen Jahren wiederentdeckt und zu neuer Aktualität geführt, ankerten die Grundgedanken und -schemata dieser Art Film, die im gegenwärtigen Jargon so gern als "toture porn" bezeichnet wird, erstmalig hier: Unschuldige Menschen, vorzüglich Mädchen aus zumeist bourgeoisem Hause, geraten in die Gefangenschaft brutaler Unholde, die sie emotional und sexuell bedrängen, quälen und häufig töten. Hernach ergibt sich allerdings stets auch eine karthatische Reaktion in Form der noch gnadenloseren Rache der Opfer oder ihrer Hinterbliebenen, die nicht zuletzt dazu fungierte, das Publikum zumindest halbwegs versöhnt entlassen zu können. "Last House" ist aber vor allem auch eine böse Komödie, eine tiefschwarze Satire über die Grenzen der Funktionalität der bürgerlichen Gesellschaft - das liberale Ärzteehepaar vergisst in der Konfrontation der furchtbaren Realität jedwede Zivilisiertheit und verfällt zurück in eine archaische Totschlagsmentalität, die zudem noch ziemlich genüsslich praktiziert wird. Derweil ist ein Großteil der Ereignisse ausschließlich der Inkompetenz zweier dämlicher Provinzpolizisten (Marshall Anker, Martin Kove) zu verdanken, die nicht nur Maris und Phyllis' Martyrium hätten verhindern können, sondern zugleich noch für Deeskalation im Hause Collingwood hätten sorgen können. Stattdessen fressen sie - eine stark symbolbeladene Sequenz - Maris von der Mutter selbst und mit Liebe gebackene Geburtstagstorte auf.
"The Last House On The Left" geriert sich bis in die Gegenwart als ein billiger, schmutziger, unangenehm zu betrachtender, vor allem aber starker, kluger und radikaler Film, wie er nur von jungen Wilden hergestellt werden kann, denen keine Autorität ins rohe Handwerk pfuscht und die noch ernsthaft etwas mitzuteilen haben.

9/10

New York Exploitation Terrorfilm Independent Splatter Wes Craven Rache New Hollywood


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JAGGED EDGE (Richard Marquand/USA 1985)


"Is that your head talking, or another body part runnin' out of me? Hey, ok, what the hell, fuck me."

Jagged Edge (Das Messer) ~ USA 1985
Directed By: Richard Marquand


Um seine Verteidigung möglichst öffentlichkeitswirksam und glaubwürdig zu gestalten, engagiert der Mordverdächtige Jack Forrester (Jeff Bridges) die gutgläubige Anwältin Teddy Barnes (Glenn Close). Der charismatische Forrester soll seine immens reiche Gattin (Maria Mayenzet) umgebracht haben, um an ihr Vermögen zu gelangen. Er jedoch beteuert seine Unschuld und Teddy ist sehr geneigt, ihm zu glauben - zum einen, weil der gegnerische Staatsanwalt Krasny (Peter Coyote) ein hinterhältiger Hund ist, zum anderen, weil sie sich schwer in ihren Mandanten verguckt...

Nach einem wie üblich maßgeschneiderten, mit diversen four-letter-words angereichertem Script von meinem ganz speziellen "Freund" Joe Eszterhas erwuchs dieser grundtypische Achtziger-Baukastenkrimi, der wie viele seiner Mitläufer auf eine subtile, wie beiläufig-zufällige Weise ein paar widerwärtig oberflächliche, für seine Entstehungszeit charakteristische Existenzmaximen propagiert. Die Dramaturgie des Films folgt dem üblichen, immer wieder bemühten und weitestgehend vorhersehbaren Schema, dass einer ganzen Kohorte von Kriminalfilmen ihre eigenartige Identität verleiht. Dass Marquand Besseres zu fertigen imstand ist, hatte er einige Jahre zuvor mit der ungleich intensiveren und in mehrfacher Hinsicht gewichtigeren Follett-Verfilmung "Eye Of The Needle" unter Beweis stellen können. "Jagged Edge" taugt im Gegensatz zu diesem lediglich gut zu dem, als das ich ihn gestern ohnehin benutzt habe: als unspektakulärer Feierabendfilm, der die nachfolgende, nächtliche Traumwelt garantiert unbehelligt lässt. Ein zumindest unterhaltsames Kinorelikt.

5/10

Richard Marquand Courtroom San Francisco Joe Eszterhas


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JOHNNY HANDSOME (Walter Hill/USA 1989)


"We both know what and who you are, Johnny Handsome."

Johnny Handsome ~ USA 1989
Directed by: Walter Hill


Der durch einen Geburtsdeffekt gesichtsentstellte John Sedley (Mickey Rourke), den seine Bekannten aus der Unterwelt von New Orleans nur spöttisch 'Johnny Handsome' nennen, nimmt an einem Überfall auf einen Juwelier teil, der helfen soll, Johnnys einzigen, väterlichen Freund Mickey (Scott Wilson) zu sanieren. Das Verbrecherpärchen Rafe (Lance Henriksen) und Sunny (Ellen Barkin), die ebenfalls dabei sind, hauen die anderen übers Ohr, erschießen alle bis auf Johnny und setzen sich danach ab. Johnny kommt ins Gefängnis, wird dort jedoch zum Opfer eines von Rafe befehligten Mordanschlags. Sein behandelnder Arzt (Forest Whitaker) bietet Johnny an, an einem Resozialisierungsprogramm teilzunehmen, das Johnnys Gesicht glätten und ihm eine neue Identität verschaffen soll. Johnny willigt ein, mit nur einem Gedanken im Kopf: Rache.

Zwischen den recht lauten und schussintensiven "Extreme Prejudice" und "Another 48 Hrs." kam von Walter Hill dieses kleine Gangsterkammerspiel, eine so seltsame wie faszinierende Melange unterschiedlichster Elemente. Seine Keimzelle findet "Johnny Handsome" zweifelsohne im film noir. Die Charaktere erscheinen eher grob skizziert und stark archetypenbeeinflusst, Figuren, wir wie sie bereits hundertmal gesehen zu haben glauben. Die Konstellation Gangster - Bulle, zwischen gegenseitiger Feindschaft und innerer Sympathie, ist ganz ähnlich wie im elf Jahre älteren "The Driver" angelegt; wirklich neu indes ist das "Elephant Man" - Mosaikstück - ein physisch gezeichnetes, an sich sanftmütiges Individuum, das den grausamen Zynismus seiner sensibilitätsentledigten Umwelt zu ertragen hat. Dass es dann unerkannt, mit anderem Gesicht zurückkehrt, um die Karten neu zu mischen, hat wiederum etwas von Delmer Daves' wunderbarem "Dark Passage". Da schließt sich dann auch der Kreis der Einflüsse.

8/10

New Orleans film noir Walter Hill Rache neo noir


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THE DRIVER (Walter Hill/USA 1978)


"I really like chasing you." - "Sounds like you got a problem."

The Driver ~ USA 1978
Directed By: Walter Hill


Der Driver (Ryan O'Neal), ein in völliger Anonymität arbeitender Fluchtwagenfahrer, gilt als Bester seines Metiers. Dem Detective (Bruce Dern) ist er jedoch ein gewaltiger Dorn im Auge. Als der Driver von einer Spielerin (Isabelle Adjani) identifiziert wird, besticht er sie, damit sie den Mund hält. Gemeinsam versucht man, an die Beute eines von Kunden des Driver vermasselten Raubzugs zu kommen, den Detective stets dicht auf den Fersen.

Für "The Driver" reduziert Walter Hill die Genrevorgaben auf das absolut notwendigste Minimum. Seine Figuren benötigen nicht einmal mehr Namen, weil diese bereits als Kokettiererei missverstanden werden könnten. Obgleich - schon der Titel suggeriert es - Hills Film mit Begriffen wie Verfolgung, Jagd und Bewegung operiert, erscheint er auf angenehme, weil vollkommen lässige Weise statisch. Hill bewegt sich in atmosphärischer Hinsicht eher im Dunstkreis seines französischen Kollegen Melville (den er darüberhinaus ausgiebig zitiert) denn in jenem der eigentlich doch naheliegenderen Vorbilder aus dem eigenen Lande. Bildliche Kinetik und Rasanz strebt der Film dann auch ausschließlich in den (durchaus als Motor des Films inszenierten) Szenen an, in denen der Driver seine 'Kunst' ausstellt - einmal, als er in einer Tiefgarage zweien vom Detective angestifteten Räubern (Joseph Walsh, Rudy Ramos) absichtlich den Mercedes zerlegt, demonstriert er eindringlich, warum er es sich leisten kann, Schusswaffen abzulehnen. Sein stets kühl agierender Verstand und seine Kaltschnäuzigkeit, die allerdings kaum vieler Worte bedarf, sind ihm Waffe genug. Ryan O'Neal, der, wie es einem veritablen Einzelgänger geziemt, stets auch ein wenig Traurigkeit und Wehmut im Blick hat, ist perfekt in seiner Rolle. Im Nachhinein verwundert es, dass er nicht mehr solche Vorstellungen gegeben hat.
"The Driver" ist auch ein ultimativer Großstadtfilm. Seine plastische Urbanität zeichnet er primär in Nachtszenen, wenn der Stadtkern, abgesehen von den zahlreichen, hell erleuchteten Hochhausfenstern, wie tot wirkt und das vertikal-horizontale Straßennetz zum persönlichen Aktionsfeld des Driver wird. Unter anderem darum ist Hill einer der wichtigsten und beleumundetsten Fachmänner - er hat die Strukturen, derer er sich bedient bzw. die er umgestaltet, nicht nur gänzlich durchschaut, sondern sie auch bis zur letzten Konsequenz internalisiert.

9/10

Duell car chase Walter Hill





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