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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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SURROGATES (Jonathan Mostow/USA 2009)


"It appears, at least for now, that we are on our own."

Surrogates ~ USA 2009
Directed By: Jonathan Mostow


Im Jahre 2056 pflegen fast sämtliche Menschen ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen und ihren Alltag stattdessen mittels ihres jeweiligen "Surrogate" zu bewältigen. Bei diesem handelt es sich um einen geistig und sensitiv komplett von zu Hause aus gelenkten Roboter, der als Avatar fungiert. Für die Menschen selbst besteht somit keinerlei Gefahr mehr durch äußere Einflüsse oder Faktoren und da sie nur noch als ihre künstliche Version auftreten, sehen sie permanent aus wie aus dem Ei gepellt. Auch der seit dem Tode seines kleinen Sohnes depressive Cop Tom Greer (Bruce Willis) hat einen 'Surrey', wie die Stellvertreter-Androiden liebevoll bezeichnet werden. Als er den Mord an Unternehmersohn Canter jr., der via seinen Surrey (James Francis Ginty) getötet wurde, aufklären muss, gerät er an die Anti-Surrogate-Bewegung der "Dreads" und ihren prophetischen Führer (Ving Rhames).

Was inhaltlich zunächst wie eine Story von Dick oder Asimov anmutet, basiert tatsächlich auf einer kleinen, noch jungen Comicserie, die die oberflächlich verlockende Idee, sich nurmehr in Form eines robusten, wunderhübschen Ersatzkörpers durch die Welt bewegen zu können, kultiviert. Die Schattenseiten einer solchen "Realität der versteckten Leiber" werden selbstverständlich ganz schnell offenbar. Die daheim in ihren abgedunkelten Räumen verschanzten, echten Menschen verlieren vollkommen den Bezug zur Außenwelt und werden zu kränklichen Schatten ihrer selbst. Als Tom Greer erstmals nach langer Zeit persönlich ans Tageslicht treten muss, weil sein Surrey zerstört wurde, wird er umgehend das Opfer böser Angstzustände. Dass er sich im Nachhinein zu einem gemäßigteren, unvorhergesehenen Agenten bzw. Handlanger des Oberbösewichts machen lässt und die komplette Menschheit zum cold turkey nötigt, wirkt angesichts seiner vorgelaufenen Charakterzeichnung zwar etwas abenteuerlich, steht dem in eine ähnliche Kerbe wie Proyas' "I Robot" schlagenden "Surrogates" jedoch summa summarum ganz gut zu Gesicht. Das größte Problem von Mostows Film dürfte sein, dass er viel zu kurz geraten ist. Die inhaltliche Prämisse hätte durchaus das Potenzial zu mehr Komplexität gehabt, die mutmaßlich zugunsten von Straffungsgründen fallen gelassen wird. Ansonsten bleibt der Film bis auf die sehr brauchbare Vorstellung Willis' eigenartig aseptisch. Der seltsam dumpfe Farbfilter wirkt leicht befremdlich, möchte aber nicht ausschließen, dass er bei späterer Betrachtung noch seine Geltung entfalten wird.

6/10

Roboter Jonathan Mostow Kunstmensch Zukunft Dystopie Comic Androiden


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L'AMOUR BRAQUE (Andrzej Żuławski/F 1985)


Zitat entfällt.

L'Amour Braque (Liebe und Gewalt) ~ F 1985
Directed By: Andrzej Żuławski


Der ungarische Adelssprössling Léon (Francis Huster) begibt sich nach einem langwierigen Psychiatrie-Aufenthalt nach Paris, um dort eine Zeitlang bei Bekannten unterzukommen. Im Zug begegnet er dem Gangster-Anarcho Micky (Tchéky Karyo) und seinen Kumpanen, die soeben von einem Banküberfall kommen. Micky drängt sich Leon auf und schwärmt ihm von seiner heißgeliebten Mary (Sophie Marceau) vor, die er in Paris aus den Fängen der Venin-Familie befreien will. Die gemeingefährlichen Venins lassen Marie sich prostituieren und haben auch deren Mutter auf dem Gewissen, zugleich sind sie dafür verantwortlich, dass Mickys Vater lange Jahre im Gefängnis verbracht hat. Léon, der sich gleich bei der ersten Begegnung mit ihr in die so schöne wie labile Mary verliebt, gerät zwischen die Fronten dieses bizarren Gangsterkriegs.

"Eine", so Żuławski, der Kompromisslose, "Transponierung von Dostojewskis "Der Idiot" in die Gegenwart von 1985", in das Pariser Gangstermilieu, um inhaltlich etwas eloquenter zu sein (dafür, dass dabei keine Rede von einer wie auch immer gearteten Anbindung an die Realität sein kann, bürgt das permanent irrationale Verhalten fast sämtlicher Charaktere). Vielmehr noch eine Transponierung in Żuławskis filmischen Kosmos zwischen Wahn und Tod, Geisteskrankheit und blanker Emotion. Das Kinopendant zum gelebten Laissez-faire, zur totalen Anarchie. 'Seelenstriptease', wie es sich so schön tradiert, aber immer wieder treffend anbringen lässt. Erster Film mit seiner Muse und späteren Ehefrau Sophie Marceau, damals gerade neunzehn Jahre jung. Ebenso wie von Huster, Karyo und all den anderen Darstellern verlangt der Filmemacher von ihr ein Entblößen aufs Äußerste, die Entledigung jedweder Hemmnisse und Schranken. In einer Szene stellt Sophie/Mary eine Szene aus Tschechows "Möwe" dar und schafft für Nanosekunden das nahezu Unmögliche: Ein Einreißen sämtlicher Barrieren zwischen ihr selbst, ihrer Rolle und der äußeren Realität - Transzendenz. Hernach wird niemand mehr ein hübsches Teenie-Starlet in der Marceau sehen. "La Boum" ist kaum kalt und schon wieder vergessen. Huster veranstaltet, analog zum Vorlagen-Fürst Myschkin, einen manisch-depressiven Affentanz mitsamt epileptischen Anwandlungen; Karyo, ansonsten ja ein eher ruhiger Vertreter, hat man selten, wahrscheinlich gar noch nie derart ausgelassen erlebt. Wenn man Żuławski schätzt, ist diese "verdrehte Liebe" zwischen Idiotenprinz und Jungfrauenhure - man könnte sie auch als extremes, mentales Wechselduschen bezeichnen - so gottgleich wie jeder seiner Filme. Wer es erstmals mit ihm versucht, sollte sich jedoch vielleicht woanders umschauen...

9/10

Rache Parabel Paris Andrzej Zulawski Groteske


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THE SEVEN-UPS (Philip D'Antoni/USA 1973)


"Respect for the dead is considered very important. You know that."

The Seven-Ups ~ USA 1973
Directed By: Philip D'Antoni


Die Seven-Ups um Buddy Manucci (Roy Scheider) sind eine kleine, paralegale Truppe der New Yorker Polizei, die von den Kriminellen der Stadt besonders ihrer rüden Ermittlungsmethoden wegen gefürchtet ist. Ausgerechnet Vito Lucia (Tony Lo Bianco), Bestattungsunternehmer, Jugendfreund und Informant Manuccis, beteiligt sich maßgeblich an einem lukrativen Kidnapping-Geschäft, dem nacheinander die großen Mobster der Stadt auf den Leim gehen. Als bei einer dieser Aktionen Manuccis Kollege Ansel (Ken Kercheval) erschossen wird, drehen die Seven-Ups noch gnadenloser auf als ohnehin, um die Kidnapper festnageln zu können.

Ein reaktionärer Filmbericht: "The Seven-Ups" ist ein bleibend sagenhaft guter Polizei- und Actionfilm, bei dem mir jedesmal, da ich ihn sehe, permanent und als Nachhall die blanke Wehmut durch den Kopf schwirrt: 'Sowas wird heute einfach nicht mehr gebaut.' Die Gesichter waren kantig, die Schauspieler, unter ihnen nicht sonderlich schöne, aber eben glaubhafte Charakterköpfe wie Joe Spinell oder Richard Lynch, wirkten lebensecht. Und erst diese zwingende Kreierung von Urbanität. Man getraute sich, vom herbstlich-grauen New York auch die finstersten und schmierigsten Drecksecken abzulichten, um so den notwendigen Effekt gnadenlosen Naturalismus' zu erzielen. Die Verfolgungsjagden (von denen "The Seven-Ups" eine der besten zeigt, die bis dato überhaupt im Film zu bewundern sind - und das wohlgemerkt nicht als Showdown, sondern mittendrin) wurden noch der Bezeichnung "kinetisch" gerecht, ja, organisch waren sie gar und entbehrten jedweder Form allzu offensichtlicher Choreographie. Hinzu kam der stoische Verzicht auf Geschwätzigkeit, Phrasen, Worthülsen, wie sie heute ganz Szenen füllen. Zwar erreicht D'Antonis Film - nebenbei seine einzige Regiearbeit - nicht ganz das große von ihm produzierte Vorbild "The French Connection" (unter anderem, da dessen schmerzlich ambivalente Figurenzeichnung hier keinen Platz findet), bietet jedoch in jedem Fall pures, unverfälschtes Genre-Kino, das einen noch lange im Nachhinein für jede neuerliche Betrachtung dankbar sein lässt.

9/10

Mafia New York Philip D'Antoni car chase


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JOY RIDE (John Dahl/USA 2001)


"Candy Cane? Are you there?"

Joy Ride ~ USA 2001
Directed By: John Dahl


Student Lewis (Paul Walker) besorgt sich ein Auto, um seinen Schwarm Venna (Leelee Sobieski) durch den Westen kutschieren zu können und ihr so näherkommen zu können. Dummerweise schaltet sich auch Lewis' ewig delinquenter, älterer Bruder Fuller (Steve Zahn) ein, der mal wieder eingesessen hat und nun abgeholt werden möchte. Jener ist es auch, der einen ganz dummen Scherz mit Folgen einstielt: Per CB-Funkgerät lässt er Lewis sich als Truckerschlampe 'Candy Cane' ausgeben und irgendeinen Fernfahrer namens 'Rusty Nail' mitsamt Champagnerflasche zu jenem Motel antreten, in dem die Brüder abgestiegen sind Imn deren Nebenraum wohnt nämlich ein mürrischer Typ, dem Fuller einen Denkzettel verpassen möchte. Als dieser Nachbar am nächsten Tag halbtot am Highway gefunden wird, bekommen es Lewis und Fuller mit der Angst. Zu Recht, denn 'Rusty Nail' hat überhaupt keinen Sinn für Humor...

In der Tradition von Spielbergs "Duell", Franklins "Roadgames" und Harmons "The Hitcher" steht Dahls nächster Film, ein überaus gemeiner, dabei rein auf seinen dramaturgischen Grundgedanken heruntergebrochener Thriller. Das Road Movie und speziell der amerikanische Westen mit seinen staubigen Highways haben es Dahl, wie man seit seinen ersten Filmen weiß, angetan, insofern dürfte die Rückkehr in ebendiese Gefilde ihm eine Menge Freude bereitet haben. Zudem ist wie in "Rounders" das Motiv des haltlosen Verlierers, der seinem vernünftigen, aber naiven 'Partner' durch sein unbesonnenes Verhalten den Ärger seines Lebens beschert, von maßgeblicher Gestalt. "Joy Ride" vertritt und lebt, ähnlich wie die genannten Beispiele, eine besondere Form des Reduktionismus: Nachdem der personifizierte Terror Macht über seine mehr oder weniger unwissenden Opfer gewonnen hat, ist es, als würden diese geradewegs in eine Art dämonischer Parallelwelt gezogen, in der althergebrachte Institutionen wie Staatsgewalt vollkommen außer Kraft gesetzt sind. Die Bemitleidenswerten werden zu Spielbällen einer teuflisch anmutenden, anonymen Macht, die sie buchstäblich bis aufs letzte Hemd auszieht und einen unvergesslichen Denzettel verabreicht. Eine feine Ironie und Eigenart des Road Thrillers, dass dies keine fröstelnde Dunkelheit benötigt - der bare Schrecken spielt sich bei gleißendem Sonnenlicht und in sengender Hitze ab.

7/10

Road Movie Trucker Madness John Dahl


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THE BAD SEED (Mervyn LeRoy/USA 1956)


"You won't go to Heaven when you die!"

The Bad Seed (Böse Saat) ~ USA 1956
Directed By: Mervyn LeRoy


Eines bösen Tages sieht die seit eh und je mit ihrer Herkunft hadernde Offiziersgattin Christine Penmark (Nancy Kelly) sich einen lang gehegten, latenten Verdacht gegenüber ihrer achtjährigen Tochter Rhoda (Patty McCormack) bestätigen. Das engelsgesichtige, besonders bei älteren Damen beliebte Mädchen entpuppt sich als eiskalte Mörderin bar jeglichen Sinnes für Gerechtigkeit, einzig auf ihren persönlichen Vorteil bedacht, habsüchtig und grenzenlos brutal. Christine kommt ins Grübeln: Könnte das damit zusammenhängen, dass Rhoda das Wesen von Christines echter Mutter, einer gesuchten Verbrecherin, "ererbt" hat?

Der auf einem Roman und einem Thaterstück basierende, ebenso packende wie unerhörte "The Bad Seed" lieferte der in der Entwicklungspsychologie verwurzeltenen Anlage-Umwelt-Debatte, die die Kernformulierung des Wissenschaftlerstreits darum bildet, ob das menschliche Wesen zu Teilen oder sogar ausschließlich auf genotypischer Determination oder eben auf extrinsischen Sozialisationsprozessen basiert, neues Futter. Der Film nimmt dabei eine immerhin leicht gemäßigte Perspektive ein und argumentiert (im Sinne Dawkins'), dass es hier und da durchaus Fälle gebe, in denen die genetische Erblast dominiere und Kinder damit bereits im niedrigen Alter unbeeinflussbar und unabhängig von ihrem erzieherischen Umfeld zu Schwerkriminellen würden. "The Bad Seed" verwandelt das in vortreffliche, bisweilen kitschige Exploitation von größter Sogkraft. Die Krone wird dem Ganzen dann durch das hofnungslos puritanische, mit "göttlicher Gerechtigkeit" garnierte Ende aufgesetzt. Sei's drum, LeRoys absolut geschlossener Inszenierung schadet selbst das nichts. Exzellente, eindeutig dem Thater bzw. der frühen method-acting-Schule entstammende Schauspieler (neben einer der besten mir bekannten Kinderdarstellungen durch die McCormack wäre da vor allem die brillante Eileen Heckart zu nennen), bestimmen das fast ausschließlich auf das Haus der Familie Penmark beschränkte Kammerspiel und machen es zu einer aus psychologischer Warte betrachtet zwar hemdsärmeligen, nichtsdestotrotz aber saumäßig spannenden Angelegenheit.

9/10

Mutter Kinder Psychologie Mervyn LeRoy Serienmord based on play


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RIVELAZIONI DI UN MANIACO SESSUALE AL CAPO DELLA SQUADRA MOBILE (Roberto Bianchi Montero/I 1972)


Zitat entfällt.

Rivelazioni Di Un Maniaco Sessuale Al Capo Della Squadra Mobile (Schön, nackt und liebestoll) ~ I 1972
Directed By: Roberto Bianchi Montero


Commissario Capuana (Farley Granger) von der römischen Polizei sieht sich einem Serienmörder gegenüber, der es ausschließlich auf Damen aus der höheren Gesellschaft abgesehen hat, welche ihren Ehemännern zudem allesamt Hörner aufsetzen. Nach einem Schäferstündchen mit ihrem jeweiligen Liebhaber stellt der Schlitzer sie und schickt sie auf blutige Weise per Rasierklinge ins Jenseits, stets eine Fotografie hinterlassend. Zunächst verdächtigt Capuana den gestörten Leichenpräparator Gastone (Luciano Rossi), doch entpuppt sich dieser, abgesehen von ein paar lockeren Schräubchen, als ganz harmlos...

Giallo von mittlerer Qualität, an dem vor allem die flockige (Hamburger?) Synchronisation zu erfreuen weiß. Der Film fährt ziemlich schwere reaktionäre Geschütze auf; denunziert großflächig Homosexuelle als tuntige Paradiesvögel und geht hart mit dem sexuellen Libertinismus seiner Zeit, den er vor allem bei der wohlsituierten, dekatenten Bourgeoisie verortet, ins Gericht. Besonders das sich als ziemlicher Stimmungsdrücker präsentierende Finale trägt dieser Haltung Rechnung. Wirklich spannend oder gar sonderlich stilistisch aufregend ist "Rivelazioni" eigentlich nie. Was gefällt, sind die schicken siebziger Interieurs, die dem geneigten Hobby-Innenarchitekten mit Retro-Ambitionen diverse schicke Anregungen liefern.
Bezüglich seines Titels, der ins Deutsche übersetzt wohl soviel wie "Enthüllungen eines Sexgestörten gegenüber einem Chef der Kriminalpolizei" heißt und der sich auf eine einzige, zudem recht unbedeutende Szene im Film bezieht, dürfte Monteros Film allerdings ein Rekordhalter sein. Der deutsche Name verspricht eher einen lustigen Softporno und macht sich damit, trotz ein wenig (moderater) Fleischbeschau, geradezu gemeingefährlicher Publikumsirreführung zuständig. Wie ich höre, gab es auch eine für den US-Markt erweiterte HC-Fassung unter dem zweideutigen Namen "Penetration", gegen die Hitchcock-Veteran Farley Granger wohl erfolgreich prozessiert hat. Anyway, einmal anschauen reicht mir fürs Erste vollkommen aus.

6/10

Italien Rom Roberto Bianchi Montero Serienmord Softsex Europloitation Giallo


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WILD GEESE II (Peter Hunt/UK, AU 1985)


"But... I deserve being imprisoned!"

Wild Geese II (Wildgänse 2) ~ UK/AU 1985
Directed By: Peter Hunt


Alex Faulkner (Edward Fox), Bruder des verstorbenen Söldners Allen Faulkner und ebenfalls vom Fach, bekommt von einer britischen Mediengesellschaft das Angebot, für eine stattliche Summe den über neunzig Jahre alten Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß (Laurence Olivier) aus seinem Gefängnis in Spandau zu befreien - die anschließende Sensation, so versichert man ihm, wäre ohnegleichen und Hess könne diverse brüskierende Geheimnisse über die Supermächte preisgeben. Faulkner lehnt das irrsinnige Unterfangen zunächst ab, empfiehlt aber seinen Kollegen Haddad (Scott Glenn), der den Auftrag dann auch tatsächlich annimmt. Nachdem Haddad auch Faulkner überredet hat, einzusteigen, bekommt er es in Berlin mit einem ominösen Terror-Netzwerk und den Sowjets zu tun, noch ehe er die Planung zu Heß' Befreiung auch nur konkretisieren kann.

Nachdem nicht weniger als sechs Söldner- und Kriegsfilme, davon mindestens einer lange vor McLaglens "The Wild Geese" entstanden waren, häufig solche aus der Produktions- oder Verleihschmiede des Schweizers Erwin C. Dietrich (unter zumeist italienischer Beteiligung), und das erfolgreiche "Wildgänse"-Trademark verwurstet hatten, beendete dieses einzige reguläre Sequel das entsprechende title dropping ziemlich unversehens. Für "Wild Geese II" krallte sich der Produzent Euan Lloyd den Vorlagenautor des ersten Teils, Daniel Carney, der extra für den zweiten Film einen Roman anfertigte, den Original-Scriptautor Reginald Rose und den Kompositeur Roy Budd. Zunächst sollte auch Richard Burton noch einmal als Allen Faulkner antreten, doch seine extrem unstete Lebensweise brachte ihn ganz kurz vor der Umsetzung dieser Pläne leider ins frühe Grab. Die Originalplakate zeugen noch von Burtons geplanter Mitwirkung; eine Pre-Title-Sequenz, die einige Szenen des Vorgängers zusammenfasst, versichert uns schließlich den hochoffiziellen Status des vorliegenden Films. Da Lloyd keinen einfachen Ersatz für Burton wünschte, wurde das Script kurzerhand zugunsten Edward Fox' Bruderrolle umgedichtet und mehr Gewicht auf Scott Glenns Part gelegt. Zudem gab es im Vergleich zum Vorgänger ein weiteres Novum: Besetzt von Barbara Carrera, die in den frühen und mittleren Achtzigern häufig im Actionfilm anzutreffen war, kam eine relativ gewichtige Frauenrolle hinzu. Einige Stars aus der zweiten Reihe, darunter Ingrid Pitt, John Terry und Robert Webber, gaben sich ein Stelldichein in Gastauftritten. Für Laurence Olivier, der, seine zwischen wacklig und rührend pendelnden Auftritte zeugen davon, ebenfalls bereits mit einem Bein in der Kiste zu stehen scheint und der in den späten Karriejahren ja so oder so häufig mit dem Nazifach in Verbindung trat (s. "Marathon Man" und "The Boys From Brazil"), war dies eine der letzten appearances - eine ganz schöne, wohlgemerkt.
Als eigenständiger Söldnerfilm geht "Wild Geese II" in Ordnung. Zwar fehlt das exotische Ambiente des Erstlings und der Dietrichs, die Mauerstadt mitten im Kalten Krieg und ein paar gelungener filmischer Verweise auf ihren damaligen Enklavenstatus (in einer Szene steht Scott Glenn auf einer Empore und blickt ungläubig in den Ostteil der Stadt herüber) aber wirken sich sogar recht seriös aus. Ziemlich daneben geht es, wenn der Film notgedrungen versucht, den Charme des Originals zu repetieren, etwa in der Person des Schleifers (Paul Antrim). Das landet völlig in der Hose und wäre eher zu vermeiden gewesen. Wie stets in seinen stoischen Eighties-Performances - ich denke da besonders gern an "Man Of Fire" - ist Scott Glenn ein erfreulich wortkarger Held und Roy Budds Musik immerhin fast so gut wie die fürs Original. Insgesamt gibt's wohl geringfügig mehr auf der Habenseite; für "The Wild Geese", den ich zu meinen Lieblingsfilmen zähle, bedeutete Hunts Fortsetzung jedoch niemals auch nur den Hauch einer Gefahr.

6/10

Nationalsozialismus Berlin Kalter Krieg Soeldner Peter Hunt Daniel Carney


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UNFORGETTABLE (John Dahl/USA 1996)


"Ain't you proud a bit?"

Unforgettable ~ USA 1996
Directed By: John Dahl


Der Gerichtsmediziner Dr. Krane (Ray Liotta) ist besessen davon, den wahren Mörder seiner Frau (Stellina Rusich) zu finden, nachdem man ihn zunächst selbst des Mordes an ihr verdächtigt hat, er jedoch wegen Indizienmangels wieder freigelassen werden musste. Diesem Umstand kommt eine Entdeckung der Wissenschaftlerin Dr. Briggs (Linda Fiorentino) zugute: Diese hat herausgefunden, dass ein aus dem Gehirn einer Ratte extrahiertes Rückenmarksflüssigkeit CSF zugleich als Wahrnehmungsspeicher fungiert und in Kombination mit einer bestimmten Droge ganze Erinnerungswelten auf ein anderes Tier übetragen kann. Krane verschafft sich die Substanz, entnimmt einem Opfer des vermeintlich echten Mörders (Kim Coates) etwas CSF und begibt sich auf einen mentalen Trip in die Vergangenheit - nur der Auftakt zu einer Verkettung ungeheurer Ereignisse.

Filme nach Songs von Nat King Cole zu benennen, ist offenbar nicht die schlechteste Methode für die Auferlegung eines tendenziellen Qualitätsmerkmals - siehe Neil Jordans großartigen "Mona Lisa". Jedenfalls begab sich John Dahl nach seinen beiden neo noirs "Kill Me Again" und "Red Rock West" auf das für ihn eher ungewöhnliche Terrain des Thrillers mit phantastischem Einschlag. 'Medical Fiction' wäre wohl eine halbwegs zutreffende Kategorisierung. "Unforgettable" bemüht die literarischen Welten eines Phillip K. Dick und eines William Gibson, allerdings ohne die Tragweite oder gar die Konsequenzen der Übertragung von Gedanken und Identitäten aus einem Rezeptionsmilieu in ein anderes in Augenschein zu nehmen. Dafür bleibt der Film allzu oberflächlich und primär an konsumierbaren Schauwerten interessiert. Der einzige Nachteil, den die Verabreichung des Stimulanz hat, ist angeblich eine nachhaltige Herzschwäche; der Effekt auf das Probandengehirn wird nicht weiter verfolgt. Dabei hätte gerade dort das Potential gelegen, aus "Unforgettable" einen hochklassigen Diskursfilm zu machen - so bewegt er sich in den abgesicherten Thrillerbahnen. Durchaus spannend zwar, unterhaltsam und gut, aber eben doch bloß im Rahmen der Konevention. Hervorstechendstes Merkmal des Films sind weniger Regie und Buch denn die sympathischen Darsteller. Ray Liotta sehe ich ohnehin stets gern.

6/10

Medizin Seattle John Dahl


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TARGETS (Peter Bogdanovich/USA 1968)


"All the good movies have been made."

Targets (Bewegliche Ziele) ~ USA 1968
Directed By: Peter Bogdanvich


Während der in einer Sinnkrise befindliche, alternde Horrorstar Byron Orlok (Boris Karloff) beschließt, seine Karriere ein für allemal an den Nagel zu hängen und nicht länger als fleischgewordener Dinosaurier durch irgendwelche mediokren B-Filme zu stapfen, verliert ein junger Mann namens Bobby Thompson (Tim O'Kelly) den letzten Faden zur Vernunft, tötet seine Familie und verschanzt sich mit seinen Schusswaffen zunächst neben dem Freeway und danach in einem Drive-In-Kino, von wo aus er jeweils diverse Menschen erschießt. Ausgerechnet jene Leinwand, die Thompson für seine Bluttaten missbraucht, zeigt Orloks letzten Film "The Terror", dessen Vorführung von einem persönlichen Auftritt des Schauspielers gekrönt werden soll...

"All the good movies have been made." Dieses bereits legendäre Zitat des vormaligen Kritikers und späteren New-Hollywood-Tonangebers Peter Bogdanovich darf von ihm persönlich in seinem eigentlichen Kinodebüt (sieht man von der vorsätzlichen Gurke "Voyage to the Planet of Prehistoric Women" ab) "Targets" gesprochen werden. Bogdanovich, der im Film einen nach eigenem Bekunden an seinen Mentor und Ideenlieferanten Sam Fuller angelehnten Regisseur spielt, legt sich jenen Satz ausgerechnet an einer Stelle in den Mund, die für einen kurzen Moment die Barriere zwischen Film und Realität aufhebt: Er melancholisiert im Vollrausch und in gesuchter Gegenwart Byron Orloks darüber, dass sein aktuelles Drehbuch eine letzte große Rolle für den Altstar bereithielte, die alle seine Monsterdarstellungen vergessen machen könne. Natürlich ist "Targets" neben vielem anderen auch genau das; eine Hommage an den großen Boris Karloff, der hier sich selbst spielen darf und eine so treffsichere wie weise Performance liefert, nach deren Verve sich jeder Schauspieler seines Alters die Finger lecken muss. Zwar gab es noch ein paar B-Filme nach "Targets", in denen Karloff auftrat, dieser hier darf aber mit Fug und Recht als Hollywoods großes Abschiedsgeschenk an eine seiner Legenden angesehen werden. Meisterlich auch die Szene, in der Karloff W. Somerset Maughams kleine Geschichte "Appointment in Samarra" zum Besten gibt und die Kamera ihm mittels eines langsamen Zooms einen eindringlichen Close-Up beschert. Die Sequenzen um den ausrastenden, dabei aber stets gepflegt und ruhig auftretenden Bobby Thompson wirken dagegen geradezu diametral gesetzt und halten der gefälligen, leichtkomödiatischen Orlok-Episode die kalte Realität eines Psychopathen auf der Jagd entgegen (Thompsons Figur war bekanntlich beeinflusst von dem texanischen Heckenschützen Charles Whitman) - eine treffendere Metapher für den tosenden Einbruch New Hollywoods in die Romantik des golden studio age gibt es wohl nicht. Auch wenn Bogdanovich seinem alten Helden am Ende noch einen finalen Sieg gönnt - die Zeichen der Zeit sind unignorierbar geworden.

10/10

Kino Film im Film Los Angeles Sniper Peter Bogdanovich New Hollywood Hommage Massenmord Amok


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BORDERLAND (Zev Berman/USA, MEX 2007)


"Fuckin' gringos!"

Borderland ~ USA/MEX 2007
Directed By: Zev Berman


Die drei angehenden College-Absolventen Ed (Brian Presley), Phil (Rider Strong) und Henry (Jake Muxworthy) wollen es vor ihrer Immatrukaltion nochmal richtig krachen lassen und ein paar Tage jenseits der mexikanischen Grenze mit Nutten, Bier und halluzinogenen Pilzen verbringen. Im Rausch gerät Phil an eine Gruppe Sektierer des mit Santeria verwandten Palo-Mayombe-Kults. Deren Kopf, der Drogenschmuggler Santillan (Beto Cuevas), glaubt, durch menschliche Blutopfer seine Rauschgifttransporte über die Grenze segnen und unsichtbar machen zu können. Von der hiesigen Polizei im Stich gelassen treffen Ed und Henry auf den Ex-Cop Ulises (Damián Alcázar), der bereits selbst unangenehme Erfahrungen mit den Fanatikern gemacht hat.

Dieser recht spannende Indie-Schocker müsste wohl zu jener mit dem unseligen Kunstbegriff 'torture porn' zusammengefassten kleinen Filmschiene gerechnet werden, in deren Mittelpunkt jeweils eine Gruppe naseweiser US-Jugendlicher steht, die auf ihrem gutgläubigen Rucksacktrip in die - zumindest aus amerikanischer Perspektive - exotische(re)n Gefilde der Erde (Lateinamerika und Osteuropa wimmeln dieser etwas simplifizierten Einbahnstraßenlogik zufolge ja nur so vor menschlichem Gewürm und geistesgestörten Gewaltverbrechern) von irgendwelchen Psychopathen aufgegriffen und unter Höllenqualen zu Tode gequält werden. Aus den populäreren "Hostel" oder "Turistas" ist selbiges Schema ja bereits hinreichend bekannt. Dabei verfährt "Borderland" im Gegensatz zu seinen Vorbildern relativ moderat und müht sich trotz einiger sehr derber Szenen nach Kräften, sich den Ruch des spekulativen Machwerks nach Möglichkeit zumindest nicht allzu offenkundig angedeihen zu lassen. Eine ansonsten ganz flotte, gekonnt-professionelle Gestaltung, die auf der anderen Seite glücklicherweise nicht zu saubermännisch wirkt, unterstützt ihn dabei. Abgesehen von den weithin ins Leere laufenden Diskussionen um die Sinnkrise der Hauptfigur Ed, der sich nicht zwischen einer etablierten, angepassten Lebensweise und einer Aussteigerexistenz entscheiden kann, dann am Ende jedoch selbst zum blutrünstig-gnadenlosen Rächer avanciert, weiß "Borderland" als unbequemer kleiner Nischen- und Schmutzfinkenfilm zumindest in Ansätzen durchaus zu gefallen.

6/10

Independent Mexiko torture porn Zev Berman





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