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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE HUNCHBACK OF NOTRE DAME (William Dieterle/USA 1939)


"Sanctuary! Sanctuary!"

The Hunchback Of Notre Dame (Der Glöckner von Notre Dame) ~ USA 1939
Directed By: William Dieterle


Paris im späten 15. Jahrhundert: Der Buchdruck hat sich soeben den Weg in die Stadt gebahnt, da wähnt der intrigante Dompropst Frollo (Cedric Hardwicke) schon eine mögliche Teufelei in jener Entwicklung, die aufklärerische Philosophien zum völkischen Lauffeuer machen könnte. Zeitgleich kommt die schöne Zigeunerin Esmeralda (Maureen O'Hara) in die Stadt, die ausnahmslos jedem Manne den Kopf verdreht, allen voran Frollo selbst, der wiederum auch dies für eine rein diabolische Verführung hält. Als er einsehen muss, dass er Esmeralda niemals besitzen kann, intrigiert er gegen sie und will sie an den Galgen bringen, doch der von jedermann verspottete, körperlich entstellte Glöckner Quasimodo (Charles Laughton), zugleich Frollos Findelkind, rettet sowohl Esmeralda als auch die Kathedrale Notre Dame de Paris vor der Erstürmung durch revolutionäre Kräfte.

Wie all die großen, monströsen Wesen des Kinos in den Dreißigern blieb auch die innige Zuneigung des Glöckners Quasimodo für seine schöne Angebetete nur ein Traum. "Why was I not made of stone - like thee?", fragt er am Ende die Wasserspeier auf dem Dach seiner Heimstatt und subsummiert damit die ganze Tragik seiner Existenz. Dieterles Quasimodo steht dabei in Ehrfurcht gebietender Tradition: Dracula, Imhotep, der Zwerg Hans, Kong, Frankensteins Monster, der Chirurg Dr. Gogol, das Phantom der Oper und so fort - durchweg traurige, missverstandene, teils übernatürliche, teils erschreckend menschliche Wesen mit dem sie alle einenden, unerfüllten Wunsch nach Wärme, Zuneigung, Liebe oder auch bloß einer Partnerin für die Ewigkeit. Tatsächlich sind all diese vordergründigen Schreckgestalten ja zumeist bloß unförmige Ringer in romantischer Tragödie und damit die schattigen Nebenbuhler von Errol Flynn, Clark Gable und Konsorten. Charles Laughton war dann der letzte große Horrorheld des Jahrzehnts, in einer ungeheuer aufwendigen (die Inszenierung der Massenszenen und des Narrenfests sowie die Bauten von Polglase sind von höchster Kunstfertigkeit) und schönen RKO-Adaption des Hugo-Romans. Der Horror-Stempel wiederum kam freilich als Begleitsymptom, denn im Prinzip tut Quasimodo weiter nichts Unrespektables, als sich physiologisch der Norm zu entziehen. Das wahre Böse verbirgt sich hier einmal mehr unter gesellschaftlich anerkanntem Talar, nämlich dem des Klerus!

9/10

period piece Historie Paris William Dieterle Renaissance


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FREAKS (Tod Browning/USA 1932)


"Gooble-gobble, gooble-gobble!"

Freaks ~ USA 1932
Directed By: Tod Browning


Der zwergenwüchsige Artist Hans (Harry Earles) aus dem Sideshow-Zirkus der Madame Tetrallini (Rose Dione) verliebt sich zur großen Enttäuschung seiner Verlobten Frieda (Daisy Earles) in die normalgroße Seilakrobatin Cleopatra (Olga Baclanova). Diese, eine zutiefst gierige und boshafte Person, macht sich einen Spaß daraus, die wertvollen Geschenke des vor Liebe blinden Hans anzunehmen und sich dabei vor der ganzen Zirkusgesellschaft über ihn lustig zu machen. Als Cleopatra erfährt, dass Hans eine großzügige Erbschaft im Rücken hat, geht sie sogar soweit, ihn mit Mordplänen im Hinterkopf zu heiraten. Doch sowohl Hans als auch die anderen körperlich deformierten Zirkusmitglieder kommen Cleopatra dahinter und rächen sich grausam an ihr und dem Kraftmenschen Hercules (Henry Victor), ihrem "partner in crime".

Mit dem erklärten Ziel, die gruseligen Horror-Talkies der Konkurrenz von Universal an schockierendem Effekt noch zu überbieten, verlangte MGM-Executive Irving Thalberg nach entsprechend rüdem Stoff. Die MGM entwickelte sich schließlich, mit Ausnahme vielleicht noch von der RKO, zum einzigen ernstzunehmenden Konkurrenten auf dem Gebiet des Horrorfilms dieser nicht nur für jenes Genre goldenen Jahre. Zwar hatte jedes Studio seine zwei, drei Vorzeigeprojekte, doch nur die genannten drei vermochten es, praktisch Klassiker in Serie hervorzubringen. Nachdem die Universal unter Carl Laemmle bereits "Dracula", Frankenstein" und "The Mummy" von der Leine gelassen hatte, zog MGM nach: Man entlieh "Dracula"-Regisseur Tod Browning bei der Konkurrenz, engagierte echte Sideshow-Mitarbeiter mit wirklichen physischen Abnormitäten und schuf einen Horrorfilm, der eigentlich gar keiner ist. Vielmehr erzählt "Freaks" ein soapiges Romantikdrama mit kriminalistischem Ausgang, das so ähnlich auch als späterer Noir-Stoff funktioniert hätte. Das von dem Film womöglich evozierte Grauen entstammt bekanntlich der Selbstprojektion des Publikums, das erstmal schlucken muss, dass die physisch normalgewachsenen die innerlich Verabscheuungswürdigen sind und die Deformierten und Behinderten die wahrhaft edlen Charaktere mit strengem Gemeinschafts- und Ehrenkodex. Um es den Leuten nicht ganz so schwer zu machen, bekamen sie die voll bei den Freaks inegrierten "Normalos" Phroso (Wallace Ford) und Venus (Leila Hyams) als Identifikationsfiguren mit auf den Weg.
Es lässt sich bis heute trefflich darüber streiten, ob der Film die Behinderungen seiner Akteure selbstzweckhaft ausbeutet oder ein humanistisches Pamphlet ist; Argumente gibt es hinreichend für beide Positionen. Als Film von allerhöchster atmosphärischer Qualität indes darf "Freaks" als unumstritten gelten. Dabei verachtete ihn das zeitgenössische Publikum als geschmacklos und unansehnlich: Das Werk wurde um ein Drittel gekürzt, für seinen Regisseur entwickelte es sich zu einer Sollbruchstelle des Karriere-Abstiegs und es war ein jahrzehntelanger Giftschrankkandidat bis zu seiner Wiederentdeckung durch die Gegenkultur der Sechziger. Eine entsprechend schöne Hommage bietet beispielsweise Bertoluccis "The Dreamers".

10/10

Behinderung Zirkus amour fou Tod Browning


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THE MUMMY (Karl Freund/USA 1932)


"He went for a little walk! You should have seen his face!"

The Mummy (Die Mumie) ~ USA 1932
Directed By: Karl Freund


Zehn Jahre nachdem sein Vater Sir Joseph (Arthur Byron) das Grab des vor fast vier Jahrtausenden wirkenden ägyptischen Hohepriesters Imhotep (Boris Karloff) entdeckt hat, dessen Körper auf seltsame Weise aus der Grabkammer verschwunden ist, wird bei dem ebenfalls als Ägyptologen tätigen Frank Whemple ein mysteriöser Mann namens Ardath Bey (Karloff) vorstellig. Dieser wüsste, wo sich das Grab der Prinzessin Anck-es-en-Amon befände. Nachdem Whemple junior diese ausgegraben hat, beginnt sich Ardath Bey, bei dem es sich in Wahrheit natürlich um den wiedererwachten Imhotep handelt, sich für Whemples Verlobte Helen (Zita Johann) zu interessieren. In ihr sieht Imhotep die Reinkanation seiner geliebten Prinzessin von einst. Um mit ihr in alle Ewigkeit vereint zu sein, plant er nun eine Seelenübertragung und die Ermordung Helens, um sie danach wieder zu unheiligem Leben erwecken zu können. Glücklicherweise funkt der wackere Okkultismusforscher Dr. Müller (Edward Van Sloane) Imhotep in die Parade.

Für "The Mummy", der fast wie ein etwas reiferer Zwilling von Brownings "Dracula" wirkt, übernahm dessen Kameramann Karl Freund die Regie. Vieles präsentiert sich als unmittelbare Analogie zu dem Vampirfilm: Ein untotes Schattenwesen, das eine Holde für die Ewigkeit erwählt und sie sich durch eine Art widernatürliche Transformation gleichmachen will. Ein ausländischer Hexendoktor (jeweils von Van Sloan interpretiert, der auch in Whales "Frankenstein" den weisen, väterlichen Gutmenschen gab) mit Durchblick, ein im Prinzip höchst langweiliger, menschlicher Verlobter, ein untermenschlich gezeichneter Diener (hier: Arthur Tovey als "Nubier"). Und dann diese traumhaften Bilder, wahre Poeme aus Licht und Schatten, vor allem jedoch Karloffs unglaubliche Maske, in höchst wirkungsvoller Weise beleuchtet. So etwas gibt es heute einfach nicht mehr. Die jeweils genüsslich eingerahmten und ausgekosteten Momente, in denen Imhoteps böse funkelnde Augen sich öffnen, erreichen einen suggestiven Sog, wie er eine Rarität geworden ist im Kino der späteren Jahre. Für mich einer der allerschönsten Horrorfilme seiner Dekade.

10/10

Karl Freund Mumie Universal-Monster Aegypten


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DRACULA (Tod Browning/USA 1931)


"I never drink... wine."

Dracula ~ USA 1931
Directed By: Tod Browning


Der Londoner Makler Renfield (Dwight Frye) kommt nach Transsilvanien, um dem Grafen Dracula (Bela Lugosi) die Verträge über den Kauf der Carfax Abbey zu bringen. Nichtsahnend gerät Renfield in die Fänge eines Vampirs, der sein Jagdgebiet auf die englische Metropole auszudehnen plant. Als Dracula, in London angekommen, die schöne Mina Seward (Helen Chandler) kennenlernt, ist es gleich um ihn geschehen. Nachdem er zunächst Minas Freundin Lucy (Frances Dade) zu einer Vampirin gemacht hat, erwählt er Mina zu seiner Braut für die ewigkeit. Doch Minas Verlobter John Harker (David Manners) und vor allem der Wissenschaftler Van Helsing (Edward Van Sloan) haben etwas dagegen.

Dem nach meinem Dafürhalten ungebrochen formidabel anzuschauenden Horrorklassiker, mit dem die Universal seinerzeit ihren berühmten Monsterzyklus vom Stapel ließ, wurde im Laufe der folgenden Jahrzehnte zuweilen vorgeworfen, er sei zu statisch gefilmt und verlasse sich allzu sehr auf Lugosis Präsenz, als dass er wirklich noch hinreichend schauerlich sein könne. Das ist natürlich nichts als neidische Makulatur. Mit "Dracula" heben Browning und sein dp Karl Freund etliche noch heute gültige Genremotive aus der Taufe und schöpfen archetypische Szenen und Bilder, die bis in die Gegenwart nahezu alle "Dracula"-, wenn nicht gar die allermeisten Vampirfilme zitieren. Die herrlichen Dekors mit ihren endlos scheinenden Treppen, die Spinnenweben, das Kleingetier und besonders die expressionistische Photographie sind allesamt nichts weniger als filmische Arrangements von Meisterhand. Dass die Fledermäuse zuweilen etwas albern aussehen, Charles Gerrard als Irrenwärter Martin (dessen Figur für einen humorigen Zwischenmoment für das schockierte Publikum zu sorgen hatte) eine im Grunde unverzeihliche atmosphärische Bremse darstellt und eine höchst seltsame Einstellung, in der eine Biene aus einem Minisarg klettert, kann man als vertretbare Patina-Erscheinungen verbuchen. Der Film im Ganzen ist und bleibt ein cineastisches Gedicht.

9/10

Karl Freund Universal-Monster Dracula Tod Browning London


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IRRÉVERSIBLE (Gaspar Noé/F 2002)


Zitat entfällt.

Irréversible ~ F 2002
Directed By: Gaspar Noé


Ein ausgelassener Partyabend, den Alex (Monica Bellucci), ihr Freund Marcus (Vincent Cassel) und ihr Ex-Freund Pierre (Albert Dupontel) gemeinsam begehen, endet für sie alle in einer Katastrophe: Alex, die erst kurz zuvor erfahren hat, dass sie schwanger ist und die Fete nach einem Streit mit Alex früher verlässt, wird in einer Unterführung vergewaltigt und brutal zusammengeschlagen. Als Alex und Pierre davon erfahren, suchen sie den Täter (Jo Prestia), offenbar ein Zuhälter aus der Schwulenszene. Am Ende prügelt der bislang ruhige und intervenierende Pierre einen Falschen zu Tode.

Mittels selbst auferlegter, höchster formaler Disziplin nimmt sich Noé eines fatalen Pariser Abends für drei Freunde an, deren jeweilige Biografien danach aus verschiedenen Gründen ins Leere zu laufen drohen. Das Experiment, eine Geschichte filmisch in rückwärtiger Reihenfolge zu erzählen, finde ich im Einzelfall interessant, auch wenn es im Prinzip unmöglich bis zur letzten Konsequenz durchgespielt werden kann. Tatsächlich bleibt lediglich die narrative Option, die Szenenabfolge in ihre umgekehrte Chronologie zu stellen. Insofern stellt sich mir die Entscheidungsfrage zwischen Manierismus und Notwendigkeit; die Frage auch nach dem ultimaten Sinn dieser Vorgehensweise. "Zeit zerstört alles"? Hm. Vermutlich sucht Noé, die Wirkung auf sein Publikum zu analysieren, das sein Rape-and-Revenge-Drama in verdrehter Form durchzustehen hat, in dem ausnahmsweise die Gewaltakte am Anfang stehen und man mit der Darstellung und dem Effekt der üblicherweise einführenden Harmonie aus dem Film entlassen wird.
Wie dem auch sei - mit seinen langen, schnittlosen Einstellungen, die jeweils nur durch den Anschluss an ihre Vorgängersequenz unterbrochen werden, erweist sich Noé als exzellenter Metteur-en-scène. Ein doppelt pronocierter Verweis an Kubrick spricht eine deutliche Sprache über erlesene Vorbilder: "Irréversible" ist trotz seiner transgressiven Augenblicke ein wahrlich schöner Film, der eben nicht nur von Gewaltschemata und -kausalitäten berichtet, sondern auch von Liebe und Freundschaft, vielleicht sogar in der Hauptsache davon.

9/10

Paris Party Nacht Skandalfilm Gaspar Noé Rache Achronologie Selbstjustiz Transgression Kokain Rape & Revenge


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SAW 3D (Kevin Greutert/USA, CAN 2010)


"Game over."

Saw 3D (Saw 3D - Vollendung) ~ USA/CAN 2010
Directed By: Kevin Greutert


Nachdem Mark Hoffman (Costas Mandylor) sich befreien konnte, stellt er John Kramers Witwe Jill (Betsy Russell) nach, die sich in einem Zeugenschutzprogramm unterbringen lässt und gegen Hoffman aussagen will. Zugleich steckt Hoffman den Hochstapler Bobby Dagen (Sean Patrick Flanery), der behauptet, einst einem von Jigsaws Todesspielen entronnen zu sein und damit groß absahnt, in eine große neue Fallenanordnung. Bobby muss nach und nach versuchen, seine Kollegen und Freunde zu befreien, was ihm natürlich mitnichten gelingt. Im Hintergrund agiert derweil noch ein weiterer bislang unbekannter Assistent Kramers, sozusagen sein letztes (?) Ass für Notfälle...

"Saw 3D" ist vorläufig als letztes Kapitel der Reihe angekündigt, was ich angesichts des konstanten Unterhaltungspotentials zwar einerseits schade finde, wozu ich jedoch andererseits entgegnen muss, dass ich da vermutlich wenig bis gar nichts vermissen werde. Im Gedächtnis haften bleibt von der ganzen Mär nach sieben sehr ähnlich gewachsenen Teilen ja nun doch kaum was. Vielmehr verschwimmt in der Erinnerung alles zu einem einzigen großen Blutbrei. Neu am sechsten Sequel, das wiederum ein paar lose inhaltliche Enden aufnimmt und verknüpft und sich gewohnt enthüllend präsentiert, ist die 3D-Technik mitsamt einem speziellen DV-Kamera-Verfahren, das Greuterts Film in der von mir gesehenen, zweidimensionalen Version seltsam unwirklich matte Farben verleiht. Jene sind zwar auffällig, bleiben für die Filmbetrachtung selbst jedoch von unnützem Effekt. Der fürs "Saw"-Publikum letztlich interessanteste Aspekt, nämlich der Gewaltgehalt, ist nach wie vor immens und demystifiziert das menschliche Innenleben bis in seine letzten noch verbliebenen Ausläufer. Mit der Gewöhnung kommt jedoch auch der Fluch des Gewohnten: Wer alle sieben "Saw"-Teile überlebt hat, kann sich mutmaßlich sowieso vor kaum mehr etwas ekeln, auch wenn die Sensationsgier nach wie vor spürbar ist. So graben sich die Serienmacher zwangsläufig selbst das Wasser ab. Mal sehen, ob jetzt wirklich Schluss ist.

6/10

3-D Sequel Kevin Greutert Splatter torture porn Slasher Serienmord Marcus Dunstan


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VAMPIRE CIRCUS (Robert Young/UK 1972)


"The Circus of Nights! A hundred delights!"

Vampire Circus (Circus der Vampire) ~ UK 1972
Directed By: Robert Young


Im frühen 19. Jahrhundert: Das Dörfchen Stettel wird von dem Vampir Graf Mitterhaus (Robert Tayman) heimgesucht. Irgendwann reicht es den Stadtoberen dann mit dem blutigen Treiben und Mitterhaus wird von ihnen gepfählt. Der Graf jedoch schwört blutige Rache und verflucht das Dorf wird künftig von sämtlichen Anrainern gemieden und eine seltsame Pest wird dort zum höchst unerwünschten Dauergast. Fünfzehn Jahre später gastiert der "Zirkus der Nacht" in Stettel. Dessen bizarre Attraktionen erfreuen die Bewohner zunächst, bis sie entdecken, dass sich hinter den meisten der Akrobaten und Schausteller gute Freunde und Verwandte des Grafen Mitterhaus verbergen, die ihren alten Spezi gern mal wieder hochleben lassen täten.

Einer der schönsten Hammer-Filme der Siebziger Jahre, voll von surrealen Bildern und extravaganten Einstellungen, derweil die etwas nebensächliche Geschichte dabei lediglich zur Motiv-Anreihung dient. Ob der Vampirgraf bei Hammer nun Dracula, Karnstein oder Mitterhaus heißt, ist letzten Endes unerheblich. Ein gotisches beziehungsweise barockes Setting, ein junges Paar Liebender, ein alternder Widersacher und schließlich der aristokratische Blutsauger und Verführer, im Zweifelsfalle mit entsprechender Anhängerschaft - um dies alles geht es, gern auch in der x-ten Repetition. Neu am vorliegenden Film ist der titelgebende Circus, ein sehr seltsames, kleines Geschäft mitsamt einer nackten Schlangenfrau und einem Katzenmenschen (eine der raren adaptierten Verwendungen dieses speziellen Horrormotivs nach Tourneur), der sich tatsächlich als des Grafen vampirischer Vetter Emil (Anthony Higgins) entpuppt.
Der noch immer aktive Robert Young ist in der Horror- und speziell in der Hammer-Szene ein eher unbeschriebenes Blatt, was der Qualität seines Films jedoch keinen Abbruch tut. Die gewohnte Sorgfalt des Studios betreffs der Kulissen- und Kostümwahl trifft man auch in "Vampire Circus" an, zudem ist der Blutgehalt recht hoch, so dass der durstige Graf Mitterhaus einen entsprechend deftigen Grand-Guignol-Einschlag mitbringt.

8/10

Vampire Zirkus period piece Hammer


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AND SOON THE DARKNESS (Robert Fuest/UK 1970)


"What was that about 'meurt'?"

And Soon The Darkness (Tödliche Ferien) ~ UK 1970
Ditrected By: Robert Fuest


Die zwei jungen, englischen Krankenschwestern Jane (Pamela Franklin) und Cathy (Michelle Dotrice) wollen das französische Festland per Drahtesel erkunden. Nach einem kurzen Streit radelt Jane weiter zum nächsten Ort, während Cathy am Straßenrand ein Sonnenbad nehmen möchte. Bald beginnt Jane sich Sorgen zu machen, dann Cathy kommt nicht nach. Eine sich anschließende Suche bleibt ergebnislos. Weiß der sich als Sûreté-Beamter ausgebende Rollerfahrer Paul (Sandor Elès) womöglich mehr als er sagt? Was ist mit dem invaliden Vater (John Franklyn) des örtlichen Gendarms (John Nettleton) los? Und was verschweigt die alte Madame Lassal (Hana Maria Pravda)?

Am Interessanten an "And Soon The Darkness" fand ich die eigens für seine kompakte Erzählung entworfene Topographie; jede einzelne Sequenz spielt sich auf bzw. am Rande eines etwa fünf Kilometer langen Landstraßenabschnitts ab, an dem ständig und zumeist per Zweirad irrig hin- und hergefahren wird. Die gesamte Welt reduziert sich für die paar erzählten Stunden des Films sozusagen auf diese wenigen, von Grillenzirpen auditiv untermalten Meilen. Umso beunruhigender gestaltet sich die in nicht weiter Ferne harrende Aufklärung: Irgendwo hier, soviel ist spätestens nach der Hälfte des Films klar, muss sich die vermisste Cathy befinden. In welchem Zustand allerdings und aufgrund welcher Ursache sie dorthin gekommen ist, dass lässt Fuest so lange wie eben möglich im Dunkel des Ungewissen. Ein paar gravierende inhaltliche Logikschwächen, darunter das permanent völlig verblödete Verhalten der Protagonistin, trüben zwar ein wenig das Vergnügen am forcierten Rätselraten, bleiben aber noch halbwegs überschaubar. Insgesamt durchaus okay, aber nicht weltbewegend.

7/10

Robert Fuest Verschwinden Frankreich Fahrrad


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BERSERK! (Jim O'Connolly/UK 1967)


"We're running a circus, not a charm school."

Berserk! (Zirkus des Todes) ~ UK 1967
Directed By: Jim O'Connolly


Nachdem im auf der britischen Insel gastierenden Rivers-Zirkus zwei Morde geschehen sind, steige die Besucherzahlen geradezu inflationär an. Kein Wunder, dass die ohnehin als höchst eigensinnig und herrisch berüchtigte Direktorin Monica Rivers (Joan Crawford) als Hauptverdächtige gilt...

Für die Crawford, die um diese Zeit regelmäßig in grellen Grand-Guignol-Spektakeln besetzt wurde und, wenn schon nicht als Mörderin, so doch zumindest als nicht ganz grundlos Verdächtigte auftrat, war die Rolle der Zirkus-Directrice Monica Rivers wohl nur eine von vielen. Der kurze Zeit darauf in "Trog" wiederum mit ihr in Kombination zu sehende Michael Gough scheidet leider bereits nach einem knappen Drittel aus und endet mit einem überdimensionierten Zelt-Hering in der Birne. Mit Gough verschwindet gleichfalls auch etwas die Noblesse aus O'Connollys recht schwülstigem Thriller-Drama, mehrere ellenlange Zirkusnummern, darunter eine gefühlt stundenlange mit "intelligenten Pudeln", ziehen die Lauflänge unnötig und lassen jeweils außer Acht, dass man sich hier doch in einem dem Leinwandhorror zumindest stark anverwandtem Stück befinden soll. Und das bei einer solch wahrlich sensationellen Titelsequenz!

6/10

England Serienmord Zirkus Madness Jim OConnolly Hag Horror Camp


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I SPIT ON YOUR GRAVE (Steven R. Monroe/USA 2010)


"You like watching, eh?"

I Spit On Your Grave ~ USA 2010
Directed By: Steven R. Monroe


Die Jungautorin Jennifer (Sarah Butler) zieht sich in die Provinz Louisianas zurück, um dort in einem gemieteten Haus ihren neuen Roman zu schreiben. Als die örtlichen Hinterwäldler auf sie aufmerksam werden, ist es mit der idyllischen Ruhe vorbei: Vier junge Männer (Jeff Branson, Andrew Howard, Daniel Franzese, Chad Lindberg) und der Sheriff höchstpersönlich quälen und vergewaltigen Jennifer und lassen ihren vermeintlich toten Körper zurück. Doch nach einigen Wochen, die physischen Wunden sind nunmehr geschlossen, übt die so furchtbar Missbrauchte blutige Rache an ihren Peinigern.

Das Remake von Meir Zarchis hartem filmischen Feminismus-Pamphlet kann, wie es ja eigentlich den meisten Neuadaptionen klassischer Genrestoffe aus den letzten Jahren gemein ist, mit dem Original zwar nicht ganz Schritt halten, macht ihm aber auch keine Schande. Die viehische Brutalität aus Zarchis höchst intensivem Original findet sich auch in Monroes Verfilmung, den transgressiven Charakter des Vorbildes erreicht der Neuling allerdings nicht immer. Bei Zarchi hatte ich noch recht häufig das unangenehme Gefühl, dass die angewandte Selbstjustiz Jennifers ins Nichts führt, bei Monroe schien sie indes vornehmlich die niederen Instinkte des Gewaltvoyeurs (also durchaus auch meine, ich nehme mich da nicht aus) zufriedenzustellen, so jedenfalls mein erster Eindruck. Werde mir Zarchis Film demnächst allerdings nochmal anschauen, um jenen verifizieren zu können.
Formal bleibt "I Spit On Your Grave" '10 ganz auf aktuell maßgeblicher Linie: Bleich-fahle bis graue Bilder, die die brutale Trostlosigkeit ihres Sujets hervorheben und eine (freilich sukzessive und ganz bewusst ihrer anfänglichen Attraktivität entledigte) attraktive Protagonistin liefern Gewohntes. Manch einem wird der Film ordentlich eins verpassen, ich empfehle dennoch vorrangig das Original, vor allem zu Vergleichszwecken.

7/10

Rache Terrorfilm Transgression Remake Steven R. Monroe Louisiana Sumpf Rape & Revenge





Filmtagebuch von...

Funxton

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