Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

JU-ON (Takashi Shimizu/J 2002)


Zitat entfällt.

Ju-on ~ J 2002
Directed By: Takashi Shimizu


Die Sozialarbeiterin Rika (Megumi Okina) soll nach einer alten Dame (Chikako Isomura) sehen, aus deren Haus keine Rückmeldung mehr kommt. Sie findet die Frau völlig apathisch und verwahrlost im Wohnzimmer vor. Außerdem scheinen in dem Haus noch andere Dinge vorzugehen: Rika erscheint ein kleiner Junge (Yuya Ozeki), der sich als seit Jahren vermisst herausstellt, und erst im Nachhinein erfährt die junge Frau, dass schon viele Menschen im Zusammenhang mit dem Haus auf teils unerklärliche Weise ihr Leben lassen mussten.

Auf der Suche nach Spuk(haus)filmen, die mir doch bitteschön einen ähnlichen Schauer über den Rücken jagen sollten, wie letzthin "Paranormal Activity", habe ich mir zwei jüngere japanische Genrevertreter ins Haus geholt. Das relativ ernüchternde Ergebnis der ansonsten eigentlich durchaus brauchbaren Beschau möchte ich in zwei wesentlichen Punkten zusammenfassen: Zum einen empfinde ich den Versuch, bestimmte Eindrücke und Gefühle anhand anderer Beispiele forciert zu reevozieren im Nachhinein als eine äußerst ungeschickte Herangehensweise an Film, von der ich dann künftig auch garantiert die Finger lassen werde; zum anderen ist mir wieder einmal bewusst geworden, dass fernöstliche Verhaltensweisen und Mentalitäten, insbesondere solche im Film abgebildeten, allzu weit von meiner eigenen Lebenswirklichkeit entfernt sind, um mich gänzlich ungestört auf die sie einbettende Geschichte einlassen zu können. Dumm, ignorant, bequem, empathiebefreit, kulturelles Armutszeugnis? All das, ganz bestimmt, aber eben leider nicht so ohne weiteres zu ändern.
Davon ganz unbelassen ist "Ju-on" selbstverständlich ein überaus gelungener Beitrag zum Horrorfilm, allein seine kunstvolle narrative Verwebung der unterschiedlichen, mit dem Geisterhaus verknüpften Schicksale zeugt von unbedingter filmischer Fertigkeit. Hier und da, etwa, wenn die rächende Gespensterfrau sich als wabernder Schatten materialisiert und nach ihren Opfern greift, erreicht Shimizu ein Grusellevel, von dem minder talentierte Kollegen nur träumen können. Außerdem hat mir das von bitterer Konsequenz geprägte Ende, das endlich einmal eine Spukgeschichte konsequent zu Ende denkt, gefallen. Unterm Strich bleibt ein durchaus sehenswerter Geisterfilm, besonders für jene, die meine buchstäblichen Schwächen bezüglich des ostasiatischen Kinos nicht teilen.

7/10

Geister Takashi Shimizu Japan Episodenfilm


Foto

JOY RIDE (John Dahl/USA 2001)


"Candy Cane? Are you there?"

Joy Ride ~ USA 2001
Directed By: John Dahl


Student Lewis (Paul Walker) besorgt sich ein Auto, um seinen Schwarm Venna (Leelee Sobieski) durch den Westen kutschieren zu können und ihr so näherkommen zu können. Dummerweise schaltet sich auch Lewis' ewig delinquenter, älterer Bruder Fuller (Steve Zahn) ein, der mal wieder eingesessen hat und nun abgeholt werden möchte. Jener ist es auch, der einen ganz dummen Scherz mit Folgen einstielt: Per CB-Funkgerät lässt er Lewis sich als Truckerschlampe 'Candy Cane' ausgeben und irgendeinen Fernfahrer namens 'Rusty Nail' mitsamt Champagnerflasche zu jenem Motel antreten, in dem die Brüder abgestiegen sind Imn deren Nebenraum wohnt nämlich ein mürrischer Typ, dem Fuller einen Denkzettel verpassen möchte. Als dieser Nachbar am nächsten Tag halbtot am Highway gefunden wird, bekommen es Lewis und Fuller mit der Angst. Zu Recht, denn 'Rusty Nail' hat überhaupt keinen Sinn für Humor...

In der Tradition von Spielbergs "Duell", Franklins "Roadgames" und Harmons "The Hitcher" steht Dahls nächster Film, ein überaus gemeiner, dabei rein auf seinen dramaturgischen Grundgedanken heruntergebrochener Thriller. Das Road Movie und speziell der amerikanische Westen mit seinen staubigen Highways haben es Dahl, wie man seit seinen ersten Filmen weiß, angetan, insofern dürfte die Rückkehr in ebendiese Gefilde ihm eine Menge Freude bereitet haben. Zudem ist wie in "Rounders" das Motiv des haltlosen Verlierers, der seinem vernünftigen, aber naiven 'Partner' durch sein unbesonnenes Verhalten den Ärger seines Lebens beschert, von maßgeblicher Gestalt. "Joy Ride" vertritt und lebt, ähnlich wie die genannten Beispiele, eine besondere Form des Reduktionismus: Nachdem der personifizierte Terror Macht über seine mehr oder weniger unwissenden Opfer gewonnen hat, ist es, als würden diese geradewegs in eine Art dämonischer Parallelwelt gezogen, in der althergebrachte Institutionen wie Staatsgewalt vollkommen außer Kraft gesetzt sind. Die Bemitleidenswerten werden zu Spielbällen einer teuflisch anmutenden, anonymen Macht, die sie buchstäblich bis aufs letzte Hemd auszieht und einen unvergesslichen Denzettel verabreicht. Eine feine Ironie und Eigenart des Road Thrillers, dass dies keine fröstelnde Dunkelheit benötigt - der bare Schrecken spielt sich bei gleißendem Sonnenlicht und in sengender Hitze ab.

7/10

Road Movie Trucker Madness John Dahl


Foto

CASTLE FREAK (Stuart Gordon/USA 1995)


"There's somebody else here..."

Castle Freak ~ USA 1995
Directed By: Stuart Gordon


Der US-Amerikaner John Reilly (Jeffrey Combs) erbt überraschend ein altes Kastell in Umbrien. Zusammen mit seiner Frau Susan (Barbara Crampton) und seiner Tochter Rebecca (Jessica Dollarhide) reist er nach Italien, um das Gebäude zu besichtigen und bis zu dessen Verkauf dort zu wohnen. Nicht nur ein schwelender Familienkonflikt [John ist trockener Alkoholiker und hat durch einen selbstverschuleten Unfall des Leben seines kleinen Sohnes JJ (Alessandro Sebastian Satta) sowie das Augenlicht Rebeccas auf dem Gewissen] kommt bald zum Ausbruch, sondern auch ein unheimliches, schwer missgestaltetes Kellerkind, das seit Jahrzehnten in einem Kellergewölbe des Schlosses angekettet war und sich die lange vermissten Zärtlichkeiten nun mit Gewalt zurückholt...

Einer von mehreren Filmen, die Stuart Gordon aus Kostengründen in Südeuropa fertigte. Sein Kollege Brian Yuzna zog dann kurz darauf nach und reanmierte recht erfolgreich die eingeschlafene spanische Verleihfirma filmax. "Castle Freak", der wie "Re-Animator" und "From Beyond" lose auf Lovecraft-Motiven basiert, entstand allerdings für die B-Schmiede Full Moon und verzeichnete zugleich deren erste Produktion im Selbstvertrieb. Der Film zeigt Gordons Bemühen, nach seinen eher im Bereich des Funsplatter zu verortenden frühen Horrorfilmen, ernsthaftere Klänge anzuschlagen und mit sowohl melodramatisch angehauchten innerfamiliären Konflikten als auch keineswegs mehr komisch konnotierten Ekelszenen sein Publikum zu affizieren. Da Gordon ein sehr versierter Regisseur ist und sein Co-Autor Dennis Paoli genau diese Art inszenatorischer Bemühungen zu füttern versteht, darf das Experiment als gelungen betrachtet werden. Natürlich ist "Castle Freak" mit seinem grotesk pervertierten "Kaspar-Hauser"-Motiv des unerwünschten, verhassten Bastardkindes mitsamt armselig-verkümmertem Mannesgeschlecht, das sein Leben gebeugt und in Ketten fristen muss, beileibe kein großer Zuschauerfänger und kann tatsächlich mit Bildern aufwarten, bei deren Betrachtung selbst Hartgesottene ein gewisser Widerwillen befallen dürfte - gerade das jedoch hebt ihn auf ein durchaus interessantes Level. Für Combs und Crampton bieten ihre Rollen als tief entzweites Ehepaar zudem eine offensichtlich sehr willkommene Plattform für ungewohnt nuanciertes Spiel - ein weiterer Nebenhinweis auf die immer wieder zu beobachtende Entwicklung Gordons hin zum auch jenseits von irgendwelchen Genrekonventionen anerkennenswerten Filmemacher.

7/10

Stuart Gordon H.P. Lovecraft Splatter Monster Umbrien Italien Full Moon Schloss


Foto

THE BAD SEED (Mervyn LeRoy/USA 1956)


"You won't go to Heaven when you die!"

The Bad Seed (Böse Saat) ~ USA 1956
Directed By: Mervyn LeRoy


Eines bösen Tages sieht die seit eh und je mit ihrer Herkunft hadernde Offiziersgattin Christine Penmark (Nancy Kelly) sich einen lang gehegten, latenten Verdacht gegenüber ihrer achtjährigen Tochter Rhoda (Patty McCormack) bestätigen. Das engelsgesichtige, besonders bei älteren Damen beliebte Mädchen entpuppt sich als eiskalte Mörderin bar jeglichen Sinnes für Gerechtigkeit, einzig auf ihren persönlichen Vorteil bedacht, habsüchtig und grenzenlos brutal. Christine kommt ins Grübeln: Könnte das damit zusammenhängen, dass Rhoda das Wesen von Christines echter Mutter, einer gesuchten Verbrecherin, "ererbt" hat?

Der auf einem Roman und einem Thaterstück basierende, ebenso packende wie unerhörte "The Bad Seed" lieferte der in der Entwicklungspsychologie verwurzeltenen Anlage-Umwelt-Debatte, die die Kernformulierung des Wissenschaftlerstreits darum bildet, ob das menschliche Wesen zu Teilen oder sogar ausschließlich auf genotypischer Determination oder eben auf extrinsischen Sozialisationsprozessen basiert, neues Futter. Der Film nimmt dabei eine immerhin leicht gemäßigte Perspektive ein und argumentiert (im Sinne Dawkins'), dass es hier und da durchaus Fälle gebe, in denen die genetische Erblast dominiere und Kinder damit bereits im niedrigen Alter unbeeinflussbar und unabhängig von ihrem erzieherischen Umfeld zu Schwerkriminellen würden. "The Bad Seed" verwandelt das in vortreffliche, bisweilen kitschige Exploitation von größter Sogkraft. Die Krone wird dem Ganzen dann durch das hofnungslos puritanische, mit "göttlicher Gerechtigkeit" garnierte Ende aufgesetzt. Sei's drum, LeRoys absolut geschlossener Inszenierung schadet selbst das nichts. Exzellente, eindeutig dem Thater bzw. der frühen method-acting-Schule entstammende Schauspieler (neben einer der besten mir bekannten Kinderdarstellungen durch die McCormack wäre da vor allem die brillante Eileen Heckart zu nennen), bestimmen das fast ausschließlich auf das Haus der Familie Penmark beschränkte Kammerspiel und machen es zu einer aus psychologischer Warte betrachtet zwar hemdsärmeligen, nichtsdestotrotz aber saumäßig spannenden Angelegenheit.

9/10

Mutter Kinder Psychologie Mervyn LeRoy Serienmord based on play


Foto

NIGHTBREED (Clive Barker/USA 1990)


"It's Shangri-La on dope. We love it."

Nightbreed (Cabal - Die Brut der Nacht) ~ USA 1990
Directed By: Clive Barker


Der junge Aaron Boone (Craig Sheffer) wird von Visionen der angeblich unter einem Provinzfriedhof liegenden Stadt Midian heimgesucht, in der Dämonen hausen sollen. Boone kann nicht ahnen, dass sein Therapeut Dr. Decker (David Cronenberg) zugleich ein gesuchter Serienkiller ist, der ganze Familien abschlachtet und davon besessen ist, dem Menschen seine strukturelle Reinheit wiederzugeben. Nachdem Boone Midian tatsächlich ausfindig gemacht hat, sorgt Decker dafür, dass sein Patient von Polizeikugeln durchsiebt wird. Doch Boone erwacht zu neuem Leben und wird nun von den Bewohnern Midians, einer illustren Mutantenschar mit teils unheimlichen Fähigkeiten, akzeptiert. Doch Decker und eine ganz Polizeikohorte sind Boone und seiner neuen Familie bereits auf den Fersen.

In bester Tradition von Tod Brownings' "Freaks" und dem Marvel-Comic "X-Men", allerdings versetzt mit dem überbordenden Visualismus seines Autors, steht der ziemlich wunderbare "Nightbreed". Craig Sheffer alias Aaron Boone wird hier nach seinem Initiationsritus, der freilich auch seinen gewaltsamen Tod beinhaltet, zu 'Cabal', einem auserwählten Messias, Anwalt und Rebellenführer der Unterwelt, der den Negierten und Ausgestoßenen, die allerdings nicht nur stolz genug sind, ihre Isolation zu akzeptieren, sondern sie auch zu wählen und zu leben, ein Stück vergessener Freiheit wiederverschafft. Die finstere, mit manchmal eher unschönen Bildern kokettierende Monsterromantik Barkers, die dem, was landläufig wohl als "unästhetisch" bezeichnet würde, recht nahe kommt, ist wohl tatsächlich nicht für jedermann gemacht, dürfte aber allen wahren Anhängern Barkers viel Freude bereiten. In seinen immer auch geflissentlich bis stark erotisch konnotierten Phantasien verarbeitete der Brite seine eigene Homophilie und feierte ein unerkanntes, frühes Coming out.
Die Sympathie für seine physiologischen Outsider, unter denen sich auch ein sehr ungleich aussehendes homosexuelles Pärchen befindet, ist geprägt von leidenschaftlicher Abgestoßenheit und einer gleichermaßen großen Faszination, das von Barker entworfene Filmuniversum, in dem ausgerechnet David Cronenberg als sorgsam gekleideter Psychologe die ganze Dämonie des etablierten Humanbürgers repräsentiert, von ungeheurer Sogkraft.
Gehört großflächig wiederentdeckt.

8/10

David Cronenberg Serienmord Mutant Monster


Foto

PARANORMAL ACTIVITY (Oren Peli/USA 2007)


"It's getting worse."

Paranormal Activity ~ USA 2007
Directed By: Oren Peli


Um die Geister- oder Dämonenerscheinungen, die seine Freundin Katie (Katie Featherston) seit ihrer Kindheit in unregelmäßigen Abständen immer wieder heimsuchen, fassbarer zu machen, kauft Micah (Micah Sloat) eine Kamera und ein hochempfindliches Tonbandgerät. Diese platziert er, wenn er sie nicht gerade durchs Haus trägt, im Schlafzimmer und benutzt sie als eine Art Überwachungsanlage. Schon bald zeigen sich erste Reaktionen - das übersinnliche Wesen fühlt sich durch Micahs Initiative offenbar angestachelt. Immer erschreckender und bösartiger werden seine Attacken auf die Nervenkostüme von Katie und Micah.

Ein ähnlicher Eventfilm wie "The Blair Witch Project", in dem mittels geringer monetärer Mittel sowie eines ausgeklügelten Pseudodokumentarismus fürchterliche Ereignisse vorgegaukelt werden, deren Grad an wirksamer Affizierung sich durch die weitestmögliche Aufhebung der Mittelbarkeit zwischen Publikum und Medium ergibt. Die Rechnung geht halbwegs auf, so man bereit ist, sich zur Gänze auf die extrem forcierte Kreierung der gespenstischen Atmosphäre einzulassen und sich willentlich und am besten in adäquatem Ambiente (ich habe den Film gestern Abend im Dunkeln und allein geschaut, was ich im Nachhinein als sehr förderlich empfinde) dem wohligen Grusel auszuliefern. Was den Effektezauber angeht, ist "Paranormal Activity" nahezu tadellos; als ein wenig störend für den runden Gesamteindruck erweist sich indes der eine oder andere logische Schnitzer. Die Geschichte wirkt von Anfang an stark selbstzweckhaft und scheint kaum mehr als eine halbgare Alibi-Funktion übernehmen zu wollen (und zu können); diverse naheliegende Fragen stellen sich unterdessen, bleiben aber stoisch und beharrlich unbeantwortet. Da hätte mit etwas mehr Sorgfalt in eigener Sache respektive am eigenen Script sicher noch Manches optimiert bzw. wirkungsmaximiert werden können.
Alles in allem möchte ich jedoch nichts Wesentliches monieren; ich habe mich gegruselt wie lange nicht mehr, bin wieder ziemlich angefixt von übersinnlichem Spukhausstoff und habe mir daher gleich noch zwei japanische Geisterklopper hinterhergeordert, die ich noch nicht kenne und endlich mal nachholen möchte: "Ju-On: The Grudge" und "Noroi".

8/10

Oren Peli embedded filming Geister Pseudo-Dokumentation Daemon


Foto

TARGETS (Peter Bogdanovich/USA 1968)


"All the good movies have been made."

Targets (Bewegliche Ziele) ~ USA 1968
Directed By: Peter Bogdanvich


Während der in einer Sinnkrise befindliche, alternde Horrorstar Byron Orlok (Boris Karloff) beschließt, seine Karriere ein für allemal an den Nagel zu hängen und nicht länger als fleischgewordener Dinosaurier durch irgendwelche mediokren B-Filme zu stapfen, verliert ein junger Mann namens Bobby Thompson (Tim O'Kelly) den letzten Faden zur Vernunft, tötet seine Familie und verschanzt sich mit seinen Schusswaffen zunächst neben dem Freeway und danach in einem Drive-In-Kino, von wo aus er jeweils diverse Menschen erschießt. Ausgerechnet jene Leinwand, die Thompson für seine Bluttaten missbraucht, zeigt Orloks letzten Film "The Terror", dessen Vorführung von einem persönlichen Auftritt des Schauspielers gekrönt werden soll...

"All the good movies have been made." Dieses bereits legendäre Zitat des vormaligen Kritikers und späteren New-Hollywood-Tonangebers Peter Bogdanovich darf von ihm persönlich in seinem eigentlichen Kinodebüt (sieht man von der vorsätzlichen Gurke "Voyage to the Planet of Prehistoric Women" ab) "Targets" gesprochen werden. Bogdanovich, der im Film einen nach eigenem Bekunden an seinen Mentor und Ideenlieferanten Sam Fuller angelehnten Regisseur spielt, legt sich jenen Satz ausgerechnet an einer Stelle in den Mund, die für einen kurzen Moment die Barriere zwischen Film und Realität aufhebt: Er melancholisiert im Vollrausch und in gesuchter Gegenwart Byron Orloks darüber, dass sein aktuelles Drehbuch eine letzte große Rolle für den Altstar bereithielte, die alle seine Monsterdarstellungen vergessen machen könne. Natürlich ist "Targets" neben vielem anderen auch genau das; eine Hommage an den großen Boris Karloff, der hier sich selbst spielen darf und eine so treffsichere wie weise Performance liefert, nach deren Verve sich jeder Schauspieler seines Alters die Finger lecken muss. Zwar gab es noch ein paar B-Filme nach "Targets", in denen Karloff auftrat, dieser hier darf aber mit Fug und Recht als Hollywoods großes Abschiedsgeschenk an eine seiner Legenden angesehen werden. Meisterlich auch die Szene, in der Karloff W. Somerset Maughams kleine Geschichte "Appointment in Samarra" zum Besten gibt und die Kamera ihm mittels eines langsamen Zooms einen eindringlichen Close-Up beschert. Die Sequenzen um den ausrastenden, dabei aber stets gepflegt und ruhig auftretenden Bobby Thompson wirken dagegen geradezu diametral gesetzt und halten der gefälligen, leichtkomödiatischen Orlok-Episode die kalte Realität eines Psychopathen auf der Jagd entgegen (Thompsons Figur war bekanntlich beeinflusst von dem texanischen Heckenschützen Charles Whitman) - eine treffendere Metapher für den tosenden Einbruch New Hollywoods in die Romantik des golden studio age gibt es wohl nicht. Auch wenn Bogdanovich seinem alten Helden am Ende noch einen finalen Sieg gönnt - die Zeichen der Zeit sind unignorierbar geworden.

10/10

Kino Film im Film Los Angeles Sniper Peter Bogdanovich New Hollywood Hommage Massenmord Amok


Foto

BORDERLAND (Zev Berman/USA, MEX 2007)


"Fuckin' gringos!"

Borderland ~ USA/MEX 2007
Directed By: Zev Berman


Die drei angehenden College-Absolventen Ed (Brian Presley), Phil (Rider Strong) und Henry (Jake Muxworthy) wollen es vor ihrer Immatrukaltion nochmal richtig krachen lassen und ein paar Tage jenseits der mexikanischen Grenze mit Nutten, Bier und halluzinogenen Pilzen verbringen. Im Rausch gerät Phil an eine Gruppe Sektierer des mit Santeria verwandten Palo-Mayombe-Kults. Deren Kopf, der Drogenschmuggler Santillan (Beto Cuevas), glaubt, durch menschliche Blutopfer seine Rauschgifttransporte über die Grenze segnen und unsichtbar machen zu können. Von der hiesigen Polizei im Stich gelassen treffen Ed und Henry auf den Ex-Cop Ulises (Damián Alcázar), der bereits selbst unangenehme Erfahrungen mit den Fanatikern gemacht hat.

Dieser recht spannende Indie-Schocker müsste wohl zu jener mit dem unseligen Kunstbegriff 'torture porn' zusammengefassten kleinen Filmschiene gerechnet werden, in deren Mittelpunkt jeweils eine Gruppe naseweiser US-Jugendlicher steht, die auf ihrem gutgläubigen Rucksacktrip in die - zumindest aus amerikanischer Perspektive - exotische(re)n Gefilde der Erde (Lateinamerika und Osteuropa wimmeln dieser etwas simplifizierten Einbahnstraßenlogik zufolge ja nur so vor menschlichem Gewürm und geistesgestörten Gewaltverbrechern) von irgendwelchen Psychopathen aufgegriffen und unter Höllenqualen zu Tode gequält werden. Aus den populäreren "Hostel" oder "Turistas" ist selbiges Schema ja bereits hinreichend bekannt. Dabei verfährt "Borderland" im Gegensatz zu seinen Vorbildern relativ moderat und müht sich trotz einiger sehr derber Szenen nach Kräften, sich den Ruch des spekulativen Machwerks nach Möglichkeit zumindest nicht allzu offenkundig angedeihen zu lassen. Eine ansonsten ganz flotte, gekonnt-professionelle Gestaltung, die auf der anderen Seite glücklicherweise nicht zu saubermännisch wirkt, unterstützt ihn dabei. Abgesehen von den weithin ins Leere laufenden Diskussionen um die Sinnkrise der Hauptfigur Ed, der sich nicht zwischen einer etablierten, angepassten Lebensweise und einer Aussteigerexistenz entscheiden kann, dann am Ende jedoch selbst zum blutrünstig-gnadenlosen Rächer avanciert, weiß "Borderland" als unbequemer kleiner Nischen- und Schmutzfinkenfilm zumindest in Ansätzen durchaus zu gefallen.

6/10

Independent Mexiko torture porn Zev Berman


Foto

WEREWOLF OF LONDON (Stuart Walker/USA 1935)


Werewolf Of London (Der Werwolf von London) ~ USA 1935
Directed By: Stuart Walker


Der Botaniker Dr. Glendon (Henry Hull) schlepptn, von Forschungsstudien im Himalaya zurückkehrend, eine heimtückische Seuche in Europa ein: Die der "Lycanthrophobie" (aha!) Bei jedem Vollmond wird er nächtens zum Werwolf und muss erst einen Menschen töten, bevor er sich wieder zurückverwandeln kann. Der sinister scheinende Dr. Yogami (Warner Oland) kennt Glendons Geheimnis und weiß um die einzige Heilmethode: Eine besondere Wolfsblume, die ausschließlich in Tibet wächst und von der Glendon eine Probe mitgebracht hat.

Die ersten Laemmle-Monsterfilme waren längst abgefrühstückt, da entdeckte man bei der Universal noch den folkloristischen Mythos des Werwolfs, der im Gegensatz zu den bisher adaptierten Schreckgestalten allerdings keinen veritablen literarischen Schauerklassiker zum Vorbild hatte, sondern zunächst einmal leinwandklar gesetzt werden musste. Eine etwas seltsame Melange aus der Yeti-Sage und der "Jekyll/Hyde"-Parabel war das Resultat. Versetzt mit ein paar Laemmle-typischen, komödiantischen Elementen (alte, zerzauste Damen im Suff etwa waren dort ja immer für ein, zwei Lacher gut) kam dabei dieser charmante kleine Grusler heraus, der jedoch längst nicht den großen Klassikerstatus des ein paar Jahre jüngeren "Wolf Man" erlangen konnte. Der Grund dafür erscheint mir recht eindeutig - es fehlt schlicht und ergreifend am ikonographischen Charakter eines "Frankenstein" oder "Dracula". Da wären zum einen die genannten Vorbilder und zum anderen die mangelhafte Monstrosität des Titel-Ungeheuers. Dieser Werwolf platzt längst noch nicht aus allen Nähten; sein Fell wächst kurzerhand unterm Anzug samt sorgsam gebundener Krawatte und zur besseren Tarnung im Londoner Gaslicht zieht sich unser Pilger gleich noch eine schicke Schiebermütze tief ins Gesicht. Eines seiner Opfer muss sogar gleich zweimal hinbschauen, bevor sie weiß, was sie gleich anfallen wird und herzhaft loskreischen kann. Nun ja. Amüsant, unterhaltsam und in Anbetracht seiner Entstehungszeit sogar erfreulich darf sich "Werewolf Of London" jedenfalls auch heute noch nennen.

7/10

Stuart Walker Werwolf Monster London


Foto

SURVIVAL OF THE DEAD (George A. Romero/USA, CA 2009)


"Pictures of my ancestors - dead of course. A way to keep them in mind."

Survival Of The Dead ~ USA/CA 2009
Directed By: George A. Romero


Die Ostküste der USA nach der Zombie-Apokalypse. Sergeant Crocket (Alan Van Spang) und seine Leute werden durch eine Videomessage auf die kleine Insel Plum vor der Küste von Delaware aufmerksam: Angeblich sei die Plage hier unter Kontrolle und jeder Asylsuchende willkommen. Tatsächlich ist dem mitnichten so. Die zwei verfeindeten, irischstämmigen Patriarchen Patrick O'Flynn (Kenneth Welsh) und Seamus Muldoon (Richard Fitzpatrick) führen einen Kleinkrieg, der seinen Ausgangspunkt in der Frage nach dem korrekten Verhalten angesichts der Ausnahmesituation hat. Während O'Flynn glaubt, die Ausbreitung der Seuche allein mittels rücksichtsloser Ausrottung der Infizierten eindämmen zu können, lässt Muldoon die bereits zombifizierten Opfer in der Hoffnung auf ein irgendwann zu findendes Heilmittel anketten und einsperren.

Nach dem formal eher experimentell geratenen "Diary Of The Dead" kehrt Romero zurück zu sauberem Scope und klassisch-epischem storytelling. Dennoch gibt es ein Novum: Erstmals nimmt er innerhalb der Filme des Dead-Zyklus faktischen Rückbezug auf einen Vorgänger - die als Protagonisten eingeführten Soldaten sind noch als rücksichtslose Plünderer aus "Diary" in eher unangenehmer Erinnerung. Was die aktuelle Rahmengeschichte anbelangt, so greift Romero auf das ja sehr traditionsbehaftete Sujet zweier verfeindeter Familien zurück, deren Fehde letzten Endes jedoch einzig auf den Konflikt der dickköpfigen Väter rekurriert. Ein Hauch von Shakespeare scheint durch die mit leiser Faszination erstellten, herbstlichen Bilder zu wehen und macht ganz unmissverständlich klar, dass Romero nicht nur der Erfinder dieses in den letzten Jahren ja wieder reichhaltig gefütterten Subgenres ist, sondern auch ganz klar der geistige Kopf. Einmal mehr degradiert er die Untoten zu Randfiguren seines selbst entworfenen Szenarios und stellt die interpersonellen Dynamiken der Lebenden ins Zentrum. Das dürfte nach wie vor eine Rarität sein im Zombiefilm. Unter solch glücklichen Umständen bleibt mir nur zu hoffen: Möge Romero, was er ja vermutlich ganz unabhängig von meinem Wunsch ohnehin praktizieren wird, noch so lange weiter Zombiefilme drehen, bis ihn selbst die (vorübergehende...?) rigor mortis ereilt!

8/10

Independent Splatter Apokalypse Dead-Zyklus Zombies George A. Romero





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare