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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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DINER (Barry Levinson/USA 1982)


"The only hand on your pecker is going to be your own!"

Diner (American Diner) ~ USA 1962
Directed By: Barry Levinson

Baltimore, 1959: Sechs Freunde stehen an der Schwelle zum Erwachsenwerden oder haben diese bereits überschritten. Eddie (Steve Guttenberg) steht kurz vor seiner Hochzeit, kann sich aber noch nicht recht entschließen, jenen finalen Schritt zu wagen; Shrevie (Daniel Stern) ist bereits mit Beth (Ellen Barkin) verheiratet, doch in ihrer Ehe kriselt es bereits; Boogie (Mickey Rourke) schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durchs Leben und verwettet jeden verdienten Dollar; Fenwick (Kevin Bacon) leidet unter den für ihn uneinlösbaren Erwartungen seiner Familie und hat ein Alkoholproblem, Billy (Tim Daly) studiert bereits und ist gerade dabei, Vater eines unehelichen Kindes zu werden und Modell (Paul Reiser) lässt sich gern einladen, um nicht als bettelnder Schnorrer dazustehen.

Eine straighte Geschichte gibt es in Barry Levinsons schönem Regiedebüt nicht; vielmehr verflicht er die autobiographisch gefärbten Segmente mit gehörigem Zeitkolorit etwa in Form eines sorfältig kompilierten Soundtracks zu einem wiederum dicht verwobenen Ganzen, das Bestand hat als Porträt seiner Jugend und Stadt. "Diner" wird sich später zudem als erster Film seines bis dato vierteiligen "Baltimore-Zyklus" im cineastischen Bewusstsein verankern. Da in der neuenglischen Metropole noch vieles aussieht wie ano dunnemals benötigt Levinson lediglich ein paar alte Autos als Requisiten; das titelspendende Restaurant, Dreh- und Angelpunkt des Sextetts, war zum Drehzeitpunkt des Films noch existent und konnte praktisch unmodifiziert genutzt werden. So atmet "Diner" trotz eines verbrieft geringen Budgets und seiner besonders im entstehungszeitlichen Kontext intimen Art der Darbietung den Hauch großen Kinos. Rückblickend sorgt dafür natürlich auch die aus damals noch unbekannten Nachwüchslern bestehende Gardebesetzung, worunter insbesondere Mickey Rourke, dessen Boogie ohnehin als heimliche Hauptfigur des Geschehens durchgeht, bereits Zeugnis seiner unbestrittenen Klasse ablegt. Ein Liebhaberstück.

8/10

Barry Levinson Freundschaft Ehe period piece Baltimore ethnics Coming of Age Winter


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SHORT CUTS (Robert Altman/USA 1993)


"That was a 35 dollar belt!"

Short Cuts ~ USA 1993
Directed By: Robert Altman

L.A. Stories: Fliegengift, Dysfunktionale Beziehungen,Gleichgültigkeit, Spießertum, Lügen, Betrug, Eigennutz, Unfähigkeit zu Empathie und/oder Lebensrevision, Überreaktionen, Liebe, Hass und Tod.

Wie im vorhergehden Eintrag zu "Grand Canyon" erwähnt, nicht nur ein companion piece zu selbigem, sondern zugleich dessen contradiction piece. Wo uns Kasdan noch hoffnungsvolle Wege aus dem allumfassenden, südkalifornischen Existenzelend aufzeigt, bringt Altman alles in einer von mehreren großartigen, von Annie Ross gesungenen Jazzballaden auf den Punkt: "I'm a prisoner of life".
"Short Cuts" ist ein manchmal absurd komisches, manchmal todtrauriges Präludium zum zivilisatorischen Armageddon: Die Geschichten sind nicht meta-existenziell, symbolisch oder gar exemplarisch angelegt wie bei Kasdan, sie sind Momentaufnahmen stinknormaler Alltagsereignisse. Zwar befinden mehrere der auftretenden Protagonisten sich wahlweise an der Schwelle zur Psychose, haben diese bereits überschritten oder können sich gerade noch davor retten, doch auch das kommentiert der bereits reife Altman mit dem ihm eigenen, sarkastischen Achselzucken. Es ist, wie es ist und daran ändert sowieso keiner etwas. Möglicherweise schlägt auch bloß die widerwillig planierte, planquadrierte Natur zurück: Das nächtens über der Stadt verteilte Anti-Fruchtfliegengift scheint wenig förderlich für Kontaktpersonen zu sein; die Sommerhitze tut ihr Übriges, ein Erdbeben kündigt sich durch humane Aggressionsentladungen an. So wirklich identifikationstauglich - der vielleicht größte Kniff des Films auf emotionaler Ebene - ist keiner der sich immer wieder wechselseitig begegnenden Handlungsträger. Alle machen gleich mehrere elementare Fehler, vergessen Moral und Ratio und zerbrechen womöglich daran. Am exemplarischsten für die allseitige, mitunter in pures Grauen umkippende Narretei ist vielleicht Tim Robbins' Figur des Motorradpolizisten Gene Shepard: Der Mann ist ein komplettverschnürtes Ekelpaket, er lügt, betrügt, nutzt seine berufliche Position auf das Unangenehmste aus, ist inkonsequent wie ein Kleinkind und macht alles falsch, was er nur falsch machen kann. "Short Cuts" hat mich bei der gestrigen Betrachtung so sehr mitgerissen, dass ich nach dem Film selbst vorübergehend das schwindlerische Gefühl hatte, nurmehr durch eine schwenkende "Altman-Linse" zu blicken.
Ein irrsinniger, monströser Film von bleibendem Wert, ein großes Meisterwerk seines Regisseurs und überhaupt.

10*/10

Robert Altman Raymond Carver Los Angeles Ehe Ensemblefilm Freundschaft Alkohol Familie Hund Sommer Madness Malerei Unfall


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HIGH SPIRITS (Neil Jordan/UK, USA 1988)


"This is not easy, this is very, very difficult!"

High Spirits ~ UK/USA 1988
Directed By: Neil Jordan

Der versoffene Burgerbe Peter Plunkett (Peter O'Toole) hat alle Hände voll damit zu tun, sein modriges, irisches Erbgut vor einem Verkauf nach Malibu zu retten. Um sich neue Touristenschichten zu erschließen, staffiert er mit seinen Angestellten Plunkett Castle zu einem Spukschloss um, wobei jeder einen bestimmten Geisterpart zu erfüllen hat. Was weder Plunkett noch die bereits herannahenden US-Urlauber ahnen: Auf Schloss Plunkett spukt es wirklich und die beiden über 200 Jahre alten Gespenster Mary (Daryl Hannah) und Martin (Liam Neeson) langweilen sich ob ihres sich allnächtlich wiederholenden Beziehungsdramas buchstäblich zu Tode. Trefflich ergo, dass mit Jack (Steve Guttenberg) und Sharon (Beverly D'Angelo) ein lebendes Pärchen anreist, dem es keinen Deut besser geht...

Wie Neil Jordan seine Gespensterkomödie stets lustvoll an der Beinahekatastrophe vorbeiinszeniert und aus einer potenziellen Gurke dann doch noch eine schönes Grusical mit viel Herz fertigt, das schaut man sich gern an. "High Spirits" hätte nämlich, mit einem unambitionierten, sprich: "falschen" Regisseur an der Hand, auch völlig in die Hose gehen können. Das überaus eigenwillige Script steckt nämlich voller entsprechender Stolpersteine, die Jordan jedoch durchweg bravourös umschifft. Dabei bleibt alles recht moderat und unübertrieben: Der Chaoshumor des Stücks, die Phantastik, die Romantik. Peter O'Toole war bei diversen Auftritten wohl wirklich ziemlich blau, schlingert aber ebenso cool wie souverän durch den Film. Die übrigen Darsteller, eine sehr feine Besetzung nebenbei, geben durch die Bank Vollgas und sind gut wie selten. Besonders Liam Neeson als furzender, dauergeiler Geist ist urkomisch.
Ich war ja als Dreizehnjähriger mal schwerstens in Daryl Hannah verliebt und habe mir "High Spirits" (ebenso wie ihre anderen bis dato verfügbaren Sachen) entsprechend häufig angeschaut. Heuer kann ich konstatieren: In diesem Falle war die Zeit nicht verschwendet.

8/10

Neil Jordan Irland Schloss Spuk Geister Tourismus Parapsychologie


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THE MONEY PIT (Richard Benjamin/USA 1986)


"This is turning out to be a pretty good day."

The Money Pit (Geschenkt ist noch zu teuer) ~ USA 1986
Directed By: Richard Benjamin

Walter (Tom Hanks) und seine Freundin Anna (Shelley Long) sind auf Wohnungssuche, seit Annas Ex Max (Alexander Godunov), ein hochnäsiger Dirigent, aus Europa zurück ist und sein New Yorker Appartment zurück beansprucht. Ein Angebot der schrulligen Estelle (Maureen Stapleton) kommt ihnen da gerade recht: Die Gute verkauft ihre luxuriös anmutende Provinzvilla für einen Spottpreis. Wie Anna richtig vermutet, hat die Sache, da sie einmal unter Dach und Fach ist, einen bösen Haken: Das schicke Haus ist nämlich völlig marode und an allen Ecken und Enden mehr als renovierungsbedürftig. Die entsprechenden Erlebnisse und Folgekosten zehren im Quadrat an Walters und Annas Beziehungssubstanz.

Großartige Komödie, die über die Jahre kein bisschen an Kraft eingebüßt hat und noch immer taufrisch daherkommt. Tom Hanks, zu dieser gerade an seinem Aufstieg vom comedian zum Hollywood-Star arbeitend, beweist, dass er in dieser Art Film eigentlich seine größten Karrieremeriten vorzuweisen hat: Als Endzwanziger, dem sein Geschick dermaßen übel mitspielt, dass er lange am Rande des Nervenzusammenbruchs entlangbalanciert, nur, um dann irgendwann gänzlich abzurutschen, war er für ein paar Jahre der Größte seiner Zunft. Die Chaosszene etwa, in der Walter aus Ungeschick den kompletten Gerüstbau an der Vorderfront seines Hauses demoliert und dann schlussendlich im Pissmänneken-Brunnen seines Gartens landet, ist noch immer allergrößtes Slapstick-Tennis. Doch auch viele andere Details in "The Money Pit" bereiten Höchstfreuden, so vor allem das illustre Spektrum an Nebenfiguren, wobei ganz besonders die Bauarbeiter (u.a. Frankie Faison, Mike Starr, Jake Steinfeld, Michael Jeter), die Walters und Annas sich zuspitzende Beziehungskrise als eine Art Live-Soap genießen, höchste Komik feilbieten. Rundum toll.

8/10

Richard Benjamin New York Beziehung Haus


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BORGMAN (Alex van Warmerdam/NL, B, DK 2013)


Zitat entfällt.

Borgman ~ NL/B/DK 2013
Directed By: Alex van Warmerdam

Der obdachlose Borgman (Jan Bijvoet) und seine zwei Freunde Ludwig (Alex van Warmerdam) und Pascal (Tom Dewispelaere) werden von einer Gruppe Kleinstädter mit Waffen gejagt und können knapp entkommen. Der Grund für die Hatz bleibt vorerst unklar. In einem luxuriösen Vorstadtviertel verlangt Borgman daraufhin im Hause einer offenbar recht wohlhabenden Familie nach einem Bad. Nachdem Ehemann Richard (Jeroen Perceval) ablehnt, provoziert Borgman ihn und lässt sich von dem Rasenden zusammenschlagen. Gattin Marina (Hadewych Minis) fühlt sich in der Schuld des verletzten Borgman und beherbergt ihn insgeheim im Gartenhäuschen. Marina kann zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, welche Tragweite Borgmans Pläne wirklich haben und mit welcher Entschlossenheit er und seine Verbündeten diese durchzusetzen trachten...

Ein bemerkenswertes Beispiel einerseits für bissige Milieukritik und für trefflich eingefädelte Zuschauermanipulation andererseits. Welche Wirkung "Borgman" hinterlässt, welche Eindrücke er auf seine Rezpientenschaft ausübt, das findet sich wohl so sehr in der politischen, ethischen und auch ästhetischen Determination des seiner jeweilig ansichtigen Individuums verankert, wie im Falle nur weniger anderer Filme, die ich in jüngerer Zeit geschaut habe.
Zunächst mal ist "Borgman" ein neuerliches, hervorragendes Zeugnis davon, welch wunderhübsch fieses, subversives Kino immer wieder in unseren Nachbarländern entsteht. Van Warmerdam fährt eine unerbittliche Frontalattacke gegen Spießertum und bourgeoise Oberflächlickeit; gegen postmoderne Indoktrinationen kapitalistischer Lügenkonstrukte und materiellen Erfolgsstrebens. Richard und Marina sind das inkarnierte Albtraumpaar: Wohlhabend, gelangweilt, gestesst, zivilisationskrank. Für ihn zählt nurmehr der dicke Gehaltscheck zur Bewahrung etablierter Lebensstandards; für sie, von Migräne und Isolationsdepressionen geplagte Familienmutter ohne Lebensmission, der schöne Schein. In ihrem Atelier fabriziert sie nichtssagende, vulgäre Kunst und erniederigt ansonsten das dänische Au-Pair-Mädchen Stine (Sara Hjort Ditlevsen). Hauptleitragende dieser Familienfarce sind erwartungsgemäß die drei Kinder (Elve Lijbaart, Dirkje van der Pijl, Pieter-Bas de Waard), die unter dem sie allseits umgebenden Neurosengeflecht erdrückt zu werden drohen.
Diese Lesart erlaubt es, Borgman und seine Truppe als eine Art "Gesellschafts-Feuerwehr" zu betrachten. Die krankmachenden Elemente werden aus dem Leben der Kinder hinausgemerzt und sie selbst zu Mitgliedern jener (noch) kleinen, vielleicht gerade im Erstarken begriffenen Anarchisten-Schar. Möglicherweise rekrutiert sich das mysteriöse Quintett auch aus Aliens oder zumindest deren Botschaftern; jedenfalls manipulieren sie gern am Rückenmark ihrer Aspiranten herum und verschaffen sich dadurch deren Gefügigkeit. Auch Borgman selbst trägt jedenfalls eine entsprechende Narbe spazieren...
Aller Undurchsichtigkeit und Analysiereinladungen unabhängig ist van Warmerdam mit "Borgman" aber vor allem eine böse Anarcho-Komödie gelungen, wie es wohl seit "Fight Club" keine mehr von solcher Entschlossenheit gab. Der gewaltvoll forcierten Dekonstruktion der Institution 'Familie' und all ihrer Anhängsel beizuwohnen hat mir jedenfalls diebische Freude bereitet und ich war am Ende geradezu erleichtert, dass die vier Kids, Stine inbegriffen, aus ihrer grauenhaften Vorstadthölle extrahiert werden konnten.

10/10

Alex van Warmerdam Niederlande Surrealismus Groteske Satire home invasion


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GRINDHOUSE (Robert Rodriguez, Quentin Tarantino/USA 2007)


"I never miss."

Grindhouse ~ USA 2007
Directed By: Robert Rodriguez/Quentin Tarantino

Aus Robert Rodriguez' und Quentin Tarantinos dereinst recht vollmundig angekündigtem "Grindhouse"-Projekt, das eine Hommage an das bereits im Titel postulierte "Kleinkunstkino" der siebziger Jahre darstellte, wurden zunächst die beiden Einzelsegmente "Planet Terror" und "Death Proof" destilliert und als eigenständige Arbeit des jeweiligen Regisseurs vermarktet. Gewinnmaximierung, ganz im Sinne jener liebevoll hofierter und karikierter Schmuddelreißer aus besseren Kinotagen. Die beiden solitär genossenen "Hauptfilme" (deren Reihenfolge innerhalb von "Grindhouse" selbst in umgekehrter Provenienz vielleicht etwas geschickter gewesen wäre, aber achronologische Durchmengung gehört ja zu Tarantinos kleinen Spezialitäten), die in ihren Einzelversionen jeweils mit einigen Szenen angereichert und gestreckt wurden, ergeben in ihrer Kompilation mitsamt all den hübschen Trailern ein deutlich passgenaueres Vergnügen. Diverse Darsteller, ja, sogar Charaktere wie der stets gern gesehene, vom zerknirschten Michael Parks gegebene Sheriff Earl McGraw, tauchen ja in beiden Filmen auf, was dem eigentlich intendierten venue sehr zuspricht. Einerseits muss man somit zwar auf Wohlgelittenes wie etwa den Lap Dance von Vanessa Ferlito verzichten, es bleibt einem jedoch auch geflissentlich störender Füllstoff erspart. Die Sinnfälligkeit des Ganzen, insbesondere die von Form und Präsentation jedenfalls erschließt sich zur Gänze erst im Double Feature, das ich den beiden Einzelbeiträgen stets vorziehen würde.

9/10

Robert Rodriguez Quentin Tarantino Texas Hommage Splatter Zombies Virus car chase Freundschaft Exploitation


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PULP FICTION (Quentin Tarantino/USA 1994)


"Just because you are a character doesn't mean that you have character."

Pulp Fiction ~ USA 1994
Directed By: Quentin Tarantino

Binnen etwa 18 Stunden ereignen sich im Schmelztiegel von L.A. mehrere einschneidende Episoden rund um den Gangsterboss Marsellus Wallace (Ving Rhames): Zwei von ihm entsandte Profikiller, Vincent Vega (John Travolta) und Jules Winfield (Samuel L. Jackson) müssen einen Wallace geraubten Koffer mit mysteriösem Inhalt sicherstellen. Im Zuge dessen kommt es zu mehreren beabsichtigten und unbeabsichtigten Todesfällen, dem halsbrecherischen Einsatz eines Cleaners (Harvey Keitel) und der Konfrontation mit einem Räuber-Pärchen (Tim Roth, Amanda Plummer). Später muss Vincent Vega im Auftrag seines Bosses dessen Frau Mia (Uma Thurman) ausführen, die am Ende des Abends beinahe an einer Überdosis fälschlicherweise geschnupften Heroins krepiert. Parallel dazu weigert sich der von Wallace geschmierte Boxer Butch Coolidge (Bruce Willis), einen getürkten Kampf zu verlieren und schlägt seinen Gegner stattdessen tot. Auf der Flucht vor dem wütenden Betrogenen muss Butch noch unbedingt seine Armbanduhr sicherstellen und begegnet dabei ausgerechnet seiner Nemesis in Person. Zusammen landen die beiden im Keller einer nachgerade gestörten Vergewaltiger-Clique, aus der Butch sich und Wallace befreien kann und im Gegenzug einen Freifahrtschein kassiert.

Nach "Pulp Fiction" avancierte Quentin Tarantino zu ausnahmslos everybody's darling, der Film und Kino etwas abgewinnen konnte. Machten sich bereits in "Reservoir Dogs" und "True Romance" etliche intertextuelle Referenzen und Bezüge bemerkbar, so bestimmten diese bereits weite Teile der mentalen Landschaft, die "Pulp Fiction" grundierte: Angelegt als achronologische Schilderung miteinander auf obskure Art verwobener Ereignisse im folkloristisch gezeichneten, südkalifornischen Gangstermilieu erweisen sich die einzelnen Episoden rasch als stark beeinflusst von den bereits ihrerseits oftmals reziprok plagiierten harboiled crime stories der vierziger und fünfziger Jahre und den entsprechenden B-Filmen aus Hollywood. Der Begriff "pulp", eine Art unschuldige(re) Vorstufe zum "camp", bezeichnet eben diesen Umgang mit popkulturellen Schemata: die nur geringfügig modifizierte Varianz überschaubarer Motive und Topoi. Tarantino pickte sich davon nach eigenem Bekunden ein paar der besonders archetypischen heraus und legierte diese zu jenem gefeierten cineastischen Großereignis, dem rückblickend vor allem großes Lob gebührt, weil es erstmals bewusst die Grenzen zwischen seit jeher schief beäugtem Genrestoff und etablierter Erzählkunst aufstieß. Die scheinbar endlos geführten, stets ironisch konnotierten Dialoge über Allerweltsthemen, die jeder zweite freundschaftlich geführte, reale Dialog irgendwann streift - das begeisterte die Leute. Man spricht über Fast Food, erotische Avancen und Drogen, später auch über Gewalt und Ethik; die Schauplätze sind ordinäre Vorstadthäuser und hippe Retro-Restaurants, das Valley und Glendale, auf der Musikspur laufen Surfrock, Soul und ein neues Stück, die künftig alle feste Assoziationen zu den Bildern wecken: Als Exempel für einen in jeder Hinsicht, also qualitativ wie quantitativ, maximal konsumierten Kultfilm, der einen globalen Nervnenner getroffen hat, ist und bleibt "Pulp Fiction" konkurrenzlos.
Dass einem mit dem Abstand der Jahre (Wahnsinn, es sind schon über 20) dann doch kleinere Schönheitsfehler ins Auge stechen, Überreizungen, Makel, ohne die der Film möglicherweise glatter, aber eben nicht mehr er selbst wäre, erscheint mir eher wertungsneutral. Einen anderen "Pulp Fiction" als eben diesen, den ja jeder kennt, möchte ja doch keiner haben.

10/10

Quentin Tarantino Roger Avary Ensemblefilm Los Angeles Profikiller Freundschaft Drogen Heroin neo noir


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ONE CRAZY SUMMER (Savage Steve Holland/USA 1986)


"I beg to differ!"

One Crazy Summer (Ein ganz verrückter Sommer) ~ USA 1986
Directed By: Savage Steve Holland

Wenn die High School erstmal geschafft ist, und man merkt, dass man eigentlich noch gar nichts erreicht hat, dann steht der verrückteste Sommer des Lebens bevor! Für Basketball-Null und Hobby-Cartoonist Hoops McCann (John Cusack) spielt sich dieser auf der beschaulichen Insel Nantucket ab, wo er die Ferien mit seinem besten Kumpel George (Joel Murray), dessen kleiner Schwester Squid (Kristen Goelz) und ihrem operationsvernarbten Hund Boscoe bei Oma Calamari (Billie Bird) verbringt. Bereits auf dem Hinweg lernt Hoops die nette Sängerin Cassandra (Demi Moore) kennen, verirrt sich jedoch erstmal zu Cookie (Kimberly Foster), der heißen Biene des Insel-Gorillas Teddy (Matt Mulhern). Dass ausgerechnet dessen Dad (Mark Metcalf) dabei ist, Cassandra zu enteignen, bedeutet jedoch schon bald Krieg...

Savage Steve Holland und John Cusack hatten ein Jahr zuvor bereits die Wintersport-Groteske "Better Off Dead" verdreidübelt und griffen dessen Konzept für "One Crazy Summer" gleich nochmal auf. Außer, dass sich das Ganze diesmal vor sommerlichem Ambiente abspielt, ändert sich nicht allzuviel. Cusack spielt wieder einen grenzdepressiven Teenager mit Liebesnöten, wieder gibt es die hübschen, zu Leben erwachenden Papierzeichnungen und die für den eintritt ins Erwachsenenleben dringend notwendige Erkenntnis, alles schaffen zu können, was man sich nur vornimmt. Freilich bilden die einmal mehr bescheuerten Gags das eigentliche Zentrum des Ganzen, respektive den wahren Grund, warum man sich in dem Film wirklich wohlfühlt: Speziell Bobcat Goldthwait, der seine in den "Police Academy"-Filmen etablierte Komik nahtlos nach Nantucket überführt, verleiht dem Film zusammen mit Auftritten anderer beliebter Gesichter jener Tage (Jeremy Piven, William Hickey, Curtis Armstrong, John Matsuszak oder des kürzlich leider viel zu früh verstorbenen Taylor Negron) seine besondere Würze. Wie Goldthwait im Godzilla-Suit unter dem Beifall eines japanischen Bankers (Donald Li) eine kleines Stadtmodell zertrampelt, das ist schon echt knuffig.
Schöner, kleiner Film auch sonst.

7/10

Savage Steve Holland Massachusetts Sommer Freundschaft Insel Teenager Zwillinge Coming of Age


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POLICE ACADEMY 3: BACK IN TRAINING (Jerry Paris/USA 1986)


"Kiss my what?"

Police Academy 3: Back In Training (Police Academy 3... und keiner kann sie bremsen) ~ USA 1986
Directed By: Jerry Paris

Eine der beiden städtischen Polizei-Akademien soll geschlossen werden, entweder die des altehrwürdigen Commandant Lassard (George Gaynes) oder die deutlich straffer geführte des mittlerweile beförderten Commandant Mauser (Art Metrano). Um sich aus der Patsche zu helfen, mobilisiert Lassard seine Ehemaligen rund um Ctry Mahoney (Steve Guttenberg) und die anderen, auf dass diese als Ausbilder für eine neue Generation durchgedrehter Rekruten einspringen. Bald haben die "Neuen" die Chance sich zu beweisen, als der Gouverneur (Ed Nelson) von einer Gruppe Krimineller gekidnappt wird...

Bis hierhin soll's mir vorläufig erst einmal reichen mit den Jungs und Mädels aus der Police Academy - die Gags, vor allem die halbwegs gelungenen, sind fast ausschließlich Reprisen aus den ersten beiden Teilen, derweil manche Witze und Einstellungen einem fast schon Kopfschütteln machenden Leerlauf frönen. Die alte Garde um Steve Guttenberg, Michael Winslow, Bubba Smith und David Graf scheint, mit Ausnahme des Letzteren vielleicht, ihrer darzustellenden, wiederkehrenden Albernheiten zunehmend müde zu werden und überlassen den heurigen Löwenanteil an Lachern den beiden liebenswerten Fiesmöppen Art Metrano und seinem idiotischem Faktotum Proctor (Lance Kinsey) respektive dem abermals komplett überzüchtet auftretendem Bobcat Goldthwait, dessen verrückter Rocker Zed nunmehr Polizist werden will, sowie seinem Komplementär Tim Kazurinsky als duckmäusigem Anwärter Sweetchuck. Wenn als Behelf eine Großzahl aus Kalauern aus der deutschen Synchronfassung rekurriert (mutmaßlich von Guttenberg-Sprecher Arne Elsholtz verfasst), was die ersten beiden Filme noch längst nicht in diesem Maße nötig hatten, dann ist zudem Obacht geboten. Der Nostalgie-Faktor (als Kind habe ich den Film geliebt) spielt noch mit herein, dennoch ist dies ein eher flaues Klamöttchen.

5/10

Jerry Paris Paul Maslansky Police Academy


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POLICE ACADEMY 2: THEIR FIRST ASSIGNMENT (Jerry Paris/USA 1985)


"Never fool with a fuzz ball."

Police Academy 2: Their First Assignment (Police Academy 2... Jetzt geht's erst richtig los!) ~ USA 1985
Directed By: Jerry Paris

Pete Lassard (Howard Hesseman) sitzt in der Klemme: Das von ihm geleitete Polizeirevier leidet unter einer viel zu hohen Misserfolgsquote, schlechter Öffentlichkeitsarbeit und vor allem seiner miesen Lage. Es steht daher zu befürchten, dass im Falle weiterer Misserfolge Lassard binnen 30 Tagen seinen Posten an seinen schleimigen Vize Mt. Mauser (Art Metrano) und dessen Speichellecker Proctor (Lance Kinsey) abgeben muss. In seiner Not wendet sich Lassard an seinen älteren Bruder, den Direktor der Polizei-Akademie (George Gaynes). Dieser schickt dem Junior seine just graduierten Eleven rund um Sonnyboy Cary Mahoney (Steve Guttenberg), die in ihrem neuen Revier mit altgedienten KollegInnen auf Streife geschickt werden. Schon bald schließt man Bekanntschaft mit der Wurzel allen hiesigen Übels: Dem verrückten Rocker Zed (Bobcat Goldthwait) und seiner Gang...

Der Titel des Sequels stimmt ja schonmal nicht richtig, denn hier geht es nicht mehr um die Polizei-Akademie itself, sondern um den weiteren Werdegang der zuvor kennengelernten Vollchaoten, die trotz mancher Minderbemittlung allesamt ihren Abschluss mit Bravour erhalten haben. So nimmt der Originalitätsfaktor denn auch bereits an dieser Stelle um einige Einheiten ab. Fürderhin um manch beliebten Charakter erleichtert, wenn teils auch lediglich vorübergehend, etabliert "Police Academy 2" immerhin auch einige neue Figuren mit kapitaler Schräglage, allen voran natürlich den retardierten Zed, der von dem grundsätzlich gewöhnungsbedürftigen comedian Bobcat Goldthwait interpretiert wird und dessen abrupt aufkeimender Beliebtheitsgrad ihm noch zwei Folgeauftritte innerhalb der Reihe bescheren sollte. Als Lt.-Harris-Substitut bekommen wir Art Metrano als Mauser, der nicht ganz so lustig aufspielt wie sein Quasi-Vorgänger, infolge der ihm von Mahoney verpassten Streiche aber wiederum die besten Gags des Films abbekommt: Das beim Duschen gegen Plastikkleber ausgetauschte Shampoo und die proktologische Zwangsntersuchung durch eine sadistische Krankenschwester (Diana Bellamy) zählen zu den ungebrochenen humoristischen Großmeisterlichkeiten der gesamten Serie.

6/10

Jerry Paris Paul Maslansky Police Academy undercover Rocker Subkultur





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Funxton

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