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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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MONSIEUR VERDOUX (Charles Caplin/USA 1947)


"I shall see you all... very soon..."

Monsieur Verdoux ~ USA 1947
Directed By: Charles Chaplin


Nachdem die 29er-Wirtschaftskrise ihn finanziell in die Knie gezwungen hat, entschließt sich Henri Verdoux (Charles Chaplin) zum Einsatz ungestümerer Methoden, um Frau (Mady Correll) und Kind (Allison Roddan) durchzubringen: Er heiratet unter falschen Namen reiche, alleinstehende Damen und lässt sie in Kürze "verschwinden", um an das ihm nunmehr zustehende Erbteil zu kommen. Verdoux entwickelt seinen neuen "Beruf" zur Profession, bis ein neuerlicher ökonomischer Zusammenbruch ihn um all sein Erspartes bringt und seine Familie in Armut sterben lässt. Resigniert und bußewillig liefert sich Verdoux den Behörden aus, nicht jedoch, ohne ein gesalzenes Plädoyer vor der Verkündung seiner Todesstrafe abzugeben.

Eines der späten Meisterwerke Chaplins, leider ein in weniger bewanderten Kreisen, die mit dem großen Filmemacher immer wieder nur den Melonentramp oder bestenfalls den Hitler-Parodisten assoziieren, allzu unbekanntes. Wie beiläufig bringt Chaplin mit "Monsieur Verdoux" das Subgenre des Serienkiller-Films auf Kurs und tut dies auf eine so subtile, vorgeblich schmeichelhafte Weise, dass "Verdoux" zu den bösesten und abgründigsten Werken ebendieser Zunft gezählt werden muss. Nicht nur, dass dieser Henri Verdoux ein an Charme, Witz und Distinguiertheit kaum mehr übertreffbar scheinender Filou ist, dem jede unmenschliche Regung fremd sein muss, er hat auch ein großes Herz für die Armen und Benachteiligten. Verdoux sieht sich selbst bis zu seinem Ende keinesfalls als Verbrecher an der Menschlichkeit, sondern als Opfer der Umstände, das im Vergleich zu jenen, die gegenwärtig Massenvernichtungswaffen als Fortschrittsindizien konstruieren, ein Waisenknabe sein muss. Bei genauerer Betrachtung ist er das sogar - ein in seiner unbedarften Art liebenswerter, kleiner Mann mit großem Herzen, der lediglich den einen kleinen Fehler besitzt, dass er bereits vierzehn verprellte Ehefrauen "eingeschläfert" hat. Wie Chaplin uns, sein Publikum, mittels seines unschlagbaren gestalterischen Könnertums zu Sympathisanten und sogar Komplizen Verdoux' macht, das ist ein Ausbund an Geisteskraft, dem zu folgen ich nur jedem zuraten kann.

10/10

Schwarzer Freitag Serienmord Polygamie Charles Caplin WWII


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BLACK DYNAMITE (Scott Sanders/USA 2009)


"Black Dynamite, that was the best loving I ever had."

Black Dynamite ~ USA 2009
Directed By: Scott Sanders


Der schwarze Supermann Black Dynamite (Michael Jai White) wird sauer, als er von der Ermordung seines Bruders Jimmy (Baron Vaughn) erfährt und mitbekommt, dass sein Viertel von Drogen überschwemmt wird, die vorzüglich von Waisenkindern konsumiert werden. Mit unerbittlicher Härte und der Hilfe seiner Kumpels deckt Black Dynamite eine Verschwörung auf, die bis in oberste Regierungskreise reicht...

Köstliche Blaxploitation-Parodie, die im Gegensatz zu verquastem Müll wie den "Scary-Movie"-Filmen keineswegs den Fehler begeht, sich für cleverer zu halten als die Spottzielscheibe und dabei doch bloß peinlich-dummes, kriecherisches Denunziantentum zu betreiben, sondern zugleich eine unumwundene Liebeserklärung an die Originale und ihre Zeit darstellt. Das Geheimnis der Kreierung einer guten Parodie konnte man bereits wuderhübsch in Todd Philips' "Starsky & Hutch" ausmachen, mit dem "Black Dynamite" in einer Liga spielt. Was der Nachzügler seinem - ich nenne es hier mal vorsichtig so - Vorbild voraus hat, ist die Feinregelung. Nicht nur, dass ausstatterische Authentizität hier oberstes Gebot ist; man macht auch vieles so, wie es damals bei der AIP Gang und Gäbe war; bestimmte Einstellungen werden kurzerhand doppelt abgespielt, um Geld zu sparen, deutlich als solche erkennbare Archivaufnahmen und sogar unterschiedliches Filmmaterial und Belichtungsstärken verwendet, um einen absolut originalgetreuen Look zu erzielen. Dass sich hier und da auch mal hoffnungsloser Nonsens bemüht sieht, gehört zum Fundus des Genres - überaus brillant etwa die "detektivische" Kleinarbeit von Black Dynamite und seinen Freunden, als sie Zusammenhänge zwischen der griechischen und römischen Mytholgie, der Werbebranche und der Regierung herstellen und so dem Feind auf die Spur kommen. Dass Michael Jai White es nebenbei tatsächlich fertigbringt, so auszusehen wie Jim Brown in den "Slaughter"-Filmen, ist da noch das Tüpfelchen auf dem i. Dig it 4-evah.

8/10

Blaxploitation Parodie Scott Sanders


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LETHAL WEAPON 3 (Richard Donner/USA 1992)


"We can't shoot a dog. People? Okay, but not dogs."

Lethal Weapon 3 (Lethal Weapon 3 - Die Profis sind zurück) ~ USA 1992
Directed By: Richard Donner


Einmal Steifendienst und zurück: Nachdem Riggs (Mel Gibson) und Murtaugh (Danny Glover) aus Versehen ein Gebäude in die Luft gejagt haben, müssen sie in Uniform die Straßen von L.A. sichern. Doch ein punktum aufgehaltener Banküberfall katapultiert sie mitsamt Beförderung umgehend zurück in den gehobenen Beamtendienst, wo sie einen Fall von Waffenschmuggel und Immobilienbetrug aufzukären haben, hinter dem der Ex-Cop Jack Travis (Stuart Wilson) steckt.

Nach den auf ihre spezielle Weise jeweweils grandiosen Vorgängern macht Donner das im Prinzip richtige und verlagert seine Geschichte auf die intime, familiäre Beziehung der beiden Polizistenfreunde. Joe Pesci als humoriger Ergänzungspfeiler aus "Lethal Weapon 2" wird wieder aufgegriffen und wie selbstverständlich in die Story integriert, wie auch sonst das Franchise noch wesentlich stärker zur Comedy hin tendiert als es im zweiten Teil bereits angedeutet wurde. Zwar gehen die meisten Gags in Ordnung und reichen für einen Lacher hier oder einen Schmunzler dort; leider geht diese Entwicklung jedoch auf Kosten der zwingenden Härte, die "Lethal Weapon" und auch das Sequel als knackige 80s-Actioner noch ausgezeichnet hatte. Die Profis sind zur familientauglichen Unterhaltung degradiert worden und haben damit einen immens wichtigen Teil ihres Blutgeästs stillgelegt. Irgendwo in der Ferne des kalifornischen Horizonts meint man schon, den bedrohlichen Wortzug "TV-Serial" entziffern zu können. Die noch schlimmere Albtraum-Entsprechung wäre die Sitcom. Glücklicherweise blieb uns das (bislang) erspart. Bin gespannt, wie lange noch, nachdem Glover kaum mehr im Kino zu sehen ist und Gibson sich durch alles in die Schlagzeilen bringt, außer durch seinen Beruf.

7/10

Los Angeles Buddy Movie Richard Donner Sequel


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BRINGING OUT THE DEAD (Martin Scorsese/USA 1999)


"No one asked you to suffer. That was your idea."

Bringing Out The Dead ~ USA 1999
Directed By: Martin Scorsese


Seit der New Yorker Notsanitäter Frank Pierce (Nicolas Cage) den Tod eines jungen Mädchens (Cynthia Roman) nicht verhindern konnte, leidet er unter einem schweren emotionalen Trauma. Nahezu jeder Einsatz scheint seither schief zu laufen. Erschwerend hinzu kommen seine ebenfalls mehr oder weniger nachhaltig gestörten, wechselnden Partner (John Goodman, Ving Rhames, Tom Sizemore). Eine außerplanmäßige Dreifach-Nachtschicht, in deren Mittelpunkt die junge Ex-Fixerin Mary Burke (Patricia Arquette) steht, bringt Frank endgültig an seine psychischen und körperlichen Grenzen.

Scriptautor Paul Schrader bezeichnet "Bringing Out The Dead" nach "Taxi Driver" und "Light Sleeper" als letzten Teil einer Trilogie um einsame Gestalten auf Erlösungssuche inmitten des Manhattaner Nachtlebens. Tatsächlich macht diese Kategorisierung durchaus Sinn, schon in Anbetracht der engen stilistischen und thematischen Verwandtschaft aller drei Werke. In "Bringing Out The Dead" wird man erneut jener entfesselten Metropole kurz vor dem Kollaps ansichtig. Der Film enthält wie seine vielen großen "Parallelwerke", zu denen ich ohne Umschweife auch die von Abel Ferrara zählen möchte, keine einzige Figur ohne seelische Narben, geschweige denn, dass sie auch nur gegenwärtig als psychisch gesund einzustufen sei. Unter seinen verrückten Mitarbeitern, man könnte sie auch ganz kryptisch als "Mitreisende" bezeichnen (deren individuelle Obsessionen von sturer Gleichgültigkeit über patholoische Hybris bis hin zu echter Schizophrenie reichen), erweist sich Frank Pierce als Verlorener, dessen hehres Retterideal einen tiefen Riss bekommen hat, den es nunmehr zu kitten gilt, soll Frank nicht selbst zur Gänze vor die Hunde gehen. Scorsese inszeniert seine nachtschwarzen Höllenfahrten als Panoptikum des urbanen Irrsinns, dessen vier Himmelsrichtungen sich als Egozentrik, Drogensucht, Depression und Einsamkeit präsentieren. Durchzogen wird die Geschichte wiederum von zahlreichen christlichen Motiven, darunter einem sich selbst zum Heilsbringer stilisierenden Dealer mit "Dorn" in der Seite oder einer angeblich unbefleckten Jungfrau, die Zwillinge gebärt. Allerdings gibt es auch klare liberale Statements, etwa pro Sterbehilfe.
Formal haut Scorsese hier nach dem stillen "Kundun" wieder alles raus, was seine Kreativität hergibt: Er experimentiert mit Farbfiltern, halsbrecherischen Perspektiven, Zeitraffern und bedient sich einer ganzen Palette großartiger Songs, die "Bringing Out The Dead" den finalen Schliff verleihen. Großartiger Film!

9/10

Groteske Martin Scorsese Insomnie New York Drogen Nacht Paul Schrader Rettungsdienst


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AFTER HOURS (Martin Scorsese/USA 1985)


"I don't know what came over me." - "Lack of discipline." - "Possibly."

After Hours ~ USA 1985
Directed By: Martin Scorsese


Der mit seinem Leben unzufriedene New Yorker Programmierer Paul Hacket (Griffin Dunne) lernt nach einem gewöhnlichen Arbeitstag in einem Diner die attraktive Marcy (Rosanna Arquette) kennen, erhält von ihr die Nummer ihres WG-Apartements in Uptown Manhattan (das sie mit ihrer Künstlerfreundin Kiki (Linda Fiorentino) bewohnt) und ruft nur kurze Zeit später bei ihr an, um möglichst noch in derselben Stunde ein Rendezvous zu bekommen. Eine folgenschwere Entscheidung, denn Soho erweist sich als bizarrer Hort verrückt gewordener Nachteulen, die keinen Spaß verstehen.

Best to be seen by double mit dem im selben Jahr erschienen "Into The Night", einem meiner Lieblingsfilme nebenbei. Zwei in ihrer ganz individuellen Weise recht eigenwillige Insomnie-Komödien, wobei der sich für "After Hours" erstmals bei Michael Ballhaus' Brillanz als dp bedienende Scorsese sich noch weniger als sein Kollege John Landis um Oberflächen und Narrativik schert und stattdessen ein reines Panoptikum des Irrsinns aufbietet, das bei aller Absurdität und grotesken Komik tieftraurig ist und nicht zuletzt Scorseses eigene Seelenlage widerspiegelt, nachdem sein erster Versuch, die Kazantzakis-Verfilmung "The Last Temptation Of Christ" zu stemmen, brutal gescheitert war. Griffin Dunne, der das Projekt mehr oder weniger eingestielt hatte, gibt an, sich zwischenzeitlich auch um Tim Burton als Regisseur bemüht zu haben, was vermutlich ebenfalls nicht die schlechteste Wahl gewesen wäre, zumindest in Relation zu dem abgründigen Humor des Stücks. Das, was Paul Hacket hier des Nachts in den Bohème-Kreisen Manhattans passiert, wirkt im Gegensatz zu Ed Okins L.A.-Erlebnissen zumindest halbwegs geerdet; erscheint deswegen aber auch um einiges weniger märchenhaft. Eine gerüttelt Maß Kafka steckt hierin; der von anonymen Antagonisten verfolgte Unschuldige, der in die unaufhaltsamen Zahnräder der Verfolgung gerät. Dabei träumt Paul durchaus von der Freiheit, immerhin liest er Henry Miller - für einen EDV-Experten sicherlich keine eben typische Lektüre. Doch schon das Öffnen und Schließen der Pforten seiner Firma weist wesentlich mehr Elemente von Orwell und Bradbury auf. Paul ist nur ein Atom innerhalb des allumfassenden, repressiven Gefüges, umso verlorener sein Strampeln.
Einer der interessantesten, wenn auch sperrigsten und weniger zugänglichen Filme des Regisseurs.

9/10

Bohème Insomnie Martin Scorsese Subkultur Nacht New York


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THE KING OF COMEDY (Martin Scorsese/USA 1982)


"I figure it this way: Better to be king for a night than schmuck for a lifetime."

The King Of Comedy ~ USA 1982
Directed By: Martin Scorsese


Der kleine New Yorker Laufbursche Rupert Pupkin (Robert De Niro) träumt von einer Fernseh-Karriere als Stand-Up-Comedien und glaubt, in der Late-Night-Show des erfolgreichen Talkers Jerry Langford (Jerry Lewis) ein ideales Sprungbrett für seine Zwecke gefunden zu haben. Das Problem liegt bloß darin, dass sich Langford nicht die Bohne für Pupkin interessiert und jeden seiner Annäherungsversuche zunehmend schroff zurückweist. Mithilfe der Stalkerin Masha (Sandra Bernhard) kidnappt Pupkin schließlich Jerry Langford und erpresst damit einen Auftritt in dessen Sendung.

In Rupert Pupkin findet sich ein naher Verwandter von Travis Bickle mit ganz ähnlichen biographischen Zügen: Eine tickende Zeitbombe, unter desolater Einsamkeit leidend, die ihr zunächst unscharf umrissenes Ziel mit allem erforderlichen, bisweilen beängstigendem Nachdruck verfolgen wird. Dabei gibt sich der Film keinesfalls damit zufrieden, Pupkin als den Schizo von vorderster Front zu denunzieren: Seine für ihn unmöglich zu überbrückende Chancenlosigkeit und die damit gekoppelte Gewissheit, als optionaler Kneipenkomödiant zu einem Leben am Boden verurteilt zu sein, verleihen seinen Anstrengungen erst die erforderliche Chuzpe. Das älteste amerikanische Pioniersideal unbarmherziger Willenskraft - wie bereits in "Taxi Driver" in einen pathologisch gefärbten Gegenentwurf pervertiert. Dass Pupkins Idol Jerry Langford bei aller berechtigten Furcht vor der Aufdringlichkeit der Massen jede Bodenhaftung verloren hat, präsentiert Scorsese als streitbare Diskussionsgrundlage. Steht einem Karrieristen, so er nur lang genug dafür schuftet, nicht auch das Grundrecht zu, sich arrogant zu geben? Ganz unabhängig von Langfords Bemühungen, die Stacheln der Unnahbarkeit zu präsentieren, wird Rupert Pupkin wie weiland Travis Bickle erst zum bizarren Helden der Massen, nachdem er den Sprung ins kalte Wasser der Gesetzlosigkeit gewagt hat. Bei Scorsese heißt es: crime pays - zumindest, solange es nicht organisiert ist.

9/10

Fernsehen New York Martin Scorsese Satire


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THREE O'CLOCK HIGH (Phil Joanou/USA 1987)


"You are the puss that always bled."

Three O'Clock High (Faustrecht - Terror in der High School) ~ USA 1987
Directed By: Phil Joanou


Der brave Jerry Mitchell (Casey Siemaszko) verlässt morgens stets ordentlich gekleidet und sorgsam gekämmt das Haus, um nur ja nicht seinen manifesten Ruf als Tausendsassa uns Musterschüler zu gefährden. Als eines Morgens der als besonders delinquent bekannte Buddy Revell (Richard Tyson) an Jerrys High School wechselt und nach kurzer Zeit mit unserem Streber auf der Schultoilette aneinandergerät, heißt es für Jerry: Köpfchen beweisen. Denn für Punkt 15 Uhr hat der zwei Köpfe größere Buddy ihm eine Herausforderung zum Duell gestellt, die Jerry bestenfalls krankenhausreif überleben dürfte...

"Three O'Clock High" ist ein ungehobener Comedy-Schatz der Achtziger. Wer den typischen Humor der Dekade liebt, auf die Teenieversteher- und Coming-of-Age-Streifen eines John Hughes steht und vielleicht noch ein Faible für "High Noon" besitzt, der bringt die besten Voraussetzungen mit, um sich von Jerry Mitchell und seine unzähligen Fettnäpfchen bestens amüsieren zu lassen. Siemaszko spielt den unbedarften Klischeespießer mit geradezu traumwandlerischer Innozenz. Umso komischer, wenn er wieder einmal versucht, seinem unausweichlichen Schicksal (das freilich symbolisch anzusehen ist für eine Art "gesellschaftlicher Defloration" bzw Manneswerdung) zu entkommen und sich dabei nur noch tiefer reinreitet. Natürlich erweist sich die ganze Geschichte am Ende ergo als nichts anderes denn als schicksalhaftes Geschenk für Jerry, der von seiner vermeintlichen Nemesis Buddy Revell, der sich in Wahrheit als sein Retter entpuppt, aus einem langwierigen Dornröschen-Schlaf wachgeküsst wird. Nur dem sympathischen Richard Tyson, der mich rein physiognomisch frappant an Jim Morrison erinnert, hätte ich ein noch versöhnlicheres Finale gewünscht. Weitere Auftritte von: Jeffrey Tambor, John P. Ryan, Mitch Pileggi, Philip Baker Hall - Namen, deren Wohlklang für sich selbst sprechen dürfte.
Ein abschließendes Wort noch zu der einmal mehr bizarren deutschen Vermarktungspraxis, "Three O'Clock High" als Nachzügler von High-School-Thrillern wie "Class Of 1984", "3:15" oder "The Principal" zu präsentieren: 1987 war dies bereits mehr als unangemessen, 23 Jahre später ist es nurmehr blamabel. So schön die grundsätzliche Tatsache einer Veröffentlichung auch ist - mit der Aufmachung der entsprechenden DVD hat man schwer danebengehauen. Kundenbeschwerden wären wenig verwunderlich.
Ansonsten: Highly recommended!

8/10

Phil Joanou Duell Utah Coming of Age Schule


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ALICE DOESN'T LIVE HERE ANYMORE (Martin Scorsese/USA 1974)


"So long, suckers!"

Alice Doesn't Live Here Anymore (Alice lebt hier nicht mehr) ~ USA 1974
Directed By: Martin Scorsese


Nachdem ihr herrischer Ehemann (Billy Green Bush) bei einem Unfall gestorben ist, löst Alice Hyatt (Ellen Burstyn) ihren Hausstand auf, klemmt sich ihren elfjährigen Sohn Tommy (Alfred Lutter) unter den Arm und fährt mit dem Wagen Richtung Westen, wo sie sich einen Jugendtraum erfüllen und im küstennahen Monterey als Sängerin arbeiten möchte. Nachdem sie in Phoenix ein paar Dollar als Barpianistin verdient und eine Kurzbeziehung mit dem halbverrückten Ben (Harvey Keitel) gecancelt hat, landet sie mit Tommy in Tuscon, wo sie als Kellnerin arbeitet und sich in den Jungrancher David (Kris Kristofferson) verliebt.

Scorsese nächster Film, für den ihn sich Ellen Burstyn, die treibende Kraft hinter dem Projekt, abgriff, ist für die übliche Signatur des Regisseurs ein recht ungewöhnliches Werk. Eine Frau mit erstarkender Persönlichkeit steht im Zentrum dieser feministischen Kampfschrift, die durchaus als New-Hollywood-Ruhmesblatt pro Frauenbewegung verstanden sein darf. Nun ist Alice Hyatt weder mit einem politisch radikalen Charakter noch mit einem allzu überragenden Intellekt ausgestattet, sie ist einfach eine typische amerikanische Provinz-Hausfrau und -Mutter, die durch ein nur für eine Schrecksekunde als solches zu begreifendes Unglück in die eigentlich glückliche Position versetzt wird, Maßgaben und Richtung ihrer Existenz selbst zu gestalten und zu bestimmen. Als der nächste ernstzunehmende Mann in ihr Leben tritt, muss er sich fügen oder gehen - und Alice gewinnt.
Ellen Burstyn inmitten eines im staubigen Westen spielendes road movie mitsamt Klavierbars, Rindern und Diners voller lärmender Cowboys - das klingt nicht eben nach Scorsese, mit dem man auch sechsunddreißßig Jahre später primär noch New York und Little Italy, rohe Gewalt und irrsinnige Individuen auf dem Weg zur Hölle assoziiert. Und doch meistert er sein Sujet, entscheidet sich wider Gewalt und Schmerz und stattdessen für Herzenswärme, Menschlichkeit und Humor. Allen also, die beim Klang des Regisseurnamens in erster Linie an zu kurz geraten Derwische, zustechende Kugelschreiber und prügelnde Baseys denken, täten gut daran, hier mal einen Blick zu riskieren. Zur Horizonterweiterung sozusagen.

8/10

Martin Scorsese New Hollywood Road Movie Musik Arizona


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BORDELLO OF BLOOD (Gilbert Adler/USA 1996)


"Oh my God, it's a necrophiliac's wet dream!"

Bordello Of Bloood ~ USA 1996
Directed By: Gilbert Adler


Die zu unseligem neuen Leben erweckte Vampirgöttin Lillith (Angie Everhart) betreibt zusammen mit einem ganzen Club vampirisierter Freudenmädchen einen als Leichenhalle getarnten Provinzpuff. Dies tut sie im Auftrage des fanatischen Fernsehpredigers J.C. Current (Chris Sarandon), der auf jene Weise der fleischlichen Manneslust Einhalt gebieten möchte. Denn Lillith holt sich vorzugsweise die Herzen ihrer Opfer aus deren Brust, um sie frisch zu vertilgen. Als sie sich den verlotterten Caleb (Corey Feldman) vorknöpft, engagiert dessen nichtsahnende Schwester Katherine (Erika Eleniak), zufälligerweise Mitarbeiterin von Current, den abgehalfterten Privatschnüffler Rafe Guttman (Dennis Miller), um Caleb wiederzufinden. Dass Guttman eine außerordentlich seltene Blutgruppe besitzt, freut Lillith ganz besonders...

Zweiter Universal-Kinofilm unter dem Label der "Tales From The Crypt" - Reihe, standesgemäß angereichert mit lustigem Outro und Intro um den Sprüche klopfenden Crypt Keeper, der sich hier mit einer verlotterten Mumie (William Sadler) herumzanken muss. Nur unwesentlich schwächer als der Vorgänger "Demon Knight" setzt "Bordello Of Blood" ebenfalls auf Witz der derben Art und versteht sich, abgesehen von einigen fiesen Effekten, noch eindeutiger als schwarze Komödie als Dickersons Film. "Fun Splatter" nennt's der Fachjargon wohl.
Dank dem Studio-Deckmantel sieht das Ganze denn auch weitgehend hübsch professionell aus; die Besetzung, allen voran der unentwegt in Floskeln quatschende TV-Comedian Dennis Miller, hatte sichtlich ihren Spaß. Jedoch ward "Bordello" nur eine vergleichsweise geringe Popularität beschieden, da der doch sehr ähnlich gelagerte "From Dusk Till Dawn" die Kinos bereits einige Monate früher geentert hatte. Selbst, wenn man den Story-Ersinnern Bob Gale und Robert Zemeckis keinen Plagiatismus unterstellen möchte, so scheint somit doch verständlicher, dass und warum ihre Weihwasser verspritzenden Soakers und auseinanderplatzenden Vampirinnen auf ein eher gesättigtes Publikum trafen.

6/10

Tales From The Crypt Gilbert Adler Bordell Vampire Splatter Satire


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SCHTONK! (Helmut Dietl/Deutschland 1993)


"Das ist aber dann jetzt wohl... ein Knüller."

Schtonk! ~ Deutschland 1993
Directed By: Helmut Dietl


Schon früh erkennt der Gauner und Hochstapler Fritz Knobel (Uwe Ochsenknecht), dass mit gefälschten Nazi-Memorabilia ein gutes Geschäft zu machen ist - so die Kundschaft sich bloß willfährig und dumm genug zeigt, auf die Pseudo-Authentizität der entsprechenden Objekte hereinzufallen. Zum 90. Geburtstag des "Führers", den einer von Knobels Klienten (Rolf Hoppe) aus der Altnazi-Kurve mit großem Pomp feiert, ergibt sich eine schicksalhafte Begegnung mit dem schmierigen, abgebrannten Journalisten Hermann Willié (Götz George). Jener hat gerade Görings schrottreife Yacht gekauft, sich mit der Nichte (Christiane Hörbiger) des Reichmarschalls verbendelt und wird trotzdem bloß verspottet. Als Knobel ihm die halbseidene Fälschung eines Hitler-Tagebuchs als authentisches Stück verkauft, beißen Willié und sogar sein Chef (Ulrich Mühe) an. Knobel verdient Millionen mit seinem großangelegten Betrug und ganz Deutschland ist plötzlich im Führer-Fieber...

So grandiose wie böse Satire von Dietl, dessen arroganten Kaffeehaus-Chauvinismus ich ansonsten eher gering schätze. Mit dieser absolut treffsicheren Komödie (und eigentlich auch mit deren ebenfalls todwitzigem Nachfolger "Rossini") hat er sich jedoch auf Lebenszeit das Renommee eines Könners erarbeitet. Als in den frühen Neunzigern die Anschläge in Hoyerswerda, Hünxe und Solingen wie ein aufgewärmtes Schreckgespenst durch die Medien geisterten, machte Dietl Nägel mit Köpfen, knöpfte sich den zehn Jahre zuvor grassierenden Skandal um den vom "Stern" großkotzig anmoderierten Erwerb der Hitler-Tagebücher vor und setzte diesen in herrlich detaillierter Form für "Schtonk!" in Szene. Fast sämtliche im Film vorkommenden Fakten, darunter die liderlich verwendeten Tagebuch-Initialen "F.H.", die die HH-Presse (deren fiktives Logo dem des "Stern" nachempfunden ist) kurzerhand und höchst sinnstiftend als Abkürzung für "Führer Hauptquartier" interpretiert, kommen hier vor. Damit nicht genug, verballhornt Dietl die deutsche Gesellschaft gnadenlos als ein Kollektiv armseliger Tröpfe, die nach schimmlig Obsoletem wie eben den Führer-Tagebüchern lechzen und unmittelbar in eine dumpfe Form der Nazi-Nostalgie verfallen - als wären ausgerechnet die Tagebücher dieses Mannes etwas derart Sensationelles. Für den Film (nicht jedoch für die bis heute unverändert hundsmiserable DVD) indes gilt genau dieses Attribut. Eine leuchtende Perle des deutschen Kinos.

10/10

Historie Groteske Satire Nationalsozialismus Helmut Dietl Journalismus





Filmtagebuch von...

Funxton

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