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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LAKE PLACID (Steve Miner/USA 1999)


"It's impossible. Asia. How would he get here?" - "Obviously some asshole in Hong Kong flushed him down the toilet."

Lake Placid ~ USA 1999
Directed By: Steve Miner


Als ein Taucher von der Forstbehörde in einem namenlosen See (der ursprünglich Lake Placid getauft werden sollte, bis man feststellte, "dass der Name bereits vergeben" ist) in Maine in zwei Hälften zerrissen und in seinem Leib ein großer Reptilienzahn gefunden wird, sollen neben dem örtlichen Sheriff Keough (Brendan Gleeson) auch der Forstbeamte Jack Wells (Bill Pullman), die Paläontologin Kelly Scott (Bridget Fonda) und diverse Polizisten nach der Ursache für den Unfall fahnden. Zu der Gruppe gesellt sich noch der exzentrische Mythologieforscher und Krokodilexperte Hector Cyr (Oliver Platt). Tatsächlich entpuppt sich ein gigantisches Krokodil, das üblicherweise von einer älteren, am See wohnenden Dame (Betty White) mit frischen Rindern versorgt wird, als verantwortlich für den Tod des Tauchers. Nach weiteren Zwischenfällen ist man sich uneins, ob das Monster getötet oder gefangen werden soll, findet jedoch eine allseits befriedigende Lösung...

Herrliche Monsterkroko-Farce von Steve Miner, der gegen Ende der Neunziger eine Minirenaissance mit dem von Kevin Williamson gescripteten "Halloween"-Relaunch "H20" und dem vorliegenden Film erleben durfte, nachdem er in der Folge seiner ersten paar Genrefilme kurzzeitig im Sumpf der TV-Serials verschwunden war. Möglicherweise hat er dort aber auch etwas gelernt, denn sein in "Lake Placid" jederzeit spürbarer Enthusiasmus ist förmlich überwältigend. Der ganze Film kommt, rein strukturell betrachtet, unpassend fröhlich und aufgeweckt daher und wirkt im Kontrast zu seinen durchaus bedienten Gattungsmechanismen eher wie eine von lauter Charakterköpfen bevölkerte Screwball Comedy. Am Ende fügt sich das Ganze dann aber zu einem wunderbar experimentellen Unikat, das zudem reichhaltig die Zuschaueraugen belohnt mit gleißend bunten, von geradezu phantastischem Naturlicht bestrahlten Aufnahmen der kanadischen Wildnis. Tierhorror für cineastische Gourmets.
Außerdem gewinnt "Lake Placid" meinen persönlichen Preis für den am witzigsten eingeläuteten Abspann des Jahrzehnts: Nachdem der wunderhübsche und - natürlich - unvermeidliche und deshalb umso witzigere Abschluss-Cliffhanger mit Betty White abgespult ist, wird zu den Schlusscredits ein Truck eingeblendet, der das betäubte Zehn-Meter-Krokodil notdürftig zugedeckt und festgeschnallt über den Highway transportiert. Dazu läuft kein geringerer Song als Bob Marleys astronomisches "Is This Love". Olympiaklasse, sage ich da nur.

8/10

Tierhorror Monster Screwball Farce Krokodil Steve Miner


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MILLIONS (Danny Boyle/UK 2004)


"It's not suspicious, it's unusual."

Millions ~ UK 2004
Directed By: Danny Boyle

Kaum mitsamt seinem verwitwetem Vater Ronnie (James Nesbitt) und dem älterem Bruder Anthony (Lewis McGibbon) in das neue Reihenhäuschen im Grünen eingezogen, fällt dem siebenjährigen Damian (Alex Etel) eine Sporttasche mit über zweihunderttausend Pfund Cash darin in die Hände. Der aufgeweckte und zugleich etwas verschrobene Junge, der das für ein Zeichen Gottes hält, erzählt seinem wesentlich praktikabler veranlagten Bruder davon. Beide zerbrechen sich den Kopf darüber, was man mit einer solch hohen Geldsumme anstellen kann. Während Anthony schon in gewinnträchtigen Dimensionen zu denken beginnt, erscheint Damian der heilige Franziskus (Enzo Cilenti) und rät ihm, das Geld an die Armen zu verteilen, was der Kleine dann zu Anthonys Kopfzerbrechen auch eifrig praktiziert. In jedem Falle gilt es, das Geld rechtzeitig loszuwerden, denn der "E-Day", der Tag der Währungsreform zugunsten des Euro steht vor der Tür. Zudem dauert es nicht lange, da kreuzt der eigentliche "Besitzer" der Moneten, ein finsterer Räuber (Christopher Fulford) auf und auch Ronnie erfährt von dem Geld.

Eine charmante kleine, an Capra angelehnte Moralfabel über den Wert der Menschlichkeit gegenüber dem des blanken Materialismus mit Kindern als Protagonisten inszenierte Danny Boyle nach "28 Days Later" und spendierte dem Publikum damit sozusagen den denkbar diametralstmöglichen Film. "Millions" präsentiert eine Reflexion über die Scheinheiligkeit des Geldes, wie es Menschen korrumpiert und dass es erst der naiven Unschuld eines kleinen Kindes bedarf, um die richtigen Wege zu finden, sich nicht vom Mammon verderben zu lassen. Sein bekanntes Faible für überbordernden, ins Surreale abgleitende Bilder im Verbund mit sphärischer Musik hält Boyle hier weitestgehend im Zaum und konzentriert sich ganz auf das ausgezeichnete Spiel seiner Kinderdarsteller. Ein für seine Verhältnisse ungewöhnlich humanistischer Film ist die Folge, in dem die Emotionalität den zwanghaften Formalismus des Regisseurs erstmals klar in den Schatten stellt. Angesichts des philanthropischen Resultats ein guter Weg, der später mit "Slumdog Millionär" perfektioniert werden wird.

7/10

Kinder Heist Geld Parabel Danny Boyle England


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A LIFE LESS ORDINARY (Danny Boyle/UK, USA 1996)


"Right, you daughter! I have your asshole here!"

A Life Less Ordinary (Lebe lieber ungewöhnlich) ~ UK/USA 1996
Directed By: Danny Boyle


Die Engel Jackson (Delroy Lindo) und O'Reilly (Holly Hunter) erhalten von ihrem Boss Gabriel (Dan Hedaya) den Auftrag, die beiden ungleichen Individuen Robert Lewis (Ewan McGregor) und Celine Naville (Cameron Diaz) zu verkuppeln. Dabei sieht zunächst alles danach aus als wäre dies unmöglich: Robert ist eine arbeits- und mittellose Reinigungskraft, Celine die verwöhnte Tochter eines millionenschweren Industriellen (Ian Holm). Zudem nimmt Robert Celine als Geisel, um ihren Vater zu erpressen. Jackson und O'Reilly lassen sich von diesem anheuern, um mehr Einfluss auf das Geschehen zu erhalten, doch stellen sie sich kaum weniger dämlich an als ihre Zielobjekte.

Nach dem gewaltigen filmischen Rundumschlag "Trainspotting" war wohl ein gewisses kreatives Loch für Danny Boyle unumgänglich. Der umfassende Erfolg seiner letzten Arbeit bescherte dem Regisseur zwar einen Dreh in den Staaten und eine prominente Besetzung, dafür haperte es jedoch etwas mit der Tragfähigkeit der erzählten Geschichte. "A Life Less Ordinary" taumelt der willkürlichen und in den allermeisten Fällen nicht gekonnten Pseudoexzentrik hinterher, die das weltweite "Independent"-Kino (das diese Bezeichnung eigentlich kaum mehr verdiente) im Tarantino-Gefolge infizierte. Im Klartext heißt das: Eine tolldreiste Romanze, eine gutes Pfund criminal craziness, ein paar glänzende Handfeuerwaffen und ein paar makabre Gewaltspitzen, gekoppelt mit einer schicken visuellen Umsetzung und einem hippen Soundtrack. Nun, allein letzterer war im Falle "Trainspotting" um Einiges sorgsamer kompiliert und auch der Rest schrappt ziemlich häufig recht knapp an der Nervigkeitsgrenze vorbei. Ein weniger talentierter Regisseur hätte damit auch schallend auf die Schnauze fallen können. So aber ist "A Life Less Ordinary" eben ein weithin müßiges Zeitprodukt, ganz nett, de facto aber nurmehr aus Komplettierungsgründen brauchbar.

5/10

Engel Danny Boyle Schwarze Komödie


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STARSHIP TROOPERS (Paul Verhoeven/USA 1997)


"I'm doing my part!"

Starship Troopers ~ USA 1997
Directed By: Paul Verhoeven


Die Zukunft. Die gesamte irdische Gesellschaft ist mittlerweile politisch miteinander verschmolzen, intrahumane Konflikte existieren nicht mehr. Seine Feinde sucht und findet man nunmehr in den Tiefen des Weltalls: Dort leben riesige Insekten, von den Menschen kurzerhand "Bugs" genannt, die es auszurotten gilt, um den Fortbestand der eigenen Spezies zu sichern. Die jungen Soldaten Rico (Casper Van Dien), Flores (Dina Meyer) und Ibanez (Denise Richards) hüpfen geradewegs von der Schulbank in die Militärausbildung, um am interplanetarischen Krieg gegen die Bugs zu partizipieren.

Die wichtigsten Stabsmitglieder von "RoboCop" unterstützen Verhoeven durch ihre enthusiastische Mitarbeit bei seiner zweiten großen SciFi-Satire, die jedoch noch weitaus schärfer und hinterfotziger zu Werke geht als das genau zehn Jahre zuvor entstandene Regisseurs-Meisterstück. Das "Troopers"-Script stammt wiederum von dem überaus hellsichtigen Ed Neumeier, der martialische Score von Basil Poledouris und Jost Vacano trumpft ein weiteres Mal als dp.
"Starship Troopers" kleidet seine vorgebliche Utopie einer globalen klassenbefreiten Einheitsgesellschaft mit ungebrochenen kombattanten Ambitionen in aseptische, klinisch reine Bilder, bevölkert von ausnahmslos schönen Jugendlichen in soap-opera-artigen Luftschlössern auf der einen und verstümmelten Kriegsveteranen, die sich nicht scheuen, eine neue Soldatengeneration heranzuziehen, auf der anderen Seite. In der Zukunft ist der Faschismus in seiner reinsten Form wiederum omnipräsent, nur eben auf intergalaktischer Ebene; denn ohne Feindbilder können auch die futuristischen Menschenpendants nicht. Ihr Faschismus ein Kosmopolitikum. Alles lebt nurmehr für Leistung, Image, gutes Aussehen, Geld, materiellen Erfolg und ähnliche Oberflächlichkeiten. Verhoeven und Neumeier machen es ihrem Publikum dabei keineswegs leicht: Ihre böse Kritik (bekanntermaßen ist jede Dystopie vornehmlich eine überspitzte bzw. kodierte Sektion bereits bestehender Verhältnisse) verstecken sie hinter gelacktem, formal nicht nur einwandfreiem, sondern gar exzellentem Mainstream-Kino, das nur selten seine schmutzigen Kehrseiten durchschimmern lässt; in den bereits aus "RoboCop" und "Total Recall" bekannten Infotainment-Clips etwa, oder in den spektakulär-blutigen Schlachtenszenen. So ist "Starship Troopers" im Wesentlichen dichter an "Im Westen nichts Neues" als an der im Prinzip ad absurdum geführten und damit nurmehr nominellen Vorlage von Heinlein - bloß, dass er noch ein gutes Stück schwärzer mit seinen Figuren umgeht als Remarque ehedem mit seinem Paul Bäumer: In dieser Version der Gefreitenmoritat genießt ein Johnny Rico nämlich keine reinigende, sittliche Edukation, sondern bleibt auf ewig ein Held - ein hübscher und ganz besonders dummer freilich.

9/10

Aliens Militaer Paul Verhoeven Satire Monster Zukunft Dystopie Farce


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FRIGHT NIGHT (Tom Holland/USA 1985)


"All they want to see nowadays are slashers, running around in ski masks, hacking up young virgins. "

Fright Night (Die rabenschwarze Nacht) ~ USA 1985
Directed By: Tom Holland


Neben dem ordinären Vorort-Teenager Charley Brewster (William Ragsdale) zieht ein unheimlicher Typ namens Jerry Dandridge (Chris Sarandon) mitsamt seinem Faktotum (Stepghen Geoffreys) ein. Es fällt Charley nicht schwer, in dandridge einen Vampir zu erkennen, der bereits für mehrere Morde in der Gegend verantwortlich ist und wegen seiner Entdeckung nun auch Charley bedroht. Mit der zaghaften Hilfe des abgehalfterten Gruselfilmstars Peter Vincent (Roddy McDowall) zieht Charley in den Kampf gegen den bösen neuen Nachbarn, der zudem Charleys Freundin Amy (Amanda Bearse) entführt hat.

Ein sehr schönes Beispiel für den vermeintlich zwangsjuvenilisierten klassischen Horrorfilm der achtziger Jahre. Als Reaktion auf den Maskenmörderwahn versuchte man, selbst auf gezielte Studioinitiativen hin, das jugendliche Publikum, also jenes, für das Horrorfilme in erster Instanz gemacht werden, zurück in die Kinos zu locken, indem man klassische Monsterstoffe wie eben den des Vampirs in einen semiernsten Kontext einband und ihn ergänzend mit den Problemen und Nöten der zeitgenössischen Jugend verknüpfte. Charley Brewster ist ein absoluter Durchschnittsjunge, nicht sonderlich hübsch, mit einem ansatzweisen Mutterkomplex behaftet (seine Mum (Dorothy Fielding) ist alleinerziehend) und voll überschüssigem Testosteron, das er bei seiner puritanisch erzogenen Freundin par tout nicht loswird. Sein Antagonist Dandridge indes markiert nicht irgendeinen Gegner, sondern nichts weniger als Charleys ultimative Nemesis: Ein Frauenheld, auf attraktive Weise älter, erfahren und mit dem gewissen überheblichen Killerfunkeln im Auge, das die Damen unweigerlich über die Bettkante zieht. Charleys Aggressionen konzentrieren sich demnach wesentlich weniger auf die Tatsache, dass sein Nachbar ein Monster ist denn auf den Umstand, dass selbiger scheinbar unendlich viele Freischüsse genießt.
Besonders toll an "Fright Night" sind die heute noch rundum beeindruckenden Latexeffekte. Holland fährt die beeindruckendsten Vampirgebisse auf, die man je gesehen hat und die "Schmelzszenen" der drei Monster evozieren nach wie vor höchste Verzückung. Toll.

7/10

Teenager Monster Tom Holland Vampire


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WAXWORK II: LOST IN TIME (Anthony Hickox/USA 1992)


"A kiss at the point of death is more pleasurable than the most intense orgasm imaginable..."

Waxwork II: Lost In Time (Spaceshift - Waxwork 2) ~ USA 1992
Directed By: Anthony Hickox


Mark (Zach Galligan) und Sarah (Monika Schnarre) haben den Kampf gegen Lincoln und seine Monster gewonnen, doch die Hand einer der Kreaturen verfolgt Sarah bis nach Hause und erwürgt ihren Stiefvater (George "Buck" Flower). Da Sarah die Hand im Müllzerkleiner zerhäckselt, fehlt ihr vor Gericht jeder Beweis, die Tat nicht selbst begangen zu haben. Mark kommt auf die Idee, erneut eine Reise in die Dimensionen anzutreten, um dort nach Beweisstücken für Sarahs Unschuld zu suchen. Zusammen geraten die beiden in das Paralleluniversum Cartagra, in dem sämtliche Gruselgeschichten zum Leben erwacht sind und der Kampf Gut gegen Böse ewig währt.

Ganze vier Jahre nach "Waxwork" stellte Hickox das Sequel her, das sich ganz unbedarft vornehmlich auf die jüngeren Genreklassiker stützt, wo der erste Teil noch mehr im Schwarzweißmilieu der alten Universal-Filme daheim war. "The Haunting", "Dawn Of The Dead" und "Alien" werden zitiert, die Kernepisode gegen Ende versucht dann jedoch durch Eigenständigkeit zu glänzen und entwirft ein frühmittelalterliches Szenario um den bösen Scarabis (Alexander Godunov), der niemand geringerem an den Kragen möchte als König Artus (John Ireland) persönlich.
Man möchte meinen, Hickox habe, besonders in Anbetracht der zeitlichen Distanz zwischen beiden Arbeiten, aus den Schwächen des Vorgängers gelernt, doch weit gefehlt. Abgesehen davon, dass das Produktionsdesign der Fortsetzung hier und da wirkungsvoller, weil sorgfältiger arrangiert ausfällt, suhlt sich auch dieses wieder in einer hoffnungslos unpassenden Langsamkeit, die sich wohl einzig dadurch erklären lässt, dass Hickox selbst das gemächliche Erzähltempo bevorzugt. Weiterhin sollte man, vorausgesetzt man gehört zu jener glücklichen Sorte Filmeschauer, die des Ausblendens mächtig sind, niemals bestimmte Logikfragen stellen, denn auch mit deren Beantwortung lässt Hickox uns ziemlich allein auf weiter Flur.
Da reißen die wiederum liebevollen Arrangements sowie der starke Auftritt von Bruce Campbell glücklicherweise vieles wieder raus.

5/10

Artussage Splatter Zombies Anthony Hickox Independent Sequel Monster


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WAXWORK (Anthony Hickox/USA 1988)


"Would you like... a closer look?"

Waxwork (Reise zurück in der Zeit) ~ USA 1988
Directed By: Anthony Hickox


Der sinistre Mr. Lincoln (David Warner) hat vor vielen Jahren einen Teufelspakt geschlossen und versucht diesen nun mithilfe seines Wachsfigurenkabinetts einzulösen. In diesem sind 18 wohlbekannte Horrorszenarien nachgestellt, bei denen allerdings teilweise noch die Opfer fehlen. Diese organisiert Lincoln, indem er unwissende Teenager in sein Haus einlädt und sie durch ein Dimensionstor in die jeweils nur scheinbar wächserne Szene stößt. Der verwöhnte Teensnob Mark (Zach Galligan und seine Freundin Sarah (Deborah Foreman) kommen Lincoln auf die Schliche und sagen ihm mithilfe von Marks Patenonkel Sir Wilfred (Patrick Macnee) den Kampf an.

Die Idee, den klassischen Monsterheroen durch ihre Wiedervereinigung eine besondere Reminiszenz zu erweisen ist fast so alt wie die ersten Laemmle-Produktionen für die Universal. Auch in den Achtzigern ließ Fred Dekker mit seiner "Monster Squad" ein entsprechendes Vehikel auf sein Publikum los; "Waxwork" gliederte sich in ebenjene Schiene monströser Klassenfilme ein. Nacheinander begegnen die teenage heroes bzw. victims dem Wolfsmenschen (John Rhys-Davies), dem Grafen Dracula (Miles O'Keefe), der Mumie (Paul Badger), den lebenden Toten sowie einem äußerst peitschfreudigen Marquis de Sade (J. Kenneth Campbell) und schlagen diese mal mehr, mal minder erfolgreich zurück.
"Waxwork" steckt einerseits voller witziger und guter Einfälle, deren Umsetzung andererseits jedoch an einem schlechten Gespür für timing krankt. Man erahnt angesichts der diversen Gags, dass Hickox neben einer recht blutrünstigen Bebilderung seiner Mär auch einen slapstickhaften Duktus im Sinn hatte, dem aber durch eine teils unpassend gemächliche und allzu gedehnte Narration sowie eine für diese Prämisse viel zu niedrige Schnittfrequenz eine adäquate Realisation verwehrt blieb. Schade, meint man doch permanent, das unausgeschöpfte Potenzial des Films förmlich zu riechen.

5/10

Vampire Mumie Werwolf Monster Marquis de Sade Independent Anthony Hickox Splatter


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TURKS FRUIT (Paul Verhoeven/NL 1973)


Zitat entfällt.

Turks Fruit (Türkische Früchte) ~ NL 1973
Directed By: Paul Verhoeven


Erik (Rutger Hauer), ein selbstsüchtiger, junger Amsterdamer Bohèmien, lernt eines Tages die Kaufmannstochter Olga (Monique van de Ven) kennen. Man verliebt sich Hals über Kopf ineinander und heiratet entgegen aller Konventionen, nur um irgendwann feststellen zu müssen, dass die unterschiedlichen Existenzansätze der beiden doch nicht miteinander vereinbar sind. Erik weigert sich zwar, Olga einfach so aufzugeben, doch die übermächtige Autorität ihrer dämonischen Mutter (Tonny Huurdeman) obsiegt am Ende. Erik ist am Boden zerstört. Als er, innerlich und emotional gereift, Olga nach ein paar Monaten wiedertrifft, hat sie wegen eines Hirntumors nur noch wenige Tage zu leben.

In seinem zweiten Spielfilm nach dem leider eher selten anzutreffenden "Wat Zien Ik" wagt Verhoeven einen radikalen Gegenentwurf zu etabliertem Hollywoodkitsch wie "Love Story" - weitgehend unsentimental erzählt er den Reifeprozess eines jungen Wilden, der morbiderweise erst über den Tod seiner Geliebten hinaus erwachsen zu werden und ein verantwortungvolles Leben zu führen imstande ist. Am Anfang besitzt Erik noch den Habitus eines typischen rotznäsigen Künstlers, dem die Missachtung jeglicher Sozialkonventionen über alles geht. Die Liebe zu Olga kann diese Position nicht schmälern, wobei sie anfänglich noch auf seinen unstillbaren Sexhunger eingeht und sich seine teils derben, geschmacklosen Scherze gefallen lässt. Die Zäsur folgt an einem Abend im chinesischen Restaurant: Olga, ihre Mutter und deren provinzielle Freunde amüsieren sich nach einigen Gläsern in widerwärtigst-biederer Schunkelmanier, was Erik mit einem gewaltigen Kotzanfall bei Tisch quittiert - bis heute eine der stärksten Szenen im kompletten Schaffen Verhoevens. Es folgt noch eine räsonierende Ohrfeige, und die Liaison bis auf weiteres beendet. Die Beziehung, so wie sie eigentlich sein soll, von Aufopferung und Zärtlichkeit geprägt, findet dann tragischerweise erst ihren rechten Platz, als sich der Tod bereits seinen Weg bahnt.
"Turks Fruit" galt damals als Skandalfilm, wegen diverser unerhört tabuloser Szenen, die ich hier jetzt gar nicht groß aufzuzählen gedenke. Letztlich besaß Verhoeven schon damals das, was ihm auch später noch den Ruf eines enfant terrible eintrug: Den Mut, bestimmte Dinge, die es verdienen, beim Namen zu nennen und sie nicht wie die meisten seiner Kollegen in großflächig tolerierte Symbolismen, sondern in eine so vitale wie aufrichtige Bildsprache zu kleiden.

8/10

Coming of Age Paul Verhoeven Skandalfilm Amsterdam Amour fou Kunst


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FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS (Terry Gilliam/USA 1998)


"Damn drugs."

Fear And Loathing In Las Vegas ~ USA 1998
Directed By: Terry Gilliam


Im Frühjahr 1971 begibt sich der Journalist Raoul Duke (Johnny Depp) zusammen mit seinem drug buddy Dr. Gonzo (Benicio del Toro) und einem Koffer voll diverser illustrer Rauschmittel nach Las Vegas, um in seinem ihm eigenen, als Gonzo-Journalismus getauften Berichterstattungsstil die Wüstenrallye 'Mint 400' zu dokumentieren. Später findet sich noch ein weiteres Engagement im Zuge des alljährlichen Polizeitreffens unter dem Schirmmantel der Drogenbekämpfung. Der mehrtägige, rauschgiftgeschwängerte Trip erweist sich im Nachhinein als Reise in die Abgründe der eigenen Seele und in das verfaulende Herz Amerikas.

"Fear And Loathing In Las Vegas", mit dem ich gestern feierlich, weil wieder mal zutiefst erschüttert, meine jüngste Terry-Gilliam-Retrospektive beschloss, anzusehen, kommt für mich jedesmal aufs Neue einem überwältigenden Ereignis gleich. Gewöhnlich vermeide ich eine nüchterne Betrachtung dieser monströsen Americana, sei es, weil sie sich bei verändertem Bewusstsein besser konsumieren und /oder begreifen lässt, sei es, weil ich sie nach zwanzigirgendwas-maliger Beschau nur noch so zu ertragen können glaube. Alles Blödsinn, das einzige Mittel, das mir gestern die Sinne hätte trüben mögen, war das Penicillin, das ich gegenwärtig zur Zerschlagung meiner akuten Tonsillitis nehme. Und trotzdem brach der Film abermals über mich herein wie die Acid-Fledermäuse über Johnny Depp in der kalifornischen Wüste: Eine gewaltige Bestandsaufnahme einer Nation am Arsch, zwischen Nixon, Vietnam, Kent State und einem unterminierten Liebessommer, in der nur noch die bleibende Musik von den gestrigen, kurzlebigen Träumeridealen zeugt. Und die Drogen natürlich. Wirkungsgrade und -dauer jeder einzelnen von ihnen wird uns minutiös nahegebracht, bestimmte Verhaltensregeln und was sich bei dem einen vielleicht anders niederschlägt als beim anderen. Besonders Bewusstseinsverzerrendes ist bei Duke und Gonzo gefragt: Mescalin, LSD, Äther, Poppers und ein besonders tückisches Zeug namens Adrenochrom, samt und sonders recht und billig, um Las Vegas zu er-, unter- und überleben, obschon die Stadt - Zitat Raoul Duke - "nicht gemacht scheint für User halluzinogener Drogen". Eher sanftes Zeug wie Koks, Joints, Alkohol fungiert als Realitätsanker. Immerhin findet man inmitten von schweinischem Benehmen und Vandalismus noch hinreichend Zeit zu rückhaltloser Rauschmittelarroganzia, sowie dazu, über die nationale Verworfenheit zu sinnieren. Genau deswegen ist "Fear And Loathing In Las Vegas" auch das hochrangige Stück Literatur (und Film, natürlich) geworden, als das es heute gerufen wird.
Abschließend noch etwas redundante Hypothese und Arschkriecherei: Ich möchte behaupten, dass ein anderer Filmemacher als Terry Gilliam die notwendige Gratwanderung zwischen ausgelebtem Hedonismus und gesellschaftspolitischem Statement in einer solch überirdischen Perfektion nicht hinbekommen hätte.
Darum: Viva T.G.!

10/10

Farce Satire Alkohol Americana Drogen Journalismus LSD Freundschaft Groteske Hunter S. Thompson Las Vegas Terry Gilliam Beat Generation


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O.C. AND STIGGS (Robert Altman/USA 1985)


"I've had a lot of fun. I have Legos, you know."

O.C. And Stiggs (Black Cats) ~ USA 1985
Directed By: Robert Altman


In Phoenix, das im Sommer einem Glutofen ähnelt, hat man als Jugendlicher wenige Möglichkeiten zur Entfaltung. Die beiden Kumpel Oliver Cromwell Ogilvie (Daniel Jenkins), genannt O.C. und Mark Stiggs (Neill Barry), genannt Stiggs, die auf Hummer, Briefmarken, King Sunny Adé, Gabun und verrückte Verkleidungen abfahren, machen dennoch das beste aus ihrer Lage: Sie rebellieren gegen die bourgeoise Verlogenheit des Spießertums! Dafür bedarf es nur eines auserkorenen Erzfeindes, und der findet sich in der Person des 'insurance emperor' Schwab (Paul Dooley), der O.C.s lustigem Opa (Ray Walston) auf hinterfotzigste Weise die Pflegeversicherung gekündigt hat. Der Guerilla-"Krieg" gegen Schwab, für den O.C. und Stiggs sich unter anderem der Penner der Stadt, zweier durchgeschossene Vietnam-Veteranen (Dennis Hopper, Alan Autry) und der freien Benutzung der Schwab'schen Gartenterrasse befleißigen, wird für den selbsternannten 'braven Amerikaner' gar fürchterlich.

Wohlan, einen gezielteren Blick auf Altmans Schaffen zu werfen lohnt sich: Es gibt offenbar noch massig ungehobene Schätze zu entdecken. Mit "O.C. And Stiggs", der lose auf Kurzgeschichten aus dem Satire-Magazin National Lampoon beruht, setzte der Filmemacher der Welle der Achtziger-Teenkomödie in einer für ihn kommerziell wenig tragfähigen Karrierephase sozusagen ihren leisen Höhe- und Endpunkt entgegen. Wie schade, dass auch das niemand sehen wollte. Aber Hughes und Konsorten waren eben soviel leichtgewichtiger, konformistischer, braver, durchschaubarer, kurz: konsumierbarer - da war tragischerweise für zwei echt originelle Typen wie O.C. und Stiggs schlicht kein Raum mehr übrig. Altman nimmt die Wüstenstadt mit diebischer Schadenfreude Stein für Stein auseinander; nahezu alles, was den Reagonomics heilig ist, wird so lustvoll wie böse durch den Staub gezogen, die nette Familie von nebenan komplett dekonstruiert. Das gilt auch für erzählerische Konventionen, weswegen dem ordinären Teenkomödienkucker sowohl damals auch heute fairerweise von der Betrachtung abgeraten werden sollte. Ich für meinen Teil sehe da einen möglichen neuen Kandidaten für die persönliche Lieblingsfilmliste heranreifen...

9/10

Mexiko Schule Freundschaft Groteske Satire Farce Robert Altman Arizona Teenager Coming of Age





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

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