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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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BRASSED OFF (Mark Herman/UK 1996)


"I'm a miner."

Brassed Off ~ UK 1996
Directed By: Mark Herman


In den ersten Jahren nach der Ära Thatcher bleibt auch das kleine Bergarbeiterstädtchen Grimley nicht von den weiter anhaltenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise verschont. Obgleich die Arbeiter hingehalten werden, ist es schon seit langem beschlossene Sache, dass die Zeche dichtmachen wird. Danny (Pete Postlethwaite), bereits pensionierter Leiter und Dirigent der hiesigen Bergmanns-Blaskapelle, begreift zunächst die Nöte seiner Musiker nicht recht und wähnt die Möglichkeit, im Orchester zu spielen, als das Größte im Leben. Doch für einige der Bläser, darunter Dannys Sohn Phil (Stephen Thompkinson), zeichnen sich düstere Wolken am ohnehin grauen Himmel der Arbeitslosigkeit ab.

Wenn der Thatcherismus etwas Positives hervorgebracht hat, dann dass er den Erzählstoff für einige wunderbare britische working class comedies liefern konnte. Regisseure wie Ken Loach oder Mike Leigh haben praktisch ihr gesamtes Schaffen in den Dienst des grantelnden britischen Malochers gestellt, um die Mitte der Neunziger erlebte dieser Filmschlag jedoch auch einen kleinen Boom, der über die Programmkinogrenzen hinausreichte. "The Full Monty" ist das erfolgreichste Beispiel für diese kurze Welle, "Brassed Off" eine nicht minder schöne, kleine Dramödie ganz im Zeichen des gesellschaftlichen Protests, die es sehr stark menscheln lässt und ihre Figuren bei aller Härte ihrer sozialen Realität zu Gewinnern des Herzens erklärt. Ein hoffnungsvoller Film, der jedoch nicht etwa so verblendet ist, am Ende alles zu eitlem Sonnenschein zu verklären.

8/10

England Thatcherismus Mark Herman Working Class Musik


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UP (Pete Docter, Bob Peterson/USA 2009)


"Adventure is out there!"

Up (Oben) ~ USA 2009
Directed By: Pete Docter/Bob Peterson


Für den 78-jährigen Witwer Carl Fredericksen läuft es nicht allzu gut: Ein Baukonzern pflastert alles um sein beschauliches Häuschen herum mit Wolkenkratzern zu und will ihn aus seinem Eigenheim vertreiben. Der letzte notwendige Vorwand ist gefunden, als Carl einem der Arbeiter eins mit der Gehhilfe verpasst. Bevor man ihn aber ins Senioreheim verfrachten kann, lässt Carl sein Haus mithilfe tausender Luftballons in Richtung Südamerika, zu den legendären Paradiesfällen. Der Pfadfinderjunge Russell reist als zunächst blinder Passagier mit. Am Reiseziel angelangt trifft Carl dann auf sein Jugendidol, den Abenteurer und Kryptozoologen Charles Muntz, der sich als gar nicht so heldenhaft erweist, wie Carl ihn sich immer vorgestellt hat.

Das schwammige Prädikat "rundum liebenswert" ist trotz seiner mangelnden Aussagekraft vielleicht das eheste, das man mit Pixar-Filmen in Verbindung zu bringen geneigt ist. Mit ihren letzten Werken stieg die Animationsschmiede zunehmend in den Arthousesektor auf, die Storys wurden gewagter und irrwitziger, ebenso die Gewandung der Filme, deren Fantasiehorizont man mit Fug und Recht zwischen 'überbordernd' und 'endlos' ansiedeln darf.
Als gerontologische Studie angelegt, fragt man sich bezüglich "Up" darüberhinaus zunächst einmal, inwiefern selbiger überhaupt noch unbefleckt als Kinderfilm durchzuwinken ist. Nach der Betrachtung des Films jedoch wird die Sache einleuchtender: Der Versuch, Kindern die Umstände, Charakteristika und Probleme des Altwerdens nahezubringen bzw. transparent zu machen, ist als Grundgedanke bereits durchaus ehrbar, die Umsetzung schließlich, wie man respektvoll anerkennen muss, wunderbar gelungen. "Up" spielt mit Symbolen und Zeichen, schlägt eine Brücke zwischen den Generationen und schafft all das mit jener Pixar eigenen, luftigen Leichtigkeit, die in diesem Falle sogar als physikalisches Phänomen zutage tritt.

8/10

Parabel Bob Peterson Kinder Disney Pete Docter Pixar


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HIS GIRL FRIDAY (Howard Hawks/USA 1940)


"Take Hitler and stick him on the funny page."

His Girl Friday (Sein Mädchen für besondere Fälle) ~ USA 1940
Directed By: Howard Hawks


Als der Zeitungsverleger Walter Burns (Cary Grant) erfährt, dass seine Kollegin und Exfrau Hildy Johnson (Rosalind Russell) eine erneute Heirat plant - dazu mit einem biederen Versicherungsvertreter (Ralph Bellamy) aus Albany - setzt er alles daran, sie für Bett und Schreibmaschine zurückzugewinnen. Ein Fall um einen unzurechnungsfähigen Polizistenmörder (John Qualen), der unlängst gehängt werden soll, kommt Burns da gerade recht.

Nach "Bringing Up Baby" die zweite große screwball comedy des Gespanns Hawks/Grant. Hierfür adaptierte Charles Lederer das Stück "The Front Page", eine Journalismussatire von Ben Hecht und Charles MacArthur, die bis heute etliche Male verfilmt wurde. Die 1940er-Version von Hawks gilt gemeinhin als die Beste, zumal der Regisseur sich bei der Inszenierung ans Groteske grenzender Nonsensdialoge selbst übertraf. Er ließ einfach in ein und derselben Szene und bei jeweils gleicher Lautstärke zwei oder mehrere Telefonate oder Zwiegespräche stattfinden, so dass es unmöglich scheint, den genauen Wortlaut des einen wie des anderen Geplänkels zu verstehen. Diese akustische Überlappungstechnik, die den Anschein atemloser Hetze erzeugte, sorgte für ein suggestiv erhöhtes, seinerzeit als reklordverdächtig geltendes Geschwindigkeitslevel. Regisseure wie Robert Altman integrierten das später wie selbstverständlich in ihr eigenes Repertoire.
Grant wechselte hier von der Opfer- in die Aktionistenrolle und machte aus seinem kurzsichtigen Paläontologen David Huxley einen dreifach chemisch gereinigten Pressefritzen, der mit jedem denkbaren schmutzigen Trick arbeitet, um seine Belange durchzusetzen. Die große Kunst seines Spiels liegt darin, trotzdem einen Charmeur und Publikumssympathisanten zu verkörpern.
Ein gar großartiges Stück Theaterfilm.

9/10

Journalismus Howard Hawks Screwball based on play New York


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MONTY PYTHON AND THE HOLY GRAIL (Terry Gilliam, Terry Jones/UK 1975)


"One, two, five!"

Monty Python And The Holy Grail (Die Ritter der Kokosnuss) ~ UK 1975
Directed By: Terry Gilliam/Terry Jones


König Artus (Graham Chapman) verzichtet unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Energiekrise auf ein Ross und lässt stattdessen seinen Knappen Patsy (Terry Gilliam) das obligatorische Hufgeklapper mittels zweier Kokosnusshälften imitieren. Des Königs Suche nach Rittern führt ihn mit Erfolg quer durch das Land. Als die Tafelrunde endlich komplett besetzt werden kann, erscheint Artus Gott und verlangt von ihm, den Heiligen Gral zu suchen. Fast alle Ritter bis auf Sir Bevedere (Terry Jones) bleiben auf der Strecke, und noch bevor der König und sein Lehensmann das legendäre Gefäß in die Finger bekommen können, verhaftet sie die Polizei wegen Mordes an einem berühmten Historiker.

Der erste Spielfilm der Pythons ist ein Feuerwerk der Ungeheuerlichkeiten und in Ausführung und Wirkung nur äußerst kompliziert in Wort zu fassen. Vor allem symbolisiert "The Holy Grail" die absolute Regelmissachtung innerhalb eines bereits traditionellen Mediums; pausenlose, betont sinnlose Brechungen in Form und Inhalt, die Missachtung sämtlicher narrativer Einheiten nebst jeder Ästhetik sowie die immerselben Gesichter in unterschiedlichsten Rollen (ein Prinzip, das bekanntlich sämtliche Kinoarbeiten der sechsköpfigen Truppe begleitete) legen es auf die offene Herausforderung des Publikums geradezu an. Bei Monty Python muss man das Lachen gewissermaßen erstmal lernen, hernach stehen sowohl die Filme als auch die "Flying Circus"-Reihe bereit, zu absoluten Leib- und Magen-Objekten zu reifen, die, genossen in gebührend großen Abständen, nie an ihrer ganz speziellen Brillanz einbüßen.

9/10

Artussage Monty Python Terry Jones Ritter Terry Gilliam Farce Nonsens Heiliger Gral


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I WAS A MALE WAR BRIDE (Howard Hawks/USA 1949)


"I am an alien spouse of female military personnel en route to the United States under public law 271 of the Congress."

I Was A Male War Bride (Ich war eine männliche Kriegsbraut) ~ USA 1949
Directed By: Howard Hawks


In den Trümmern Nachkriegsdeutschlands flammt die alte Liebe zwischen dem französischen Offizier Rochard (Cary Grant) und seiner amerikanischen Kollegin Lt. Gates (Ann Sheridan) wieder auf. Die Gefühle bahnen sich ihren zunächst steinigen Weg und alsbald steht die Hochzeit an, die sich jedoch als bürokratischer Albtraum erweist.

In seiner charmanten kleinen Trümmersatire zeigt Hawks die Tatsache auf, dass die Allianz der Weltmächte auch nur soweit gedeihen konnte, wie erotische Gefühle außerhalb des Spielfelds blieben. Die Entzweihung der Nationen findet zunächst auf dem privaten Schlachtfeld von Rochard und Gates statt, die erst nach zahlreichen Missgeschicken entdecken, dass sie eigentlich füreinander geschaffen sind, und setzt sich dann mit den verzweifelten Legalisierungsversuchen der beiden fort.
"War Bride" lebt von zahlreichen running gags, darunter dem des unter forcierten Schlafentzuges leidenden Rochard, der keine einzige Nacht während der Filmhandlung in einem normalen Bett verbringen kann oder darf und sich witzigerweise permanent über den Verbleib seiner oberen Gliedmaßen wundert; oder das obige Zitat, das um die fünfzehnmal in unterschiedlichen Situationen von ihm wiederholt werden muss. Hawks liebte solche grotesken Gags, besonders, wenn sie nur minimal variiert werden mussten, um immer wieder erneute Lacher zu evozieren.
Auch wenn die direkte 'Post-"Red-River"-Phase' seiner Karriere nicht eben die stärkste für Hawks bedeutete, einen kleinen Sonnenschein von Film wie diesen wusste er noch immer darzubieten.

7/10

Howard Hawks Screwball WWII period piece





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Funxton

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