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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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PRISONERS (Denis Villeneuve/USA 2013)


"They only cried when I left them."

Prisoners ~ USA 2013
Directed By: Denis Villeneuve

Anna (Erin Gerasimovich) und Joy (Kyla Drew Simmons), die beiden kleinen Töchter der befreundeten Ehepaare Dover und Birch, werden auf offener Straße von unbekannter Hand entführt und verschwinden spurlos. Für den verzweifelten Keller Dover (Hugh Jackman), Annas Dad, steht ohne Umschweife fest, wer die Mädchen verschleppt hat: Der geistig minderbemittelte Alex Jones (Paul Dano), der nach vielen Stunden erfolgloser Vernehmung durch den ermittelnden Detective Loki (Jake Gyllenhaal) wieder freigelassen wird, muss der Täter sein. Keller entführt seinerseits Alex, versteckt und foltert ihn über mehrere Tage mit dem Ziel, etwas über den Aufenthaltsort der Mädchen zu erfahren und erhält tatsächlich immer wieder kleine Hinweise seitens des Jungen, die seine Vermutung, er stecke hinter der Sache, untermauern. Doch die Zeit läuft allen davon...

Ein vergleichsweise kerniger Thriller, der zumindest ein bisschen etwas (nämlich genau so viel, wie es für ein kalkuliertes Mainstream-Publikum zulässig ist) von der in den letzten Jahren durch die Indie-Genre-Welt wehenden Transgressivität der vielen Selbstjustiz-, Rache- und Folterfilme mit in die Multiplexe nimmt. Wer entsprechende Erfahrungen gesammelt hat, für den ist "Prisoners" unter Umständen betreffs seiner Gestaltung kaum mehr als ein kommerziellerer Wurmfortsatz; ich selbst habe von mehreren befreundeten Kinogängern gehört, die meinten, wie 'shocking' und spannend er sei. Die Wahrheit liegt wie immer wohl irgendwo dazwischen. Dem halbwegs mit den narrativen Mechanismen des Erählkinos vertrauten Zuschauer wird recht schnell deutlich, wer der wahre Urheber der den Nukleus vorgebenden Kindesentführung ist (wenngleich dessen - übrigens ziemlich hanebüchen kreierte - Motivation wie gewohnt erst im handelsüblichen Finale erläutert wird). In diesem Punkt ist also nicht viel zu holen. Es lässt sich wohl auch vortrefflich über die, sich zweifellos als solche zu erkennen gebende, Glaubwürdigkeit des Storykonstrukts diskutieren, ebenso wie die scheinbare Notwendigkeit, ein inhaltlich nicht besonders komplexes Kriminaldrama über die Erzähldistanz von zweieinhalb stunden zu schleppen. Aber ich mag ja gar nicht bloß meckern; Villeneuves Film ist insgesamt okay, seine Inszenierung sogar tadellos; er hält einen trotz aller Kritik am Gesamtkonstrukt unentwegt bei der Stange, wähnt sich bloß deutlich wichtiger, als er es letzten Endes wirklich ist.

7/10

Denis Villeneuve Kidnapping Familie Georgia Südstaaten Winter


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LA VIA DELLA PROSTITUZIONE (Joe D'Amato/I 1978)


Zitat entfällt.

La Via Della Prostituzione (Sklavenmarkt der weißen Mädchen) ~ I 1978
Directed By: Joe D'Amato

Die knallharte, abgefeimte und jeder Form freier Liebe zugetane Enthüllungsjournalistin Emanuelle (Laura Gemser) plant eine Reportage über die Irrwege illegaler Prostitution. Nach einigen erotischen Abenteuern in Kenia geht es zurück in die Staaten, wo sie sich auf die Spur des Mädchenhändlers Francis Harley (Gabriele Tinti) begibt, der ihr bereits in Nairobi aufgefallen war. Emanuelle tarnt sich als mittelloses Hippie-Mädchen und wird an den Puff der Madame Claude (Gota Gobert) in San Diego weitervermittelt. Wer Madame Claude a den Karren wird, wird wahlweise in irgendwelche Drittweltländer verschleppt oder einer Lobotomie unterzogen - ein gefährliches Pflaster für Emanuelle.

Nach zwei nicht ganz "offiziellen" Beiträgen zur Reihe ("Emanuelle Nera No. 2" mit "Ausnahme"-Schauspielerin Shulamith Lasri und "Suor Emanuelle", in der Laura Gemser eine geile Nonne spielt), lieferte Urvater Joe D'Amato mit "La Via Della Prostituzione" den dritten echten Film um die flotte Reporterin ab, die sich in allen möglichen Teilen der Welt (vorzugsweise aber in Afrika) austobt und neben regelmäßig aufsehenerregenden Schreibanlässen immer auch ordentlich was zu bumsen auftut. Ob Männlein oder Weiblein, jung und attraktiv oder alt und faltig ist dabei Nebensache, Hauptsache, die Chemie funzt - und sie funzt so gut wie immer! Gerade das machte ja auch Laura Gemsers unerreichte, spezifische Erotik aus - selbst bei der nackten Massage eines überreifen Senioren wirkt sie noch höchst vergnügt. Kein noch so niederer Sexualpartner schien dieser milchkaffeebraunen Göttin je unangemessen, im Gegenteil: Anders als im luxuriösen Ambiente einer Sylvia Kristel brauchte man hier also nicht groß zu träumen - Laura Gemser musste man nur wo treffen und die zu erwartende Nummer schien in festen Tüchern. Wie sie am Ende dieses Films eine ganze, ungewaschene Fischkutterbesatzung zum Drüberrutschen einlädt, das hat einfach Chuzpe. Abgesehen von der tatsächlich perfekt gegossenen Gemser hat es natürlich noch Nico Fidencos wie gewohnt coolen Score und D'Amatos fachmännisch inszenierte Voyeurismen. Dazu ist das ganze Ding noch überaus ulkig und als Zeuge goldener Bahnhofskinotage sowieso nur toll.

6/10

Joe DAmato Europloitation Journalismus Afrika Kenia New York San Diego


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THE WOLF OF WALL STREET (Martin Scorsese/USA 2013)


"I am not gonna die sober!"

The Wolf Of Wall Street ~ USA 2013
Directed By: Martin Scorsese

Nach dem Schwarzen Montag im Oktober 1987 wendet sich der Jungbroker Jordan Belfort (Leonardo Di Caprio) dem Segment der Penny-Stocks zu, minderwertiger Aktien, die an gutgläubige Kunden verhökert werden und die dem Makler bei entsprechendem Absatz eine stattliche Provision zusichern. Belfort kann es sich bald leisten, mit 'Stratton Oakmont' eine eigene Firma aufzuziehen, die rasch expandiert. Unter dem Mitarbeitern, allen voran Belfort selbst, gehört es zum alltäglichen Chic, Alkohol, Drogen, Sex und Exzess in rauen Mengen zu konsumieren - vor allem Quaaludes haben es dem immer reicher werdenden Kapitalistenalb angetan, der nach einigen Jahren ins Visier ddes FBI gerät und sein berufliches wie sein Familienleben vor die Wand fährt.

Im Stil seiner früheren Antihelden-Halbwelt-Geschichten, die ihm zumeist mit der Unterstützung des Insiders Nicholas Pileggi zugeschustert wurden, setzt Scorsese diesen endlich wieder einmal einen weiteren Beitrag hinzu. Diesmal begibt er sich in die Niederungen des Yuppie-Unwesens der späten Achtziger, in das Haifischbecken der Gordon Gekkos und Patrick Batemans, in den Pomade und Kokain ihre verhängnisvolle Boulevard-Verbindung eingingen. Jordan Belfort ist ein authentisches Relikt dieser Jahre, ein denkwürdiges Mahnmal für die Unvereinbarkeit von Menschlichkeit und Profitstreben. Mit der ihm üblichen Faszination für seine faulherzigen Protagonisten von Jake LaMotta über Henry Hill und Ace Rothstein bis hin eben zu diesem Jordan Belfort lässt Scorsese sich in gewohnter Überlänge seine Kamera entfesseln; sie ewige Fahrten vollführen, über endlose Kokainbahnen gleiten, urplötzlich in der Bewegung verharren. Dazu gibt es eine wie üblich ausufernde Song-Kompilation, ein herrlich spaßiges Figuren-Kaleidoskop (mit Rob Reiner in einer komödiantischen Meisterleistung als Belforts Vater) und Szenen-Arrangements, die in punkto Detailverliebtheit noch immer ihresgleichen suchen. Jonah Hill ist großartig, Margot Robbie dafür eine Katastrophe. Damit kann man zumindest jedoch leben, immerhin hat sie einen fabelhaften Körper.
Was mich besonders freut, ist, dass mit "The Wolf Of Wall Street" auch der Drogen- und Suff-Exzess-Film endlich mal wieder kapitalen und vor allem vitalen Zuwachs bekommen hat, der schien mir nach "Fear And Loathing In Las Vegas" und "Spun" nämlich bereits dramatisch vom Aussterben bedroht. Hier jedoch heißt es: Lass' sie fröhlich lallen, lass' sie torkeln, lass' sie fallen. Geil!

9/10

Martin Scorsese New York Börse Wall Street Biopic FBI period piece Alkohol Kokain Freundschaft Familie Drogen


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DANIEL (Sidney Lumet/USA 1983)


"Let our deaths be his bar mitzvah."

Daniel ~ USA 1983
Directed By: Sidney Lumet

Daniel Isaacson (Timothy Hutton), dessen Eltern (Mandy Patinkin, Lindsay Crouse) während der Ära McCarthy vom HUAC ins Gefängnis gebracht, als bekennende Kommunisten der Atom-Spionage für die Russen bezichtigt und auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurden, beginnt, sich nach Jahren der ideologischen Passivität bezüglich der Hintergünde jenes furchtbaren biographischen Ereignisses zu informieren. Daniels vormals wesentlich leidenschaftlicher agierende Schwester Susan (Amanda Plummer) ist durch die Umstände, unter denen sie und ihr Bruder als Kinder aufwachsen mussen, schwer traumatisiert und psychisch geschädigt. Auch um ihretwillen ist Daniel an nachträglicher Aufklärung interessiert, seine Suche nach Antworten muss sich jedoch mit Fragmenten begnügen. Seine Eltern waren Opfer einer paranoiden Zeit und ihrer eigenen, beharrlichen Verweigerung zur Denunziation. Immerhin lernt Daniel, dass Opposition gleichbedeutend sein kann mit Integrität.

Ein ebenso leidenschaftlicher wie still erschütternder Film. Basierend auf E.L. Doctorows Roman, der sich semi-authentisch am tatsächlichen Schicksal des Ehepaars Rosenberg orientiert, die als sowjetische Rüstungsspione hingerichtet wurden, entblättert "Daniel" auf multiplen Zeitebenen ein komplexes Bild der Protestkultur in den USA zwischen den vierziger und sechziger Jahren. Paul und Rochelle Isaacson sind leidenschaftliche Linke, 'Reds', die mit den revolutionären Kräften im spanischen Bürgerkrieg und später mit den Sowjets sympathisieren, sich als eingefleischte New Yorker ausschließlich in ihren eigenen ideologischen Kreisen bewegen, die Musik von Paul Robeson flankieren und ihren Kindern den Mut zu reflektierendem Denken mit auf den Weg geben. Schließlich reißt das FBI die Familie auseinander, die Isaacsons sind von einem guten Freund und politischen Gesinnungsgenossen (Joseph Leon) denunziert worden. Ihre Kinder wachsen von diesem Zeitpunkt an als faktisch determinierte Waisen auf, die ihre Eltern ein letztes Mal vor deren Hinrichtung besuchen dürfen. Erst nach Jahren kommen sie zu Adoptiveltern, doch der psychische Schaden ist, zumindest in Susans Fall, nicht wieder gutzumachen. Die schwer verstörte junge Frau landet in einem Sanatorium und nimmt sich nach mehreren erfolglosen Versuchen schließlich das Leben. Für Daniel, der der unfasslichen Kommunistenhatz letzten Endes seine gesamte Familie opfern musste, gibt es schließlich nurmehr einen tragfähigen Weg des Weiterlebens: In die Fußstapfen seiner Eltern und seiner Schwester zu treten und gegen Vietnam auf die Straße zu gehen.
Mittels ausgefeilter Formalia erweckt Lumet diese ebenso tragische wie tapfere Biographie zum Kinoleben und leistet nebenbei eine persönliche, ideologische Offenbarung: "Daniel" propagiert nachdrücklichst das verfassungsmäßige Recht auf freie Meinungsäußerung und porträtiert eine Ära, die ebendieses mit dummen, panischen Füßen getreten hat und damit für eine historische Sekunde nicht minder totalitär agierte, als die vielen Feindbilder.
Atmosphärisch und auch filmhistorisch außerdem eine unabdingbare Ergänzung zu Warren Beattys "Reds".

9/10

Sidney Lumet period piece Familie E.L. Doctorow McCarthy-Ära Kalter Krieg Todesstrafe Biopic


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ABSENCE OF MALICE (Sydney Pollack/USA 1981)


"I want to know where this story came from."

Absence Of Malice (Die Sensationsreporterin) ~ USA 1981
Directed By: Sydney Pollack

Als der Gewerkschaftsboss Joey Diaz urplötzlich verschwindet, liegt für den übereifrigen Justizbeamten Elliott Rosen (Bob Balaban) der Fall völlig klar: Nur der Hafenspediteur Mike Gallagher (Paul Newman) mit familiären Bindungen zur Mafia kann hinter den Ereignissen stecken, zumal Diaz und Gallagher schon vormals aneinandergeraten sind. Um Gallagher aufzuscheuchen, lässt er bei der hellhörigen Journalistin Megan Carter (Sally Field) durchsickern, dass gegen den Verdächtigen bereits eine interne Ermittlung läuft, im besten Wissen um die Sensationsgier der Presse. Tatsächlich hat Gallagher ein Alibi für die fraglichen Stunden, kann es, um seine Freundin Teresa (Melinda Dillon) vor Repressalien zu schützen, jedoch nicht offenlegen. Als Megan auch Teresa in einem ihrer Artikel erwähnt, begeht die junge Frau Selbstmord. Der mittlerweile vor dem wirtschaftlichen Ruin stehende Gallagher beginnt einen cleveren Feldzug gegen die Mächtigen.

Wer so viele Erfolgsfilme mit Robert Redford gemacht hat wie dereinst Sydney Pollack, der stößt zwangsläufig wohl auch auf dessen zweimaligen Partner Paul Newman, wie Redford gleichermaßen großer Schauspieler und großer Charmeur, allerdings, auch aufgrund des fortgeschrittenen Alters, mit einer noch bedeutenderen Werkshistorie gesegnet. Die Rolle des Mike Gallagher hätte auch hervorragend zu Pollacks Leibdarsteller gepasst, möglicherweise war sie anfänglich auch für ihn intendiert. Nach "The Electric Horseman" widmete sich der Regisseur jedenfalls wiederum einem gediegenen Unterhaltungsstoff, wobei die Allmacht der Enthüllungsmedien, die bereits im Vorgängerfilm eine untergeordnete Rolle eingenommen hatte, hier zum zentralen Thema wurde: Die exekutive Staatsgewalt macht sich den unabdingbaren Sensationshunger der Presse sogar zunutze, um eine Intrige gegen einen Unschuldigen zu spinnen und diesen gesellschaftlich und wirtschaftlich zu Fall zu bringen. Wo Jane Fonda noch ganz selbstbestimmte Journalistin mit Hang zum Abenteuer war, muss Sally Field als einerseits zwar sympathische, andererseits jedoch ungemein kurzsichtige Schmiertante herhalten, die sich gnadenlos instrumentalisieren lässt. Wiederum hängt Pollacks Haupinteresse am männlichen Helden der Geschichte und wie er sich aus seinem unverdienten Missgeschick zumindest unter Wahrung seiner persönlichen integrität herauslaviert. Allerdings ist auch "Absence Of Malice" ein weiterer Schritt in die Angepasstheit, vom nachfolgenden "Tootsie" gar nicht zu reden. Hollywood hat Pollack endgültig gezähmt.

7/10

Sydney Pollack Miami Florida Journalismus FBI


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BLACK WIDOW (Bob Rafelson/USA 1987)


"The truth is, it's not over yet."

Black Widow (Die schwarze Witwe) ~ USA 1987
Directed By: Bob Rafelson

Die privat etwas unstete Justizbeamte Alex Barnes (Debra Winger) wird eher zufällig auf eine männermordende Serienmörderin (Theresa Russell) aufmerksam, die ihre wohlsituierten Ehegatten jeweils in eigener Abwesenheit zu vergiften und sich hernach mit deren beträchtlicher Erbschaft aus dem Staube zu machen pflegt. Alex verfolgt die Unbekannte, deren letztes Opfer, ein steinreicher Museumskurator, in Kalifornien wohnhaft war, von dort bis nach Hawaii. Dort hat sich Christine Peterson, wie sich die eiskalte Dame nun nennt, bereits den Multimillionär Paul Nuytten (Sami Frey) als nächsten Witwenmacher auserkoren. Zwischen den zwei charakterstarken Frauen beginnt ein tödliches Spiel um falsche Freundschaft, zumal beide sich etwas vorspielen, derweil jedoch um die wahre Identität der jeweils anderen genau Bescheid wissen.

In den Achtzigern war es mal Mode, Qualitätskrimis auszustoßen, in deren Fertigung nicht selten auch ehemalige Schlüsselfiguren New Hollywoods involviert waren. Bob Rafelson, just eine derselben, legte nach der Cain-Adaption "The Postman Always Rings Twice", als neo noir und vor dem Hintegrund der Deptressionsära spielend noch ein relativ typischer Nachzieher der kreativen Bewegung, zunächst eine sechsjährige Pause ein, wohl infolge der relativ verhaltenen Rezeption seiner Neuverfilmung, für die man sich ohnehin lediglich wegen der Sexszenen zwischen Nicholson und Lange zu interessieren schien. Nach jener zwischenzeitlichen Sinnsuche tat Rafelson das, was die meisten fähigen, häufig jedoch kreativ zerfaserten Hollywood-Regisseure dieser Jahre zu tun beliebten und inszenierte einen sauberen, aber unspektakulären Thriller als Studio-Auftragsarbeit. Ungewöhnlich mutet hieran allerhöchstens an, dass das Duell zwischen Polizist und Kriminellem von zwei Frauen bekleidet wird, die mit den altklischierten, weiblichen Waffen gegeneinander antreten, sprich: Sex und Durchtriebenheit. Am Ende entscheidet die mit dem schärferen (und natürlich gesünderen) Verstand die wechselseitige Jagd für sich, derweil die andere nicht etwa spektakulär abserviert, sondern ganz ordinär den Händen der Justiz übergeben wird. Dabei zuzuschauen ist ein guter Zeitvertreib, dessen Qualität neben Rafelsons Abgewichstheit auch seiner wohlfeil durchdachten Besetzung mit vielen stets gern gesehenen Gesichtern (James Hong als nervöser Fixer-Detektiv - mein Highlight) zuzuschreiben ist.

7/10

Bob Rafelson Serienmord Jagd Hawaii San Francisco Duell femme fatale


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CLASS ACTION (Michael Apted/USA 1991)


"If your mother could hear you now."

Class Action (Das Gesetz der Macht) ~ USA 1991
Directed By: Michael Apted

Obschon beide Anwälte sind, verstehen sich Jeb Ward (Gene Hackman) und seine Tochter Maggie (Mary Elizabeth Mastrantonio) nicht sonderlich blendend. Maggie konnte nie die diversen Gelegenheiten nachsehen, bei denen ihr Dad seiner Frau und ihrer Mum (Joanna Merlin) Hörner aufsetzte. Auch ihre Berufsauffassung unterscheidet sich deutlich: Jeb, stets linksliberaler Bürgerrechtsvorkämpfer und Idealist, kann nicht begreifen, dass Maggie, ganz Karrieristin, sich der Riesenkanzlei Quinn einverleibt, die ausschließlich millionenschwere Klienten vertritt. Als Jeb und Maggie vor dem Zivilgericht schließlich widersteitende Parteien in Form eines renommierten Autobauers und einer Gruppe geschädigter Sammelkläger repräsentieren und sich dort Aug in Aug gegenüberstehen, müssen beide auch hinsichtlich ihrer brüchigen Beziehung zueinander Farbe bekennen.

Klassisch inszeniertes Courtroom-Drama, typisch für seine Zeit und jedwede Form der Erwartungen seiner avisierten Zuschauerschaft erfüllend. Der Begriff 'class action' subsummiert im US-Justizwesen zivilgerichtlich angestrebte Einzel- oder Sammelklagen gegen eine gegnerische Partei, bei denen es häufig um hohe Schadensersatzzahlungen geht. Im Film werden solche Storys gern als 'David-gegen-Goliath'-Epen inszeniert. Der vorrangige Vertreter dieses Courtroom-Subgenres ist "The Verdict" von Sidney Lumet, im Laufe der Jahre haben sich jedoch noch einige andere Werke, etwa Steven Zaillians "A Civil Action", herauskristallisiert. Ihre Faszination beziehen all diese Filme daraus, dass durch klerikale oder kapitalistische Achsenmächte geschädigte Bürger trotz geringer Gewinnchance ihr Recht einfordern, wobei eher selten ("The Verdict" bildet eine rühmliche Ausnahme) von den Interessen der Anklagevertreter - nämlich einem gehörigen Stück vom Entschädigungskuchen - berichtet wird. Jene finden sich mit geringfügigen Abstrichen vielmehr als Ritter in moralischer Protestrüstung charakterisiert, die ihren Beruf aus rein altruistischen Motiven heraus ausüben.
"Class Action" bildet da keine spezielle Ausnahme, wenngleich auch Jeb Wards Weste keine hundertprozentig weiße ist. Dennoch ist er als lebens- wie berufserfahrener Jurist im Recht, was seine gegen ihn rebellierende Tochter lernen und einsehen muss. So ist Apteds Film dann gleichfalls und vor allem auch die Geschichte einer überfälligen Familienzusammenführung, die in ansonsten stark vorhersehbaren Bahnen verläuft. Erfreuen mag man sich eher am sehr schnittig geschriebenen Dialogscript sowie an der starken Besetzung, die mit Donald Moffatt und Laurence Fishburne noch zwei feine extras beinhaltet.

7/10

Michael Apted Courtroom Vater & Tochter San Francisco Familie Duell


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UNA LUCERTOLA CON LA PELLE DI DONNA (Lucio Fulci/I, E, F 1971)


Zitat entfällt.

Una Lucertola Con La Pelle Di Donna ~ I/E/F 1971
Directed By: Lucio Fulci

Die biedere Londonerin Carol Hammond (Florinda Bolkan) ist in manischem, heimlichen Begehren zu ihrer libertinen Nachbarin Julia Durer (Anita Strindberg) entflammt, was sich allnächtlich in bizarren Träumen widerspiegelt, von denen Carol ihrem Analytiker (George Rigaud) berichtet. Als Julia ermordet aufgefunden wird, ist Carol zutiefst entsetzt - entspricht das gesamte Szenario doch exakt einem ihrer erst nachts zuvor geträumten Fantasmen. Zunächst hält man Carol für die Mörderin, doch ein mysteriöser Erpresseranruf bei Carols wohlhabendem Vater (Leo Genn) sowie zwei zwielichtige Hippies (Mike Kennedy, Penny Brown) lassen auf einen wesentlich komplexeren Tathergang schließen...

Frühes Meisterstück von Fulci, trotz einiger Zeigefreudigkeit noch weit von seinen späteren Exploitation-Träumen entfernt. "Una Lucertola Con La Pelle Di Donna" zehrt vom psychedelischen Kontext seiner Entstehungsjahre, besitzt wundervoll arrangierte Interieurs und Raumkonstruktionen und macht Gebäude und Architekturen zu heimlichen Hauptdarstellern. Das sich inhaltlich etwas verlierende Vexierspiel, das am Ende natürlich die logisch einzig mögliche Auflösung hervorzaubert, zuvor jedoch einige ziemlich umständliche Fallstricke legt, muss man eher beiseite schieben, um den vollen Genuss sich entfalten zu lassen. Dann aber! Über allem wabert ein von Ennio Morricone komponierter Score und eine Reihe toller Schauspieler, allen voran der bereits oben genannte Genn, veredelt einen der schönsten mir bekannten Gialli.

8/10

Lucio Fulci Giallo London LSD Bohéme


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THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY (Norman Z. McLeod/USA 1947)


"Pockata! Pockata!"

The Secret Life Of Walter Mitty (Das Doppelleben des Herrn Mitty) ~ USA 1947
Directed By: Norman Z. McLeod

Von der Tatsache, dass Walter Mitty (Danny Kaye), Cheflektor beim Pulproman-Verlag 'Pierce', ein ausgesprochener Tagträumer mit blühender Phantasie und gloriosen Einfällen ist, zehrt insbesondere sein Chef (Thurston Hall), der Walters Ideen nur allzu gern als seine eigenen zu veräußern pflegt. Zudem leidet Walter unter dem Matriarchat seiner Mutter (Fay Bainter), die sein gesamtes Privatleben bis ins kleinste Detail für ihn plant. Wie sehr genießt er daher seine Phantasien, in der er als unerschrockener Seemann, Fliegeras, Modedesigner und Revolverheld vor der Dame seiner Träume (Virginia Mayo) reüssiert. Als diese ihm eines Tages im wahren Leben begegnet und ihn in eine hadfeste Kriminalgeschichte verwickelt, scheint es, als würden sich für Walter endgültig die Grenze zwischen Realis und Irrealis auflösen...

Wie die meisten seiner Filme vor allem eine One-Man-Show für Danny Kaye, in der er sich ausgelassen durch träumerisch gestaltete Technicolor-Kulissen albern kann und einem Derwisch gleich durch sein "geheimes Leben" bewegt. Dass sich sein Traum, einmal ein veritabler Held zu sein, am Ende als real erweist und er das schöne Mädchen abbekommt, macht ihn schließlich zugleich zum Herrn über sich selbst, erlaubt ihm Mündigkeit, Bodenständigkeit sowie existenzielle Autonomie und macht seine Flucht in Phantasie-Universen künftig überflüssig. Vielleicht hat sich Philip K. Dick für seine ja bereits zweimal verfilmte Story "We Can remember It For You Wholesale" von der Geschichte Walter Mittys beeinflussen lassen, denn wie der mausgraue Angestellte/Arbeiter Doug Quail (bzw. Quaid in den Filmen) benötigt auch Walter Mitty für den Übergang in sein tief ersehntes Stadium der Individualität eine erzwungene Heldenrolle: Psychotherapie durch Action.

8/10

Norman Z. McLeod New York Mutter & Sohn


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THE JANUARY MAN (Pat O'Connor/USA 1989)


"I'm going to go home, mix some paint, and try to create something original."

The January Man (Im Zeichen der Jungfrau) ~ USA 1989
Directed By: Pat O'Connor

Um einen seit elf Monaten immer wieder zuschlagenden Serienkiller dingfest zu machen, beordert der New Yorker Bürgermeister Flynn (Rod Steiger) den mittlerweile als Feuerwehrmann tätigen, exzentrischen Profiler Nick Starkey (Kevin Kline) zurück in den Polizeidienst, der einst wegen einer ungeklärten Korruptionsaffäre den Hut nehmen musste. Sewinem Bruder, dem Commissioner Frank Starkey (Harvey Keitel) sowie Captain Alcoa (Danny Aiello), ist Nicks Re-Aktivierung ein Dorn im Auge, nicht so jedoch des Bürgermeisters Tochter Bernadette (Mary Elizabeth Mastrantonio), die sich heftig in Nick verliebt.

Ein höchst eigenartiger Film ist "The January Man", dennoch mochte ich ihn aus naheliegenden Gründen immer recht gern. Wer eine konventionelle Serienkiller-Hatz erwartet, der ist zunächst einmal schiefgewickelt und wird sich nachhaltig enttäuscht finden: Spannend ist O'Connors Film nämlich faktisch gleich null und die obligatorische Konfrontation zwischen Held und Übeltäter am Ende ist zu allem Überfluss eine burleske Farce. Der Serienmörder, der immerhin elf Opfer zu verantworten hat, entpuppt sich trotz vorheriger Geheimnistuerei als geschminkte, bislang uneingeführte Figur, vorheriges Rätselraten und Verdächtigen seitens des Publikums läuft somit frontal vor die Wand. Als Krimi oder gar Thriller ist "The January Man" somit ein lupenreiner Rohrkrepierer, nicht so jedoch als Schauspielerfilm, der über sieben bestens aufgelegte Musterexemplare ihrer Gattung verfügen kann und diese so gut es geht, unter einen Hut bringt. Neben den Erwähnten finden sich noch Susan Sarandon und Alan Rickman als exzentrischer Maler ein, letzterer im Zuge einer figural betrachtet vollkommen redundanten Vorstellung, der im Prinzip nichts zum Plot beiträgt, mit Ausnahme seiner reinen Präsenz. Da es sich jedoch um Alan Rickman handelt und dieser in jenen Tagen zu den coolsten Darstellern des Planeten zählte, nimmt man einen solch überflüssigen Luxus nur umso lieber mit. Nein, "The January Man" ist kein Genrefilm, nötigenfalls kann man ihn als "Genrefilm" bezeichnen, "der keiner ist". Aber gerade in seiner lässig dargebrachten Enttäuschung von Erwartungshaltungen gefällt er mir.

7/10

Serienmord Pat OConnor New York Norman Jewison





Filmtagebuch von...

Funxton

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