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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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BRUTE FORCE (Jules Dassin/USA 1947)


"Nobody ever really escapes."

Brute Force (Zelle R 17) ~ USA 1947
Directed By: Jules Dassin

Im Westgate-Hochsicherheitsgefängnis herrschen menschenunwürdige Zustände. Schuld daran trägt Oberaufseher Munsey (Hume Cronyn), vor dessen diabolischer Entschlossenheit selbst der Direktor (Roman Bohnen) buckelt. Oberflächlich präsentiert sich Munsey als großer Humanist, doch insgeheim intrigiert er gegen die Gefangenen, setzt Spione unter falschen Versprechungen ein, treibt verzweifelte Insassen in den Suizid und greift auch schonmal zur Folter. Für Joe Collins (Burt Lancaster) gibt es daher nur eine Lösung: Ausbruch.

"Brute Force" steht im Kanon der Knastfilme ganz oben, antizipiert er doch entscheidende Motive und Inhalte, die die Gattung bis heute verwendet. Mit einer besonders im Hinblick auf seine Entstehungszeit rigorosen Härte zeichnen Brooks und Dassin die Hoffnungslosigkeit des Gefängnisalltags für Langzeitinsassen. Längst sind ihre Taten gesühnt und spielen ohnedies keine Rolle mehr für ihre Existenz, hier, in diesem abgeschotteten Paralleluniversum, geht es einzig ums Überleben sowie darum, einen Rest psychischer Stabilität zu wahren. Für die Gewaltigen, wie Aufseher Munsey (man traut Cronyn kaum zu, dass er eine solch diabolische Seite herauszukehren imstand war), stellt indes das Verführungspotenzial der Macht die größte Gefahr dar. Die Verlockung, Macht über andere zu besitzen, körperlich Überlegene, gewalttätige Männer, korrumpiert Munseys Persönlichkeit und lässt ihn schließlich zum Minidiktator reifen. Am Ende steht eine tiefschwarze Conclusio: Es ist, wie es ist und wird sich absehbar nicht ändern.

10/10

Jules Dassin Richard Brooks Gefängnis film noir


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THE SLENDER THREAD (Sydney Pollack/USA 1965)


"I care."

The Slender Thread (Stimme am Telefon) ~ USA 1965
Directed By: Sydney Pollack

Der Psychologiestudent Alan Newell (Sidney Poitier) volontiert nebenbei bei der Telefonseelsorge. Eines Abends ruft dort die völlig verzeifelte Inga Dyson (Anne Bancroft) an und eröffnet dem konfusen Alan, sie habe soeben eine Überdosis Schlaftabletten genommen. Da sie ihm weder ihren vollen Namen noch ihren Aufenthaltsort mitteilen möchte, muss Alan jedwedes Geschick aufwänden, um Inga am Telefon zu halten, damit die Telefongesellschaft ihren Standort ermitteln kann. Glücklich über einen verständigen Zuhörer erzählt sie ihm ihre Geschichte...

Grandioses Kinodebüt mitsamt meisterlich verschachtelter Chronologie von einem noch hungrigen Sydney Pollack, höchst stilvoll und kompetent inszeniert und sich empfehlend für das bereits im Trüben keimende New Hollywood. Ungeachtet der mittlerweile überall gängigen Farbkamera nutzt Pollack für sein Kammerspiel betont schmuckloses Schwarzweiß (Loyal Griggs) und zu dessen Untermalung ebenso treibende wie gefühlvolle Klänge von Großmeister Quincy Jones. Anne Bancroft ist ausgezeichnet in ihrer Porträtierung einer zutiefst verzweifelten Frau und fügt dem Erstarken naturalistisch gezeichneter femininer Figuren auf der Leinwand ein entscheidendes Exempel hinzu. Telly Savalas, stets mit gewaltiger Zigarre im Bild als Poitiers nicht minder engagierter Chef zeigt sich ausnahmsweise in einer durchgängig sympathischen Darstellung und Seattle als ungewohnter Schauplatz für einen Studioproduktion tut sein Übriges, um diesen für seinen Zeitkontext ungewöhnlichen Film zu etwas Besonderem zu machen.

9/10

Sydney Pollack Seattle Telefon Psychiatrie Echtzeit


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HEISSES PFLASTER KÖLN (Ernst Hofbauer/BRD 1967)


"Exquisit und exklusiv - des ist unser Motto!"

Heißes Pflaster Köln ~ BRD 1967
Directed By: Ernst Hofbauer

Der Zuhälter Paul (Arthur Brauss) bekommt gleich in mehrerlei Hinsicht kalte Füße: Der übereifrige Staatsanwalt Stauffer (Richard Münch) strebt eine Revisionsverhandlung gegen Pauls wegen Mordes verdächtigen Bruder (Jos Hartmann) an und der Wiener Poldi kommt mit seinem Tross nach Köln, um Pauls Pferdchen vom Strich weg abzuwerben und in seinem Edelpuff zu beschäftigen. Derweil treibt das marodierende Teeniemädchen Vera (Monika Zinnenberg) ihr Unwesen in der Stadt und Stauffers Sohn Ernst (Claus Ringer) schwebt wegen seiner hübschen Freundin Susanne (Doris Kunstmann) auf Wolke 7.

Orientiert an einigen echten Vorfällen im ehedem zeitgenössischen "Chicago am Rhein", in welchem Ende der Sechziger Zuhälter wie der tatsächlich Todesdrohungen gegen einen verfeindeten Staatsanwalt ausstoßende Toni Dumm (oder, wie er besser bekannt ist, Dummse Tünn) zu den heimlichen urbanen Größen zählten, klöppelten Hofbauer und die Münchener LISA-Film dieses schon semilegendäre Kolportage-Produkt über die sittenwidrigen Vorgänge im Mittwesten der Bundesrepublik zusammen: Ja, nicht nur in Hamburg und Frankfurt waren die Nächte lang (respektive heiß), auch bei uns am Rhein ging's hoch her. Das kölsche Fremdenverkehrsamt sah es dabei gar nicht gern, dass ausgerechnet die Bayern ihr rheinisches Frohsinnsmekka so verunglimpften und die hauseigene Großstadt als dermaßen verworfenes Sündenbabel zeichneten. Die Herren von der Lokalreklame hatten offensichtlich keinen Sinn für Humor, denn die - natürlich filmdramaturgisch hübsch zurecht gebogene und verzerrte - Rotlichtwelt des Films reizt gewiss zu mancherlei schäbigem Grinsen. Wenn die Zuhältergangs jeweils zu dritt gegeneinander antreten und Rainer Basedow sein Vis-à-vis Herbert Fux mit "Du Frankenstein!" beschimpft, dann bleibt freilich kein Auge trocken. Außerdem demonstriert uns die hübsche Bilderbuch-, äh, Bildungsbürgerjugend, dass es immer noch Wege und Hoffnung gab - auch dies schon damals.

7/10

Ernst Hofbauer Köln Kiez Prostitution Sleaze Lisa-Film


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THE NARROW MARGIN (Richard Fleischer/USA 1952)


"What kind of a dame would marry a hood?" - "All kinds."

The Narrow Margin (Um Haaresbreite) ~ USA 1952
Directed By: Richard Fleischer

Nachdem sein Partner (Don Beddoe) gleich vor Ort erschossen wird, hat Detective Sergeant Walter Brown (Charles McGraw) die unleidliche Aufgabe, die Gangsterwitwe Neal (Marie Windsor) allein von Chicago nach L.A. zu eskortieren - per Überlandzug. Da Mrs. Neil im Besitz einer Liste mit Namen korrupter Persönlichkeiten ist, hat die Unterwelt höchstes Interesse daran, sie aus dem Weg zu räumen und heftet sich an ihre und Browns Fersen.

Ein kleines Schätzchen aus Fleischers bekanntermaßen umfangreich bestückter Werkstruhe, konzentriert und auf den Punkt inszeniert. Trotz des begrenzten Zug-Settings hält Fleischer die notwenige Spannung zum Fortschreiben der Story unentwegt aufrecht und zieht die bedrohlichen Schlingen um seine Protagonisten immer enger zusammen. Dabei ist kaum einer der Mitreisenden wirklich das, was er oder sie zu sein vorgibt - allein die Gangster machen keinen Hehl aus ihrer Identität und finsteren Gesinnung. Doch gibt auch Brown beileibe keine makellose Heldenfigur ab. Er steht bei der Internen ohnehin im Verdacht, bestechlich zu sein (ein zweideutiger Hinweis auf eine zumindest undurchsichtige Berufskarriere) und muss tatsächlich merklich mit sich hadern, als ihm einer der Ganoven (Peter Brocco) ein großzügiges Geldangebot macht, für dass er im Gegenzug seine Schutzbefohlene ausliefern soll. So erreicht "The Narrow Margin" in jeder Hinsicht die bedürftige Tiefe eines führenden film noir, zu welchen er somit auch zweifelsohne gezählt werden muss.

9/10

Richard Fleischer Zug Eskorte film noir


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POLIZEIREVIER DAVIDSWACHE (Jürgen Roland/BRD 1964)


"Ich such' bloß meinen Freund, den Albert!"

Polizeirevier Davidswache ~ BRD 1964
Directed By: Jürgen Roland

Der rund um den Hamburger Kiez berüchtigte Gewaltverbrecher Bruno Kapp (Günter Ungeheuer) wird aus dem Knast entlassen und hegt nur einen Gedanken: Rache an dem Bullen, der ihn einst dorthin gebracht hat! Dabei hat Hauptwachtmeister Glantz (Wolfgang Kieling) ohnehin schon genug um die Ohren: Die Navy ist im Hafen stationiert und hat Landgang. Außerdem kommt bereits in absehbarer Zeit seine halbverwaiste Tochter mit dem Zug aus der Schweiz.

Großartiger Kolportagefilm, der seinen im Grunde einzigen, etwas dummen Fehler im Titel trägt: Das an der Davidstraße gelegene Polizeirevier 15 muss nämlich in Wahrheit ohne das Fugen-S auskommen und heißt tatsächlich 'Davidwache'. Ansonsten machen Roland und Menge die Vorturner für alles, was in den folgenden zehn Jahren von Olsen & Co. über die Hansestadt produziert werden sollte. Was "Polizeirevier Davidswache" mit seinen späteren Nachfolgern verbindet, ist die Mischung aus rauer Herzlichkeit, mit dem das anrüchige, aber eben irgendwie doch urige Lokalkolorit gewürdigt wird und spießbürgerlicher Widernis - man geht ja doch mal drüber, wenn man schon in Hamburg ist, ist aber doch froh, bald darauf wieder in der Bahn Richtung Hotel zu sitzen und das hier geschilderte Nachtleben nicht aus der Nähe miterleben zu müssen. Dabei ist die flickwerkartig erzählte Geschichte ganz vortrefflich vorgertragen; die Toleranzschwelle der hier arbeitenden Beamten ist hoch, ebenso wie der allgemeine Sinn für funktionelle Koexistenz. Es sind dann schon eher die allabendlich einfallenden Legionen besoffener Amüsiertouristen, die zwar Geld, aber oft auch Ärger mit sich bringen. Bruno Kapp jedenfalls findet sich nach dem rein gewinnorientierten Mord an einer Hure (Silvana Sansoni) bald vom gesamten Kiez geächtet und bekommt dies auch zu spüren. Dennoch wird am Ende nicht er das Opfer einer fehlgeleiteten Racheaktion. Schriftliche Inserts protzen damit, mit dem soeben präsentierten Film eine authentische Geschichte vorzulegen und ebendas macht ja den Charme der kurzlebigen, aber eruptiven Kiez-Film-Welle aus: Der Anspruch, Realität zu reproduzieren, in Wahrheit aber doch bloß Fantasiegebilde zu unterfüttern.

8/10

Jürgen Roland Wolfgang Menge Hamburg St. Pauli Kiez Prostitution Rache


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RUNAWAY JURY (Gary Fleder/USA 2003)


"Gentlemen, trials are too important to be left up to juries."

Runaway Jury (Das Urteil) ~ USA 2003
Directed By: Gary Fleder

Die Witwe (Joanna Going) eines von einem Amokläufer ermordeten Börsenmaklers (Dylan McDermott) verklagt die Hersteller der für die Bluttat verwendeten Automatikwaffe und damit moralisch betrachtet auch gleich die gesamte Waffenlobby der USA. Die Bosse des betroffenen Unternehmens wittern mögliche Millionenverluste und heuern daher den für seine zielsichere Geschworenenauswahl bei prekären Prozessen bekannten, juristischen Berater Rankin Fitch (Gene Hackman) an, der dem beauftragten Anwalt (Bruce Davison) während der Zulassung der Geschworenen zur Seite stehen soll. Die Anklage wird von Wendell Rohr (Dustin Hoffman) vertreten, selbst ein leidenschaftlicher Gegner des Zweiten Verfassungszusatzes. Schon nach den ersten Prozessphasen bekommen sowohl Fitch als auch Rohr von einer unbekannten jungen Frau (Rachel Weisz) das Angebot, einen der Geschworenen (John Cusack) gegen ein großzügiges Entgelt die übrigen so manipulieren zu lassen, dass das Urteil zu den jeweiligen Gunsten ausfallen könnte.

Mit einigem Abstand - sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die verhandelte Mentalität - entstand diese bislang letzte Grisham-Verfilmung. Abgesehen von der nervösen Kamera, die dramaturgische Hektik durch exzessives Zoomen zu suggerieren sucht, unterscheidet "Runaway Jury" sich sonst nicht besonders von den vorhergehenden Filmen. Wieder gibt es idealistische Helden mit heimlichem Regressions- und Vergeltungsansprüchen und moralisch hoffnungslos korrumpierte Schurken, selbstredend solche von der gewissenlos-kapitalistischen Seite der Medaille. Ging es im Roman allerdings noch darum, die Tabakindustrie für einen Lungenkrebstoten verantwortlich zu machen, wandte sich das Filmscript unter dem Eindruck von Littleton stattdessen dem akuteren und vor allem populistisch naheliegenderen Topos der Amokläufer zu, die problemlos an todbringende Schusswaffen gelangen und diese bei Bedarf auch zum Einsatz bringen können. Ob die die gezogene Analogie letztlich sinnstiftend ist, muss jeder für sich entscheiden, Waffenfabrikanten juristisch unmittelbar für die Verwendung ihrer Produkte verantwortlich zu machen und damit auch noch gerichtlich durchzukommen, erweist sich jedoch, wenngleich von einigem hypothetischen Reiz, spätestens beim zweiten Nachdenken als recht hanebüchen. Die gute Tradition ergibt sich hier eher wie üblich aus dem Darsteller-Duell Hoffman/Hackman; die beiden arrivierten Herren bekommen ihre meritenträchtige Konfrontationsszene und genießen ansonsten sichtlich den Aufwasch, der um sie herum betrieben wurde. Ein so motiviert-spielfreudiges Ensemble wie Coppolafür "The Rainmaker" steht Fleder jedoch nicht zur Verfügung. Damit bleibt der Film als reines Unterhaltungsprodukt akzeptabel, ansonsten allerdings, nota bene, ein Stück luxuriöser Muße ohne besonderen Nachhall.

6/10

Gary Fleder John Grisham Südstaaten New Orleans Louisiana Courtroom


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THE GINGERBREAD MAN (Robert Altman/USA 1998)


"The only exercise you are gettin' is jumpin' to conclusions."

The Gingerbread Man ~ USA 1998
Directed By: Robert Altman

Der Erfolgsanwalt Rick Magruder (Kenneth Branagh) lernt nach einer Überraschungs-Geburtstagsparty die Kellnerin Mallory (Embeth Davidtz) kennen und verliebt sich in sie. Mallory lebt in höchster Angst vor ihrem Vater Dixon (Robert Duvall), einem zur Gewalt neigenden, psychotischen Sektenmitglied. Rick macht es sich zur Aufgabe, sie zu beschützen und versteckt Mallory, doch Dixon heftet sich an ihre Fersen. Als er scheinbar Magruders kleine Kinder (Mae Whitman, Jesse James) entführt, sieht dieser rot und handelt damit doch ganz in Mallorys durchtriebenem Sinne.

Zweifelsohne ein waschechter Altman, sämtliche Attribute seines Meisterregisseurs vereinend - mit Ausnahme einer plausiblen Geschichte. Für diverse Plotwendungen muss man als Rezipient jedenfalls eine gerüttelt' Maß guten Willens und flexibler Logik aufbringen, um diese ohne Weiteres tolerieren zu können. Anders als üblich gibt es hier in einer Grisham-Adaption einmal keine linear erzählte courtroom story, sondern - immerhin das ist selbstverständlich - einen Anwalt, der den sinistren Plänen eines skrupellosen Erbschleicherpärchens aufsitzt, mitsamt story twist und ähnlichem Tamtam. Damit steht "The Gingerbread Man" eher in guter alter Noir-Tradition denn in der des jüngst um den Autor kreierten Sub-Subgenres, einem Terrain, auf dem Altman sich ganz offensichtlich nicht zu Hause fühlt, das er jedoch, soviel kreative Signatur muss sein, permanent in seine Werksperspektive zu assimilieren sucht. Semi-erfolgreich muss man wohl sagen, denn einerseits gab es vermutlich keinen Stoff, dem der Ausnahme-Regisseur nicht zumindest seinen Stempel aufdrücken könnte, andererseits merkt man dem Resultat die Skepsis ihres Urhebers permanent deutlich an. Ich nehme an, Altman war froh, als er sich nach "The Gingerbread Man" wieder anderen Dingen zuwenden konnte.

6/10

Robert Altman John Grisham Georgia Savannah Familie Femme fatale neo noir Südstaaten


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THE RAINMAKER (Francis Ford Coppola/USA 1997)


"How do you know when a lawyer is lying? - His lips are moving. "

The Rainmaker (Der Regenmacher) ~ USA 1997
Directed By: Francis Ford Coppola

Rudy Baylor (Matt Damon) hat soeben sein Jurastudium bestanden, jedoch keinerlei Beziehungen zu großen Anwaltskanzleien. Also nimmt ihn zunächst der Winkeladvokat Bruiser Stone (Mickey Rourke) unter eine Fittiche, der nebenbei allerlei illegale Geschäftchen betreibt, von dem Rudy jedoch einiges über berufserforderliche Rigorosität und Abgezocktheit lernt. Zudem lernt er den nicht minder cleveren Deck Shifflet (Danny De Vito) kennen, mit dem Rudy sich schließlich selbstständig macht. Seine ersten zwei Fälle umfassen einen Ehekrieg zwischen der sanften Kelly Riker (Claire Danes) und ihrem gealttätigen Ehemann (Andrew Shue) sowie einen millionenschweres Mandat bezüglich eines an Leukämie erkrankten Jungen (Johnny Whithworth), dessen Krankenversicherung sich weigert, die Kosten für eine lebensrettende Knochenmarkstransplantion zu übernehmen.

Die mit Abstand beste Grisham-Verfilmung, für die es sich allein schon lohnt, die vorherigen Filme über sich ergehen zu lassen, um dann zu sehen, wie man's besser hinbekommt. "The Rainmaker" bietet vortreffliches Erzählkino, weitgehend ohne die üble Moralinsäure und populistische Existenzschwere der Vorgänger auskommend. Zwar ist auch der hierin auftretende Junganwalt ein klarer Idealist, doch er muss die rechten Schliche erst noch erlernen und gibt keinerlei Urteile ab über die Pros und Cons der US-Rechtsprechung. Vielmehr ist er sich schlussendlich einfach nur nicht sicher, ob er seinem früher oder später zwangsläufig in ethische Korruption mündenden Beruf weiter nachgehen möchte.
"The Rainmaker" erzählt seine mehrsträngige Geschichte entlang eines fragmentarisch bei "The Verdict" entliehen Hauptplots in episodischer Form und hat dabei jede Menge Gelegenheit, eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Figuren einzuführen, für die Coppola die jeweils perfekten Gesichter zur Verfügung standen. Selten bereitete es mir in letzter Zeit ein solches Vergnügen, großen amerikanischen Akteuren bei der Arbeit zuzuschauen und am Ende wünschte ich mir sogar, der Film liefe noch länger, um mehr von ihnen in dieser jeweiligen Hochform sehen zu können. Dabei ist der sich seiner Pickel nicht schämende Jungspund Damon lediglich der rote Faden, an dem sich alles andere entlanghandelt. Danny De Vito, Jon Voight, Dean Stockwell, Danny Glover, Roy Scheider und vor allem Mickey Rourke, die meisten von ihnen leider nur in ehrzuerbietenden Mini-Auftritten, zu sehen, kommt der Wandlung durch einen schauspielerischen Lustgarten gleich. Vor allem von Rourke, langjähriger Coppola-Adlatus, als weißhaarigem, schmierigen, aber stets liebenswerten Halbweltanwalt wünscht man sich wesentlich mehr screentime.
Ein Produkt von allerhöchster, altmodischer Professionalität, prinzipiell angreifbar sicherlich durch seine gewissermaßen obsolete Darbietung konventioneller inhaltlicher und dramaturgischer Faktoren, getragen jedoch von Ausnahmetalenten und daher höchst liebenswert.

8/10

Francis Ford Coppola John Grisham Courtroom Freundschaft Memphis Tennessee Krebs


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A TIME TO KILL (Joel Schumacher/USA 1996)


"America is a wall, and you're on the other side."

A Time To Kill (Die Jury) ~ USA 1996
Directed By: Joel Schumacher

Nachdem zwei rassistische Hillbillys (Nicky Katt, Doug Hutchison) die zehnjährige Tochter (Rae'Ven Larrymore Kelly) des farbigen Arbeiters Carl Lee Hailey (Samuel L. Jackson) vergewaltigt, misshandelt und fast ermordet haben, schreitet der verzweifelte Vater zur Selbstjustiz: Er mäht die Täter auf ihrem Weg in den Gerichtssaal mit einem Maschinengewehr nieder. Der Nachwuchsanwalt Brigance (Matthew McConaughey) übernimmt Haileys Fall und beschwört damit einen lokalen Rassenkrieg herauf: Der Ku-Klux-Klan reformiert sich und schwarze Bürgerrechtsorganisationen wettern gegen die weiße Bevormundung.

Nach dem global betrachtet eher zu vernachlässigenden "The Client" übernahm Schumacher gleich noch einmal die Inszenierung einer Grisham-Adaption, diesmal mit einem spürbar höheren Maß an Engagement und Leidenschaft, da der der Geschichte zugrunde liegende Themenkomplex ihn offenbar auch persönlich anfocht. Gleich drei heiße Eisen packt "A Time To Kill" an: Selbstjustiz, die Todesstrafe und Rassismus. Während er bezogen auf den letzteren Topos eine liberale, versöhnliche, populistisch wirksame (wenngleich wiederum höchst irreal vorgetragene) Lösung aufbietet, erweist er sich im Hinblick auf die ersten beiden als übelster polemischer Bodensatz. Von Anfang an präsentiert sich der Film fortwährend als Traktat für die NRA sowie für die moralische Verantwortung des Einzelnen, sich bei Bedarf als Richter und Henker aufzuspielen, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen, kurz: Verfassung/Grundgesetz und Menschenrechte mit Füßen zu treten. "A Time To Kill" präsentiert sich als bewusst emotional-aufpeitschend konstruiert; da die Kamera nicht zeigt, was mit der kleinen Tonya passiert, schildert Brigance es detailliert in seinem Schlussplädoyer, um bei Publikum und Geschworenen Verständnis für den Mörder Hailey und damit dessen Freispruch zu evozieren - mit Erfolg. Dabei spricht die Jury ihn ganz zweifellos nicht, wie vorher geplant, wegen zweitweiser Unzurechnungsfähigkeit frei, sondern weil sie sich moralisch auf seine Seite stellt und dies wiederum nur, da Brigance sie durch einen simplen Suggestionstrick umzustimmen vermag.
"A Time To Kill", der sich in diesen letzten Minuten noch ein weiteres Mal in all seiner ideologischen Unerträglichkeit, in seiner blauäugigen Stumpfheit selbst bestätigt mit seinem gemischtfarbigen Familienvater-Heldenduo, das ganz fest an göttliche Gerechtigkeit, Waffen für jedermann, an Privatrache und Todesstrafe glaubt, ist, zieht man die imdb-Wertungen als Indikator in Betracht, weiterhin ein recht beliebter Film. Dies offenbart, dass sich Menschen nach wie vor unkritisch von dramaturgisierter Gesinnung einfangen lassen, so sie bloß hinreichend verführerisch eingewickelt ist. Nebenbei verfügt "ATime To Kill" in quantitativer Hinsicht neben "The Rainmaker" über die großartigste Besetzung aller Grisham-Verfilmungen, die jeweils formidable Kostproben ihres Könnens darlegt. Ob all diese tollen Darsteller ebenfalls jenem reaktionären Gestus frönen oder ihn zumindest als diskussionswürdig erachteten, weiß ich nicht. Sollte dem so sein, wäre es erschreckend.

4/10

Joel Schumacher John Grisham Mississippi Rassismus Selbstjustiz Freundschaft Courtroom Rache Familie Ku-Klux-Klan


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THE CLIENT (Joel Schumacher/USA 1994)


"I can assure you, you have been an even larger pain in the ass."

The Client (Der Klient) ~ USA 1994
Directed By: Joel Schumacher

Der elfjährige Mark Sway (Brad Renfro) und sein noch jüngerer Bruder Ricky (David Speck) werden im Wald Zeugen des Selbstmordes eines Anwalts (Walter Olkewicz) aus New Orleans. Zuvör hört Mark noch von dem Grund für dessen Suizid: Er ist Mitwisser eines Mafia-Mords an einem Senator und weiß um das Versteck der Leiche. Ricky fällt wegen des Schocks in katatonische Starre, Mark bekommt es mit dem emsigen Staatsanwalt Roy Foltrigg (Tommy Lee Jones) und der Mafia zu tun. Eher zufällig stößt er auf die Anwältin Reggie Love (Susan Sarandon), die fortan Marks Leben beschützt wie eine Löwin ihre Babys.

Gleich hinterher die schwächste Grisham-Adaption, eine sülzige, überzogene Krimifarce mit einem Sprüche klopfenden Dreikäsehoch als Helden, kurzum: ein Film zum Abgewöhnen. Lichtblicke sind erwartungsgemäß einzig die bravourösen Darsteller, deren Auflistung mit Tommy Lee Jones, J.T. Walsh, Ossie Davis, William H. Macy und den Standards John Diehl und Anthony Heald gewohnt exorbitant ausfällt. Wie gewohnt sind sie alle sehenswert. Susan Sarandon hingegen sollte sich schämen, eine derart klischeebehaftete, geradezu undankbar kantenlose Rolle angenommen zu haben, ebenso wie Joel Schumacher, sich die Regie für ein solch standardisierten Einheitsbrei auch nur in Erwägung gezogen zu haben. "The Client" vereint die denkbar undankbarsten Facetten, die ein Grisham-Stoff transportieren kann und scheint diese in Filmform nochmals zu potenzieren: Rührige Helden, finstere Schurken, Rechtskritik und Mitleid mit den sozial Benachteiligten, die es allein ihrer bäuerlichen Cleverness verdanken, wenn sie im Korruptionsgewirr von Politik und organisierten Verbrechen eine Überlebenschance haben wollen. Ein arroganteres Weltverständnis innerhalb der Populärkultur muss man erstmals ausfindig machen.

3/10

John Grisham Memphis Louisiana New Orleans Tennessee Mafia Joel Schumacher





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Funxton

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