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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE AMBULANCE (Larry Cohen/USA 1990)


"I assure you you'll be in perfect health when you die!"

The Ambulance ~ USA 1990
Directed By: Larry Cohen

Der bei Marvel Comics angestellte Zeichner Josh Baker (Eric Roberts) interessiert sich für eine junge Dame, die ihm in jeder Mittagspause auf der 5th Avenue über den Weg läuft. Als er eines Tages den Mut findet, Cheryl (Janine Turner) anzusprechen, währt die Kennenlernfreude nicht lang: Cheryl klappt auf der Straße zusammen und wird kurz darauf von ein paar Sanitätern in einen Krankenwagen älteren Baujahrs geladen und abtransportiert. Als Josh sie am Abend in der Unfallklinik besuchen will, hat dort niemand Cheryl gesehen - sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Der alternde Lieutenant Spencer (James Earl Jones), an den Josh sich daraufhin wendet, hält seine Story von dem mysteriösen Krankenwagen für höchst fadenscheinig - und doch verschwindet bald auch Cheryls Mitbewohnerin (Jill Gatsby), die, wie Josh erfährt, wie Cheryl Diabetikerin ist. Zusammen mit der emsigen Polizistin Sandra (Megan Gallagher) und dem Senior-Journalisten Elias (Red Buttons) kommt Josh bald darauf einem illegal praktizierenden Chirurgen (Eric Braeden) auf die Spur, der mit einer landesweit operierenden Organisation für menschliche Versuchsobjekte zusammenarbeitet. Und dieser lässt sich nicht gern in die Karten schauen...

Einer von Larry Cohens Ausflügen in den Suspense, der vor allem hitchcockschen Erzählstrukturen immens viel verdankt: Ein unbescholtener, großstädtischer Angestellter kommt einem grenzfantastischen Komplott auf die Spur, wird von offizieller Stelle für unzurechnungsfähig erklärt und muss daraufhin auf eigene Faust gegen die Übeltäter ermitteln. Anders als beim Altmeister gibt es hier jedoch keine landesfeindlichen Spionageaktivitäten, Saboteure oder Verräter, sondern, und da wird die Brücke zum von Cohen stets kultivierten B-Movie-Kosmos geschlagen, einen wahnsinnigen Arzt, mit sadistischen Neigungen, der an seinen unfreiwilligen Patienten medizinische Experimente mit nur allzu bereitwillig akzeptierter Todesfolge praktiziert. "The Ambulance" ist daher auch in erster Linie eine schwarze Komödie, deren Besetzung durch die Bank lustvoll überagiert: Eric Roberts mit verbrecherischem Vokuhila-Schnitt praktizierte derzeit offenbar eine großzügig unterfütterte Kokain-Therapie, James Earl Jones karikiert seine Rolle buchstäblich bis zum letzten Atemzug und der alte Red Buttons ist einfach nur putzig - wobei er das ja eigentlich immer schon war. Der legendäre Marvel-Wizard Stan Lee hat einen bezaubernden Auftritt als er selbst mit deutlich mehr Text als in seinen jüngeren Cameos, der damaligen Comicnerds das Feuchte in die Augen getrieben haben wird; ebenso wie die Einblicke in Marvels Zeichenetage, die von Werken von Frank Miller (Joshs Cheryl-Zeichnung) und Gene Colan (Dr. Strong) gesäumt ist und offenbar einen Ausdruck von Cohens persönlicher Liebe zum Medium darstellt. Allein diesbezüglich lohnt "The Ambulance" bereits, wenngleich er auch sonst einen gleichermaßen unkonventionellen wie aufreizend lässig inszenierten Genrebeitrag bietet.

8/10

Larry Cohen New York mad scientist Marvel Kidnapping Medizin


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SECRET BEYOND THE DOOR... (Fritz Lang/USA 1947)


"We need to talk about David."

Secret Beyond The Door... (Das Geheimnis hinter der Tür) ~ USA 1947
Directed By: Fritz Lang

Die reiche, bisher durch ein eher unstetes Liebesleben aufgefallene Erbin Celia Barrett (Joan Bennett) lernt in Mexiko den Architekten Mark Lamphere (Michael Redgrave) kennen und heiratet ihn vom Fleck weg. Zurück in den USA zieht Celia mit in Marks Haus und stellt fest, dass ihr Gatte ihr nicht nur Manches verschwiegen hat, sondern hinter seiner gutbürgerlichen Fassade außerdem noch einige bizarre Seiten kultiviert. Da wäre zum einen die Tatsache, dass Mark Witwer ist und aus der ersten Ehe einen Sohn (Mark Dennis) im Teenageralter hat. Zudem lebt im Haushalt Marks scheinbar durch Brandnarben entstellte Sekretärin (Barbara O'Neill), die ihr halbes Gesicht hinter einem Schal verbirgt. Am Mekrwürdigsten mutet jedoch Marks morbides Hobby an: In einem angebauten Flügel des Hauses hat er die Originalschauplätze historischer Frauenmorde nachgestellt. Eine Tür jedoch, die von Zimmer Nummer 7, bleibt verschlossen. Celia verschafft sich eine Kopie des Schlüssels und spürt dem Geheimnis nach.

In "Secret Beyond The Door..." versucht sich Lang an einem thematischen Motive (oder motivischen Thema, ganz nach Belieben), das in diesen Jahren vor allem seinen Berufsgenossen Alfred Hitchcock umtrieb: dem der Psychoanalyse. Hier allerdings bedarf es keines ausgebildeten Therapeuten für die schlussendliche Konfrontation mit Trauma und Neurose. Jene besorgt die treusorgende Ehefrau, die sich nach einigem Hin und Her für den Kampf um ihre Liebe entscheidet und damit damit selbst endgültig aus ihrer früheren Rolle als promiskes Betthupferl ausbrechen und sich Erlösung verschaffen kann. Ähnlich wie es in dem zwei Jahre älteren "Spellbound" um verschleierte Erinnerungen und Zwanghaftigkeiten geht, benötigt auch der männliche Held von "Secret Beyond The Door..." psychotherapeutische Hilfe, indem er mit seiner Vergangenheit zwangskonfrontiert wird und einen unbewusst durch seine eigene Schwester forcierten Mutterkomplex als Ursache für seine latente Misogynie erkennen kann. Um zu akzeptieren, wie geschmiert dies im Rahmen der Handlung funktioniert, muss man allerdings einiges an gutem Willen und Toleranz mitbringen. Deutlich erlesener die formale Ausgestaltung: Die expressionistische Kamera von Stanley Cortez verliebt sich in surreale Szenerien wie die der mexikanischen Hochzeit von Celia und Mark, die in ihrer Düsternis eher einer Totenmesse gleicht und bereits dräuendes Unheil andeutet. Celias spätere Irrwege durch das Lamphere-Haus werden flankiert von einer Armee von scharf geformten Schatten. Am Ende, als das Geheimnis hinter der Tür sich endlich lüftet, rotiert schließlich die Trockeneis-Maschine und der während der Nachkriegsjahre darbende Horrorfilm erhält einen kleinen Platzhalter.

7/10

Fritz Lang Mexiko Ehe Madness film noir


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JO (Jean Girault/F 1971)


Zitat entfällt.

Jo (Hasch mich - ich bin der Mörder) ~ F 1971
Directed By: Jean Girault

Der zu hysterischer Hektik neigende Theaterautor Antoine Brisebard (Louis de Funès) gerät in die Klemme, als er eines Abends aus Versehen Riri (Jean Droze), den Kompagnon des kriminellen Jo erschießt, der ihn bereits mehrfach in Bezug auf die zwielichtige Herkunft seiner Frau Sylvie (Claude Gensac) erpresst hat. Die einzige Möglichkeit, den Toten rasch und unauffällig verschwinden zu lassen, bietet sich im noch zu gießenden Fundament des neuen Gartenpavillons. Doch unter den Füßen einer Flamenco-Gruppe zerbricht das gute Stück und Riri liegt fast wieder frei. Der ermittelnde, jedoch mit einiger Blindheit geschlagene Inspecteur Ducros (Bernard Blier) findet all das ungeheuer interessant und verdächtigt Brisebard bis hinter die Ohren. Dieser jedoch kann der Polizei mithilfe seiner Frau und mit der von Gevatter Zufall immer wieder ein Schnippchen schlagen.

Einer der schönsten späteren Filme um den energiegeladenen Komödianten, der hier einmal mehr aus dem bewährten inhaltlichen Rezept, aus einer grundsätzlich ausweglosen Situation heraus mittels diverser völlig absurder Wendungen den Tag zu retten, Kapital schlägt. De Funès' Filme lebten und/oder zehrten häufig von MacGuffins respektive von Ausgangssituationen, die im Stile eines MacGuffin eingesetzt wurden und die letzten Endes einzig und allein dazu dienten, die spektakulären Nervenzusammenbrüche und Verschmitztheiten des Protagonisten hinreichend rechtfertigen zu können. In "Jo", dessen Titel bereits wunderbar unverbindlich ist und der selbst im Nachhinein keine wesentliche Konnexion zum filmischen Geschehen mehr aufzeigt, repräsentieren eine Leiche bzw. die existenziell notwendige Motivation, jene verschwinden zu lassen, dieses Objekt. Bisebard ist eigentlich ein netter Typ, weswegen der psychologische Trick, den Zuschauer zum Komplizen des Bösewichts zu machen, wie es etwa in "Rope" vonnöten war, bereits entfällt. Tatsächlich soll Riri im Nachhinein gar nicht erschossen werden; der tödliche Schuss löst sich ganz zufällig. Dennoch begeht Brisebard eine moralische Missetat, indem er den Unfall verschweigt und ihn zu vertuschen sucht, weshalb man ihn auch nicht einfach reingewaschen aus dem Film entlässt.

8/10

Jean Girault based on play Leiche Groteske


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SUDDEN FEAR (David Miller/USA 1952)


"You know what happened to Nietzsche?" - "What?" - "He's dead."

Sudden Fear (Eiskalte Rache) ~ USA 1952
Directed By: David Miller

Die erste Begegnung zwischen der populären Broadway-Autorin Myra Hudson (Joan Crawford) und dem Akteur Lester Blaine (Jack Palance) fällt alles Andere als erbaulich aus: Bei einem Vorsprechen für die Hauptrolle in Myras neuestem Stück lehnt sie ihn vehement ab, was er mit beleidigtem Stolz quittiert. Einige Zeit später treffen sie sich nur scheinbar zufällig im Zug von New York nach San Francisco wieder. Myra verliebt sich unsrerblich in Lester und das Paar heiratet kurz darauf. Doch der nach wie vor gekränkte Darsteller spielt Myra bloß eine vortreffliche Charade vor und hat es einzig und allein auf ihr stattliches Vermögen abgesehen. Um an dieses zu gelangen, muss er Myra natürlich zunächst um die Ecke bringen, wobei ihm seine wirkliche Flamme Irene (Gloria Grahame) zu unterstützen sucht. Myra jedoch erfährt rechtzeitig von den sinistren Plänen ihres Gatten und seiner Gespielin und dreht den Spieß um...

Großartiger, kanonisch leider hoffnungslos unterrepräsentierter film noir, der eine nicht mehr ganz junge Joan Crawford im Zuge eines ihrer Versuche, wieder nach oben zu kommen, präsentiert. Ihr zur Seite stellte man den rund dreizehn Jahre jüngeren Jack Palance, dessen vulkanische Physiognomie schon damals immens beeindruckte und die seinem Charakter besonders im letzten Akt, als der ertappte Heiratsschwindler der angsterfüllten Panik anheim fällt, perfekt in die Hände spielt. Doch auch Millers Inszenierung gehört ein ausgesprochenes Lob zugedacht; seine Fähigkeit, durch unkonventionelle Dramaturgie eine solch suggestive Zugkraft zu evozieren, ist famos. Auch hier wäre insbesondere das Finale zu erwähnen, das nach einem sorgfältig arrangierten Präludium eine nahezu explosive Konfrontation der Antagonisten auf den nächtlichen Straßen San Franciscos zeigt.

9/10

San Francisco film noir Ehe Rache Theater


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THE HANGOVER PART III (Todd Phillips/USA 2013)


"But that's the point! It's funny!"

The Hangover Part III ~ USA 2013
Directed By: Todd Phillips

Nachdem Alans (Zach Galifianakis) Eskapaden seinem Vater (Jeffrey Tambor) rendgültig und buchstäblich das Herz brechen, halten alle es für das Beste, den exzentrischen Herrn mit dem imposanten Vollbart zur Therapierung in den sicheren Mauern einer geschlossenen Anstalt zu überreden. Doch bereits auf dem Weg wartet die nächste Katastrophe auf das 'Wolf Pack': Der Gangster Marshall (John Goodman) besteht darauf, dass Alan, Phil (Bradley Cooper) und Stu (Ed Helms) den entflohenen Mr. Chow (Ken Jeong) ausfindig machen, der Marshall einst um ein beträchtliches Kontingent Goldbarren erleichtert hat. Doug (Justin Bartha) behält Marshall als menschliches Wertpfand gleich in Gewahrsam. Keine leichte Mission: Der koksgeladene Chow ist jedoch flinker als ein tollwütiger Katteker...

Enttäuschender Abschluss der Regressionstrilogie, die dereinst, als sie noch keine solche war, mit einem durchaus formidablen Auftakt begann und einen immerhin würdigen ersten Nachfolger reüssieren konnte. Urplötzlich jedoch scheint man allen postpubertären Humor eingebüßt zu haben; nurmehr ganz wenige gute Gags zieren die Abenteuer der vier Freunde. Möglicherweise war der zugrunde liegende Gedanke auch, einen unbequemen Schlussstrich unter das Kapitel "Hangover" zu ziehen, um der wachsenden Fanzahl auf subtile Art und Weise klar zu machen, dass es in diesem speziellen Fall nichts mehr zu berichten gibt. Gut, ein weiterer Junggesellenabschied mit Roofies oder ähnlichem Gebräu wäre bereits grundsätzlich lächerlich ausgefallen, also verzichtet man diesmal auf drogeninduzierte Amnesien und kredenzt stattdessen einen halbgaren Gangsterplot um einen völlig desinteressiert auftretenden John Goodman. Kugeln fliegen, Leute sterben - besonders komisch ist das alles jedenfalls nicht.
Das schlussendliche Fazit, dass im Leben eines jeden Mannes Verantwortung und Bindung ihre vorgeebneten Positionen einnehmen müssen, um das entsprechende Objekt vor psychischem Verfall zu bewahren, mutet schließlich an wie der Verrat am eigenen Lebenswerk. Soll das etwa bedeuten, dass ausgerechnet Todd Phillips, der Mann, dem die Welt "Old School" verdankt, plötzlich sich selbst und uns, seine Jünger, die wir uns doch so tapfer weigern, erwachsen zu werden, verleugnet? Sollte dem so sein, hat er sich dafür eine denkbar mediokre Formulierung erwählt: seinen bis dato mit Abstand unleidlichsten Film nämlich.

4/10

Todd Phillips Las Vegas Mexiko Grenze Gold Freundschaft Sequel


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OPERATION ZUCKER (Rainer Kaufmann/D 2012)


"Geh' du mal heim zu deiner Familie..."

Operation Zucker ~ D 2012
Directed By: Rainer Kaufmann

Die beiden Berliner Polizisten Karin Wegemann (Nadja Uhl) und Uwe Hansen (Anatole Taubman) sind einem im großen Stil operierenden Kinderprostitutionsring auf der Spur, der seine Opfer in Osteuropa ankauft und in Deutschland an teuer zahlende "Exklusivkunden" verschachert. Nachdem sie mit Mühe und Not die arrivierte Staatsanwältin Lessing (Senta Berger) auf ihre Seite gezogen haben, gelingen ihnen ein paar kleine Schläge gegen die Organisation, deren Drahtzieher und Mittelsmänner jedoch in so hohen gesellschaftlichen Positionen verkehren, dass ein umfassender Sieg zwangsläufig reine Illusion bleibt.

In der vagen Hoffnung, einen weiteren so brillanten Film zu diesem schwierigen Thema zu sehen zu bekommen wie Dominik Grafs meisterlichen "Das unsichtbare Mädchen" habe ich mir "Operation Zucker" angeschaut, der bei seiner Ausstrahlung vor ein paar Monaten für einige Furore sorgte: Die unzensierte Fassung mitsamt ihrem wesentlich pessimistischeren Ende durfte erst im Nachtprogramm gezeigt werden, was einige Kritiker aus unterschiedlichen Gründen teils lautstark monierten. Diese Debatte entpuppt sich als viel Lärm um wenig: Tatsächlich ist die Art und Weise des sensiblen Anstrichs, den sich Kaufmanns Film mit einigem Narzissmus selbst verleiht, dem Gesamtresultat wenig förderlich. Am Ende bleibt sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht kaum mehr denn ein unetikettierter, profaner "Tatort", in dessen Gestaden "Operation Zucker" gut aufgehoben gewesen wäre. Ich weiß nicht, inwieweit die Fabulierfreude des Films, eine schwerkriminell aktive pädophile Klientel aus Menschenschacherern hinter einer wohlfeil getarnten Geheimloge vom Schlage der Freimaurer auszumachen, als realitätsnah eingestuft werden kann, die Art allerdings, wie er jene Verdachtsmomente verkauft, mit seinem Allerwelts-Hausfrauenpopulismus sagte mir wenig zu. Als Kriminalfilm ist "Operation Zucker" gelungen, weil spannend, involvierend und von der Berger großartig gespielt; als ernstzunehmend-kritische Reflexion zum Thema jedoch kommt er über biederes Betroffenheitskino ohne wahren Schneid kaum hinaus. Wie erwähnt: Greifen Sie zum Graf. Der hat Chuzpe.

5/10

Rainer Kaufmann TV-Film Pädophilie Menschenhandel Prostitution Berlin


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THIEVES' HIGHWAY (Jules Dassin/USA 1949)


"Everybody likes apples, except doctors."

Thieves' Highway (Der Markt der Diebe) ~ USA 1949
Directed By: Jules Dassin

Nick Garcos (Richard Conte) kommt von einer längeren Zeit auf See heim zu seinen Eltern (Tamara Shayne, Morris Carnovsky), als er feststellen muss, dass sein Vater keine Beine mehr hat. Nick erfährt, dass dies in direktem Zusammenhang steht mit einem Handel, den sein Vater in San Francisco mit dem Obst- und Gemüsegroßhändler Mike Figlia (Lee J. Cobb) abschließen wollte. Offenbar hat Figlia für eine Fuhre Tomaten nicht zahlen wollen, Nicks Vater betrunken gemacht und dann in seinen Wagen gesetzt, bevor es zu dem verhängnisvollen Unfall kam. Mit dem alten Ed Kinney (Millard Mitchell) bietet sich nun eine Chance, Erlittenes zumindest ansatzweise wieder ins Reine zu bringen: Eine große Fuhre Äpfel soll an Figlia verkauft werden und er soll keinen müden Cent daran verdienen. Natürlich zeigt sich Figlia, kaum dass Nick nach einigen Schwierigkeiten in San Francisco angekommen ist, von seiner übelsten Seite. Wie einst Mr. Garcos Senior versucht er nun auch Nick zu übervorteilen, doch dieser ist wild entschlossen, Figlia nicht noch einmal ungeschoren davonkommen zu lassen...

Während der Produktion von "Thieves' Highway" hatte Dassin via Studiochef Zanuck bereits gesteckt bekommen, dass sein Name auf der Schwarzen Liste stand und er damit in Kürze arbeits- und leumundslos werden würde. Der nachfolgende "Night And the City" wurde sein letzter Film in seinem Geburtsland USA, bevor er 15 Jahre später in Frankreich mit "Du Rififi Chez Les Hommes" eine Zweitkarriere startete. Mit Dassin hatte man einen weiteren großen Filmschaffenden zur persona non grata erklärt und damit unweigerlich vor die Tür gesetzt.
"Thieves' Highway" transportiert eine stark naturalistische, irdene Perspektive, hält sich fern von sämtlichen Stereotypen mitsamt Anzugträgern, hartgekochten Privatschnüfflern, mafiösen Killergangstern und Mordopfern. Nick Garcos ist ein Arbeitersohn mit Migrationshintergrund, der, wenngleich eine ehrliche Haut, seinen Schnitt machen will und zu einem guten Geschäft nicht Nein sagt. Durch den Erlös aus dem Apfeltransport nach San Francisco plant er, seine Braut (Barbara Lawrence) in den Ehehafen führen zu können und zugleich dem lumpigen Figlia heimzuzahlen, was er seinem Vater angetan hat. Ausgerechnet die finstere Nacht im Hafen von San Francisco bringt dann existenzielle Erleuchtung mit sich. Vergleichsweise unspektakulär, unaufgeregt und realitätszugetan ist das. Vielleicht wäre Dassin in Hollywood über kurz oder lang sowieso falsch aufgehoben gewesen.

9/10

Jules Dassin San Francisco Kalifornien film noir Rache Nacht


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THE LETTER (William Wyler/USA 1940)


"If you love a person, you can forgive anything."

The Letter (Das Geheimnis von Malampur) ~ USA 1940
Directed By: William Wyler

Leslie (Bette Davis), die Frau des nach Singapur ausgewanderten Kautschukpflanzers Robert Crosbie (Herbert Marshall), erschießt eines Nachts in Abwesenheit ihres Mannes den Familienfreund Jeff Hammond - angeblich sei er betrunken gewesen und habe sie vergewaltigen wollen. Die Rolle des in Notwehr handelnden Opfers spielt sie vorzüglich, bis ihrem rechtschaffenen Anwalt Howard Joyce (James Stephenson) über die junge Witwe (Gale Sondergaard) des Toten ein Brief in die Hände gespielt, der Leslie schwer belastet. Hieraus geht nämlich hervor, dass sie selbst Hammond an jenem Abend zu ihrem Haus bestellt hat und ihn vermutlich aus Eifersucht seiner Frau gegenüber ermordet hat. Trotz schwerer Gewissensbisse sorgt Joyce für den Erwerb des Briefes und hält ihn bei der Verhandlung zurück. Doch mit Leslies Freispruch ist das Drama noch lange nicht beendet.

Die zweite, sogar noch gelungenere Zusammenarbeit zwischen William Wyler und Bette Davis weist manche Parallele zu "Jezebel" auf, insbesondere, was die Porträtierung der Protagonistin anbelangt. Die Davis spielte hier wiederum eine zwischen wahnhafter Leidenschaft und sozialer Funktionsuntüchtigkeit hin- und hergerissene Frau. Wie bei Julie Marsden beruht ihre "Schwäche" allerdings nicht allein auf persönlichen psychischen Defiziten - deutlich geht aus den Dialogen hervor, dass Robert sie bereits seit Jahren vernachlässigt, sie wegen seiner Profitsucht allenthalben auf der Plantage alleinlässt, so dass sie sie sich vor Einsamkeit und Depression in die Häkelei flüchten muss. Je größer das Resultat ihrer Handarbeit, so die schlussfolgernde, recht simple Metaphorik des Films, desto größer ihr Alleinesein. Ferner neigt sie zu Verharmlosung und Verlogenheit; erst am Ende schafft sie es erstmals, zu ihren wahren Gefühlen zu stehen, bestraft sich kurz darauf jedoch dafür mit der höchstmöglichen Form der Selbstkasteiung.
Ganz wunderbar zeitbezogen und atmosphärisch die Zeichnung des Lokalkolorits; Südostasien ist hier noch ein Hort der exotischen Geheimnisse. Die sich in den Schatten des Kolonialismus verborgen haltenden Menschen scheinen Ahnung von Magie zu haben, sind verschlagen, rauchen Opium und kochen überhaupt ihr eigenes Süppchen. Und im unheilvollen Licht des Vollmonds tropft der neonweiße Kautschuk in große Auffangeimer. Tourneurs "I Walked With A Zombie" ist nicht mehr fern.

9/10

William Wyler Ehe amour fou film noir Courtroom femme fatale W. Somerset Maugham Singapur


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DESIRE (Frank Borzage/USA 1936)


"May I introduce my husband?"

Desire (Sehnsucht) ~ USA 1936
Directed By: Frank Borzage

Nachdem sie eine in Paris geraubte Perlenkette an der spanischen Grenze unbemerkt in der Jackettasche des ahnungslosen Detroiter Touristen Tom Bradley (Gary Cooper) verschwinden lässt, versucht die gewiefte Diebin Madeleine de Beaupre (Marlene Dietrich), des edlen Stücks mit allerlei Tricks wieder habhaft zu werden. Dabei verlieben sich die schöne Europäerin und der etwas rustikale amerikaner heftigst ineinander, ganz zum Unwillen von Madeleines zwei Spießgesellen Carlos (John Halliday) und Tante Olga (Zeffie Tilbury)...

Mit "Desire", so sagt man vielerorts, sei Marlene Dietrich höchst erfolgreich ent-sternbergt worden. Nachdem sie sich auch privat von ihrem exzentrischen Karrierebereiter getrennt hatte, wechselte sie, freilich weiterhin beständig unter dem Banner der Paramount, kurzfristig zu Ernst Lubitsch, der "Desire" produzierte und danach "Angel" mit ihr drehte. "Desire" ist ein erster Schritt weg von jenem kühl-unnahbaren Image, mit dem die Dietrich sich in Hollywood eingeführt hatte. Hier zeigt sie auch eine komische Seite, darf viel lächeln und nach einem starken Auftritt als kriminelles Ass ihre Geschicke von Gary Cooper lenken, sich von ihm domestizieren lassen und mit ihm am Ende, brav, geläutert und rehabilitiert, vom mondänen Europa in den vergleichsweise schäbigen Ehehafen von Motor City überwechseln. Die Dietrich wurde weicher, irdischer und greifbarer und erschloss sich somit auf geschickte Weise auch den ganz humanenen Begehrlichkeiten des eher gesetzten männlichen Publikums. Und wieder fällt sie, wie einst in "Morocco", für den hochgewachsenen Cooper, der ursprünglich wegen ihrer Allüren nie mehr mit ihr zusammenarbeiten wollte. Für Lubitsch und Borzage brach er diese Maxime, was sich, für sämtliche Beteiligten, als überaus lohnend erwies!

8/10

Frank Borzage Ernst Lubitsch Frankreich Paris Spanien Heist Screwball Pyrenäen


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GANGSTER SQUAD (Ruben Fleischer/USA 2013)


"Welcome to Hollywood, ma'am!"

Gangster Squad ~ USA 2013
Directed By: Ruben Fleischer

Los Angeles, 1949: Weil der Gangsterboss Mickey Cohen (Sean Penn) seine Geschäfte mittlerweile allzu rücksichtslos vorantreibt und etliche Polizisten und Politiker in der Tasche hat, lässt der verbissene Chief of Police Bill Parker (Nick Nolte) eine sechsköpfige, inoffiziell agierende Polizeieinheit, die 'Gangster Squad' von der Leine. Der Kriegsveteran John O'Mara (Josh Brolin) rekrutiert mithilfe seiner Frau (Mireille Enos) fünf garantiert unbestechliche Kollegen: seinen ranggleichen Kollegen Jerry Wooters (Ryan Gosling), den farbigen Detective Coleman Harris (Anthony Mackie), den in technischen Dingen versierten Conway Keeler (Giovanni Ribisi), sowie den modernen Revolverhelden Max Kennard (Robert Patrick) nebst seinem jüngeren Faktotum Navidad Ramirez (Michael Peña). Die Gangster Squad führt einen Guerillakrieg gegen Mickey Cohen und lässt diverse seine Geschäfte und Geldquellen platzen, bis er herausfindet, wer hinter den Anschlägen steckt. Nun wird aus dem Kleinkrieg eine Privatfehde.

Seinen katastrophal beschissenen "Zombieland", soviel vorweg, hat Nachwuchsregisseur Ruben Fleischer mit "Gangster Squad" schonmal teilweise wieder wett gemacht. Wenngleich die Idee einer paraoffiziell agierenden Gruppe unbestechlicher Cops mitten im Gangland, die mit breitkrempigen Hüten großen Widersachern an den Kragen gehen, keineswegs neu ist - man denke vornehmlich an "The Untouchables" und den gern unterschlagenen "Mulholland Falls" (ebenfalls mit Nick Nolte) - ringt Ruben Fleischer ihr zumindest ein paar neue Nuancen ab, indem er dem Ganzen den Aufzug eines astreinen Actionfilms verleiht. "Gangster Squad" ist vor allem schnell, brutal und kommt ohne große Umwege zur Sache, verneigt sich jedoch stets vor seinem großen Pool aus Vorbildern und müht sich, eine für gegenwärtige Rezeptionsgewohnheiten flott aufbereitete Melange aus denselben zu liefern. Dass ausgerechnet Warner Bros. in halbwegs regelmäßigem Rhythmus ein period gangster movie ausspeit mag ein Zufall sein oder auch nicht. Nach "L.A. Confidential" (in dem die Figur des Mickey Cohen ebenfalls auftrat, allerdings gespielt von dem weitaus weniger glamourösen Paul Guilfoyle) und "Black Dahlia" ist es nunmehr an "Gangster Squad", diese noch junge Studiotradition fortzusetzen. An jene beiden, nun, "Quasi-Vorgänger" reicht er freilich nicht heran, dazu fehlt dem Ruben Fleischer dann vermutlich doch die Versiertheit und Professionalität, die deren Regisseure auszeichnen. Immerhin fasziniert er in Maßen durch seine wunderhübsche Einfärbung und seine wie erwähnt derbe Ausgestaltung. Man erwarte jedoch kein Aha-Erlebnis, es sei denn, ein in Maßen frustriertes.

7/10

Ruben Fleischer Los Angeles period piece Duell





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