Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

LIPSTICK (Lamont Johnson/USA 1976)


"Stop!"

Lipstick (Eine Frau sieht rot) ~ USA 1976
Directed By: Lamont Johnson

Chris McCormick (Margaux Hemingway), populäres Fotomodell für Lippenstift und ähnliche Kosmetikartikel, findet sich eines Abends in ihrer Wohnung von dem eigentlich unscheinbaren und zuvor freundlich auftretenden Musiklehrer ihrer dreizehnjährigen Schwester Kathy (Mariel Hemingway), Gordon Stuart (Chris Sarandon), überfallen und brutal vergewaltigt. Trotz der leidenschaftlich für sie kämpfenden Staatsanwältin Carla Bondi (Anne Bancroft) wird Stuart vor Gericht für unschuldig erklärt und darf sogar seinem Beruf an einer katholischen Mädchenschule weiterhin nachgehen. Doch es geht nach wie vor höchste Gefahr von dem gestörten Mann aus, was ausgerechnet Kathy am eigenen Leibe zu spüren bekommt...

Ein wenig wie eine Vorab-Light-Version von späteren Rape-&-Revenge-Klassikern wie Zarchis "Day Of The Woman" oder Ferraras "Ms. 45" wirkt Johnsons zeitweilig doch recht unangenehm einschlagendes Thriller-Drama. Zwar bleibt "Lipstick" betreffs seiner visuellen Gestaltung und Eindeutigkeit vergleichsweise zurückhaltend, das mindert seine intendierte Wirkung jedoch kaum. Das dramatische Gefühl des Ausgeliefertseins, der Verlust der Glaubwürdigkeit vor den Augen einer wahrnehmungsgetrübten, misogynen Justiz und vor allem die latente Angst vor dem freigesprochenen Täter, die sich dann auch noch auf das Schlimmste bestätigt findet; all diese Schreckensszenarien nutzt "Lipstick" effektvoll, um die Kurzschluss-Reaktion des Opfers gegen Ende zumindest erklärbar zu machen. Dass der Film bei seinem ernsthaften Sujet hier und da dann doch etwas überspannt mit sleaze'n grease liebäugelt sich vollends auf die Opfer-Perspektive konzentriert und den Täter gewissermaßen als Menschenmüll denunziert, muss man ihm im Hinblick auf seine wütenden Anspruch gewissermaßen nachsehen. Seiner starken Spannung und Sehenswertigkeit beraubt ihm all dies nicht.

8/10

Lamont Johnson Vergewaltigung courtroom Rape & Revenge Madness Schwestern Los Angeles Modelbranche Paraphilie


Foto

NUDE... SI MUORE (Antonio Margheriti/I 1968)


Zitat entfällt.

Nude... Si Muore (Sieben Jungfrauen für den Teufel) ~ I 1968
Directed By: Antonio Margheriti

Nach den Sommerferien beginnt im mondänen "St. Hilda"-Internat für Mädchen an der französischen Riviera das neue Schuljahr. Einige frisch eingestellte Lehkräfte ergänzen das ohnehin etwas eigenartige Kollegium um ein paar neue, schräge Typen. Doch muss eine oder einer von ihnen ein Mörder sein, denn parallel zu ihrer Ankunft erschüttert eine Serie grausam herbeigeführter Todesfälle die Schule. Inspector Durand (Michael Rennie) hat alle Hände voll zu tun, dem geschickten Killer auf die Spur zu kommen.

Ein weithin unblutiger Früh-Giallo von Margheriti, der mit schöner Farbgestaltung, einem flotten Score (Carlo Savina) und einer hübschen Ansammlung undurchsichtiger Charaktere punktet.
Das ortsspendende St.Hilda-Internat ist wohl wirklich eine exklusive Schule, denn auf jede der (eigenartigerweise gleichaltrigen) Schülerinnen kommt eine ebenfalls vor Ort beheimatete Lehrkraft nebst Hausfaktotum (Umberto Papiri) und Gärtner (Luciano Pigozzi) plus Luxus-Installationen wie Pferde-Stallungen und Swimming Pool. Das muss kosten! Egal, zur Ansiedlung eines mediterranen Serienmörderkrimis ist die gewählte Location natürlich super. Überhaupt erscheinen Plot und Atmosphäre etwas rivalisierend; da sich mit dem sonnendurchfluteten, manchmal bewusst komischen Ambiente keinerlei wirkliche Spannung oder gar Suspense einstellen mag. Sonderbarerweise stört dies wenig, da die positiven Attribute des Films deutlich gewichtiger scheinen und Vieles retten.

7/10

Antonio Margheriti Côte dAzur Internat Serienmord Giallo


Foto

DER MÖRDER MIT DEM SEIDENSCHAL (Adrian Hoven/BRD, I 1966)


"Ach, das Kind wird den Weg schon finden."

Der Mörder mit dem Seidenschal ~ BRD/I 1966
Directed By: Adrian Hoven

Die kleine Claudia (Susanne Uhlen) beobachtet durch Zufall, wie der gemeingefährliche Halunke Boris Garrett (Carl Möhner) ihre Mutter (Helga Liné), eine Tingeltangel-Sängerin, in ihrer Wohnung erdrosselt. Aus Angst, im Waisenhaus zu landen, entwischt Claudia den sich um sie kümmernden Polizeibeamten und versteckt sich mal hier, mal dort, den gefährlichen Garrett stets auf den Fersen. Polizeirat Moll (Folco Lulli) und sein Assistent Fischer (Harald Juhnke) haben alle Hände voll zu tun, Garrets Identität zu lüften und Claudia noch vor dem Verbrecher ausfindig zu machen.

Der aus etlichen mehr oder weniger schmalzigen Wirtschaftswunderfilmen als Akteur bekannte Tiroler Adrian Hoven besann sich mit Mitte 40 darauf, dass seine aparte Erscheinung ihm nicht ewigen Darstellerruhm würde eintragen können und dass ein zweites Standbein als Regisseur nicht schaden könnte. Das Debüt seiner dann in quantitativer Hinsicht doch eher spärlich fokussierten, dafür an späteren Höhepunkten umso reicheren Filmemacher-Karriere markierte dann "Der Mörder mit dem Seidenschal", eine triviale Wiener Kriminalgeschichte, basierend auf einem Groschenroman der eher karg beleumundeten Romancière Thea Tauentzien, die sich für ihre Mär wiederum mehr oder weniger eklatant von J. Lee Thompsons großartigem "Tiger Bay" hatte inspirieren lassen. Hier wie dort steht ein reizendes kleines Mädchen im Zentrum, das als unfreiwillige Mordzeugin auf gefährlichem Fuße lebt, derweil jedoch (allerdings aus unterschiedlichen Motiven heraus) kein Interesse daran hegt, sich in den sicheren Hafen des Polizeischutzes zu begeben. Bei Hoven allerdings ist die von einer noch sehr putzigen Susanne Uhlen gespielte Claudia nochmal deutlich schlechter dran, denn der ihr nachstellende Killer ist kein überspannter Matrose mit gutem Herzen, sondern ein echter Haderlump, der es dann auch nicht bei einem Kapitalverbrechen belässt (Hoven, der sich selbst einen nichtkreditierten Auftritt als schmieriger Zocker Waldemar Fürst spendierte, wird von Möhner aufs Fieseste hinterrücks erdolcht). Diese kunterbunte Mischung ergibt einen sehr lebendigen, kleinen Reißer, der gern ein bisschen wie "The Third Man" wäre, am Ende aber doch "nur" als kleinformatiger Krautkrimi bestehen kann. Ist aber auch gut so.

7/10

Adrian Hoven Wien Flucht car chase


Foto

CASABLANCA (Michael Curtiz/USA 1942)


"Of all the gin joints, in all the towns, in all the world, she walks into mine."

Casablanca ~ USA 1942
Directed By: Michael Curtiz

Das in Marokko liegende Casablanca dient 1942 als Zwischenstation für Nazi-Flüchtlinge, die von hier aus via Lissabon in die Staaten reisen wollen. Dafür benötigt man jedoch Pässe, Ausweise und Papiere die auf dem hiesigen Schwarzmarkt nur für teures Geld zu bekommen sind. Einer der Hauptumschlagsplätze ist "Rick's Café", ein beliebter Nachtclub, der von dem undurchsichtigen und als höchst arrogant geltendem Amerikaner Rick Blaine (Humphrey Bogart) geführt wird. Von dem Kleinganoven Ugarte (Peter Lorre) erhält Rick eines Abends kurz vor dessen Verhaftung zwei von ermordeten deutschen Kurieren gestohlene Transit-Visa, die ungehindertes Geleit nach Lissabon garantieren. Jene sind gedacht für den flüchtigen Widerständler Victor Laszlo (Paul Henreid) und seine Frau Ilsa Lund (Ingrid Bergman). Doch Rick, der einst in Paris eine Affäre mit Ilsa hatte und sich von ihr sitzengelassen glaubt, weigert sich aus trotzigem Stolz, ihnen die Visa zu überlassen. Für Laszlo wird die Situation derweil zunehmend brenzlig: Der Gestapo-Major Strasser (Conrad Veidt) ist ihm auf den Fersen. Ilsa liebt Rick noch immer und will zu ihm zurückkehren, wenn er zumindest Victor Laszlo eines der Visa überlässt. Doch gerade noch rechtzeitig erwacht in dem herzlosen Zyniker Rick der alte, rebellische Widerstandsgeist und sein verdorrtes Herz beginnt wieder zu schlagen...

"Casablanca" ist Meta-Kino in seiner denkbar pursten Form und eine gar nicht oft genug zu genießende, unerlässliche Lektion, wenn man etwas über den amerikanischen Film und Film per se zu lernen wünscht; und dies nicht allein, weil seine vielen Dialogzeilen, Standfotos, Songs und Filmplakate solitär in ganz besonders ihrer geballten Form an Einfluss beispiellose Bestandteile des popkulturellen Kanons sind. "Casablanca" ist sehr viel mehr: die vielleicht schönste Liebesgeschichte des Kinos; in jedem Falle die schönst unerfüllte; er ist ein leuchtendes Fanal für den Sieg von Integrität über Opportunismus; hat den coolsten Protagonisten aller Kinofilme und dazu eine Ménagerie zumeist zwielichtiger, aber, bis auf den Nazi Strasser, durchweg liebenswerter Charaktere. Selbst der ölige Gauner und Kriecher Ugarte erhält seinen Platz im Herzen des Publikums; immerhin hatte er hinreichend Chuzpe, zwei deutsche Funktionäre zu ermorden und ist im Grunde auch nur einer der vielen Träumer in Casablanca, zumindest aber einer, der (vielleicht unbedachten) Aktionismus lähmender Passivität vorzieht. Ferner darf man nicht vergessen: Ugarte ist der eigentliche Motor der geschilderten Ereignisse. Dann wäre da der dicke Sidney Greenstreet als Signor Ferrari, Besitzer des "Blue Parrot", ein unverwechselbarer Typ, der vielleicht älter und unbeweglicher ist als sein Geschäftskonkurrent Rick, ansonsten jedoch ein recht exaktes mentales Pendant zu diesem darstellt. Oberhaupt des ideologisch nebulösen Tribunals ist Louis Renault, der hiesige Polizei-Präfekt, der, wie er selbst eingesteht, sein Fähnchen stets nach dem Wind zu hängen pflegt. Ein ungewöhnlicher Repräsentant einer vormals revolutionären, stolzen Nation, durch die infolge des unglückseligen Teufelspakt Henri Philippe Pétains ein tiefer Riss verläuft: Irgendwo in Renault schlummert noch der ruhmreiche Patriotismus seiner Väter, sein Hang zu Spiel, Alkohl und schönen Frauen jedoch macht ihn zu einem noch unsteteren Wendehals als Rick. So gewinnt "Casablanca" zum Abschluss dann doch noch sein (vielleicht ohnehin einzig denkbares) Happy End - zwei einstmals schätzenswerte Individuen haben zu ihrer alten Klasse zurückgefunden und können mit wechselseitiger Unterstützung einen neuen Lebensabschnitt beginnen, über dem, soviel ist sicher, insbesondere wegen Männern wie ihnen eines Tages nicht mehr die Hakenkreuz-Flagge wehen wird.

10*/10

Michael Curtiz Marokko Casablanca WWII Nationalsozialismus Vichy-Frankreich Freundschaft amour fou based on play Paris Alkohol Widerstand film noir Propaganda Best Picture


Foto

AGNES OF GOD (Norman Jewison/USA 1985)


"I feel as I've eaten glass!"

Agnes Of God (Agnes - Engel im Feuer) ~ USA 1985
Directed By: Norman Jewison

Die junge Nonne Agnes (Meg Tilly) hat in einem Kloster in der Nähe von Montreal ein Baby zur Welt gebracht, das daraufhin erdrosselt in einem Mülleimer in ihrem Zimmer gefunden wird. Nun gilt es für die Staatsanwaltschaft zu klären, wer an dem Tod des Säuglings die Schuld trägt und ob Agnes gegebenenfalls überhaupt schuldfähig ist. Dem soll die Gerichtspsychologin Martha Livingston (Jane Fonda) nachspüren, indem sie Agnes vor Ort befragt. Die junge Nonne stellt sich als eine völlig weltentlehnte Frau dar, die in ihrer Kindheit offenbar Schlimmes erlebt hat und glaubt, göttliche isionen zu empfangen. Von der Oberin Mutter Miriam Ruth (Anne Bancroft), einer durchaus liebenswerten Frau, werden Martha derweil immer wieder Steine in den Weg gerollt bei ihren Versuchen, Agnes' Vertrauen zu erwerben und ihr so näherzukommen. Dennoch warten zwei dringliche Fragen auf ihre Lösung: Wer ist der Vater des toten Babys und wer sein Mörder?

Norman Jewison geht über die Distanz seines Films ganz mit seiner von einer großartigen Jane Fonda gespielten Protagonisten einher: von der fest in der säkularen Welt verhafteten Zynikerin, die vor langer Zeit aufgrund persönlicher Erfahrungen mit der Institution Kirche abgeschlossen hat, verwandelt sich Martha Livingston aufgrund ihrer Bekannt- und Freundschaft zu den zwei ungleichen Nonnen Agnes und Mutter Ruth in eine Frau, die zumindest akzeptiert, dass spirituelle Geisteshaltungen mit zum Weltgeschehen gehören, vielleicht sogar gehören müssen. Zu Beginn des Films antizipiert man natürlich, wie in "Kirchenthrillern" üblich, eine skandalöse Enthüllung gegen Ende, eine erschütternde Auflösung, die das alte Klischee vom machtmissbrauchenden, geistlichen Oberhaupt füttert. Darauf jedoch verzichtet "Agnes Of God" wohlweislich wie ebenfalls glücklicherweise darauf, überhaupt irgendeine tendenziöse Richtung vorzugeben. Freilich wird die Kette rauchende Martha Livingston nie selbst eine Heilige werden; dazu hat sie auch zuviel erlebt; aber auch für sie bedeutet das Verfahren um die verwirrte Agnes eine große Lebenslektion: Sie lernt, Andersdenkendes, andersgläubiges in seiner möglicherweise sogar notwendigen Koexistenz zu respektieren.

7/10

Norman Jewison Montreal Kloster Nonnen Freundschaft Psychiatrie based on play Mutter & Tochter


Foto

WHO FRAMED ROGER RABBIT (Robert Zemeckis/USA 1988)


"A laugh can be a very powerful thing. Sometimes in life, it's the only weapon we have."

Who Framed Roger Rabbit (Falsches Spiel mit Roger Rabbit) ~ USA 1988
Directed By: Robert Zemeckis

In einer alternativen Realität sind all die beliebten Toons reale Lebewesen, die, ebenso wie ihre menschlichen Pendants, als hart arbeitende Schauspieler im Hollywood der vierziger Jahre jobben und ihren Tummelplatz in der Parallelstadt Toon Town haben. Einer der größten Stars unter ihnen ist das Zeichentrickkaninchen Roger Rabbit. Der abgehalfterte Privatdetektiv Eddie Valiant (Bob Hoskins), der sämtliche Toons hasst, seit einer von ihnen Eddies Bruder ermordet hat, wird von dem Studioboss Maroon (Alan Tilvern) angeheuert, um kompromittierende Fotos von Rogers Frau Jessica zu machen, einer gezeichneten Nachtclub-Schönheit, die angeblich mit dem Toon-Town-Gründer Marvin Acme (Stubby Kaye) pussiert. Auf die folgende Eröffnung reagiert Roger Rabbit erwartungsgemäß ungehalten, doch ist er auch der folgenden Ermordung Marvin Acmes schuldig, wie alle Welt annimmt? Tatsächlich ist all dies lediglich eine gewaltige Finte, um Acmes Testament verschwinden zu lassen. Dabei spielt der verrückte Richter Doom (Christopher Lloyd) eine ganz besondere Rolle...

Brillante Trick-/Realfilm-Legierung voller phantastischer Einfälle, mit ganz viel Tempo und von kompetenter Hand hergestellt. Als eine große Liebeserklärung an das Hollywood der Vierziger muss man "Who Framed Roger Rabbit" in erster Linie erachten, eine ebenso schuldige wie unschuldige Zeit, in der das Film-Business noch in Magnatenhand und wohlhierarchisiert war, in der Jazz, zwielichtige Spelunken und exklusive Nachtclubs Hochsaison hatten und in der trenchcoatbewährte P.I.s verruchten Damen hinterherschnüffelten. Stellt man sich in Addition zu alldem noch jene erinnerungsstilisierte Welt in Kombination mit "echten" Cartoon-Charakteren vor, offeriert sich natürlich eine ganz neue Welt der Möglichkeiten. Für "Roger Rabbit" traf man die intelligente Entscheidung, daraus einen atmosphärisch dichten neo noir zu flechten, der eine wunderbare Hommage an die porträtierte Ära mit dem waghalsigen Tempo eines Tex-Avery-Cartoons verquickt. Dass diese merkwürdige Rechnung zur Gänze aufgeht, dass man für kurze Zeit sogar zu glauben bereit ist, Roger, Jessica oder gar der albtraumhafte Richter Doom (einer der diabolischsten Bösewichte des gesamten Filmjahrzehnts) wären wirklich und echt, liegt an der fabulösen Könnerschaft aller Beteiligten. Noh immer ein Ereignis.

10/10

Robert Zemeckis neo noir Hommage film noir Cartoons Hollywood Film im Film period piece hard boiled Alkohol


Foto

STONE (Sandy Harbutt/AUS 1974)


"We'll do what we fuckin' like."

Stone ~ AUS 1974
Directed By: Sandy Harbutt

Weil einer von ihnen, der schwer bedröhnte Toad (Hugh Keays-Byrne), Zeuge eines Anschlags auf einen Politiker wird, steht von nun ab die ganze Rockertruppe "Grave Diggers" auf der Abschussliste der Verschwörer. Nachdem bereits drei von ihnen Mordanschlägen zum Opfer gefallen sind, erhält der unkonventionelle Bulle Stone (Ken Shorter) den Auftrag, sich bei den Grave Diggers einzunisten, um von dort aus zu ermitteln. Der Polizist wird eher verhalten in die Reihen der Outlaws aufgenommen, kann sich bald jedoch einer gewissen Faszination für den unbändigen, freien Lebensstil der jungen Leute nicht länger erwehren. Schwankend zwischen der Abscheu für die immer wieder in unnötige Aggression verfallende Art seiner neuen "Freunde" und aufrichtigem Respekt für deren klare Ehrbegriffe kommt es am Schluss doch noch zu unausweichlichen Konfrontation, als man des Killers schließlich habhaft wird...

Ein ungeschliffener Rohdiamant des wilden australischen Siebziger-Kinos, das ultimative Oz-Pendant zu "The Wild Angels", "Easy Rider" und ihren vielen Epigonen. Inszenatorisch gleichermaßen unangepasst wie kompetent entspricht der Einblick in die "Szene", den "Stone" gewährt, ebenso wie die Perspektive des ehern auf der Gesetzesseite stehenbleibenden Polizisten, eine nie zur Gänze entschlüsselte Mixtur aus ehrlicher Faszination und ehrlichem Respekt. Die Charakterköpfe der Grave Diggers mit ihren lustigen Namen haben oder nehmen sich alles, was ihre instinktgesteuerte Para-Existenz ihnen vorgibt: Sie saufen, kiffen, schmeißen hier und da einen Trip, bumsen, wenn ihnen danach ist, machen Kneipenbesuche, pöbeln, beleidigen und prügeln sich mit der "Konkurrenz". Das höchste Freiheitsgefühl beziehen sie von dem Bock zwischen ihren Beinen. Ach, und Satanisten sind sie auch noch, im libertinär geprägten Stil eines Aleister Crowley, versteht sich.
Die Finalszene bringt die unausgewogene, weil unlösbare Ambivalenz, die Stone empfindet, auf den ultimativen Punkt: Der justament "Ausgestiegene", weil er die Suche nach dem Killer unter Gewaltanddrohung beenden konnte, referiert gegenüber seiner aus gutem, bourgeoisem Hause stammenden Freundin über die vielen Vorzüge, die sein kurzes Leben im Rocker-Milieu so mit sich brachte - nur um in der nächsten Sekunden von seinen geschätzten Freunden, die sich wegen Stone um ihre Rache betrogen fühlen und in sein Haus eindringen, schwer krankenhausreif, möglicherweise auch zu Tode geprügelt zu werden. Dennoch insistiert er: "Keine Polizei...". Das was Stone bei den Grave Diggers fand, möchte er nie mehr missen, auch, wenn es ihn die gesammelten Knochen im Leib kostet...

9/10

Sandy Harbutt Rocker Australien Sydney Subkultur undercover Freundschaft Drogen Marihuana Alkohol


Foto

EL SECRETO DE SUS OJOS (Juan José Campanella/ARG, E 2009)


Zitat entfällt.

El Secreto De Sus Ojos (In ihren Augen) ~ ARG/E 2009
Directed By: Juan José Campanella

Buenos Aires, kurz nach der Jahrtausendwende. Der pensionierte Beamte Benjamin Esposito (Ricardo Darín) schreibt einen Roman über einen authentischen Fall, den er 25 Jahre zuvor als Staatsanwaltsgehilfe bearbeitet hatte. Der "Fall Morales" hatte seinerzeit weitreichende Auswirkungen und konnte, obschon auf oberste Anordnung ad acta gelegt, nie gänzlich aufgeklärt werden. Damals war eine junge Frau (Carla Quevedo) vergewaltigt und brutal erschlagen worden, ihren jungen Bräutigam (Pablo Rago) niedergeschlagen hinterlassend. Esposito und sein bester Freund und Kollege, der versoffene Pablo Sandoval (Guillermo Francella), klemmten sich hinter die Suche nach dem Täter und konnten diesen nach langer Zeit tatsächlich in einem ehemaligen Schulfreund des Opfers, Isidoro Gómez (Javier Godino) ausmachen. Mit der zeitgleich entstehenden Militärdiktatur im Land gewinnt Gómez jedoch einflussreiche Freunde und arbeitet trotz offizieller Verurteilung bald als Auftragskiller für die Junta. Esposito und seine Chefin Irene (Soledad Villamil), in die er insgeheim verliebt ist, sind machtlos gegenüber dieser Entwicklung. Und damit nicht genug, entwickelt sich Gómez sogar zu einer latenten Bedrohung für sie, bis er kurz darauf verschwindet. Mit Espositos Aufarbeitung dieses Falles geht also auch die Beantwortung vieler persönlicher Fragen einher.

Ein zu Recht so hochgelobtes und vielgeliebtes Meisterwerk, ganz zweifellos das, was man wahrlich mit Fug und Recht als "perfekten Film" bezeichnen darf. Weniger die Kriminalgeschichte um einen niemals befriedigend beendeten Mordfall steht im Zentrum des Geschehens als die privaten Auswirkungen eines südamerikanischen Landes nach dem Umsturz. Anders als etwa bei Costa-Gavras, der eher die direkten Auswirkungen der Militärdiktatur oder die abertausenden Desaparecidos thematisiert hätte, machen sich in "El Secreto De Sus Ojos" die brüchigen Regimes der Post-Peronisten eher latent bemerkbar: Ein sadistischer Mörder und Soziopath wird zum Staatsinstrument "umfungiert", weil Menschen wie er als Handlanger unentbehrlich werden; eine unausgesprochene Liebe erlischt und bleibt über Jahrzehnte unerfüllt. "Lebenslänglich" ist der wohl wichtigste Terminus des Films, erweitert um die Motive und Geschicke seiner Figuren: lebenslängliche Trauer, lebenslängliche Rache, lebenslänglicher Verzicht. Dies mögen im Vergleich zum legitimierten Terror der Juntas vergleichsweise marginale Schicksale sein, doch in ihren spezifischen Auswirkungen, und das macht Campanellas Werk unmissverständlich klar, sind sie kaum weniger eklatant. So gerät die Geschichte um eine späte Aufarbeitung nie zur Gänze geklärter Ereignisse für Benjamin Esposito vor allem zu einer Reise zu sich selbst, zu einer nie getilgten Schuld und zu einer noch immer offenen Lebensangelegenheit. Dass "El Secreto" am Ende, nach der Revisionierung und Entdeckung ebenso konsequenter wie furchtbarer Privatrechtsprechung den Mut besitzt, der hemmungslosen Romantik doch noch stattzugeben, ist dann Balsam für die Seele. Ach, und die im Zentrum stehende Plansequenz im Fußballstadion dürfte De Palma vor Neid erblassen lassen.
Vielleicht ein neuer Lieblingsfilm, eine Folgebetrachtung wird es zeigen.

10/10

Juan José Campanella Rache Selbstjustiz Argentinien Buenos Aires period piece Eduardo Sacheri


Foto

NE LE DIS À PERSONNE (Guillaume Canet/F 2006)


Zitat entfällt.

Ne Le Dis À Personne (Kein Sterbenswort) ~ F 2006
Directed By: Guillaume Canet

Acht Jahre nachdem Margot (Marie-Josée Croze), die Frau des Kinderarztes Alexandre Beck (François Clouzet), von einem Serienkiller ermordet wurde, tauchen in der Nähe des Tatorts zwei verscharrte, männliche Leichen auf. Der Fall um Margots Tod wird polizeilich neu aufgerollt und Alexandre selbst gerät ins Fadenkreuz der Ermittlungen. Bald gibt es weitere Tote, die mit dem Ehepaar Beck in Verbindung standen oder stehen und Alexandre erhält merkwürdige E-Mails, die eindeutige Hinweise enthalten, dass Margot gar nicht tot ist. Der dem Verzweifeln nahe, vermeintliche Witwer stochert in der trüben Vergangenheit und fördert eine komplexe Verschwörungsgeschichte zu Tage, deren Opfer Margot und er dereinst wurden.

Dieser sehr an die aktuelleren Skandinavien-Krimis erinnernde Thriller bietet ein wohlfeiles Häppchen für an geradliniger Genrekost interessierte Zuschauer, bleibt darüber hinaus jedoch vergleichsweise trivial. Diverses Personal wird in die narrative Waagschale geworfen; um den Überblick zu behalten, erfordert der Film primäre Konzentration betreffs seiner Story-Entwicklung, was ihm zukommt, da seine konventionelle Gestaltung so zwangsläufig zur Nebensache wird. "Ne Le Dis À Personne" säumt sich dann mit einer Erzählzeit von gut zwei Stunden, spart zunächst an Enthüllungen und setzt auf Vermutung und Suggestion, nur um auf die breit ausgewalzte Erläuterung mitsamt etlichen Querverweisen dann noch einen weiteren Twist folgen zu lassen. Diese Überfrachtung wirkte auf mich in erster Linie selbsträsonistisch und dem Film als Gesamtwerk wenig zweckdienlich. Dass François Clouzet auf geradezu unheimliche Weise und nicht nur aufgrund seiner Physiognomie an Dustin Hoffman erinnert, dafür kann er ja nun nichts, aber auf der Suche nach Gründen dafür, warum Canets ansonsten durchaus sauber inszeniertes Werk mich nur mäßig befriedigt zurückgelassen hat, stieß ich auch auf diesen, natürlich gänzlich persönlich gefärbten Störfaktor. Der Subplot um die harten Ghettoboys, die den aufgeschmissenen Akademiker wegen einer alten Schuld aus der Scheiße ziehen, hat natürlich auch einen elend langen, grauen Bart. Wer seinen regelmäßigen "Tatort" Sonntag Abends nicht verpassen und sich auch noch ein habes Stündchen länger den Arsch breitz sitzen mag, sollte einen Blick riskieren.
Für Kinofreunde, die vielleicht etwas Aufregenderes möchten als bebilderte Kriminalliteratur, bleibt "Ne Le Dis À Personne" eher redundant.

6/10

Guillaume Canet Verschwörung Harlan Coben Ehe Flucht


Foto

DER SATAN LOCKT MIT LIEBE (Rudolf Jugert/BRD 1960)


"Man sagt, Malayen seien sehr nachtragend!"

Der Satan lockt mit Liebe ~ BRD 1960
Directed By: Rudolf Jugert

Um ihrem Liebhaber Carlos (Ivan Desny), der soeben aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, zu helfen, wendet sich die Nachtclub-Sängerin Evelyn (Belinda Lee) an den Skipper Philipp (Heinz Engelmann), dessen Frachter 'Lolita' am nächsten Morgen zu einer Passage nach Australien aufbricht. Philipp erklärt sich aus Liebe zu Evelyn bereit, Carlos zu helfen, rechnet jedoch nicht mit der haltlosen Geldgier seiner verschlagenen Besatzung. Diese verlangt von Carlos eine hohe Geldsumme, wenn er nicht an die Polizei verraten werden soll. Doch Carlos hat bereits eine Idee: Der junge Bankangestellte Robert (Joachim Hansen), den er just zuvor im Zug kennengelernt hat, hat eine entsprechende Geldsumme bei sich. Um ihm diese abzunehmen, setzt er Evelyn auf Robert an, der sich bereits hoffnungslos in die Schöne verguckt hat...

Aus diesem ganz bestimmt redlichen Versuch, einen deutschen film noir zu fertigen, ist verfreilich, rapp-zapp, ein Kolportage-Krimi nach Maß geworden, der sich einer seltsam anderweltlichen Filmsprache bedient und somit ein fast surrealistisch anmutendes Szenario entwirft. Jugert, zum Entstehungszeitpunkt von "Der Satan lockt mit Liebe" bereits ein erfahrener Regisseur, jucken Plausibilität oder gar formale Geschlossenheit in seinem vorliegenden Werk merklich wenig. Tag- und Nachtzeit, Witterungsverhältnisse und sogar die Jahreszeiten wechseln scheinbar beliebig hin und her, die ein bis zwei Schlägereien entbehren jedweder Choreographie und Stereotypen wie der malayische Fiesling Li-Fang (Osman Rahgeb) erreichen geradezu mühelos Überlebensgröße. Die im Film entworfenen Lebenswelten entsprechen dabei vor allem den biederbürgerlichen Vorstellungen ihrer selbst: Das Hafen(stadt)milieu gleicht einem Tummelplatz der gescheiterten Existenzen, wofür nicht zuletzt auch die bunte Ansammlung unterschiedlicher Ethnien spricht. Hier ist alles versammelt, was irgendwie Dreck am Stecken hat und hier gehört der an sich brave Robert trotz seines einmaligen Fehltrittes (das Geld, das er sich trägt, hat er unterschlagen, um sich damit nach Südamerika abzusetzen und ein neus, abenteuerliches Leben zu beginnen) nicht hin. Als Jungfrau und bekennendes Muttersöhnchen stößt er in der abgewichsten Evelyn gleich auf entsprechend fruchtbaren Boden: Was die Frau will, sind nicht länger böse Finsterlinge, sondern Schutzbefohlene mit Ödipalkomplex! Auch mal ein sonderbarer Fetisch.
Jugerts Film jedenfalls ist trotz leicht modriger Verpackung eine frische, kleine Kino-Wundertüte: ebenso albern wie wahrhaftig, ebenso schäbig wie poetisch.

8/10

Rudolf Jugert amour fou film noir Nacht





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare