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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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LITTLE CAESAR (Mervyn LeRoy/USA 1931)


"You can dish it out, but you got so you can't take it no more."

Little Caesar (Der kleine Cäsar) ~ USA 1931
Directed By: Mervyn LeRoy


Der Provinzgangster Rico Bandella (Edward G. Robinson) will endlich im Big Business mitmischen und klinkt sich mitsamt seinem Partner Joe Massara (Douglas Fairbanks jr.) in die Chicagoer Unterwelt ein. Während Joe bald einer ehrlichen Arbeit als Showtänzer nachgeht und dem Milieu verzweifelt zu entkommen sucht, steigt Rico, genannt 'Little Caesar', mittels Skrupellosigkeit und unerbittlicher Gewalt bald zu einem der führenden Syndikatsbosse der Stadt auf. Als ihn jedoch die Polizei wegen eines scheinbar verjährten Mordfalls überführen kann, folgt der ebenso rasante Fall.

Ikonographisches Werk, das das faktisch bereits zuvor erfundene Genre des Gangsterepos in die Tonfilmära überführen und dort als eine der maßgeblichen Direktionen für sein federführendes Studio Warner Bros. in den nächsten fünfzehn Jahren installieren konnte. Mit Ausnahme des nicht minder wichtigen, von Howard Hughes produzierten "Scarface" und Wylers "Dead End" (United Artists) kamen alle filmhistorisch bedeutsamen Gangsterfilme fortan aus dem Hause Warner, bis Raoul Walsh der Welle anno 49 mit "White Heat" zumindest im A-Sektor einen vorläufigen Höhe- und Endpunkt bescherte. Ich plane ja schon seit längerem eine kleine Reihe mit den entsprechenden "Rise-&-Fall"-Epen um Tommy Guns, pervertierte Depressionsflucht und Alkoholschmuggel, nicht nur, weil ich diese Zeit höchst faszinierend finde und die entsprechenden Filme ohnehin sehr liebe, sondern auch, weil es viel zu lang her ist, dass ich sie alle das letzte Mal gesehen habe. Wohlan also, krachender Start mit Knautschvisage Robinson als Rico Bandello, der mit selbstsicher Arroganz und dicker Zigarre bereits allen späteren Epigonen zeigt, wo's langgeht, nämlich wahlweise raus aus der Stadt oder ab in die Holzkiste. Budda-budda-budda!

9/10

Mervyn LeRoy Chicago Freundschaft


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WALL STREET: MONEY NEVER SLEEPS (Oliver Stone/USA 2010)


"Why don't you start calling me Gordon?"

Wall Street: Money Never Sleeps (Wall Street - Geld schläft nicht) ~ USA 2010
Directed By: Oliver Stone


Sieben Jahre nachdem er aus einer langwierigen Haftstrafe wegen Wirtschaftskriminalität entlassen wurde, promotet der scheinbar geläuterte Ex-Börsenhai Gordon Gekko (Michael Douglas) sein Buch "Is Greed Good?". Derweil hat sich seine Tochter Winnie (Carey Mulligan) sich nach dem Drogentod ihres Bruders vollends von Gekko abgewand, ist ironischerweise nunmehr jedoch mit einem jungen Broker namens Jake Moore (Shia LaBoeuf) verlobt. Moore ist fasziniert von seinem ihm noch unbekannten Schwiegervater in spe und entschließt sich, sich ihm zu erkennen zu geben, zumal er einen Weg sucht, sich an dem Rezessions-Piranha Bretton James (Josh Brolin) zu rächen. Jener hat letzlich den durch Ruinierung verursachten Selbstmord von Moores Mentor (Frank Langella) zu verantworten und Moore hält Gekko für den richtigen Alliierten für seine kleine Privatvendetta. Zudem hat auch Gekko noch eine alte Rechnung mit James offen. Doch hat sich der frühere Groteskkapitalist wirklich in ein braves Lämmchen verwandelt...?

"Wall Street" muss wohl als einer der nomothetischen Filme seines Jahrzehnts gelten. Wie kein anderes popkulturelles Artefakt, mit Ausnahme von Ellis' "American Psycho" natürlich, öffnete Stones Film Tür und Tor zu der traurigen, seelenentledigten Welt der Yuppies, Geldscheffler, Gierhälse, Koksnasen und Armani-Träger; zum Kongress der Egomanen, zum Fegefeuer der Oberflächlichkeiten. Zwanzig Jahre später sehen die Dinge geflissentlich anders aus; die Ära eines Bud Fox scheint unwiederbringlich verloren und die Finanzwelt steuert mit Volldampf auf ihren Abgrund zu. Zeit für einen Oliver Stone, erneut Bilanz zu ziehen. Die großen Haie der Wall Street können es sich nun, in Zeiten des Internet und der globalen Informationsvernetzung nicht mehr leisten, ihren schäbigen Charaktere nach außen zu tragen und so geschieht alles hinter vorgehaltener Hand und unter dem Deckmäntelchen wöhltätigen Engagements. Dabei ist ein Mann wie Bretton James, der Goyas vielsagendes Schreckensgemälde "Saturn Devorando A Un Hijo" stolz zu seinem privaten Leitbild erklärt, wahrscheinlich noch viel unangenehmer und wesentlich böser als ein Bud Fox oder als ein Gordon Gekko gar: Familie hat er nicht, er geht rigoros über Leichen und, am Schlimmsten, ist nicht an der Herausforderung des "Spiels" interessiert, sondern allein an der Vergrößerung seines Reichtums.
Mit Stone ist wohl immer noch zu rechnen, denn sein Sequel glänzt vor formalem Stil und Schauspielkunst. Stone konnte David Byrne, der bereits die Songs für den Erstling komponiert hat, erneut für sich gewinnen, Charlie Sheen gibt sich die Ehre zu einem kurzen, bald selbstdenunzierendem Cameo, der steinalte Eli Wallach spielt quasi nochmal die selbe Rolle wie bereits vor zwanzig Jahren in Coppolas "The Godfather Part III". Und ich, ich war glücklich mit und nach dem Film. Zwar steht außer Frage, dass die Fortsetzung nicht am ikonischen Charakter des Originals kratzen kann, aber sie bietet mehr als ordentliches Kino. Und was zählt? Eben.

8/10

Sequel Oliver Stone Wall Street New York Hochfinanz Börse


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THE WOMAN IN THE WINDOW (Fritz Lang/USA 1944)


"The streets were dark with something more than night..."

The Woman In the Window (Gefährliche Begegnung) ~ USA 1944
Directed By: Fritz Lang


Nachdem der erfolgreiche Kriminalpsychologe Professor Wanley (Edward G. Robinson) seine Frau und Kinder in die Ferien geschickt hat, findet er sich kurzfristig als Strohwitwer wieder. Nach einem geselligen Abend in seinem Klub verharrt er vor dem Schaufensterporträt einer Kunstgallerie, das das Ölgemälde einer schönen jungen Frau zeigt. Urplötzlich steht das entsprechende Modell, Alice Reed (Joan Bennett), neben Wanley. Ein folgender, rein platonischer Besuch bei der Dame daheim endet tödlich: Ihr eifersüchtiger Liebhaber, der Großindustrielle Claude Mazard (Arthur Loft) stürmt das Appartement und kann nur notdürftig von Wanley überwältigt werden. Um sich gesellschaftlicher Ressentiments zu enthalten, entscheiden Wanley und Alice sich, die Leiche verschwinden zu lassen. Doch Wanleys Freund, der findige Staatsanwalt Lalor (Raymond Massey), ist den partners in crime bereits auf den Fersen. Hinzu kommt unerwartet ein finsterer Erpresser (Dan Duryea), der um die Tat weiß...

Meisterlicher Kriminalfilm von Lang, der wohl weitgehend der Strömung des film noir zugezählt werden kann. Gleichwohl "Woman In The Window" sich wie viele Filme Langs aus seiner Hollywood-Periode durch die atelier-geprägten set pieces kennzeichnet, macht der Regisseur sich ebenjene Artifizialität zunutze, um die, wie sich epilogisch manifestieren wird, narrativ bedingte Unwirklichkeit seiner Geschichte zu akzentuieren. Der stets besonnene, ausgeglichene Universitätsprofessor, von Robinson als totaler Gegenentwurf zu seinen ruppigen Gangsterbossen aus dem vorigen Jahrzehnt angelegt, findet sich urplötzlich und fast gänzlich unverschuldet in einer ihn gesellschaftlich unmöglich machenden Situation wieder. Dabei ist es weniger das moralisch höchst diffizile Moment des Totschlags an einem Menschen als vielmehr die Angst davor, infolge der Tat seine Position als geachteteter Bürger und Familienvater zu verlieren. Zumal alldies bloß das - oberflächlich unschuldige - Interesse an einer schönen, jungen Frau verschuldet. "The Woman In The Window" präsentiert neben seiner spannend erzählten Kriminalgeschichte folglich auch ein immens komplexes Geflecht von Schuld, Sühne, verbotenen Emotionen und ethischen Diskursen.
Das relativierende Ende ist übrigens einmal nicht einer Produzentenvorgabe zu verdanken sondern wurde von Lang selbst verbrieft so arrangiert.

9/10

Fritz Lang film noir femme fatale Nunnally Johnson Traum


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FOLLOWING (Christopher Nolan/UK 1998)


"Everyone has a box."

Following ~ UK 1998
Directed By: Christopher Nolan


Ein junger Londoner Autor (Jeremy Theobald) hat die Angewohnheit, wildfremden Menschen auf der Straße zu folgen, um mehr über sie und ihre Gewohnheiten zu erfahren und so Fleisch für seine Geschichten zu bekommen. Als ihm eines Tages der professionelle Einbrecher Cobb (Alex Haw) über den Weg läuft, werden die zwei 'partners in crime'. Der Autor ist schnell fasziniert von Cobbs Dreistigkeiten bei seinen Auskundschaftungen fremder Wohnungen und übernimmt schließlich mehr von dessen kriminellem Potential als ihm guttut, zumal er im Begriff ist, bitterböse übers Ohr gehauen zu werden.

Eigentlich wird, das, woran alle Nolan-Filme "kranken", so man denn überhaupt aufrichtig genug ist, ihnen Solches zu unterstellen, in "Following" bereits zur Gänze transparent: Ein geradezu egomanischer Stilwille in Paarung mit dem nicht minder egomanischen Bedürfnis, eine um jeden Preis vertrackte Plotterrine auf die Tafel zu stellen, um sie von seinem Publikum auslöffeln zu lassen und sich dann mit diebischer Freude die Hände zu reiben, wenn alle hilflos und fasziniert bis jammernd "mindfuck" stöhnen. Nun bin ich jemand, der gern auf dem Teppich bleibt oder zumindest versucht, ebendort zu bleiben und weder zu allzu häufiger Bauchpinselei noch zu wildentschlossenem Zeter und Mordio neigt.
"Following" offenbarte sich mir als eine nette, kleine Indie-Produktion, als unterhaltsamer Krimi und als sonst gar nichts. Die Spielchen mit der achronologischen Narration sind letzten Endes nicht halb so verschwurbelt wie sie es wohl gern wären, das Handlungsgerüst vom sorgsam ausgewählten Alibi-Täter und -Sündenbock indes langt zu kaum mehr denn zu einer nur halbwegs einfallsreichen Hitchcock-Variation. Ansonsten gereicht seine konzentrierte Kürze "Following" zur Ehre, denn wenigstens darin ist er einmal hundertprozentig ehrlich zu sich selbst.

6/10

Independent Amour fou London Christopher Nolan Einbruch


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THE SERPENT'S EGG (Ingmar Bergman/BRD, USA 1977)


"Through the thin membranes, you can clearly discern the already perfect reptile."

The Serpent's Egg (Das Schlangenei) ~ BRD/USA 1977
Directed By: Ingmar Bergman


Berlin, November 1923: Inflation und politische Orientierungslosigkeit machen das Leben in der Republik-Hauptstadt kaum angenehmer. Als sich sein Bruder umbringt, fällt der dem Alkohol zugeneigte Zirkusartist Abel Rosenberg (David Carradine) in tiefe Depression. Seine Schwägerin Manuela (Liv Ullmann) nimmt Abel bei sich auf. Zusammen ziehen die beiden in ein der Klinik des Professor Vergerus (Heinz Bennent) angegliedertes Appartment. Abel hat bald den Eindruck, dass im Krankenhaus nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Hinzu kommt, dass Kommissar Bauer (Gert Fröbe) Abel eröffnet, dass einige weitere gewaltsame Todesfälle aus seinem privaten Umfeld zu beklagen sind.

Bergman, damals steuerflüchtig, inszenierte unter den Produzenten Dino De Laurentiis und Horst Wendlandt diese bis heute unangemessen kritisch bewertete, faszinierend morbide Faschismus-Parabel. Angesiedelt im Berlin und in der Zeit von Döblin, Lang und Dix, in schummrigen Cabarets und absinthgetränkten Hurenhäusern lässt Bergman einen eigentlich stadtfremden, kafkaesken Protagonisten, ausgerechnet gespielt von David Carradine, durch die Szenerie stolpern und der zeitweisen Irrlichterei anheim fallen. Dass ebenjener Abel Rosenberg schlussendlich einer Verschwörung auf die Spur kommt, die in Umfang, Konsequenz und moralischer Verworfenheit an die Untaten eines Dr. Mabuse (an den ohnehin vielerlei Reminiszenzen vorhanden sind), erscheint nicht unbedingt Bergman-typisch, wie überhaupt der ganze Film eine leicht exotische Position im Schaffen des Filmemachers bekleidet. Das heißt jedoch nicht, dass man ihn hier nicht wiederfände, den großen Psycho-Tragöden. Verlorenheit, Angst, zerfließende Realitsgrenzen, das gibt es alles (auch) im "Schlangenei". Und dazu einen mad scientist. Wahrscheinlich mag ich persönlich "The Serpent's Egg" deswegen so gern.

8/10

Ingmar Bergman Weimarer Republik Berlin Madness Mad Scientist Cabaret Alkohol period piece


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RIVER'S EDGE (Tim Hunter/USA 1986)


"Check's in the mail!"

River's Edge (Das Messer am Ufer) ~ USA 1986
Directed By: Tim Hunter


Dass der psychotische Jugendliche Samson Tollet (John Roebuck) eine Mitschülerin tötet, enthebt seine Gleichaltrigen nicht ihrer alltäglichen Lethagie; tatsächlich interessiert sich niemand so recht weder für das Ableben des Mädchens noch für Samsons weiteren Werdegang. Für Layne (Crispin Glover) ist momentan das Wichtigste, Samson vor den Behörden zu schützen; der wie die meisten aus der Clique aus einer zerstörten Familie stammende Matt (Keanu Reeves) müht sich indes, erstmals in seinem leben richtig zu handeln. Als Layne seinen Kumpel Samson bei dem nicht minder verrückten, alten Potdealer Feck (Dennis Hopper) versteckt, wartet schon die nächste Katastrophe.

Ein nicht leicht greifbarer, rauer und unbequemer Film ist das, den der spätere TV-Impesario Tim Hunter da um die späte Dekadenmitte den bourgeoisen Traumwelten eines John Hughes entgegensetzte. Die luxuriösen Un-Probleme der missverstandenen Vorstadtteens finden in der nordkalifonischen Provinz keinen Platz; hier geht es darum, den Tag möglichst heavily stoned zu Ende zu bringen, um zu vergessen. Um zu vergessen, dass die Mutter eine unfähige Heulboje ist und der Stiefvater - sofern vorhanden - ein gefühlloser Idiot; dass der zwölfjährige Bruder ein misanthropischer Soziopath ist und die kleine Schwester inmitten all diesen emotionalen Elends eine freudlose Kindheit durchmachen muss. Den besten Freund markiert ein perspektivenloser Komplettversager und, am Schlimmsten,an der nächsten Straßenecke bietet sich schon wieder exakt dasselbe Bild. Was macht da schon eine versehentliche Strangulation aus verschmähtem Liebeskummer?
Hunter macht es dem Zuschauer alles andere als leicht, als Teilhaber in seinen juvenilen Mikrokosmos einzusteigen, da bietet Dennis Hopper, der seinen Part aus "Out Of The Blue" quasi-repetiert, erwartungsgemäß auch keine große Unterstützung. Doch am Ende lohnt das Erlebnis alle Mühe und Auseinandersetzung, denn man durfte einem tollen, wenn auch abgründigen Teenager-Film beiwohnen.

8/10

Teenager Madness Marihuana Tim Hunter Coming of Age Leiche


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8 MILLION WAYS TO DIE (Hal Ashby/USA 1986)


"There are 8 million stories in the naked city."

8 Millon Ways To Die ~ USA 1986
Directed By: Hal Ashby


Nach einem fehlerhaften Einsatz verfällt L.A.-Cop Matt Scudder (Jeff Bridges) dem Alkoholismus. Er verliert seine Frau (Lisa Sloan) und wird vom Dienst suspendiert. Nachdem er wieder eine längere Zeit trocken ist, engagiert ihn die aussteigewillige Gure Sunny (Alexandra Paul) als Beschützer. Als sie ums Leben kommt, fällt Scudder erneut in eine tiefe Sinnkrise. Mit der Hilfe von Sunnys Kollegin Sarah (Rosanna Arquette) findet er schließlich heraus, dass der ölige Koksdealer Angel (Andy Garcia) für Sunnys Ermordung verantwortlich sein muss.

Nachdem der Traum von New Hollywood endgültig ausgeträumt war, blieb Hal Ashby als eine seiner tragischen Reliquien zurück. Der Regisseur, der in den Siebzigern mit einigen der vorrangigen Klassiker jener Jahre glänzen konnte, war in den Achtzigern der Drogen- und Trunksucht verfallen und zur persona non grata für die Studios geworden. Insbesondere seine zuletzt akute Unfähigkeit, die post production seiner Filme termingerecht zu besorgen, galt als berüchtigt. "8 Million Ways To Die", geschrieben von Oliver Stone, bedeutete trotz seiner unleugbaren Qualität und seines heutigen Status als einer der vorrangigen Polizeifilme der Dekade kein Gesundstoßen für Ashby. Noch am letzten Drehtag wurde er gefeuert. Nur zwei Jahre später starb er an Leber- und Darmkrebs.
Ich selbst habe "8 Million Ways To Die" stets sehr geschätzt. Ähnlich wie Friedkins etwa zeitgleich entstandener, monolithischer "To Live And Die In L.A.", zu dem es auch sonst manche Parallelen und Analogien gibt, fungiert der Film vor allem auch als Porträt von Los Angeles, zeigt die flache Wüstenstadt als eine Art gleißenden Höllenvorhof und führt einen klassischen Anti-Helden vor. Für Matt Scudder gibt es nurmehr diese letzte Chance, zwei verpfuschte Jobs und sein verpatztes Leben zu sühnen. Kaputte Cops gab es viele in den Achtzigern, aber Matt Scudder dürfte sie alle in den Schatten stellen. Folglich liefert jener Part auch den Anlass für eine von Jeff Bridges' bravourösesten Leistungen.

8/10

Alkohol Los Angeles Prostitution Hal Ashby Oliver Stone Kokain


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L'AÎNÉ DES FERCHAUX (Jean-Pierre Melville/F, I 1963)


Zitat entfällt.

L'Aîné Des Ferchaux (Die Millionen eines Gehetzten) ~ F/I 1963
Directed By: Jean-Pierre Melville


Weil er in Frankreich wegen eines lang zurückliegenden Gewaltverbrechens angeklagt werden soll, entschließt sich der reiche Unternehmer Dieudonné Ferchaux (Charles Vanel) nach Amerika ins Exil zu gehen. Zunächst will er seine Konten in New York leeeräumen, um sich dann nach Caracas abzusetzen. Für seine Reise engagiert er den klammen und glücklosen Boxer Michel Maudet (Jean-Paul Belmondo) als seinen Privatsekretär. Auf der überstürzten Reise von New York nach Louisiana entwickelt sich zwischen Ferchaux und Maudet sich eine Art Hassliebe, die auf den jeweilgen Egozentrismus der ansonsten so unterschiedlichen Männer zurückgeht. Schließlich ist Maudet es leid, für seinen zunehmend kränkelnden Chef das Kindermädchen zu spielen...

Wie so häufig bei Melville geht es auch in "L'Aîné Des Ferchaux" um Einsamkeit und wie sie einem das Leben zu durchkreuzen vermag. Sowohl Ferchaux als auch sein junges Pendant Maudet sind misstrauische Individuen bis zur letzten Konsequenz, die nichts und niemanden näher an sich heranlassen würden als unbedingt nötig und stets damit beschäftigt sind, den persönlichen Vorteil Maß walten zu lassen. Erst als der sein Ende herbeikommen sehende Ferchaux bemerkt, dass es langsam zu spät wird für ihn und ihm langsam bewusst wird, dass er niemanden zurücklassen wird, der sich einen Dreck um ihn schert, kommen ihm Zweifel an seiner rücksichtslosen Lebensführung. Was nach Ferchaux' Tod auf den reumütigen Maudet wartet, bleibt ungewiss.
Melville inszeniert sein Road Movie durch den Südosten der USA mit dem faszinierten Blick des Europäers. Wie man spätestens seit Wenders weiß, sieht Amerika in europäischen Filmen oft völlig anders aus als im Hollywood-Kino; umso faszinierender und verwandter Melvilles unmittelbarer Blick. Davon lebt "L'Aîné Des Ferchaux", ebenso wie von der die visuelle Atmosphäre wunderbar unterstützenden Musik von Georges Delerue.

8/10

Jean-Pierre Melville Road Movie New Orleans Flucht


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MY SON, MY SON, WHAT HAVE YE DONE? (Werner Herzog/USA, D 2009)


"Mr. McCullum! Would you please come outside?"

My Son, My Son, What Have Ye Done? ~ USA/D 2009
Directed By: Werner Herzog


Der kalifornische Theaterdarsteller, Südamerikareisende und stark ödipal geprägte Brad McCullum (Michael Shannon) streckt eines Tages seine dominante Mutter (Grace Zabriskie) mit einem Schwert nieder und verschanzt sich daraufhin mit zwei zunächst nicht zu identifizierenden Geiseln in seinem Haus. Der ihn belagernde Detective Havenhurst (Willem Dafoe) versucht mithilfe von Brads Verlobter Ingrid (Chloë Sevigny) und seines Regisseurs Lee Meyers (Udo Kier) ein psychologisches Profil des offenbar wahnsinnig Gewordenen zu erstellen und zu rekonstruieren, wie es zu einer solchen Tat kommen konnte.

David Lynch wird "lediglich" als ausführender Produzent genannt, man meint aber, seinen übermächtigen Einfluss auch in mancherlei zum Absurden neigenden Szene wiederzuentdecken. Und davon gibt es einige in "My Son, My Son, What Have Ye Done?". Herzog versucht einen Brückenschlag zwischen ordinärem Kriminalfilm, seiner eigenen Persönlichkeit, der antiken Tragödie, der Psychoanalyse und einer amerikanischen Jugend, die geprägt ist von den alleinerzieherischen Anstrengungen einer herrischen Mutter und die der der Kino-Ikone Norman Bates nichtmal unähnlich ist. Ein auf den ersten Blick sicherlich gewagt scheinendes Konzept, das aber durchaus aufgeht und rundläuft als ungewöhnliches kleines Filmkunstwerk. Herzog probiert manches zur Untermalung seiner sich grotesk ausnehmenden Geschichte; die bizarre Schreitvogel-Symbolik gehört ebenso dazu wie eine Gruppe von New-Age-Spinnern, die Nahnatur-Erfahrungen in Peru sucht, ein Basketball in einem kahlen Bäumchen und einige tableaux vivants, in denen das Bild scheinbar einfriert, die Charaktere jedoch tatsächlich für längere Zeit zu verharren haben. Das Ganze ist nicht unbedingt unsperrig, besitzt jedoch einen ganz speziellen, exzentrischen Zauber, wie ihn ausschließlich Werner Herzog zu evozieren imstand ist. Kombiniert mit der Dreingabe einer sanften Prise Lynch freilich.

8/10

Madness Los Angeles Psychoanalyse Peru Werner Herzog Vögel David Lynch


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THE TOWN (Ben Affleck/USA 2010)


"If we get jammed up, we're holding court on the street."

The Town ~ USA 2010
Directed By: Ben Affleck


Doug (Ben Affleck), sein bester Kumpel James (Jeremy Renner) und ein paar weitere Kumpels stammen aus dem Bostoner Stadtteil Charlestown, in dem es für den authentischen irischstämmigen Einwohner quasi obligatorisch ist, früher oder später eine Bank oder einen Geldtransporter zu überfallen. Tatsächlich handelt es sich dabei um ein Handwerk, das über Generationen weitervererbt wird. Für Doug und James läuft alles so weit okay, bis Doug sich eines Tages in die Bankangestellte Claire (Rebecca Hall) verliebt. Als er ihr per Zufall wiederbegegnet, kann er fortan die Finer nicht mehr von ihr lassen und die Probleme werden übermächtig.

"It was beauty killed the beast." Dieses berühmte "King Kong"-Zitat gehört in etwas großzügigerer Auslegung wesentlich auch zum Genre des heist movies, das von Huston über Dassin und Kubrick bis hin zu Mann seinen Antihelden nur äußerst selten ein friedliches Ende zugesteht. Zumeist bildet tatsächlich die schuldvolle (häufig frisch knospende) Liebe des ansonsten kühlen Profis zu einer zarten (oder wahlweise berechnenden) Dame seinen großen Schwachpunkt und damit die einzige veritable Angriffsfläche für die Gegenseite. Affleck erzählt somit keine neue, sondern eine sehr traditionsverhaftete Geschichte, dies jedoch mit der umfassenden Kenntnis des Cineasten, der Strukturen, Topoi und Motive bestens internalisiert hat und sie nun dergestalt wiederholt, dass sie ihres repetitiven Charakters zum Trotze immer noch interessant und emotional packend bleiben. Darüberhinaus gibt die klassische formale Gestalt des Films Anlass zu Ovationen: Affleck beweist nämlich, dass es keinesfalls DV, Farbfiltern, eines Stakkatoschnitts, Shutter-Effekten oder sonstigen postmodernen Klimbims bedarf, um auch anno 10 noch einen überaus spannenden Krimi herunterzureißen.

8/10

Ben Affleck Boston Heist Freundschaft





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Funxton

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