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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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KURZ UND SCHMERZLOS (Fatih Akin/D 1998)


"Was'n los mit ihm?" - "Er versucht, erwachsen zu werden. Und wir hindern ihn dran."

Kurz und schmerzlos ~ D 1998
Directed By: Fatih Akin


Hamburg Altona. Der Türke Gabriel (Mehmet Kurtlus) wird aus dem Knast entlassen und schon sehnsüchtig von seinen beiden Busenfreunden seit Kindertagen, dem Serben Bobby (Aleksandar Jovanovic) und dem Griechen Costa (Adam Bousdoukos), erwartet. Wenig hat sich seit damals geändert: Gernegroß und Pseudo-Scarface Bobby ist soeben dabei, in die Albanermafia, respektive bei der Kiezgröße Muhamer (Ralph Herforth) einzusteigen; Costa begnügt sich mit kleineren Gaunereien und einem Tütchen von Zeit zu Zeit. Erste schwerwiegende Probleme bereiten die Frauen: Während Costas langjährige Freundin Ceyda (Idil Üner) - zugleich Gabriels Schwester - sich einen Neuen (Marc Hosemann) angelt und mit dem am Boden zerstörten Costa Schluss macht, verguckt sich Bobbys Mädchen (Regula Grauwiller) ausgerechnet in Gabriel. Als sich derweil Muhamer als brutaler, selbst vor Mord nicht zurückschreckender Gewaltverbrecher entpuppt, sieht sich Gabriel vor die Wahl gestellt: Verteidigung der Freudesehre oder Rückfälligwerden.

Fatih Akins rohes, grobkörniges und hartes Langfilmdebüt, im Grunde nichts anderes als eine deutsche "Mean Streets" - Variation, hat mich seinerzeit, als ich es (glücklicherweise gleich bei Erscheinen) zum ersten Mal sehen durfte, schwer überrollt. Akins unbestechlicher, zugleich herzlicher und ein wenig mitleidsvoller Blick für die kleinen Migrantenmöchtegerngangster aus der Hamburger Urbanität, die gerne so wären wie die großen Vorbilder aus dem (fiktionalen) italoamerikanischen Milieu oder von MTV, dabei aber doch bloß im Elfenbeinturm bedauernswerter Sozial- und Bildungsopfer verbleiben müssen, ist eine echte Einladung. Das so unterschiedlich geartete Freundestrio wächst dem Zuschauer - zumindest mit Ausnahme des schmierigen Ekels Bobby (eine mutige Leistung von Jovanovic, seinen Charakter so unangenehm auszuformulieren) - schnell ans Herz; besonders Bousdoukos, den Akin für "Soul Kitchen" endlich "wiederentdeckt" hat, repräsentiert eine unnachahmliche Authentizität. In seinen paar Gewaltszenen, obgleich visuell vergleichsweise rücksichtsvoll, erreicht "Kurz und schmerzlos" dann eine unglaubliche Intensität, mittels derer sich die zuvor aufgestaute, permanent bedrohliche Atmosphäre des Films klimaxgleich entlädt. Einer der beeindruckendsten mir bekannten Debütfilme.

9/10

Kiez Coming of Age Freundschaft Hamburg Fatih Akin


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DE BATTRE MON CŒUR S'EST ARRÊTÉ (Jacques Audiard/F 2005)


Zitat entfällt.

De Battre Mon Cœur S'Est Arrêté (Der wilde Schlag meines Herzens) ~ F 2005
Directed By: Jacques Audiard


Thomas Seyrs (Romain Duris) Leben besteht aus Dingen und Aufgaben, die im Grunde eines Arschlochs würdig sind: Wenn er einem unbekannten Gegenüber erzählt, er sei in der Immobilienbranche tätig, dann meint das im Grunde wenig anderes als dass er zusammen mit seinen zwei Kollegen Fabrice (Jonathan Zaccaï) und Sami (Gilles Cohen) sanierungsbedürftige Bauten für einen Appel und ein Ei aufkauft und die oftmals mittellosen Mieter und/oder Besetzer derselben mit rüdesten Methoden auf die Straße setzt. Von Zeit zu Zeit wird er in dieser Funktion auch für seinen Vater (Niels Arestrup) tätig. Eines Tages jedoch erinnert sich Thomas einer längst vergangenen Zeit, als seine Mutter noch lebte und er selbst ebenso wie sie Stunden am Piano verbrachte, um klassische Musik zu spielen. Auf der harten Suche nach diesem längst verloren geglaubten alter ego entscheidet sich Thomas trotz aller Widerstände, wieder etwas aus seinem Leben zu machen.

Charmant. Audiards Mischung aus Gangsterfilm und Liebeserklärung an die aufwühlende Zartheit klassischer Kompositionen von Bach und Haydn revitalisiert die emotionale Kühle der vorgeblich rezeptionsdistanzierten Unterwelt-Dramen eines Melville und transferiert diese zugleich in den ruhelosen Handicam-Habitus aktueller Kino-Gegenwärtigkeit. "De Battre" ist demnach nicht nur eine sorgfältige Charakterstudie und die Geschichte des inneren Kampfes sondern zugleich die einer Auseinandersetzung mit den stilperiodischen Interna des französischen Kinos. Dann geht es auch um den pulsierenden Herzschlag der Großstadt Paris, die besonders nächtens zumindest vor der Kamera noch ein ganz ähnliches Lebensgefühl entfaltet wie vor vierzig, fünfzig Jahren in Godards "À Bout De Souffle" oder Melvilles "Le Doulos" und "Le Samouraï". Das unzufriedene, manchmal sadistische Gesicht Duris' scheint mir derweil als Bindeglied zwischen Delon und Cassel zu fungieren; sowohl die gefährliche Stoizität des einen als auch die aufbrausende Psychotik des anderen treffen sich hier. Erst im DVD-Interview mit Audiard habe ich festgestellt, dass der Film ein Remake ist, diesmal eines - Vorsicht, Ausnahme! -, das sich als französischer Film auf eine US-Produktion stützt, nämlich "Fingers" von James Toback. Scheint von mir schleunigst nachgeholt werden zu wollen...
Ferner freue mich jetzt schon ungemein auf "Un Prophète".

8/10

Paris Musik Jacques Audiard


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DIE MORAL DER RUTH HALBFASS (Volker Schlöndorff/BRD 1972)


"Wenn Frauen nicht mehr weiterwissen, gehen sie zum Friseur."

Die Moral der Ruth Halbfass ~ BRD 1972
Directed By: Volker Schlöndorff


Die Affäre mit dem bildungsbeflissenen Lehrer Vogelsang (Helmut Griem) bedeutet für die Managerehefrau Ruth Halbfass (Senta Berger) eine Möglichkeit zur Flucht aus ihrem Alltag, in dem sie lediglich eine unbedeutende Rolle als Gattin und Mutter spielt und in dem für Selbstverwirklichungsambitionen kein Platz herrscht. Andererseits fehlt es Ruth selbst an der nötigen Chuzpe, einen radikalen Strich unter ihr bequemes Bourgeoisieleben zu ziehen und ganz von vorn anzufangen. Zunächst sieht es so aus, als würde der Zufall ihr und ihrem Liebhaber ins Kontor spielen, doch das Schicksal bleibt unnachgiebig.

An Chabrol habe er sich orientieren wollen und sei damit auf halbem Wege gescheitert, gibt Schlöndorff bezüglich des ersten seiner beiden Filme über scheiternde Emanzipationsversuche zu Protokoll. Dabei geht er mit sich selbst allerdings sehr hart ins Gericht, denn bei "Ruth Halbfass" handelt es sich durchaus um einen cleveren, bisweilen sehr komischen und vor allem höchst brauchbaren Film, der seinen sozialkritischen Ansprüchen gerecht wird, ohne sich sichtlich abzumühen. Vielleicht ist es gerade diese spürbar-zwingende Leichtigkeit, die Schlöndorff im Nachhinein zur Unzufriedenheit veranlasst; in der Tat gliedert sich dieser Film ja nicht ganz reibungslos in sein übriges, sich häufig unittelbar an der Weltliteratur orientierendes Œuvre ein. Dafür steht ihm hier eine ätherisch schöne Senta Berger zur Verfügung, die wie gemacht scheint für die Rolle der im Grunde belanglosen Industriellenfrau, der außer ihrer mit der Zeit zum Welken verurteilten Anmut nichts mehr bleibt. Außerdem weiß wiederum der eigenartige, bereits aus dem "jungen Törless" bekannte Anti-Schauspieler Marian Seidowsky - hier in seiner letzten Rolle - zu faszinieren, der zwischendrin auch bei Fassbinder mitgespielt und bereits mit 29 Jahren infolge einer unheilbaren Krebserkrankung Selbstmord begangen hat. Auch sonst hat Schlöndorff manche lohnenswerte Anekdote über den seltsamen Seidowsky parat.

8/10

Emanzipation Ehe Familie Volker Schloendorff Satire


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THE BAD LIEUTENANT: PORT OF CALL - NEW ORLEANS (Werner Herzog/USA 2009)


"What are these fuckin' iguanas doing on my coffee table?"

The Bad Lieutenant: Port Of Call - New Orleans (Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen) ~ USA 2009
Directed By: Werner Herzog


Sechs Monate nachdem Lt. Terence McDonagh (Nicolas Cage) vom New Orleans Police Department die erste Vicodin gegen seine ihn infolge eines übereifrigen Arbeitseinsatzes heimsuchenden Rückenschmerzen eingenommen hat, ist er auf praktisch allem, was unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und macht selbst vor Heroin und Crack nicht Halt. Sein aktueller Fall, die Aufklärung eines Mordes an einigen afrikanischen Migranten im Dealermilieu, wird für ihn zu einem wahren Höllentrip, da er mit diversen privaten Problemen McDonaghs zusammenfällt, die in erster Linie mit seinem zunehmenden Realitätsverlust zu tun haben.

Von Schlangen und Fischen, Alligatoren und Leguanen: Die Parallelen zwischen Abel Ferraras Meisterwerk aus den frühen Neunzigern und diesem zunächst als dessen Remake angepriesenen Film bleiben überschaubar. Beide Stücke küren einen Polizisten zur Hauptfigur, der die Bodenhaftung verloren hat und sie, festgeklemmt zwischen überhöhten Wetteinsätzen und der eigenen Drogensucht, nicht mehr wiederzufinden in der Lage ist. Darin erschöpft sich auch bereits die Identität von Ferrara und Herzog; tatsächlich hat die auffällige Titelanalogie eher etwas mit der Rechteinhabe zu tun, die am Produzenten Edward Pressman hängt. Ansonsten ist von Ferraras finsterer Spirale-Abwärts-/-Schuld-und-Sühne-Parabel nicht viel übrig geblieben; "Port Of Call - New Orleans" begnügt sich damit, seinen Fokus auf ein paar biographische Schlaglichter im Leben eines seine Berufsmoral mit Füßen tretenden Bullen-Junkies zu konzentrieren. Das macht Herzogs Film allerdings keinesfalls schlechter, nur eben ganz anders, und bei all seinen kleinen Verrücktheiten wahrscheinlich auch deutlich realitätsverankerter. Dass nämlich jeder Sünder seine Verfehlungen gleich mit dem Tod zu bezahlen hat, ist vielleicht doch ein obsoletes literarisches, um nicht zu sagen: sakrales Gesetz. Für Lt. McDonagh jedenfalls fügt sich am Ende alles gleich einer vorbeiziehenden Gewitterwolke. Natürlich nur bis zum nächsten Sniff, so ehrlich ist man dann doch mit uns. Für Nicolas Cage, der ihn spielt und der Rollen von einem solchen Format trotz Dauerengagements mittlerweile gerade mal alle vier, fünf Jahre spielt, ist das mal wieder ein kleines Stück überfällig scheinender Rehabilitation und der Film, der wohl zu den besten des letzten Jahres gehört, natürlich ganz der seine.

9/10

New Orleans Werner Herzog Drogen neo noir Suedstaaten


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LES FELINES (René Clément/F 1964)


Zitat entfällt.

Les Félins (Wie Raubkatzen) ~ F 1964
Directed By: René Clément


Nachdem der Filou Marc (Alain Delon) während eines New-York-Aufenthalts mit der Geliebten eines örtlichen Gangsterbosses pussiert hat, ist er seines Lebens nicht mehr sicher. Flugs jettet er zurück nach Europa und will unerkannt an der Côte d'Azur vor Anker gehen, doch die ihm nachgeschickten Killer finden ihn selbst dort. Marc taucht im Obdachlosen-Milieu unter und wird alsbald von der eleganten amerikanischen Witwe Barbara (Lola Albright) und ihrer Cousine Melinda (Jane Fonda) als Chauffeur angeheuert. Doch birgt die Villa der beiden schönen Damen ein neckisches kleines Geheimnis, das sich für Marc als alles andere denn gesundheitsfördernd erweist.

Gefangen zwischen zwei reizenden Frauen, von denen die eine auch noch die siebenundzwanzigjährige Jane Fonda ist - man könnte es wahrlich schlechter treffen, sollte man meinen. Doch Pustekuchen; beide Damen haben einen mittelschweren, sich jeweils ganz unterschiedlich äußernden Männerkomplex, dem selbst ein gewitzter Alain Delon am Ende nichts mehr entgegenzusetzen hat.
Clément bringt seine Erzählung genau so schnell auf Kurs, wie Marcs bzw. der Publikumsverstand arbeitet. Erst nach und nach erschließt sich uns Zwangsalliierten, dass die distinguierte Hausherrin Barbara keineswegs so bekloppt ist, Konversation mit ihrem eigenen Spiegelbild zu treiben und dass das alles für uns, Verzeihung, Marc, nichts Gutes zu bedeuten hat. Der rasch ermüdende Gangster-Verfolgungsplot vom Anfang wird zugunsten der sich entspinnenden Dreiecksbeziehung, die sich dann irgendwann als Vierecksbeziehung entpuppt, einem inhaltlichen MacGuffin gleich fallen gelassen und das ist gut so; sind doch die sich in Barbaras Villa abspielenden Ereignisse wesentlich interessanter. Hübsche Menschen allerorten, Sonne, flotte Musik von Lalo Schifrin. Dazu Nizza in schwarzweißem Scope - Herz, was willst du mehr?

8/10

Nizza femme fatale Bonvivant René Clément


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DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM (Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta/BRD 1975)


"Wovor haben Sie'n Angst? Sie sind doch unschuldig."

Die verlorene Ehre der Katharina Blum ~ BRD 1975
Directed By: Volker Schlöndorff/Margarethe von Trotta

Auf einer ausgelassenen Karnevalsfeier lernt die biedere Kölner Hausangestellte Katharina Blum (Angela Winkler) den von der Polizei gesuchten "Anarchisten" und Bankräuber Ludwig Götten (Jürgen Prochnow) kennen. Nach einer romantischen Nacht in ihrer Wohnung steht urplötzlich ein Einsatzkommando der Polizei neben Katharinas Frühstückstisch; Götten ist verschwunden. Die folgenden vier Tage werden für die der Komplizenschaft Verdächtige zur Hölle: Die Beamten, allen voran der Einsatzleiter Kommissar Beizmenne (Mario Adorf), verhören sie auf das Peinlichste und Penibelste und lassen sie minimalste Details ihre Privatlebens preisgeben. Da Beizmenne sich zudem gegenseitig Informationen mit dem schmierigen Sensationsjournalisten Tötges (Dieter Laser) zuschanzt, schmückt Katharina bald die Titelseiten einer großen Tageszeitung und sieht sich böse verunglimpft bis zur Unerträglichkeit.

Zugleich bitterböse Satire und frontale Attacke gegen die polizeistaatlichen Methoden, mit der die bundesdeutsche Justiz und der Springer-Verlag in den frühen siebziger Jahren Hand in Hand gegen die erste RAF-Generation vorgegangen waren. In kafkaesker Tradition stand das fiktive Schicksal der unbescholtenen Bürgerin Katharina Blum dabei als repräsentatives Exempel für die rigorose Praxis insbesondere der Bild-Zeitung, jeder nach Sensation und Aufmacher riechenden Kleinstspur nachzugehen und dabei willfährig bis rücksichtslos die Verleumdungen und Rufmorde bestenfalls peripher beteiligter Personen nicht nur in Kauf zu nehmen, sondern sogar ausdrücklich zu suggerieren. "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" ist auch eine wütende Reaktion des Literaten Heinrich Böll auf die ihm durch CDU-Politiker als auch wiederum vom Springer-Konzern zuteil gewordene Titulierung als "geistiger Helfershelfer des Terrors" und Sympathisant der linksradikalen Szene. In "Katharina Blum", dessen Verfilmungsoption Böll bereits während Schreibprozesses Schlöndorff und von Trotta zutrug, verknüpft er die erdrückende soziale Repression des Demokratiestaats mit einer naiven, freilich unerfüllten Liebesgeschichte und dreht dabei der uniformierten Exekutive eines Nase, indem er sie selbst verantwortlich macht für Katharinas Bluttat am Ende (die, wie man erfährt, zudem schnell Nachahmer findet). Die Einkleidung der Geschichte in das rheinische Spektakel des alljährlichen Karnevals (sie spielt sich zwischen dem Vorabend der Altweiberfastnacht und Tulpensonntag ab) bezeichnet noch einen weiteren, schwarzhumorigen Fingerzeig betreffs des versumpfenden deutschen Spießertums, das sich in Scheichskostümierung und Pappnase besäuft, derweil sich nur eine Straßenecke weiter rechtsstaatliche Ungeheuerlichkeiten ereignen.

10/10

Margarethe von Trotta Heinrich Boell Journalismus Terrorismus Satire Koeln RAF Volker Schloendorff Verhör


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NOWHERE TO RUN (Robert Harmon/USA 1993)


"He's got a big penis."

Nowhere To Run (Ohne Ausweg) ~ USA 1993
Directed By: Robert Harmon


Während eines Gefangenentransports kann der Ex-Bankräuber Sam Gillen (Jean-Claude Van Damme) entkommen und versteckt sich auf dem Landgut der knackigen Witwe und Mutter Clydie Anderson (Rosanna Arquette). Schon bald merkt der sich zunächst im Verborgenen haltende Sam, dass hier längst nicht alles eitel Sonnenschein ist. Clydie wird von dem skrupellosen Bauspekulant Franklin Hale (Joss Ackland) und seinen Leuten bedroht, die ihr mit allen Mitteln die Farm abspenstig machen wollen. Doch der tapfere, in Kampfdingen erfahrene Sam erweist sich bald als Retter in der Not.

Die "Muscles from Brussels" machen auf Familienentertainment in einer der vier, fünf A-Produktionen, in denen Van Damme in der ersten Hälfte der Neunziger auftrat. Wie jeder zweite halbwegs patente Action-Star benötigte auch der Belgier unweigerlich den Filmographie-Eintrag eines "Shane"-Remakes und hier bot sich ihm bereits früh die Gelegenheit (Kollege Lundgrens Variation "Missionary Man" etwa ist erst drei Jahre jung) zu einem solchen. Die üblichen Ingredienzen sind vorhanden: Eine Familie im idyllischen Nirgendwo - hier ausnahmsweise ohne den tapferen, aber schwachen Gründer, denn der ist schon verstorben, so dass es eine heiße Bettszene mit Van Damme und der Arquette gibt und die Kinder einen Ersatzpapa bekommen - ein böser Immobilienhai, der das Land aus der Familie quetschen will und seine nicht minder bösen Handlanger (z.B. Ted Levine). Zwar ist Sam Gillen naturellement kein Fremder ohne Namen und bringt zudem eine trübe Verhangenheit mit, für strahlendes Heldentum am Ende langt es aber auch so allemal. Allerdings erscheint mir "Nowhere To Run" bei all seiner inszenatorischen Potenz für ein Produkt seines Hauptdarstellers doch etwas sehr zahm und brav geraten, besonders im Direktvergleich zu dem umgehend nachfolgenden "Hard Target". Wenn ich mich nicht verzählt habe, legt Van Damme genau einen Bösewicht um, überhaupt die einzige Person, die im Film das Zeitliche segnet. Ich will ja nicht blutrünstiger erscheinen als unbedingt nötig, aber warum zur Hölle schaut man sich derlei denn an???

5/10

Shane-Variation Joe Eszterhas Robert Harmon


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DEFENDOR (Peter Stebbings/USA, CA, UK 2009)


"Look out, termites. It's squishing time!"

Defendor ~ USA/CA/UK 2009
Directed By: Peter Stebbington

Defendor - Geheimidentität: Arthur Poppington (Woody Harrelson) - is not your usual superhero. Bewaffnet mit einem Baseball-Bat, wütenden Wespen im Glas, Zitronensaft und Murmeln macht er sich auf, den von ihm noch nicht identifizierten Supergangster Mr. Industry zu schnappen. Tatsächlich ist Arthur das, was kategorisierunssüchtige Pädagogen als "lernbehindert" bezeichnen würden. Früh von seiner leichtlebigen Mutter (Charlotte Sullivan) im Stich gelassen und beim misanthropischen Großvater (Davis Gardner) aufgewachsen, will Arthur den mutmaßlichen Drogentod seiner Mom dem gesamten organisierten Verbrechen heimzahlen. Mit einem selbstgebastelten Kostüm geht er, mäßig erfolgreich, auf Ganovenjagd. Als ihm eines Tages die cracksüchtige Nutte Kat (Kat Dennings) begegnet, kommt es zu einer Wende in Arthurs Leben.

Mit der rund vierzig Jahre verspäteten Erkenntnis im Gepäck, dass Superhelden aus dem Comic nicht nur bunte, mimetische, regelmäßig die Erde rettende Kreaturen überbordender Spinner sind, sondern auch ein Leben hinter der Maske führen, rüstet sich die Filmindustrie nun auch für etwas subtilere Töne im noch jungen Genre. Arthur Poppington, der Forrest Gump unter den Superhelden, kann im Direktvergleich mit seinen Vorbildern relativ wenig und repräsentiert wohl am ehesten das, was man vorsichtig wertschätzend einen Autodidakten nennt. Während für ihn die Rolle des Vigilanten zum Lebensinhalt wird, belächeln ihn die meisten anderen beziehungsweise lassen psychiatrische Gutachten über ihn erstellen. Weil Arthur aus Gründen des Selbstschutzes irgendwann nicht mehr allein leben darf, wird sein Freund und Vorarbeiter Paul (Michael Kelly) zu seinem gesetzlichen Vormund ernannt. Und doch ist die Freiheit, im Kostüm herumhüpfen und der Gerechtigkeit so gut als möglich dienen zu können, das, was Arthur Poppington wahrhaftig umtreibt. Darin ist er seinen intellektuell reiferen Kollegen durchaus ebenbürtig und darum wird ihm irgendwann auch die verdiente Heroisierung zuteil - leider etwas spät.
"Defendor" ist ein durchaus liebenswürdiger kleiner Film, der, ohne auf einem Printvorbild zu basieren, den Superheldenduktus durchaus ernst nimmt, dabei jedoch auf eine deutliche Verwurzlung in dem, was man so landläufig als "Independentkino" bezeichnen möchte, nicht verzichten kann. Darin liegt dann auch zugleich die Schwäche des Films. So richtig traut sich Stebbings nämlich nicht zu ausgelassener Fabulierei; lieber verankert er seine Geschichte oberflächlich im Arthousemilieu der Um-die-Dreißigjährigen, die mit 'nem Fläschchen Stauder und ihrer Freundin im Schlepptau durchaus einen netten Abend im Programmkino erleben dürften. Für so richtig großen Filmbahnhof ist das alles dann aber doch einen Tacken zu wenig.

6/10

Psychiatrie Superhelden Peter Srebbings


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THE BIG LEBOWSKI (Joel Coen/USA 1998)


"Shomer fucking shabbos!"

The Big Lebowski ~ USA 1998
Directed By: Joel Coen


Los Angeles, 1991. Jeff Lebowski (Jeff Bridges), genannt "Dude", sieht sich einer verhängnisvollen Verwechslung ausgesetzt: Ein paar dämliche Ganoven halten ihn für seinen reichen Namensvetter Jeffrey Lebowski (David Huddleston), dessen leichtlebige Frau Bunny (Tara Reid) selbigem allerhand Kummer bereitet. Dabei würde der Dude doch so gern seine kostbare Zeit darauf beschränken, White Russians zu trinken, hier und da einen Spliff zu verknusen und mit seinen Kumpels Walter (John Goodman) und Donni (Steve Buscemi) zum Bowling zu gehen. Doch die Welt ist ungerecht und der Dude gerät mitten hinein in eine anstrengende Detektivgeschichte, die sich durch den Übereifer des cholerischen Vietnamveteranen Walter nur noch verkompliziert.

Noch eine weitere, prachtvolle Bildmoritat aus dem Hause Coen und mir, wie ja vielen anderen auch, eine ihrer liebsten. "The Big Lebowski", eine Americana für den weltoffenen Späthippie und Hänger, kartographiert das reale Slackertum und schleudert der (nichtamerikanischen) Welt einen lustvoll abgefressenen Mittelfinger entgegen. Von Beschleunigung und Geschwindigkeit hält der Film, wie wie es ohnehin von den Coens gewohnt sind, überhaupt gar nichts; er präsentiert uns im Gegenteil dazu sogar, wie man im Tuckertempo jedes Rennen gewinnt und begnügt sich darüberhinaus nur mit dem Allerhöchsten, bezogen auf jedes einzelne Partikel. Am Schönsten wird es stets, wenn der Dude sich, wieder einmal ausgeknockt, in einem seiner verrückten Bowlingträume wiederfindet, in denen wahlweise viele bunte Sterne, Saddam Hussein, Wikingerwalküren oder Peter Stormare als überdimensional bescherter Kastrator aufkreuzen. Als ob dies nicht genügte, verfügt "The Big Lebowski" über die ultimative Detektivfilmszene: Einer seiner wenigen Geistesblitze ereilt den Dude, als der Pornokönig Jackie Treehorn (Ben Gazzara) in seinem komfortablen Wohnzimmer irgendwas auf den Telefonblock kritzelt, dass es dann anhand der Abdrücke abzupauschen gilt. Was dann dabei herauskommt, ist einer der größten Lacher nicht nur im Coen-Universum, sondern im Universum überhaupt.

10/10

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BEVERLY HILLS COP (Martin Brest/USA 1984)


"Police! Move and I'll kill you!"

Beverly Hills Cop ~ USA 1984
Directed By: Martin Brest


Axel Foley (Eddie Murphy) ist Police Detective in Detroit - wo seine unkonventionelle, aber erfolgreiche Arbeitsweise mit zwei zugedrückten Augen toleriert wird. Als eines Abends sein Kinfheitsfreund Mikey Tandino (James Russo) bei ihm auftaucht und nach einer durchzechten Nacht von zwei Killern (Jonathan Banks, Michael Champion) vor Axels Apartment hingerichtet wird, nimmt dieser kurzerhand Urlaub und reist nach Beverly Hills, von woher die Mörder mutmaßlich stammen. Es dauert nicht lange, und Axel wird fündig: Der homosexuelle Kunstmäzen und Kokainschmuggler Victor Maitland (Steven Berkoff), Mikeys frühere Arbeitgeber, steckt hinter dem Schlamassel. Für den Tausendsassa Axel gilt es nun bloß noch, die hiesigen Kollegen für sich zu gewinnen, doch die sind linientreuer als deutsches Bier.

Überlebensgroßes Entertainment, das noch wirklich witzig und gescheit war, freilich im Gegensatz zu dem ganzen unsäglichen, strunzdummen "Bad Boys"-Scheiß, der rund zehn Jahre später jeden Charme vermissen ließ, rein zufällig jedoch aus demselben Produzentenstall stammt. Große Errungenschaften lassen sich eben nur schwerlich imitieren.
"Beverly Hills Cop" war in vielerlei Hinsicht ein Initiationsfilm: Er überführte den mit wenigen Ausnahmen bislang als "strictly for adults" behandelten Copfilm in familientaugliche Sphären, ohne gewisse Grundmotive zu verraten, verschaffte dem SNL-Star Eddie Murphy seine größte Erfolgsplattform im Kino, kreierte damit den ersten schwarzen Megastar im Film und firmierte langen Jahre unter den Top Ten der kommerziell erfolgreichsten Filme. Bis heute charakterisiert er seine Entstehungszeit nicht nur, er prägt sie entscheidend mit. Die noch stark von Disco infizierten Popbeats von Harold Faltermeyer und den ganzen analog musizierenden Bands auf dem Soundtrack (der den puren Song als wesentlichen, stilistischen Gesamtbestandteil als eines der ersten Nicht-Musicals seit "Easy Rider" mitdefiniert), der abgewetzte Kleidungs- und Lebensstil als kontrapunktiver, proletarischer Gegenentwurf zu dem langsam aufkeimenden Yuppie-Ideal hipper Großstädter. Damit einhergehend natürlich auch eine latente Homophobie, die sich allerdings weitaus weniger angsterfüllt gestaltet als es der Begriff impliziert. Jeder "Paradiesvogel" in Beverly Hills ist zugleich nötigenfalls auch eine Triene: Das Galeriefaktotum Serge (Bronson Pinchot), der berühmte Bananenkellner (Damon Wayans) und schließlich der Oberbösewicht und sein Oberkiller, wobei sich der homosexuelle Gestus je nach gesellschaftlicher Stellung wahlweise moderat äußert. Das ist zwar entlarvend für den Film und seine Zeitmentalität, aber ebenso grundehrlich.
Formidabel schließlich die zwei monumental inszenierten Actionszenen, wie es sich gehört eine zu Beginn und eine zum Showdown. Wohltemperiert, geerdet und damit ohne so blasiert zu wirken, wie es heute Usus ist, sind sie entscheidend für das gesamte Tempomaß des Films. Eine prachtvolle Verfolgungsjagd und ein angemessen harter Shoot-out - Herz, was willst du mehr. Maßgeblicher, gediegener, besser kann Mainstreamkino kaum sein.

10/10

Rache Beverly Hills Los Angeles Buddy Movie Detroit Martin Brest car chase Simpson/Bruckheimer





Filmtagebuch von...

Funxton

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