Zum Inhalt wechseln


In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


Foto

MARLOWE (Paul Bogart/USA 1969)


"I do like her, but why should she get all of the goodies?"

Marlowe (Der Dritte im Hinterhalt) ~ USA 1969
Directed By: Paul Bogart

Auf der Such nach dem Aussteiger Orrin Quest (Roger Newman), dessen Schwester Orfamay (Sharon Farrell) ihn engagiert hat, stößt Philip Marlowe (James Garner) alsbald auf die ersten Leichen seines neuesten Falles, allesamt Kleingangster, die mit einem Eispickel im Genick enden. Außerdem trifft er die allseits beliebte Fernsehschauspielerin Mavis Wald (Gayle Hunnicutt), die eine Affäre mit dem stadtbekannten Gangsterboss Sonny Steelgrave (H.M. Wynant) pflegt und durch prekäre Fotos, die beide gemeinsam zeigt und die Mavis' Karriere schlagartig beenden könnten, erpresst wird. Marlowe steht bald zwischen allen Fronten und muss sich mehrfach seiner Haut erwehren, bis er die wahren Hintergründe des Puzzles aufgelöst hat.

Nach immerhin ganzen 22 Jahren Pause fand Chandlers Privatdetektiv Philip Marlowe in der Gestalt James Garners wieder auf die Leinwand zurück. Was als Startschuss für eine mögliche Kino- oder, noch passender, als Pilot für eine TV-Serie hätte stehen können, ging aus naheliegenden Gründen ziemlich sang- und klanglos unter. Die Hauptschuld dafür würde ich ganz nonchalant bei Bogarts Inszenierung verorten. Um es pointiert zu formulieren: Dass der Mann in erster Linie fürs Fernsehen arbeitete, ist unverkennbar. "Marlowe" findet sich überraschungsarm, schmucklos und vor allem überaus "gängig" inszeniert; dass da gerade irgendwo 'New Hollywood' dämmerte, lässt sich bestenfalls an der Wahl des Stoffs sowie anhand des unverhältnismäßig qualitätsbewusster verfassten Scripts (Stirling Silliphant) ablesen.
Was ein befähigterer Regisseur aus der Geschichte gemacht hätte, lässt sich wie so oft bloß mutmaßen; wie jedoch ein zeitgenössischer Chandler auszusehen hatte, ließen Robert Altman und Dick Richards relativ kurz darauf miterleben. Dabei ist James Garner in der Titelrolle gar nicht mal verkehrt, wenn auch bestimmt kein Bogey oder Elliott Gould. Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich die Fußnote, dass Bruce Lee sich als henchman zwei Auftritte liefert (die, bei einer Netto-Screentime von vielleicht sechs Minuten, noch heute für eine geringfügig etikettenschwindlerische DVD-Vermarktung als "ein echter Bruce Lee" missbraucht werden): Im ersten zerlegt er lautstark Marlowes Büro, im zweiten stellt er sich dann im Zweikampf mit Garner so dumm an, dass er mit Anlauf vom Dach fliegt. "Kentucky Flied Movie" lässt glüßen.

7/10

Paul Bogart Philip Marlowe Raymond Chandler Los Angeles Hollywood film noir neo noir hard boiled


Foto

LE CLAN DES SICILIENS (Henri Verneuil/F 1969)


Zitat entfällt.

Le Clan Des Siciliens (Der Clan der Sizilianer) ~ F 1969
Directed By: Henri Verneuil

Weil er ein großes Ding, nämlich die Existenz unschätzbar wertvoller Juwelen auf internationaler Museustournee, im Knast aufgetan hat, wird der Häftling Sartet (Alain Delon) von dem Gangsterpatriarchen Manalese (Jean Gabin) während eines Gefangenentransports befreit. Den fanatischen Bullen Le Goff (Lino Ventura) wegen Sartet stets dicht auf den Fersen, entwickelt Manalese mit seinem alten Freund Nicosia (Amedeo Nazzari) einen spektakulären Plan für den Raub der Klunker. Diese werden an Bord einer Passagiermaschine von Rom nach New York geflogen, die Sartet, Manalese und Komplizen entführen und auf einem Highway in der Nähe des Bestimmungsflughafens landen. Fast sieht es so aus, als wäre dieser grandiose Coup auch folgenlos durchgeführt worden, da jedoch kommt heraus, dass Sartet mit Manaleses Schwiegertochter (Irina Demick) ein kurzes Techtelmechtel hatte...

Am Ende sind sie alle fällig - immerhin ist die Familienehre wieder hergestellt. Ich wäre ja lieber mit den Steinen bzw. dem Erlös durchgebrannt und hätte mir eine solch absehbar folgenreiche Vendetta eraspart. Aber ich bin schließlich auch kein Sizilianer und noch weniger Mafioso. Im Gegensatz zu Jean Gabin, der in "Le Clan Des Siciliens" einen der wahrscheinlich liebenswertesten Cosa-Nostra-Patriarchen überhaupt spielt, einen richtig netten, gewitzten Opa, der die ganze Härte, zu der er fähig ist, dann auch erst zum Ende hin ausspielt. Allerdings ist Verneuil kein Melville und sein Gangster-Epos entsprechend leichtfüßiger. Den ganz großen Existenzialismus versagt sich "Le Clan" und beschränkt sich darauf, ein ausgebufftes Genrestück zu liefern, in dem es weniger um die unausweichliche Folge des zwangsläufigen Scheiterns geht (das trotz des hoffnungsvollen Eingangszitats ohnehin als moralisch unausweichliche Folge feststeht), denn um das aufregende Abenteuer Kriminalität.

8/10

Henri Verneuil Mafia Heist Rache Paris Rom New York


Foto

SCHWARZER MARKT DER LIEBE (Ernst Hofbauer/BRD 1966)


"Seltsam, diese afrikanischen Zigaretten..."

Schwarzer Markt der Liebe ~ BRD 1966
Directed By: Ernst Hofbauer

Harald (Claus Tinney) und sein Kumpel Rolf (Rolf Eden) ziehen einen mehr oder minder florierenden Mädchenhandel auf, den sie etwas umwegsam gestalten: Wahlweise lockt man die Opfer mit dem Angebot, in Nahost eine Tanztournee zu begehen. Oder lädt sie in das mondäne Hause einer lesbischen Gräfin (Tilly Lauenstein) ein, wo allenthalben exzessive Drogenpartys von teils hochrangigen Gesellschaftsvertretern gefeiert werden und offeriert der finanziell liquiden Altjungfer die unschuldigen Opfer. Die internationale Konkurrenz allerdings schläft nicht und so kommt es zu manchem Scharmützel, bis die zwei Unholde ihre gerechte Strafe ereilt. Das rettet die nette, unschuldige Birgit (Li Hardes) jedoch auch nicht mehr vor ihrem Freitod aus Schande...

Huh - es wird verrucht. Kriminelles Volk, Brutalinskis galore, Skrupellosigkeit, Prostitution, übler Schacher, Marihuana- und Heroin-Zigaretten, exzessives Bongospiel, eine heiße Beatversion von "Shotgun" (Junior Walker & The Allstars) und Rolf Eden sorgen für ein klassisches Sechziger-Halbwelt-Ambiente oder zumindest für das, was sich der gemeine Kolportage-Filmer, in diesem Falle Ernst Hofbauer, darunter vorzustellen pflegte. Die Lektionen, die Hofbauers gesottener Streifen bereithält, ergeben allerdings die eigentliche Sensation. Ohne die gesetzt-dakadente High Snobiety in Ost und West nämlich, die, die's sich leisten können, ihren abgründigen Gelüsten freien Lauf zu lassen, würde es Schweinereien wie die hier gezeigten gar nicht geben. Harald und Rolf wären vielleicht Schlagersänger geworden, oder Schauspieler. Und die putzige Birgit wäre noch am Leben, unversaut durch Heroinkippen und Tilly Lauensteins welke Finger, und hätte ihren Märchenprinzen mitsamt Schimmel doch noch getroffen. Aber: wir lebten (und leben) in einer Scheißwelt, was irgendwie auch ganz cool ist, denn dieser Umstand gab und gibt Menschen wie dem stets in semiinvestigativen Untiefen rührigen Ernst Hofbauer die Möglichkeit, schonungslose Aufklärung zu betreiben und uns all die Unbill der Existenz vor Augen zu führen. S. auch: "Wenn die prallen Möpse hüpfen". Danke dafür, Ernst.

6/10

Ernst Hofbauer Mädchenhandel Drogen Berlin Genua Italien Camp Sleaze


Foto

NICHT MEIN TAG (Peter Thorwarth/D, NL 2014)


"Mann, do!"

Nicht mein Tag ~ BRD/NL 2014
Directed By: Peter Thorwarth

Der Bankangestellte Till Reiners (Axel Stein) ist eigentlich tiefunglücklich. Für ein angepasstes Leben als Familienvater hat er seinen einstigen großen Traum einer Musikkarriere aufgeben müssen. Die wilden Jugendjahre haben sich in eine geregelte Existenz als Anzugträger verwandelt, mit seiner Frau Miriam (Anna Maria Mühe), die eine Karriere als Handtaschendesignerin anstrebt, reicht sich Till nach der Arbeit die Klinke in die Hand, um tagtäglich daheim auf Sohnemann Nico (Emilian Markgraf) aufpassen zu dürfen.
Das alles ändert sich, als Till dem soeben aus dem Knast entlassenen Kleingangster Nappo (Moritz Bleibtreu) begegnet. Dieser nimmt den zunächst verdutzten Banker im Zuge eines Überfalls als Geisel, ahnt jedoch nicht, dass er sich damit mehr Probleme ins Haus holt als sie gut für ihn sind. Denn als Till nach Jahren wohlweislicher Abstinenz wieder zum Alkohol greift, weil seine Ehekrise ihn schwer frustriert, steht urplötzlich nicht nur Nappos Leben Kopf, sondern auch halb Amsterdam.

Ganze acht Jahre hat man nach "Goldene Zeiten" auf eine neue Regiearbeit Peter Thorwarths warten müssen - nun kann man diese dankbar in Empfang nehmen. Dankbar, weil Thorwarth zu alter Stärke zurückfindet, indem er sich, paradox, paradox, just auf diese besinnt. Eine ganze Menagerie schräger Typen an allen Ecken und Enden bekommt man da präsentiert; diverse Selbstreferenzen, ob in Form von Artefakten wie einem wohlbekannten Dortmunder Nummernschild, oder in personeller Variante (Christian Kahrmann kehrt für einen Gastauftritt als Mark Kampmann zurück, Till Schweiger bekommt einen zumindest schmunzlerischen Cameo) sind Ehrensache. Das Schönste an "Nicht mein Tag" aber ist neuerlich Thorwarths spezielle Brillanz bezüglich der Schauspielerführung: Jede ( r ) der Darsteller und Darstellerinnen gibt eine großartige Vorstellung, die jeweils besonders vergnüglich ist, weil sie ganz viel gestalterischen Freiraum erhält und den Leuten die Möglichkeit gibt, immens viel von sich selbst in ihre Rollen zu legen. Weitere personelle Höhepunkte finden sich erwartungsgemäß in Ralf Richters unverzichtbarer appearance nebst der von seinem Kompagnon Maxwell Richter als "Langer" und "Kurzer" sowie in Axel Steins monumentaler Sauf- und Drogentour durch das Amsterdamer Nachtleben mitsamt anschließender Fluchtfahrt. Hier gibt es massig und herzhaft zu lachen. Daher alles sauber und adrett und daher auch bitte ab jetzt keine acht Jahre Wartezeit mehr bis zum nächsten Werk, werter Herr Thorwarth.

8/10

Peter Thorwarth Buddy Movie Freundschaft Road Movie Amsterdam Kidnapping


Foto

THE KING OF MARVIN GARDENS (Bob Rafelson/USA 1972)


"It's you that behaves like a three-year-old!"

The King Of Marvin Gardens (Der König von Marvin Gardens) ~ USA 1972
Directed By: Bob Rafelson

David Staebler (Jack Nicholson), ein einsamer, verschrobener Intellektueller, der einmal die Woche seine Biographie in einer essayistischen Radiosendung Revue passieren lässt, erhält eine Einladung von seinem älteren Bruder Jason (Bruce Dern), nach Atlantic City zu kommen, wo große Pläne auf ihn warteten. David findet seinen Bruder vor Ort im Knast sitzend vor und erfährt, nachdem Jason auf Kaution draußen ist, von dessen angeblichem Großprojekt: Jason will eine kleine hawaiianische Insel kaufen, sich dorthin absetzen, ein Spielcasino eröffnen und es sich gut gehen lassen, seine beiden Mätressen Sally (Ellen Burstyn) und Jessica (Julia Anne Robinson) im Schlepptau. Sein Bruder soll als sein Geschäftspartner fungieren. Der sogleich skeptische David findet bald heraus, was wirklich hinter Jasons Plänen steckt: In Wahrheit fehlen ihm auf ganzer Linie die finanziellen Mittel sowie einige notwendige Unterschriften, um das Ganze stemmen zu können, außerdem kann Jason keinen Schritt tun ohne die Erlaubnis seines heimlichen Bosses Lewis (Scatman Crothers). Hinzu kommt noch, dass sich die Dreiecksbeziehung um Jason und die beiden Frauen als höchst wurmstichig erweist.

Wenngleich diese Chronik eines erwartungsgemäßen Todes doch etwas anders schließt, als man es noch kurz zuvor hätte vermuten wollen, bleibt sie eines der Hauptwerke und ein Motor New Hollywoods. Als fünfte (und vorletzte, wesentliche) Produktion der kurzlebigen BBS, deren Filme von Columbia vertrieben wurden, erschließt sich bereits die Maßstäblichkeit dieses cineastischen "Familienunternehmens". Mit Nicholson, Dern und Burstyn gibt es drei darstellerische Gallionsfiguren der Bewegung zu sehen; der Schauplatz Atlantic City - mehr Ostküste geht kaum - bietet in all seiner maroden, salzigen Herbstlichkeit in perfekt-intimes Endzeitszenario. Die Figurenkonstellation ist mittlerweile hinlänglich bekanntes und gebrauchtes Kinogut: Zwei Brüder, der eine still und vernünftig, der andere ein großschnäuziger Bonvivant voller Selbstillusionen treffen eines der wenigen Male in ihrem Erwachsenenleben aufeinander und entfachen allzuviel Reibungshitze, als dass ihre Begegnung gesund enden könnte. Was dem einen Träume und Hoffnungen, sind dem anderen Realismus und Bodennähe eine wahrhaft bipolare Beziehung. Durch die beiden merkwürdigen Frauen, deren Leben seltsam verfahren scheint (sie sind zum einen Stiefmutter und -tochter, pflegen jedoch parallel dazu ein erotisches Liebesverhältnis mit wechselndem Zuneigungsgrad hinsichtlich Jason; auch Hinweise auf Prostitution und Prostituierung gibt es), spitzt sich die Situation noch mehr zu. David zeigt Interesse an Jessica, ist jedoch zu schüchtern, um weitere Schritte zu unternehmen. Am Ende reißen alle Bänder und David landet wieder bei seinen Mikrofonmonologen. New Hollywood war eben oft unerbittlich.

9/10

Bob Rafelson New Hollywood Atlantic City New Jersey Philadelphia Brüder


Foto

IT'$ ONLY MONEY (Frank Tashlin/USA 1962)


"Let 'em all loose!"

It'$ Only Money (Geld spielt keine Rolle) ~ USA 1962
Directed By: Frank Tashlin

Gern wäre der tolpatschige Fernsehmechaniker Lester March (Jerry Lewis) so ein cooler Privatschnüffler wie sein Lieblingskunde Pete Flint (Jesse White). Als über die Nachrichten bekannt wird, dass der berühmte Erfinder und Multimillionär Albright verstorben ist, sein einst verschollener Sohn als Haupterbe gesucht und für dessen Auffindung eine großzügige Belohnung in Aussicht gestellt wird, fackelt Lester nicht lang und dient sich Flint als Kollege an. Zu diesem Zeitpunkt ahnen beide noch nicht, dass es sich ausgerechnet bei Lester um den gesuchten Millionenknaben handelt. Der raffgierige Notar DeWitt (Zachary Scott) indes weiß längst Bescheid. Und er hat nicht vor, Lester die Penunze zukommen zu lassen...

Zum Zeitpunkt von "It'$ Only Money" waren Lewis und Tashlin längst ein eingespieltes Team, das auf eine ganze Stange gemeinsamer Erfolgsproduktionen zurückblicken konnte (wie zu Beginn ein paar abgerissene, aber gut sichtbar im Bild drapierte Kinoplakate früherer Werke beweisen) - fünf alles in allem, inklusive zweier Filme mit Dean Martin.
Diesen Titel würde ich irgendwo im qualitativen Mittelfeld ihrer Kooperation verorten. Tashlin konnte eine höchstpersönliche, technische Stärke - jene nämlich, VistaVision und Technicolor einzusetzen - leider nicht ausspielen. "It'$ Only Money" wirkt ein wenig wie ein allzu sparsam gehaltenes Abschreibungsobjekt, das zwischengeschoben wurde, um Terminpläne aufzufüllen. Selbstverständlich hat auch dieser Tashlin seine gloriosen Momente - Zachary Scott als schmieriger Popanz und Erbschleicher, der ständig fassungslos zu seiner Zukünftigen Cecilia (Mae Questel), der Schwester des verstorbenen Albright nämlich, hinüberlinst, weil diese schon wieder dämlich Turnübungen vollzieht oder ein Liedchen schmettert, ist ebensolch eine Schau wie sein Hausmörder Jack Weston. Auch Jesse White und wie seine Figur die Klischees des hardboiled genre parodiert, macht sich hervorragend.
Im Grunde passt und fügt sich soweit alles, nur das letzte polish, das ich von Tashlins Filmen üblicherweise gewohnt bin, das vermisse ich hier.

7/10

Jerry Lewis Erbschaft Frank Tashlin Kalifornien


Foto

COTTAGE COUNTRY (Peter Wellington/CA 2013)


"You can't be serious, Toddles."

Cottage Country ~ CA 2013
Directed By: Peter Wellington

Eine wunderbar romantische Woche soll's werden: Todd Chipowski (Tyler Labine) will seiner Freundin Cammie Ryan (Malin Akerman) endlich den langerwarteten Heiratsantrag machen. Dazu fährt man man extra ins romantisch an einem See gelegene Cottage von Todds Eltern (Kenneth Walsh, Nancy Beatty). Doch entern, schockschwerenot, zeitgleich Todds nichtsnutziger Bruder Salinger (Dan Petronijevic) und dessen debile Freundin Marsha (Lucy Punch) das Häuschen und verderben Todd und Cammie sämtliche traute Zweisamkeit. Zudem hat Salinger auch noch seine aus Drogenfreaks bestehende Kumpel-Baggage zu ein paar Partytagen eingeladen. Der zu erwartende Streit zwischen Todd und Salinger eskaliert und endet mit einer Axt in Salingers Hals. Nun muss auch Marsha weg, deren Abgang Cammie übernimmt. Die Leichen werden zerteilt und im See versenkt. Als Salingers Freunde eintreffen, schöpft vor allem der naseweise Dov sogleich (Benjamin Ayres) Verdacht, dass Salingers Ausbleiben kein Zufall sein kann. Ergo muss auch Dov dran glauben. Der Druck der ermittelnden Polizei kitzelt es schließlich aus Todd heraus: Eigentlich hat er Cammie nie geliebt und sich zu stellen ist die letzte Option...

Urkomischer Fun-Splatter, der seine Antriebsrädchen allesamt ganz sicher nicht neu erfindet, sie aber vortrefflich in Gang zu halten weiß. Wellington liefert eine herzhafte Satire gegen verspießbürgerte Establishment-Pärchen, die ihre Individualität und Träume zugunsten gesellschaftlicher Anpassung irgendwann in die Wüste geschickt haben. Im Leben Todd Cipowskis spielt nurmehr zweierlei eine Rolle: Ein guter, erfolgreicher Angestellter zu sein nämlich und die baldige Legalisierung der Beziehung zu seiner überaus vorzeigbaren Freundin Cammie. Cammie indes ist kaum minder verlogen: Als zweifelsohne dominantes Frauenzimmer braucht sie einen bärigen Pantoffelhelden wie Todd, den sie vollends manipulieren und beherrschen kann. Als es dann aus dem armen Todd herausexplodiert, kommt es gleich so richtig dicke: Zu spüren bekommt dies sein komplett diametral befindicher Bruder, ein ungepflegter Bohèmien und Nervensäge aus Überzeugung. Natürlich, das kennt man aus diversem ähnlich gelagerten Kinogut, muss ein einmal begonnener Amoklauf, und sei er auch noch so impulsiv, konsequent weitergeführt werden - Zeugen und Neugiereige verlangen nach Beseitigung. Dass Menschen sich in der Regel nicht so einfach umbringen lassen, müssen nunmehr auch Todd und Cammie feststellen, doch während der Eine sich, wenngleich viel zu spät, besinnt, dreht die Andere erst recht auf. Ein herrlich geschmackloses, böses Ende, das allen Illusionen nebst der unabwendbaren Verlogenheit arrangierter, trauter Zweisamkeit die rote Karte zeigt setzt ein leuchtendes Finish unter diesen überraschend gelungenen, köstlichen Film.

8/10

Peter Wellington Splatter Groteske Familie Brüder


Foto

DIGGSTOWN (Michael Ritchie/USA 1992)


"Is that ten grand or are you just happy to see me?"

Diggstown (Ihr größter Coup) ~ USA 1992
Directed By: Michael Ritchie

Schon im Knast fasst der kurz vor seiner Entlassung stehende Gentleman-Gauner Gabriel Caine (James Woods) den Plan für sein nächstes großes Ding. Er will den Kleinstadtpatriarchen John Gillon (Bruce Dern) ausnehmen, einen ebenso box- wie wettfanatischen Semi-Gangster, der keine Skrupel kennt, um an seine meist unkoscheren Ziele zu gelangen. Zusammen mit seinem in Glücksspielsachen versierten Kumpel Fitz (Oliver Platt) und dem Seniorboxer Honey Roay Palmer (Louis Gossett Jr.) stellt er Gillon folgende Wette: Palmer soll binnen 24 Stunden zehn von Gillons Amateurboxern durch jeweilgen K.O. besiegen. Den Einsatz besorgt sich Caine bei dem Gangsterboss Corsini (Orestes Matacena). Gillon erweist sich jedoch als mit allen Wassern gewaschener Hundsfott, der nötigenfalls auch über Leichen geht, um nur nicht verlieren zu müssen...

Abseits davon, dass Michael Ritchie für sein kleine, eindeutig der Lakonie der Siebziger verpflichtetes Amateurboxer-Ballade eine supertolle Besetzung gewinnen konnte, dem allein bei der Ausübung ihrer Profession zuzuschauen bereits höchst vergnüglich ist, macht "Diggstown" auch sonst viel Freude.Um eine relativ unaufgeregte Underdog-Story handelt es sich dabei; ein paar nette, wenngleich nicht mit unbedingt mit der Legalität verwandte Typen dreht sich das Ganze, die allerdings einen Rest moralischer Integrität und einen unantastbaren privaten Ehrenkodex pflegen und somit zumindest ihr Gegenüber trickreich aus dem Feld schlagen. Daran, dass der Film mit seiner finalen Finte auch eine Hommage an George Roy Hills "The Sting" ist, lässt der spätere Videoauswertungstitel "Midnight Sting" wenig Zweifel: Der clevere Betrüger Gabriel Caine, stolz auf seine Fachkompetenz, hat natürlich selbst dann noch ein Ass im Ärmel, als längst alles verloren scheint. Am Ende hat man nicht nur die eigene Ehre, sondern zugleich noch die diverser anderer, von Gillon gefoppter oder gar schwer hintergangener Mitspieler gerettet.

8/10

Michael Ritchie Kleinstadt Coup Faustkampf Freundschaft Südstaaten


Foto

THE LAST OF SHEILA (Herbert Ross/USA 1973)


"Give me a glass of water and a couple of lesbians."

The Last Of Sheila (Sheila) ~ USA 1973
Directed By: Herbert Ross

Der exzentrische Millionär Clinton Green (James Coburn) lädt sechs Freundinnen und Freunde (Richard Benjamin, Joan Hackett, Dyan Cannon, Ian McShane, Raquel Welch, James Mason) aus dem Filmbusiness zu einer kleinen Kreuzfahrt auf seiner Yacht vor der Côte D'Azur ein. Genau ein Jahr zuvor starb Greens geliebte Frau Sheila (Yvonne Romain) bei einem Unfall mit Fahrerflucht. Der Täter konnte nie ermittelt werden. Nun hat der Bootstrip durch die Riviera keinesfalls bloßes Baumelnlassen zum Ziel: Green hat ein Spiel entwickelt, bei dem jeder der Mitfahrenden eine Identitätskarte erhält, die die jeweils anderen entschlüsseln müssen. Bald schon offenbart sich infolge dessen, dass Green einige schmutzige Geheimnisse aus der jeweiligen Vergangenheit der Mitspieler kennt - darunter offenbar auch die Identität des Unfallwagenfahrers...

Eine böse, schwarze Krimikomödie, die Herbert Ross nutzt, um gegen das alte Hollywood und seine verblassende Eitelkeit zu wettern und um ein unerwartet erstklassig siebenköpfiges Ensemble vorzustellen, das, soviel wird rasch klar, sich keiner besonderen Sympathien des Publikums versichern kann. Nicht allein die Art der von Clinton green veräußerten, kleinen und großen biografischen Schnitzer ist es, die einem dieses (inklusive des ewig stichelnden Gastgebers) Septett vergällt - vor allem der Umgang damit beweist, mit welcher Art merkwürdiger Gesellschaft man es zu tun hat. Der unerwartete Mord in der Mitte des Films sorgt dann für eine cleveren Richtungswechsel in der Narration, worauf eine Art christie'sches Auflösungspuzzle erfolgt, ohne Meisterdetektiv freilich, dem wiederum ein Schlenker nachfolgt. Am Ende ist im Grunde alles wie zuvor; es gibt zwei Tote mehr und noch ein paar Möglichkeiten, seine Mitmenschen zu erpressen, dafür scheint sich ein vielversprechendes Filmprojekt anzubahnen - vielleicht jenes, welchem wir gerade beigewohnt haben?
Ebenjene Doppelbödigkeit macht Ross' Film so faszinierend, neben Ross' voller Hinweise steckender Inszenierung, die einem am Ende nochmal unübersehbar vor den Kopf geknallt wird. Eine schönes Exerzitium in Aufmerksamkeit, Konzentration und "richtigem" Hinschauen somit auch.

9/10

Herbert Ross Riviera Film Freundschaft Mittelmeer Reise Ensemblefilm Anthony Perkins


Foto

VOM TEUFEL GEJAGT (Viktor Tourjansky/BRD 1950)


"Was ist das für ein Lärm da draußen...?"

Vom Teufel gejagt ~ BRD 1950
Directed By: Viktor Tourjansky

Der zu Unrecht in Ungnade gefallene Psychiater Dr. Fingal (Willy Birgel) findet, ebenso wie seine Freundin Cora (Maria Helst), eine Einstellung in der Klinik seines alten Freundes und Berufsgenossen Helmut Blank (Hans Albers). Blank gilt als idealistischer Arzt, der zugleich selbst mit pharmazeutischen Substanzen experimentiert. Ein aus dem Ausland importiertes, noch unerforschtes Mittel names K-27 verspricht Heilung sogar in schweren Fällen von Psychose. Um die körperlichen auswirkungen zu testen, probiert Blank das Mittel an sich selbst aus. Apathie, Gedächtnisverlust und Willenlosigkeit stellen sich für mehrere Stunden ein, bis der Geist sich wieder erholt. Doch es bleibt nicht bei diesem einen Aussetzer: Nicht nur, dass Blank sich urplötzlich an ganze Tagesabläufe nicht erinnern kann, er entwickelt zugleich eine dunkle, kriminelle Seite, die immer dann zum Vorschein kommt, wenn er einen seiner "Aussetzer" hat...

Ein früher, deutscher Versuch, Genrekino zu machen, abseits von Heimatfilm, Kriegsschulddrama und aufkommender Wirtschaftswunderillusion und somit ein wichtiger Schritt in eine Richtung, die vor allem international verblasste, hiesige Leinwand wieder etwas weiter zu öffnen. "Vom Teufel gejagt" lässt sich dabei unschwer als "Jekyll/Hyde"-Variation identifizieren, wobei jedoch der Mut zu weiterer Intensivierung ausbleibt. Im Gegensatz zum "Original" ist Dr. Blank kein philosophisch angehauchter Kopf, der versucht, Es und Über-Ich zu trennen, sondern ein Philanthrop, dem es darum geht, seelische Krankheiten zu heilen. Im Selbstversuch muss der integre Mann dann unfreiwillig feststellen, dass er selbst eine ignorierte, weithin "abgespaltene" Persönlichkeitsfacette besitzt, die er bislang erfolgreich hat ignorieren können. Blanks Verwandlung in sein kriminelles alter ego wird zudem nie äußerlich sichtbar. Weder äffisches Schimpansengebiss noch zusammengewachsene Augenbrauen kennzeichnen seine Veränderung, nur ein leichtes Lichthuschen über die Augenpartie und eine lallende Sprechweise signalisieren: Der "böse Blank" ist wieder da.
Ein wenig klassischer "Mabuse" liegt darin, zudem eine recht hemdsärmelige Auffassung von Psychiatrie, die wahlweise nur völlig gestörte Geisteskranke (Alexander Golling) kennt oder überkandidelte Luxusfrauchen (Lil Dagover) mit Schoßhund. In jedem Fall ein nicht zu unterschätzender Lichtblick innerhalb der zeitgenössischen, nationalen Kinolandschaft.

8/10

Viktor Tourjansky Psychiatrie Medizin Madness Mad Scientist Jekyll & Hyde





Filmtagebuch von...

Funxton

    Avanti, Popolo

  • Supermoderator
  • PIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIPPIP
  • 8.268 Beiträge

Neuste Kommentare