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In meinem Herzen haben viele Filme Platz 2.0


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THE SUSPECT (Robert Siodmak/USA 1944)


"I simply put trust in his conscience."

The Suspect (Unter Verdacht) ~ USA 1944
Directed By: Robert Siodmak

London, kurz nach der Jahrhundertwende: Der gutmütige Verkäufer Philip Marshall (Charles Laughton) leidet unter dem häuslichen Terrorregime seiner Frau Cora (Rosalind Ivan), einer unentwegt zeternden Xanthippe, die nicht nur ihrem Gatten, sondern auch dem gemeinsamen Sohn John (Dean Harens), den sie aus dem Hause treibt, das Leben verdunkelt. Als Philip beginnt, sich mit der bezaubernden Stenotypistin Mary (Ella Raines) zu treffen und daraus bald aufrichtige Liebe erwächst, droht Cora ihm mit einem öffentlichen Skandal, der seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ruin bedeutete. In seiner Verzweiflung sieht sich der sonst so besonnene Mann veranlasst, seine Frau mittels eines unfälligen Treppensturzes "verschwinden zu lassen", was den misstrauischen Inspektor Huxley (Stanley Ridges), der Philip fortan wie eine Klette anhängt, auf den Plan ruft. Immerhin ist der Weg zu Mary frei, doch ihr Glück ist nicht von Dauer: Sein versoffener, gewalttätiger Nachbar Simmons (Henry Daniell) versucht, Philip zu erpressen, indem er ihm droht, vor Gericht als falscher Zeuge einer möglichen Anklage aufzutreten. Erneut ist Philip gezwungen, zum Gewaltverbrecher zu werden. Als er, kurz vor seiner Ausreise nach Kanada mit Mary und John, von Huxley erfährt, dass Simmons sympathische Ehefrau (Molly Lamont) des Mordes an ihrem Gatten verdächtig ist, entscheidet er, sein Gewissen zu erleichtern und sich zu stellen.

Mit "The Suspect" ist ein weiterer formvollendeter film noir geglückt, der im Vergleich zu weiteren Genrebeiträgen wie "Phantom Lady", "The Killers" oder "The Spiral Staircase" jedoch sehr viel signifikanter mit dem humanistischen Drama liebäugelt. Charles Laughton, der, wie man weiß, ganz vortrefflich eherne Sadisten und korrupte Verbrecher darzustellen wusste, ist hier als in Not geratener Sympathieträger zu sehen, der der trügerischen Illusion erliegt, dazu gezwungen zu sein, tödliche Selbstjustiz anzuwenden, um sein Leben schadlos zu erhalten. Zunächst scheint sich auch wirklich alles zu seinen Gunsten zu fügen, doch Justitia fordert schlussendlich seine moralische Integrität heraus, die sich dann erwartungsgemäß als unbestechlich erweist. Siodmak beordert sein Publikum gleich zu Beginn geschickt auf Marshalls Seite: Als geduldiger, wenngleich höchst unglücklicher Ehemann hält er den psychischen Druck, den Cora verursacht, aus und ist stets bereit, einen Neuanfang zu wagen. Doch Coras Boshaftigkeit schwingt sich zu immer neuen Höhen auf, die andere Zeitgenossen bereits wesentlich früher hätten explodieren lassen. Hinzu kommt der zeitbedingte soziale Druck, der familiäre Skandale gleichbedeutend macht mit existenziellem Ruin. Eine Frau wie Mary, jung, schön und liebenswert, ist da das einzig hilfreiche Balsam, doch selbst sie schützt nicht vor der alten Gesetzmäßigkeit, derzufolge ein Verbrechen in höchster Not nur seltenst ein singuläres bleibt. Der Giftmord am Nachbarn Simmons, der, wie wir erfahren, als Coras maskulines Pendant seine Frau ins Unglück stürzt, säuft und auch vor Erpressung nicht zurückschreckt, wird Marshall mittelbar zum Verhängnis, nicht, weil er so dumm wäre, sich erwischen zu lassen, sondern weil er Simmons' Frau vor dem drohenden Strick bewahren muss.
Das Script beruft sich inoffiziell auf den authentischen Fall des Dr. Hawley Crippen, eines emigrierten Pharmazeutikers, der in London seine ihn betrügende Frau vergiftet hatte und mit seiner Geliebten nach Kanada übersetzte, als er an Bord der Passage erkannt und den Behörden zugeführt werden konnte. Crippen erwies sich während der folgenden Verhandlung als überaus sympathischer Mann, dem eigentlich kein Mord zuzutrauen wäre.

9/10

Robert Siodmak period piece London Ehe film noir Edwardian Age


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THE VALACHI PAPERS (Terence Young/F, I 1972)


"You made my decision."

The Valachi Papers (Die Valachi-Papiere) ~ F/I 1972
Directed By: Terence Young

Der Gangster Joe Valachi (Charles Bronson), einst lange Jahre als Fahrer für diverse New Yorker Unterweltgrößen tätig, landet im Knast und damit prompt auf der Todesliste des ebenfalls einsitzenden Paten Vito Genovese (Lino Ventura), der hinter Valachi einen heimlichen Kronzeugen fürs FBI vermutet. Erst nach einer offenen Mordankündigung durch Genovese ntschließt sich Valachi, wirklich auszupacken und berichtet dem Beamten Ryan (Gerald O'Loughlin) in langwierigen Sitzungen alles, was er über die Cosa Nostra weiß und bei ihr gelernt hat.

Nach "The Godfather" boomte der Mafiafilm, wobei besonders authentizitätsverhaftete Geschichten, die den Mob auf jene spezifische Weise zugleich ent- und remystifizierten, von Interesse waren. Die De-Laurentiis-Produktion "The Valachi Papers" bediente sich der authentischen Geschichte um das Mafia-Mitglied Joseph Valachi, der in Todesangst zum ersten öffentlich aussagenden Informanten des FBI wurde und trotz hochdotierter Kopfgelder eines natürlichen Todes im Gefängnis starb. Das Original war vermutlich nicht ganz so kernig wie sein von Bronson gespieltes Pendant auf der Leinwand, zu Beginn befremdlich schäuzerlos und mit grau gepuderter Perrücke auftretend. Doch dies bildet keinen Störfaktor. So spannend und ergiebig das Thema, so Vieles löst der Film ein: der mit viel Zeitkolorit garnierte Einblick in die hierarchischen Strukturen und Rituale der 'famiglia' nebst Ehrenkox und Vergeltungsschlag, sein authentisches Personal sowie die erlesene Besetzung, aus der neben Bronson und Ventura vor allem Joseph Wiseman und Guido Leontini hervorstechen Die Inszenierung unter Terence Young bleibt allerdings stets arg routiniert und programmatisch. Ein prägnanterer Regisseur mit etwas mehr Mut zur Extravaganz hätte "The Valachi Papers", der aufgrund seiner inhaltlichen Komplexität doch so viel hergibt, vielleicht zu einem Werk von Weltformat gemacht, wie es 18 Jahre später auch der ganz ähnlich konnotierte "Goodfellas" wurde.

8/10

Terence Young New York Mafia period piece Historie Gefängnis Verhör Biopic


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QUELQU'UN DERRIÈRE LA PORTE (Nicolas Gessner/F 1971)


"Why would you want to help me?" - "Because I'm your doctor."

Quelqu'Un Derrière La Porte (Der Mörder hinter der Tür) ~ F 1971
Directed By: Nicolas Gessner

Der Gehirnchirurg Laurence Jeffries (Anthony Perkins) ist besessen von seiner Arbeit und vernachlässigt seine Frau Frances (Jill Ireland), die sich demzufolhe auf der anderen Kanalseite einen französischen Liebhaber (Henri Garcin) hält, mit dem sie sich unter Vorwänden regelmäßig trifft. Jeffries weiß davon, vermag jedoch nicht, gegen Frances aufzubegehren. Als eines Abends ein amnesischer Patient (Charles Bronson) in seine Klinik eingeliefert wird, fasst Jeffries kurzerhand einen teuflischen Plan: Er dichtet dem Mann, den er mit zu sich nach Hause nimmt, seine eigene Vergangenheit an, erzählt ihm, Frances wäre seine Ehefrau und würde Ihm Hörner aufsetzen. Der labile Fremde nimmt Jeffries seine Geschichte tatsächlich ab und identifiziert sich mit seiner aufoktroyierten Rolle. Doch der sich so brillant wähnende Arzt ahnt nicht, um wen es sich bei seinem Hausgast wirklich handelt...

Mit "Qulqu'Un Derrière La Porte" näherte sich Bronsons Euro-Engagement langsam aber sicher seinem Schwanengesang. Eine schleichende Übergangsphase erfolgte nun, die den gemeißelten Mimen nach ein paar internationalen Coproduktionen mit Richard Fleischers "Mr. Majestyk" engültig in die USA zurück führte. In Gessners beeindruckendem Kammerspiel, dass sich aufgrund seiner räumlichen Verdichtung im Übrigen exzellent als Bühnenstück adaptieren ließe, spielt Bronson vielleicht eine seiner ehrlichsten Rollen: Als entflohener Geisteskranker, Vergewaltiger und Mörder ohne Gedächtnis ist er trotz all der Jahre späteren Vigilantentums noch immer grandios vorstellbar. Auch darstellerisch straft er hierin so manchen inkompetenten Kritiker Lügen. Sein häufig verwirrtes, fragendes Gesicht mitsamt traurigem Augenpaar, dessen Unterbewusstsein natürlich all seine Schandtaten gespeichert hat, zeugt von einer Spielqualität, die später leider redundant wurde und damit zwangsläufig brachzuliegen hatte. Und sein herzzereißender Suizid am Ende, als er sich, vielleicht doch noch ein letztes Mal Herr aller seiner Sinne, der neuerlich drohenden Gefangennahme sowie der quälenden Gewissheit auf die einzig denkbare Art entzieht.

8/10

Nicolas Gessner England Norfolk Amnesie Madness


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DE LA PART DES COPAINS (Terence Young/F, I, B 1970)


"Killing him wouldn't be murder. It would be like cleaning a cesspool."

De La Part Des Copains (Kalter Schweiß) ~ F/I/B 1970
Directed By: Terence Young

Der Indochina-Veteran und entflohene Ex-Knacki Joe Martin (Charles Bronson) hat sich bereits vor längerem mit Frau Fabienne (Liv Ullman) und Stieftochter Michèle (Yanick Delulle) an der Côte D'Azur niedergelassen, wo er mit einigem Erfolg reichen Amateurkapitänen das Navigieren auf See beibringt. Eines Tages tauchen jedoch seine vier früheren Mitgefangenen Katanga (Jean Topart), Ross (James Mason), Gelardi (Luigi Pistilli) und Whitey (Michel Constantin) nebst dem Gangsterblondchen Moira (Jill Ireland) auf. Joe hatte sie einst während des Ausbruchs in dem deutschen Militärgefängnis zurücklassen und ohne sie türmen müssen. Nun folgt die Abrechnung: Nachdem Joe den Vorboten Whitey erledigen kann, nehmen die verbleibenden Finsterlinge Fabienne und Michèle als Geiseln. Joe soll die Gangster mit seinem Boot in die Ägäis bringen. Doch der wehrhafte Familienvater lässt sich nicht beugen.

Schnörkelloser Eurokrimi, der eine frühe Paraderolle für Bronson transportiert und von Terence Young pointiert inszeniert wurde. Weg vom noch künstlerisch beflisseneren Genrekino der letzten Jahre silhouettiert "De La Part Des Copains" bereits Bronsons kommenden Archetypus - den des unerbittlichen, kantigen Helden, der sich mit wenigen Worten seinen Weg bahnt und der Bedrohungen der eigenen Person und vor allem der Familie mit doppelter Münze vergilt. Dem vorausgeschickten Whitey bricht Joe nach einem Zweikampf das Genick, den besonders boshaft (da misogyn, pädophil, und egozentrisch) charakterisierten Katanga setzt er am Schluss in Flammen. Dass Young an existenzialistischer Schwere nicht explizit interessiert ist, zeigen andererseits vergleichsweise versöhnliche Momente: Die zurückkehrende Besonnenheit des verblutenden James Mason angesichts des nahenden Todes etwa, der sich doch noch gegen seine Kumpane stellt oder die Schlussminute, die dem besorgten Zuschauer gewissermaßen garantieren soll, dass den Martins trotz der schweren Stunden zuvor ein untraumatisiertes, glückliches Weiterleben garantiert ist. Brosons privates Rennen gegen die Zeit und zwei Motorrad-Flics in einem roten Granada-Cabrio über die Provinz-Serpentinen ist ein kleines Meisterstück zeitgenössischen Actionkinos.

7/10

Terence Young Familie Kidnapping Côte dAzur car chase


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EL CUERPO (Oriol Paulo/E 2012)


Zitat entfällt.

El Cuerpo (The Body) ~ E 2012
Directed By: Oriol Paulo

Um mit seiner Freundin hat Álex Ulloa (Hugo Silva) seine herrische, reiche Gattin Mayka (Belén Rueda) ermordet. Indem er ihr ein verzögert wirkendes, pulsverlangsamendes Gift verabreicht und den folgenden Herzstillstand auf Maykas akute Flugangst schiebt, glaubt er sich als Hauptverdächtiger aus dem Schneider. Doch noch in der folgenden Nacht verschwindet Maykas Leiche aus der Gerichtsmedizin. Treibt die vermeintlich Tote aufs Neue ein diabolisches Spiel mit Álex? Der alternde Inspektor Peña (José Coronado) ermittelt.

Regisseur und Autor Oriol Paulo ist dem Vernehmen nach ja mächtig stolz auf die vertrackte Story, um eine "postmortale" Intrige, die er da ersonnen hat, führt das Publikum mit Liebe auf falsche Fährten und lässt am Ende die Schnur platzen, indem er einen großen twist aus dem Sack lässt, den vorher niemand erraten soll. Was richtig ist: "El Cuerpo" bildet einen sehr traditionsbewussten film noir, der als vollwertiges Gesellenstück eines fraglos talentierten Regisseurs Bestand hat und jenen auch zu wahren wissen wird. Möglicherweise werden sich viele Zuschauer auch tatsächlich von Paulo hinters Licht (und wieder zurück) führen lassen. Dabei ist die schlussendliche Auflösung gar nicht schwer zu ermitteln; Paulo flicht etliche Hinweise ein, die bereits offen darauf hindeuten und von dem zentralen, großen Verdächtigungs-Trara noch nichtmal allzu weit abzweigen. Bereits die Ankündigung von Komplexität schärft ja bereits präventiv die Sinne und so ist's denn auch hier. Paulo hat seine Lektionen emsig und bravourös studiert: Hitchcock, De Palma, Singers "The Usual Suspects" scheinen bei ihm permanent durch alle Ritzen und berauben ihn leider ein wenig der Eigenständigkeit. Dennoch ein erfreulich konzentrierter Film im Dickicht des gegenwärtigen Einerlei.

7/10

Barcelona Oriol Paulo Nacht Verhör Ehe neo noir Unfall


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LE PASSAGER DE LA PLUIE (René Clement/F, I 1970)


Zitat entfällt.

Le Passager De La Pluie (Der aus dem Regen kam) ~ F/I 1970
Directed By: René Clement,

Ein stummer Fremder (Marc Mazza) steigt aus dem Bus, verfolgt und vergewaltigt die junge Mélancolie 'Mellie' Mau (Marlène Jobert), deren Ehemann Tony (Gabriele Tinti) als Pilot arbeitet und außer Haus ist. Es gelint Mellie, den Fremden in ihrem Keller zu stellen und zu erschießen. Aus Scham und Angst hält sie die Affäre geheim und lässt die Leiche verschwinden. Bereits am nächsten Tag macht sie die Bekanntschaft des Amerikaners Harry Dobbs (Charles Bronson), der sich zunächst charmant gibt, ihr jedoch schon bald das Leben schwer macht. Dobbs ist nämlich auf der Suche nach ebenjenem Fremden, den Mellie erschossen hat und fahndet darüber hinaus nach einer Flugtaschen, in der sich ein Haufen Geld befindet. Trotz der folgenden Verhörduelle können beide eine gewisse wechselseitige Anziehung nicht leugnen...

Besonders als verquere Romanze finde ich "Le Passager De La Pluie", der schon aufgrund seines Schauplatzes, des Var-Territoriums, wesentlch sonniger daherkommt als sein Titel vermuten lässt, so schön. Obschon Bronsons schöne Gattin Jill Ireland in einer Nebenrolle als Freundin Mellies auftritt, geht die chemische Saat zwischen ihm und der aparten Marlène Jobert auf wundersame Weise auf: Wie die beiden sich küssen, schlagen und hier und da auch mal fast umbringen, das zeichnet Cléments Film, ganz unabhängig von dem zu luxuriöser Marginalität degradierten Krimiplot, in erster Instanz aus. Das Urteil darüber, ob dies Bronsons romantischste Rolle ist, will ich aufgrund momentan mangelhaften Überblicks einmal hintenanstellen; eine heiße Anwärterin wäre sie in jedem Fall.

8/10

René Clement Vergewaltigung Côte dAzur


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ADIEU L'AMI (Jean Herman/F, I 1968)


Zitat entfällt.

Adieu L'Ami (Bei Bullen "singen" Freunde nicht) ~ F/I 1968
Directed By: Jean Herman

Erst bei ihrer Ankunft in Marseille lernen sich die beiden Algerienkriegsveteranen Dino Barran (Alain Delon) und Franz Propp (Charles Bronson) kennen. Barran ist Arzt und durch die versehentliche Erschießung seines besten Freundes in Depressionen verfallen, Propp indes ein lebenslustiger Gauner, der vor keiner Möglichkeit, schnelles Geld zu machen zurückschreckt. Als Barran die geheimnisvolle Isabelle (Olga Georges-Picot) kennenlernt, veranlasst diese ihn zu einem Bruch bei einem Pariser Multi. Doch anstatt den Safe leerzuräumen, soll Barran zuvor entwendete Dokumente wieder darin platzieren. Während des Jobs taucht plötzlich auch Propp auf und beide werden im Safe eingesperrt. Nachdem ihnen viele Stunden später die Flucht glückt, gerät Propp in die Fänge der Polizei. Doch an ihm hat der ermittelnde Inspektor Méloutis (Bernard Fresson) eine harte Nuss zu knacken...

Bronson in Europa, Bronson in Frankreich. Hier hat der polnischstämmige US-Akteur einige seiner schönsten und stilvollsten Filme hinterlassen, die einerseits Wegbereiter für sein späteres Hartarsch-Image abgaben, andererseits jedoch in formal krassem Gegensatz im Besonderen zu seinem darstellerischen Werk in den Achtzigern stehen. In "Adieu L'Ami" ist er ein Sonnyboy, der als unwesentlich mehr denn als Stichwortgeber für den damals weitaus größeren Star Alain Delon fungiert. Die beiden als buddies zu besetzen, die sich, wie es sih ziemt, zunächst an die Kehle gehen, um dann höchsten Respekt und Vertrauen gegenüber dem jeweils Anderen zu entwickeln, zeugt jedoch von einigem Gespür. Der robuste, rustikale Bronson und der charmante gentilhomme Delon formulieren reizende Gegensätze, die ihre unfreiwillig beginnende Partnerschaft umso glaubwürdiger erscheinen lassen.
Dem gegenüber stehen einige mitunter seltsam anmutende Volten, die Script und Inszenierung vollziehen und aus denen ich nicht immer schlau werde. Die Schlusseinstellung etwa repräsentiert dies vorzüglich. Jene vermögen jedoch den positiven Gesamteindruck, den "Adieu L'Ami" resümierend hinterlässt, nicht wesentlich zu trüben.

7/10

Jean Herman Marseille Paris Buddy Movie Heist femme fatale Fremdenlegion


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DELIRIO CALDO (Renato Polselli/I 1972)


Zitat entfällt.

Delirio Caldo (Das Grauen kommt nachts) ~ I 1972
Directed By: Renato Polselli

Der sich für die Polizei als Profiler betätigende Psychologe Dr. Herbert Lyutak (Mickey Hargitay) leidet selbst unter schweren Störungen: Er ist impotent, sadistisch veranlagt, hat hyänenhafte Sexual-Halluzinationen und wird bisweilen zum - Frauenmörder! Seine eigene Gattin Marzia (Rita Calderoni) ahnt um die Anwandlungen ihres Mannes und betätigt sich selbst als Gewaltverbrecherin, um ihn zu decken. Welche Pläne jedoch verfolgt die Nichte der beiden, die flotte Joaquine (Christa Barrymore)? Und sind die ermittelnden Polizisten betreffs ihrer Garderobenwahl wirklich so geschmacksgeschädigt, wie wir mutmaßen müssen?

Kein Belatschern - Renato Polsellis "Delirio Caldo" gehört zu den blühendsten Auswüchsen psychotronischem Filmschaffens, derer man die auserwählte Ehre hat ansichtig zu werden. Von der ersten Sekunde an nimmt dieser entrückte Streifen einen mit auf eine Reise in die Bereiche des unmöglich Geglaubten und vermag es immer noch wieder, einen draufzusetzen, ohne Rücksicht auf Verluste sozusagen. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Schnittfassungen, so unter anderem eine, in der Dr. Lyutaks neurotische Anwandlungen auf ein Vietnam-Trauma geschoben werden. Doch bereits die herkömmliche - so man eine solch ordinäre Kategorisierung im Zusammenhang mit "Delirio Caldo" überhaupt verwenden darf - tut vortrefflich ihre unheilvolle, hiernzersetzende Wirkung beim Rezipienten; vorausgesetzt natürlich, man bedient sich der ohnehin verpflichtenden, deutschen Sychronisation, die aus der berühmten Münchener Schier-Fabrikation (nach dem Dialogautor Heinz G. Schier benannt) stammt, allerdings erst zu frühen Achtziger-VHS-Zeiten erstellt wurde und voll poetischer Strahlkraft ist. Letzteres nicht zuletzt wegen des wunderbaren Christian Marschall auf Mickey Hargitay, der noch jede semantische Absonderlichkeit seriös klingen lassen konnte. Fraglos kommt man in diesem Zusammhang nicht umhin, die zwei berühmtesten Bonmots zu zitieren: "Ich bin's, der Kartoffel" sowie "Ich habe einen instinktiven Verdacht metaphysischen Charakters". Doch auch seltener Hervorgehebene Fäkalanalogien wie "Jetzt drückt er" oder "Ich habe sie erst gesehen, als ich mich von meinem Schiss erhob" lassen Nonsensträume wahr werden, von all den anderen, paradoxen Basisambitionen, wie die, Italien unbedingt nach London ausschauen zu lassen und damit völlig auf die Schnauze zu fallen, gar nicht zu reden. Soviel Stuss unter einem Zylinder, das kann doch nur große Kunst sein.

6/10

Serienmord Madness Psychiatrie Renato Polselli Europloitation Trash Giallo Profiling


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INDAGINE SU UN CITTADINO AL DI SOPRA DI OGNI SOSPETTO (Elio Petri/I 1970)


Zitat entfällt.

Indagine Su Un Cittadino Al Di Sopra Di Ogni Sospetto (Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger) ~ I 1970
Directed By: Elio Petri

Just zum obersten römischen Beamten für Untersuchungen gegen sozial zersetzende Elemente befördert, tötet der 'Dottore' (Gian Maria Volonté) zunächst einmal seine Geliebte (Florinda Bolkan), deren höhnische Arroganz ihm bereits seit längerem zu schaffen macht. Ganz gezielt legt der Dottore Spuren und Indizien, die über kurz oder lang zu seiner Person und damit Verhaftung führen sollten, verhält sich auf der anderen Seite den Kollegen gegenüber jedoch zunächst bedeckt. Alle Versuche jedoch, Parallelen zwischen dem Verbrechen und seiner Person zu evozieren, scheitern - lediglich ein Mitarbeiter (Orazio Orlando) scheint das längst Offensichtliche erkennen zu wollen. Doch die gesamte übrige Präfektur leugnet das nunmehr erfolgende Geständnis des Dottore ab - der Mörder bleibt in Dienst und Würden.

Italien am Scheideweg: Die Demokratie gebiert urplötzlich unbequeme Neuerscheinungen wie radikalpolitische Studenten, homosexuelle Aktivisten und Rote Brigaden. Die Straßen verwandeln sich in Schauplätze für Demonstrationen, Aufmärsche und Sit-Ins, konspirative Wohnungen mit Che-Guevara-Postern liegen im Marihuana-Dunst. Für die altehrwürdigen Anzugträger christlicher Prägung ein undenkbarer Zustand, weshalb rasch ein effektiver Vorzeigepolizist hermuss, der mittels resoluten Konservativismus' die althergebrachten Werte auf populistische Art und Weise wieder geradezurücken hat. Eine zunehmend computerisierte Bürokratie soll ihn dabei unterstützen. Dass jener Beamte ausgerechnet ein narzisstischer, ebenso sexuell inkompetenter wie paraphiler Hassmensch ist, dessen angekratztes Selbstbild sich in einem Mord aus Eitelkeit entlädt, entpuppt sich als eine etwas unangenehme, letzten Endes jedoch zu vernachlässigende Nebenerscheinung seiner ansonsten systemförderlichen Präsenz. Ob dieser Zustand hinnehmbar ist oder nicht, diese Entscheidung überlässt Petri am Ende seiner bissigen Anklage gegen rechten Filz und überkommene biedermännische Ideale weithin seinem Publikum, das zwischen Traum und Realität wählen darf.

8/10

Elio Petri Italien Madness Rom Parabel Satire


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THE COUNSELOR (Ridley Scott/USA, UK 2013)


"Why wasn't Jesus Christ born in Mexico? Because you couldn't find three wise men or a virgin there."

The Counselor ~ USA/UK 2013
Directed By: Ridley Scott

Der Berater und Anwalt (Michael Fassbender) des Großdealers Reiner (Javier Bardem) gerät in eine empfindliche Situation, als man ihn verdächtigt, eine gewaltige Lieferung Kokain aus Mexiko gestohlen zu haben. Der Anwalt hatte den Deal nach Beratung mit Reiner und unter Vermittlung des hintergründigen Westray (Brad Pitt) eingefädelt, um sich noch mehr Luxus gönnen und mit seiner schönen Verlobten Laura (Penélope Cruz) in Reichtum schwelgen zu können. Er ahnt nicht, dass er einem eiskalt ersonnenen Plan von Reiners Liebchen Malkina (Cameron Diaz) aufsitzt, die tatsächlich hinter dem Kokaindiebstahl steckt und damit die Ermordung sämtlicher Beteiligten durch die rachsüchtigen Mexikaner nicht nur in Kauf nimmt, sondern ausdrücklich herbeiführt.

Vielleicht könnte man "The Counselor" in Scotts Gesamtwerk etwa jene Stellung zuordnen, die "Showgirls" in Paul Verhoevens Œuvre innehat: Eine mehr oder weniger freiwillige Liebäugelung mit Camp und Sleaze, die unter Inkaufnahme einer geradezu offensiven Exaltiertheit mit Sex und Amoral hausieren geht und die Schlechtigkeit der Welt ausstellt in einer Form, die wohl vornehmlich dazu angetan ist, ein eher bürgerliches Publikum zu schockieren; dem in Genrebelangen "erfahreneren" Betrachter - und dies dürften, davon gehe ich einfach mal aus - ohnehin die meisten sein, die sich "The Counseor" widmen, allerdings lediglich eine Variation altbekannter Themen kredenzt. "Scarface", "Traffic", "Blow", "Savages", "Spring Breakers" stehen in der Ahnenreihe dieses mit verlockenden Bildern protzenden Epos, in dem sogar Ströme von Jauche noch toll aussiehen: Leg' dich nicht mit Latino-Gangstern an, die sind nämlich die härtesten, kranksten und brutalsten Bastarde der Welt, die Föten und Schlimmeres zum Frühstück verspeisen! Wesentlich mehr sitzt eigentlich nicht drin in Scotts wie mit einem riesigen Nudelholz ausgewalzten Geschichte eines Niedergangs, die mir allerdings trotzdem prima gefallen hat, weil ich seit eh und je auf des Regisseurs selbstherrliches, schwelgerisches Stilgewichse abfahre und mich mit selbigem stets hinreichend wohl gefühlt habe. Hervorragende Darsteller, schöne Menschen, die, mit Ausnahme der armen Penélope Cruz (die es ausgerechnet am härtesten erwischt), kriegen, was sie verdienen und am Ende aber auch gar nichts mitnehmen können von Dolce oder Gabana, das kann auch mal schön sein. Und dann der mir omnipräsent scheinende Michael Fassbender. Mir fast schon unheimlich, dass ich, ganz unbewusst, schon so Vieles mit ihm angeschaut habe (ich zählte überraschterdings just ganze zwölf Filme, with many more to come). Ist aber auch echt okay, der Junge.

8/10

Ridley Scott Mexiko Arizona Drogen femme fatale





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